Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 40/94
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.613,90 DM (i. W. vierzehntausendsechshundertdreizehn 90/100 Deutsche Mark) nebst 6,5 %
Zinsen von 79,10 DM seit dem 06.05.1993 und von je 1.837,20 DM
seit dem 04.06., 05.07., 06.08., 04.09. 04.10., 05.11., 04.12.1993,
06.01. und 04.02.1994 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen .
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/4 und die Be-
klagte 3/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000,-- DM. Die Klägerin kann
die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 1.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher
Höhe Sicherheit leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beklagte hat von der Klägerin ein Geschäftslokal in dem Haus
3T-wall ##, Erdgeschoß, ab 01.09.1992 auf die Dauer von 5
4Jahren zum Betrieb eines Handels mit Computern und Computerzubehör
5angemietet. Der Mietzins beträgt 1.556 DM zuzüglich einer monatlichen
6Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 748 DM. Bis einschließlich
7April 1993 zahlte die Beklagte den Mietzins. Danach stellte
8sie die Mietzahlung mit Ausnahme einer einmaligen Zahlung in Höhe
9von 2.000 DM am 15.09.1993 ein, weil die Stadt E unmittelbar
10neben dem Haus T-wall ## im Frühjahr 1993 die Drogenberatungsstelle
11"C" und das Cafe "G" eingerichtet hat. Auch
12das Cafe "G" dient dem Aufenthalt von Drogenabhängigen.
13Die Klägerin verlangt mit der Klage einen nach Verrechnung mit
14einer Gutschrift in Höhe von 1.798,10 DM aus einer Nebenkostenerstattung
15verbleibenden Restbetrag für den Monat Mai 1993 in Höhe
16von 545,90 DM und die vereinbarten Mietzahlungen von Juni 1993
17bis einschließlich Februar 1994.
18Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Beklagte Belästigungen durch die Drogenszene als stadtüblich hinnehmen müsse und eine Mietminderung daraus nicht folge.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
2119.271,90 DM nebst 6,5 % Zinsen von 545,90 DM
22seit dem 06.05.1993 und von je 2.304 DM seit
23dem 04.06., 05.07., 06.08., 04.09 ., 04.10.,
2405.11., 04.12.1993, 06.01. und 04.02.1994
25sowie 1 DM vorgerichtliche Mahnauslagen zu
26zahlen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie ist der Auffassung, daß die Miete gemindert sei. Sie behauptet
30dazu, daß der T-wall schon einige Zeit nach Anmietung des
31Ladenlokals zu einem Treffpunkt von Drogensüchtigen, Dealern und
32anderen Kriminellen geworden sei, die den Eingang zum Geschäft
33verschmutzten, blockierten und potentiellen Kunden den Zugang versperrten.
34Als Folge dieser Beeinträchtigung habe sie einen drastischen
35Umsatzrückgang zu verzeichnen, den sie im einzelnen dargelegt
36hat.
37Das Gericht hat über die von der Beklagten behauptete Beeinträchtigung
38des Geschäftsbetriebes Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses
39der Beweisaufnahmen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26. April
401994, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien
41auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze
42nebst Anlagen. sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
43E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
44Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
45Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 535 BGB ein Anspruch
46auf Mietzahlung für den Zeitraum Mai 1993 bis einschließlich Februar
471994 in Höhe von noch 14.613,90 DM zu. Bei der Berechnung dieses
48Anspruches ist das Gericht davon ausgegangen, daß die Nettokaltmiete
49um 30 % = 466,80 DM gemäß § 537 Abs. 1 BGB gemindert ist. Denn
50jedenfalls ab Mai 1993 war das vermietete Ladenlokal mit einem
51Fehler behaftet, der die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch
52nicht unerheblich gemindert hat. Die vom Gericht zu der
53von der Beklagten aufgestellten Behauptung einer Beeinträchtigung
54des Geschäftsbetriebes durch die Drogenszene durchgeführte Beweisaufnahme
55hat ergeben, daß die Beklagte in der Ausübung ihres Geschäftsbetriebes
56durch den durch die Drogenberatung "C" und
57das Cafe "G" ausgelösten Verkehr von Drogenabhängigen nicht
58unbeträchtlich beeinträchtigt wird. Die Zeugen U und U2 haben dazu bekundet, daß sich abhängig von der Wetterlage
5915 bis 30 Personen, die der Drogenszene zuzurechnen sind, auf dem
60vor dem Ladenlokal befindlichen Bürgersteig aufhalten und teilweise
61den Eingang zum Geschäftslokal der Beklagten blockieren. Die Zeugen
62haben im einzelnen die unerfreulichen Begleiterscheinungen geschildert,
63die nahezu zwangsläufig mit der Drogenszene verbunden sind.
64Es handelt sich hierbei um Belästigungen durch Anbetteln, den am
65Schwanenwall entstandenen Straßenstrich, die Verunreinigung im
66Eingangsbereich zum Geschäftslokal durch Spritzenbestecke, Erbrochenes
67oder Urin sowie das gelegentliche Deponieren von Betäubungsmitteln
68im Geschäftslokal, wenn die Polizei Razzien durchführt. Die Bekundungen
69dieser Zeugen, die bei der Beklagten beschäftigt sind, werden
70bestätigt durch die Aussage des Zeugen Q, dem Büroleiter
71der Klägerin, die ebenfalls im Haus T-wall ## ein Büro unterhält.
72Der Zeuge Q hat sich durch die von der Drogenszene
73geschaffenen Umstände veranlaßt gesehen, das Haus sozusagen zu
74einer Festung auszubauen und Zutritt nur noch über eine Gegensprechanlage
75zu gestatten.
76Durch diese Umstände wird die Beklagte in ihrem vertragsgemäßen
77Gebrauch ,nämlich der Ausübung ihres Verkaufsgeschäftes, in nicht
78unerheblichem Maße gehindert (vgl. BGH NJW 1974, 2233), so daß
79die Voraussetzungen des § 537 BGB vorliegen. Das Gericht hat berücksichtigt,
80daß bei gewerblichen Räumen primär auf die Störung der
81Betriebsausübung abzustellen ist (OLG Düsseldorf Betriebsberater
821989, 1934).
83Es liegt auf der Hand, daß durch die von der Beklagten behaupteten
84und durch die Beweisaufnahme bestätigten Umstände die Laufkundschaft
85abgeschreckt wird und die Umsätze bei der Beklagten zurückgegangen
86sind. Die Beklagte hat im einzelnen Zahlen vorgelegt, aus denen
87sich eine erhebliche Verringerung ihres Umsatzes ergibt. Die Klägerin
88hat diese Zahlen zwar mit Nichtwissen bestritten. Das Gericht hat
89jedoch keine Veranlassung, das von der Beklagten behauptete Zahlenwerk
90durch Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen, da der
91Umfang der sich aus § 537 BGB ergebenden Minderung des Mietzinses
92ohnehin nicht prozentual entsprechend dem Umsatzrückgang ergibt.
93Zudem vermag auch ein Sachverständigengutachten nicht zu klären,
94inwieweit die Umsatzrückgänge auch auf andere Einflüsse zurückzuführen
95sind als durch die Beeinträchtigung durch die Drogenszene.
96Die von der Beklagten selbst vorgelegten Zahlen zu ihren Halbjahresumsätzen
97aus Rechnungen legen den Schluß nahe, daß auch andere
98Gründe als die Drogenszene für die Umsatzrückgänge noch verantwortlich
99sind, denn der Halbjahresumsatz aus Rechnungen betrug
100im ersten Halbjahr 1993 284.035 DM, während er im 2. Halbjahr
1011993 nur noch 28.030 DM betrug. Da die Umsätze aus Rechnungen
102durch die Laufkundschaft weniger beeinflußt werden als die Kassenumsätze,
103liegt die Vermutung nahe, daß auch Einflüsse, die außerhalb
104der Drogenszene liegen, für den Umsatzrückgang bei der Beklagten
105verantwortlich waren.
106Das Gericht hat die Minderung des Mietzinses, die durch die Belästigungen
107durch die Drogenszene verursacht worden sind, mit 30 % angenommen
108und dabei nach freier Überzeugung unter Würdigung aller
109Umstände entsprechend § 287 Abs. 1 ZPO entschieden. Die 30 %ige
110Minderung macht pro Monat einen Betrag von 466,80 DM aus, da die
111Minderung nur auf die Nettomiete, nicht jedoch auf die Nebenkostenvorauszahlung
112anzurechnen ist. Die Nebenkosten sind verbrauchsabhängige
113Kosten, die sich ohnehin reduzieren, wenn die Beklagte durch
114den verminderten Geschäftsbetrieb geringere Nebenkosten verursacht.
115Danach ergibt sich folgende Abrechnung:
116Mai 1993 79,10 DM
117Juni 1993 bis Februar 1994 Nettomiete 9.862,80 DM
118Juni 1993 bis Februar 1994 Nebenkostenvorauszahlung. 6.732,00 DM
11916.613,90 DM
120Abzüglich Zahlung 2.000,00 DM
12114.613,90 DM
122Der Zinsanspruch beruht auf §§ 284, 286, 288 BGB.
123Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über
124die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709 und 711
125ZPO.
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