Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 525/95
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
15.488 DM (i.W. fünfzehntausendvierhunder-
tachtundachtzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zin-
sen seit dem 11.08.1995 zuzahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt, die Kosten des Rechts-
streits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 23.000 DM vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Datenträger-
3Versicherung auf Entschädigung in Anspruch.
4Die Klägerin kaufte im Januar 1993 das Computerprogramm
5B und im September 1993 das Programm I , die
6beide im Rahmen des Lizenzvertrages jeweils mit einem
7Kopierschutz in Form eines Dongle-Hardwarelocks von dem
8Software-Hersteller ausgeliefert wurden. Ein Dongle
9wird als Stecker auf eine der Schnittstellen des PC ge-
10steckt; er enthält einen speziellen Code, wodurch das
11jeweilige Programm nicht ohne ihn gestartet werden
12kann.
13In der Installationsbeschreibung für den Hardwarelock
14des B heißt es unter anderem: "... daß pro
15B-Lizenz Anrecht auf einen Hardwarelock besteht.
16Falls der Hardwarelock verlorengehen oder gestohlen
17werden sollte, muß zu dessen Ersatz ein neues B-
18Paket zum vollen Preis erworben werden. Wir empfehlen
19Ihnen deshalb, den Hardwarelock wie die übrige
20Computerausrüstung zu versichern." (vgl. Bl. 60 d.A.).
21Die Klägerin unterhielt bei Ankauf der Programme
22bereits- bei der Beklagten unter anderem eine Daten-
23träger-Versicherung auf der Grundlage der Allgemeinen
24Versicherungsbedingungen für Fernmelde- und sonstige
25elektrotechnische Anlagen (AVFE 70/1986), wonach unter
26anderem für den Fall des Einbruchsdiebstahls Ver-
27sicherungsschutz für die Gegenstände gemäß der der
28Police beigefügten Aufstellung besteht.
29Am 27.05.1995 ereignete sich bei der Klägerin ein Ein-
30bruchdiebstahl, der von der Beklagten bis auf die Re-
31gulierung für die beiden Dongles abgewickelt wurde. Die
32Parteien streiten über die Frage, ob diese mitver-
33sichert sind.
34Die Klägerin behauptet, die Dongles seien untrennbarer
35Bestandteil der Software und damit Gegenstand des Ver-
36sicherungsvertrages; eine Nutzung der Programme ohne
37die dem Computer aufgesteckten Dongles sei nicht
38möglich. Eine Wiederbeschaffung sei entsprechend den
39Bedingungen der Software-Lieferanten nur insgesamt zum
40vollen Preis möglich.
41Die Klägerin beantragt,
42die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.560,00 DM
43nebst 4 % Zinsen seit dem 11.08.1995 zu zahlen.
44Die Beklagte beantragt,
45die Klage abzuweisen.
46Sie behauptet, daß es sich bei den Dongles um Hardware-
47Teile gehandelt habe, die von der Versicherung nicht
48umfaßt seien, da sie in der Aufstellung nicht enthalten
49seien. Sollte es sich dennoch um Software-Bestandteile
50handeln, habe die Klägerin falsche Angaben im Rahmen
51des Antrages vom 05.01.1989 unter den Punkten 2, 6 und
527 gemacht. Zudem stelle die Installation von Dongles
53eine mitteilungspflichtige Gefahrerhöhung dar. Schließ-
54lich bestreitet die Beklagte die Schadenshöhe: Sie be-
55hauptet, daß ein Dongle lediglich 100,00 DM koste, und
56daß die Programmierung in wenigen Minuten durch den
57Lizenzgeber möglich sei, der zudem zur Mitwirkung ver-
58pflichtet sei.
59Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf den
60Inhalt der gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst
61Anlagen verwiesen.
62Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beschluß vom
6329.02.1996 (Bl. 49 bis 51 d. A.) durch Einholung eines
64schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Er-
65gebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des
66Diplom-Ingenieurs E vom 19.03.1997 (Eingang Land-
67gericht Dortmund; Bl. 75 bis 81 d. A.) verwiesen.
68Entscheidungsgründe
69Die Klage ist im wesentlichen begründet.
70Die Klägerin kann von der Beklagten Entschädigung für
71die Entwendung der Dongles anläßlich des unstreitigen
72Versicherungsfalles vom 27.05.1995 in Höhe des Wieder-
73beschaffungswertes verlangen, da die Kammer nach durch-
74geführter Beweisaufnahme davon überzeugt ist, daß die
75Dongles unter die mitversicherte Software fallen und
76die Höhe der geltend gemachten Wiederbeschaffungskosten
77nachgewiesen ist.
78Gemäß Klausel 638 (87) Ziffer 2 b zu den §§ 1 bis 11
79AVFE 76 sind Daten versichert, die außerhalb des
80Arbeitsspeichers der Zentraleinheit gespeichert sind,
81worunter die Dongles nach dem Ergebnis der Beweisauf-
82nahme fallen.
83Die Kammer sieht nämlich nach durchgeführter Beweisauf-
84nahme die Behauptung der Klägerin als bewiesen an,
85wonach die entwendeten Dongles nicht der Hardware
86sondern der Software zuzurechnen sind, so daß die Be-
87klagte die Wiederbeschaffungskosten zu erstatten hatte.
88Der Sachverständige E hat eingehend und zur Über-
89zeugung der Kammer ausgeführt, daß ausschlaggebend für
90die Funktion eines Dongles die im Mikroprogramm
91codierte Information und nicht der Baustein als
92physikalischer Gegenstand sei, der als solcher ein
93elektronisches Bauteil sei. Auch nach den Unter-
94scheidungskriterien zwischen Soft- und Hardware ist ein
95Dongle der Software zuzuordnen, da das Dongle nicht der
96Funktion des Computers dient, sondern über ein be-
97stimmtes Software-Programm den Zugang zu einem weiter-
98gehenden Software-Programm sichert. Auch das OLG
99Karlsruhe hat in dem vom Sachverständigen zitierten
100Urteil entschieden, daß in der Entfernung einer Dongle-
101Abfrage die Umgestaltung des PC-Programms zu sehen ist,
102was sich wiederum ausschließlich auf die Software be-
103zieht (vgl. hierzu OLG Karlsruhe NJW 96, 2583).
104Die Beklagte ist nicht wegen vorsätzlich falscher An-
105gaben der Klägerin im Rahmen des Antrages gemäß § 6 VVG
106von der Eintrittspflicht frei, da die Klägerin die
107Dongles erstmals im Jahre 1993 erwarb und die Antrags-
108fragen bereits im Januar 1989 ausgefüllt wurden.
109Die Beklagte ist auch nicht wegen nachträglicher Ge-
110fahrerhöhung und deren Nichtanzeige gemäß den §§23 ff.
111VVG von der Leistungspflicht frei geworden.
112Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Klägerin
113verpflichtet gewesen wäre, der Beklagten die An-
114schaffung der Dongles im Hinblick auf die Höhe der
115Wiederbeschaffungskosten anzuzeigen. Jedenfalls liegen
116die weiteren Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit
117der Beklagten nicht vor, da diese den Vertrag weder
118innerhalb Monatsfrist ab Kenntniserlangung von der Ge-
119fahrerhöhung gekündigt hat (§ 24 VVG) noch die An-
120bringung der Dongles Einfluß auf den Eintritt des Ver-
121sicherungsfalls im Sinne des § .25 III VVG hatte.
122Die Kammer ist nach Durchführung der Beweisaufnahme
123auch davon überzeugt, daß der Klägerin der mit der
124Klage geltend gemachte Schaden durch das Ereignis vom
12527.05.1995 entstanden ist, wobei der 5 %ige Selbst-
126behalt gemäß § 6 Abs. 5 der Klausel 638 (87) abzuziehen
127war.
128Nach den vorliegenden AGB des B -Programmes ist
129der Käufer im Falle des Verlustes sowie der Entwendung
130verpflichtet, ein neues B-Paket zu erwerben, das
131heißt jeweils einen neuen Dongle mit installiertem
132Sicherungs-Programm.
133Ein Verstoß gegen das AGB-Gesetz durch die Neuan-
134schaffungspflicht ist nicht ersichtlich, da der Käufer
135bei jedem in Verlust geratenen Gegenstand denselben er-
136setzen müßte und gerade dieses Risiko durch die abge-
137schlossene Versicherung abgedeckt wird. Es ist nicht
138ersichtlich, aus welchen Gründen im Falle des Verlustes
139eines Dongles andere Grundsätze gelten sollten.
140Die Wiederbeschaffungskosten entsprechen auf der Grund-
141lage der vorliegenden Verträge denen des Erstvertrages,
142so daß der Schaden anhand der vorliegenden Unterlagen
143nachgewiesen ist.
144Die Klägerin muß sich jedoch gemäß Ziffer 6 Klausel 638
145zu den §§ 1 bis 11 AVFE 76 einen Selbstbehalt in Höhe
146von 5 % anrechnen lassen, was unter Berücksichtigung
147der bereits erbrachten Leistung in Höhe von 5.880,00 DM
148zuzüglich der Klageforderung in Höhe von 15.560,00 DM
149dem Abzug eines Betrages in Höhe von 1.072,00 DM ent-
150spricht. Da die Beklagte im Rahmen der Regulierung und.
151Zahlung bereits den Selbstbehalt in Höhe von pauschal
1521.000,00 DM abgezogen hat, war noch ein Betrag von
15372,00 DM als restlicher Selbstbehalt abzuziehen.
154Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 und 709
155ZPO.
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Referenzen
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