Beschluss vom Landgericht Dortmund - 14 (XI) Qs 71/97
Tenor
Es wird festgestellt, daß die Entscheidung des Vorsit-
zenden des erweiterten Schöffengerichts vom 7.10.1997,
den Hauptverhandlungstermin nicht zu verlegen, rechts-
widrig ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Ange-
klagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen
trägt die Landeskasse.
1
Gründe:
2Das Rechtsmittel ist als Beschwerde gegen die Ablehnung des
3Vertagungsantrags zu werten; diese Beschwerde gegen die Ab-
4lehnung des Antrags auf Terminsverlegung ist in dem hier
5zu entscheidenden Fall ausnahmsweise zulässig.
6Grundsätzlich sind Rechtsmittel gegen die Terminsbestimmung
7unzulässig. § 305 StPO schränkt die Beschwerde gegen die
8dem Urteil vorausgehenden Entscheidungen aber dann nicht
9ein, wenn .die angefochtene Entscheidung nur oder auch pro-
10zessuale Bedeutung in anderer Richtung hat und deshalb von
11selbständiger Bedeutung ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, Rn 5
12zu § 305 StPO). Selbständige Bedeutung kann dabei die Frage
13erlangen, ob ein Angeklagter durch einen Verteidiger seiner
14Wahl verteidigt wird. Diese Frage erlangt hier Gewicht mit
15der Folge, daß in diesem Umfang auch die mit der Terminbe-
16stimmung zusammenhängenden Entscheidungen mit der Beschwer-
17de angefochten werden können.
18Begründet ist eine derartige Beschwerde nach jetzt wohl
19h.M, (zu vergl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, 43. Aufl., Rn 8
20zu § 213 StPO m.w.N.) dann, wenn die angefochtene Entschei-
21dung infolge fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig
22ist. Das ist hier der Fall:
23Der Angeklagte hatte um die Beiordnung von RA X mit
24der Begründung ersucht, er habe ihn in einem früheren Ver-
25fahren schon einmal verteidigt. Nur so kann seine Äußerung,
26er wolle seinen "alten Pflichtverteidiger Herrn X
27haben" (Bl. 99 d.A,), verstanden werden. Das läßt auf ein
28besonderes Vertrauensverhältnis schließen, was der Vorsit-
29zende des Schöffengericht selbst als gegeben unterstellt
30haben dürfte, als er RA X in Abweichung von der Re-
31gel des §142 Abs. 1 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt
32hat. Die Ablehnung der Terminsverlegung hätte deshalb zur
33Folge, daß wegen der Verhinderung, von RA X an minde-
34stens zwei der vorgesehenen drei Verhandlungstage der Ange-
35klagte der Möglichkeit benommen wäre, sich eines Verteidi-
36gers seines Vertrauens zu bedienen. Dieses Recht eines An-
37geklagten, sich eines Verteidigers seines Vertrauens zu be-
38dienen, ist bei Anfragen auf Terminsverlegungen im Rahmen
39der Ermessensausübung zu berücksichtigen (BHG StV 1989,
4089). Dieses Recht hat hier besondere Bedeutung, weil offen-
41bar ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Darüber-
42hinaus liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor. Ein be-
43sonderes Beschleunigungsbedürfnis ist indessen nicht zu er-
44kennen. Bei alledem relativiert sich dieses, wenn der Ange-
45klagte selbst - über seinen Verteidiger - die Anberaumung
46eines späteren Termins beantragt.
47Daß der Vorsitzende des Schöffengerichts - neben den vorge-
48tragenen und ebenfalls gewichtigen Gründen - dieses bei
49seiner Entscheidung, den Termin nicht zu verlegen, berück-
50sichtigt hätte, lassen, seine Antwort und auch die Nichtab-
51hilfeentscheidung aufgrund der Beschwerde nicht erkennen.
52Dabei hätte allein die Tatsache, daß es sich um einen mit
53dem Verteidiger nicht abgestimmten Termin gehandelt hatte,
54Ausführungen auch zur Frage der bei Fortbestand des Termins
55nicht möglichen Verteidigung durch einen Verteidiger des
56Vertrauens erfordert. Der allgemeine Grundsatz wirksamer
57Verteidigung und die prozessuale Fürsorgepflicht gebieten
58es, sich bei Terminsschwierigkeiten ernsthaft um deren Lö-
59sung zu bemühen. Das gilt insbesondere in Sachen, die nicht
60offensichtlich einfach in tatsächlicher und rechtlicher
61Hinsicht sind, bei denen vielmehr ein besonderes Bedürfnis
62des Angeklagten erkennbar ist, sich eines Verteidigers sei-
63nes Vertrauens zu bedienen. Zwar hat der Verteidiger keinen
64Anspruch auf vorherige Terminsabsprache; allerdings läuft
65der verfügende Richter Gefahr, prozeßordnungswidrig zu han-
66deln, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl seines
67Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, daß der Verteidi-
68ger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahr-
69nehmen kann, ohne daß er Einfluß auf die Terminierung hätte
70nehmen können ( OLG Hamburg, StV 1995, 11). Daß Versuche,
71hier einen Termin abzustimmen, von vornherein wegen unko-
72operativen Verhaltens des Verteidigers aussichtslos gewesen
73wären, ist nicht erkennbar.
74Nach alledem stellt sich die Maßnahme des Vorsitzenden, den
75Termin bestehen zulassen, als rechtswidrig dar. Der Kammer
76ist nur die Feststellung dieser Rechtswidrigkeit möglich;
77in die Befugnis des Vorsitzenden, die Termine zu bestimmen,
78kann sie nicht eingreifen (Kleinknecht/Meyer-Goßner/ Rn 8
79a.E. zu § 213 StPO).
80Die Kostenentscheidung entspricht § 467 Abs.1, 473 StPO analog.
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