Grundurteil vom Landgericht Dortmund - 12 O 337/98
Tenor
Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Über die Kosten wird im Endurteil entschieden.
1
Tatbestand
2Die Stadt T und die Klägerin schrieben im April
31997 Mischwasserkanalarbeiten nebst Versorgungsleitun-
4gen (Gas, Wasser, Strom, Leitungen für Stadtwerke) in
5Form von Anzeigen in den regionalen Tageszeitungen aus
6mit der Aufforderung, die Ausschreibungsunterlagen bei
7der Stadt T -Tiefbauamt- anzufordern. Wegen des
8Wortlauts der Anzeige wird auf Bl. 52 d. A. verwiesen.
9Auf Grund dieser Anzeige meldete sich u. a. die Be-
10klagte und erhielt die Ausschreibungsunterlagen vom
11Tiefbauamt der Stadt T übersandt. An dieses
12schickte sie die Angebotsunterlagen auch wieder zurück.
13Das Deckblatt enthielt als Auftraggeber die Stadt
14T. Insoweit wird auf Bl. 35 d. A. Bezug genommen.
15Die Angebote hinsichtlich der Verlegung der
16Versorgungsleitungen trugen die Überschrift "Stadtwerke
17T GmbH" und lauteten im einzelnen wie Bl. 9-20 d. A..
18Es ist streitig zwischen den Parteien, ob die Aus-
19schreibung für den Mischwasserkanal und die Versor-
20gungsleitungen als Gesamtangebot oder als getrennte
21Ausschreibungen verstanden werden konnten.
22Der Beklagte erteilte unter dem 15.04.1997 ein Angebot
23über insgesamt 550.509,01 DM, und zwar hinsichtlich des
24Mischwasserkanals in Höhe von 469.572,00 DM und in Höhe
25von 80.937,01 DM (Bl. 35 d. A.).
26Das Tiefbauamt der Stadt T legte in einer Verdin-
27gungsverhandlung die Zeit für die Erteilung des Zu-
28schlags bis zum.l6.04.1997um 11.00 Uhr fest. An diesem
29Tag kam es dann zur Vergabeverhandlung. Es ist nicht
30bekannt, wer den Zuschlag erhielt. Wegen der darüber
31gefertigten Niederschrift wird. auf Bl. 5-8 d." A. Bezug
32genommen.
33Eine Nachricht über die Zuschlagserteilung wurde an die
34nicht anwesenden Bewerber nicht erteilt.
35Die Klägerin stellte fest, dass die Beklagte das
36günstigste Angebot im Hinblick auf die Versorgungslei-
37tungen abgegeben hatte und teilte ihm dieses mit. Der
38Beklagte lehnte mit Schreiben vom 07.05.1997 (Bl. 21
39d. A.) die Durchführung der Arbeiten "Verlegen von Ver-
40sorgungsleitungen" ab, da das Angebot im Zusammenhang
41mit dem Angebot für die Stadt T gerechnet worden
42sei.
43Mit Schreiben vom 13.05.1997 bezog sich die Klägerin
44sodann schriftlich gegenüber dem Beklagten auf dessen
45Angebot vom 15.04.1997 unter der Überschrift
46"Bestellung" und nannte als Liefertermin die
4722. Kalenderwoche 1997. Insoweit wird auf Bl. 22 d. A.
48Bezug genommen.
49Die Beklagte wies mit Schreiben vom 16.05.1997 (Bl. 23
50d. A.) darauf hin, dass sie erst ab September die Ar-
51beiten ausführen könne und Mehrkosten geltend machen
52müsse wegen der Aufteilung des Auftrags. Für die Ober-
53flächen könnte sie keine Gewährleistung übernehmen.
54Am 22.05.1997 wies die Klägerin den Beklagten auf seine
55Verpflichtung zur Leistungserbringung hin. Auch dies
56lehnte die Beklagte ab.
57Sodann teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben
58vom 02.06.1997 (Bl. 24 d. A.) mit, dass sie nunmehr den
59Auftrag mit einer Angebotssumme von 88.046,48 DM an
60eine andere Firma vergeben habe und behielt sich vor,
61der Beklagten bei der Abrechnung der Maßnahme die
62Preisdifferenz anzulasten (Bl. 24 d. A.). Die Klägerin
63hat zunächst eine Preisdifferenz von netto 15.822,23 DM
64errechnet und diesen Betrag nebst Mehrwertsteuer mit
65Klageschrift vom 03.07.1998 gegen die Beklagte geltend
66gemacht.
67Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe ein An-
68spruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu.
69Durch die Zuschlagerteilung gegenüber der Beklagten sei
70ein Werkvertrag zustande gekommen. Die Beklagte habe
71die Durchführung der Arbeiten zu Unrecht abgelehnt.
72Nach nunmehr erteilter Abrechnung der Firma K,
73die den Auftrag letzten Endes durchgeführt habe, ergebe
74sich nunmehr eine Preisdifferenz in Höhe von
7512.060,84 DM (Bl. 51 d. A,). Diesen Betrag verlange sie
76nunmehr als Schadensersatz von der Beklagten.
77Die Klägerin beantragt,
78die Beklagte zu verurteilen, an sie
7912.060,84 DM nebst 5 % Zinsen seit dem
8001.02.1998 an die Klägerin zu zahlen und nahm
81die Klage im übrigen zurück.
82Die Beklagte beantragt,
83die Klage abzuweisen.
84Sie meint, eine Schadensersatzverpflichtung bestehe
85deswegen nicht, weil es zu einem Vertrag zwischen ihr
86und der Klägerin nicht gekommen sei. Ihr Angebot habe
87sich an die Stadt T gerichtet. Nach den übersandten
88Unterlagen habe es sich um ein Gesamtangebot gehandelt.
89So sei es von ihm gemeint und auch abgegeben worden. Es
90sei ferner Tatsache, dass derartige Arbeiten im Bereich
91der Stadt T seit mehr als 25 Jahren stets zusammen
92vergeben worden seien, nachdem, die Verlegung von Ver-
93sorgungsleitungen rechtlich verselbständigt und auf die
94Klägerin übertragen worden sei. Eine getrennte Vergabe
95der Straßen- und Kanalbauarbeiten habe es noch nie ge-
96geben. Eine derartige Trennung der Arbeiten sei aber
97tatsächlich unmöglich, zumindest aber mit unüberwindba-
98ren Schwierigkeiten verbunden. Die Arbeiten und insbe-
99sondere die Arbeitsabläufe griffen derart ineinander,
100dass sie hinsichtlich des Umfangs wie auch hinsichtlich
101der Gewährleistung kaum abzugrenzen seien. Die von der
102Stadt T übersandten Formulare enthielten auch mehr-
103fach Hinweise, die den Bewerber auf eine gemeinsame
104Ausschreibung schließen lassen müssten. So heißt es
105beispielsweise in der Anlage unter dem Stichwort
106"Angebotsabgabe": Siehe Angebot Stadt T. Das Ge-
107samtangebot sei auch von der Stadt T eröffnet und
108verhandelt worden. Eine getrennte Vergabeverhandlung
109habe es nicht gegeben. In dem Angebot der Stadt T
110sei unter Ziff. 5.2 ausdrücklich vorgesehen, dass eine
111Unterteilung der Arbeiten in Lose nicht erfolge. Die
112Ausschreibungsbedingungen der Stadt T sollten auch
113für die Angebotsabgabe hinsichtlich der Versorgungslei-
114tungen gelten. Aus diesem Grunde sei eine Trennung
115nicht zulässig. Mit der Erteilung des Zuschlags seitens
116der Stadt T an ein anderes Unternehmen sei das
117Angebot der Beklagten erloschen. Ein wirksames Angebot,
118welches die Stadt T hätte annehmen können, habe
119daher nicht vorgelegen. Schließlich bestreite sie den
120geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe. Die
121Klägerin habe weder das Angebot der Firma K noch
122deren Rechnung nebst Aufmaß und Leistungsnachweis vor-
123gelegt. Der diesbezügliche Sachvortrag sei daher unsub-
124stantiiert und unschlüssig.
125Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens
126wird auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.
127Entscheidungsgründe
128Der Klageanspruch war dem Grunde nach zuzusprechen. Ge-
129mäß § 304 ZPO hat die Kammer über den Grund vorab ent-
130schieden, weil dieser im Gegensatz zu der Höhe der For-
131derung entscheidungsreif war.
132Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ein Werk-
133vertrag über die Verlegung von Versorgungsleitungen zum
134Preise von netto 70.380,01 DM wirksam zustande gekom-
135men .
136Die Klägerin hat das Angebot der Beklagten vom
13715.04.1997, das diese, gerichtet an die Stadt T,
138abgegeben hat, angenommen.
139Die Klägerin war erkennbar Auftraggeberin. Das ist zwar
140noch nicht eindeutig erkennbar aus dem Text der Zei-
141tungsanzeige (Bl. 52 d. A.) jedoch aus den übersandten
142Formularen war für den erfahrenen Mitbieter, wie es die
143Beklagte war, eindeutig ersichtlich, dass die
144Stadtwerke T die Versorgungsleitungen und die Stadt
145T die Arbeiten hinsichtlich des Mischwasserkanals
146vergeben wollten. Das ist zum einen deutlich aus dem
147Formular mit der Überschrift "Stadtwerke T GmbH",
148Anlage zum Angebot über Ausführung von Tiefbauarbeiten
149für die Stadtwerke T GmbH (Bl. 9 d. A.) zu erken-
150nen, aber auch aus dem Deckblatt des Angebots, welches
151die Beklagte überreicht hat. Hiernach ist zwar als Auf-
152traggeber die Stadt T benannt. Unter dem Mittelteil
153heißt es jedoch "Stadt Z, sodann folgt die Höhe
154des jeweiligen Angebots insoweit und darunter
155"Stadtwerke T GmbH" mit der entsprechenden Ange-
156botssumme, die der Beklagte mit 80.937,01 DM hier für
157die Versorgungsleitungen eingesetzt hat und einer Ge-
158samtangebotssumme von 550.509,01 DM (Bl. 35 d. A.).
159Zwar kann dieses Deckblatt wegen der Formulierung Ge-
160samtangebot und des oben genannten Auftraggebers "Stadt
161Z, kurzfristig irreführen, bei genauer Durchsicht
162der gesamten Formulare und auch aus dem Umstand, dass
163die Ausschreibung unter unterschiedlichen Nummern ge-
164führt wurde -hier Nr. 0041/97-, war dem Bewerber ohne
165weiteres erkennbar, dass das Gewerk Verlegung von Ver-
166sorgungsleitungen ausschließlich von der Stadtwerke .
167T GmbH als Auftraggeberin ausgeschrieben und be-
168zahlt werden sollte. Die Beklagte hat im Termin zur
169mündlichen Verhandlung vom 17.11.1998 durch ihren Ge-
170schäftsführer eingeräumt, dass dies nicht die erste
171Ausschreibung der Stadt T ist, an der sie teilge-
172nommen hat. Demnach kann keine Unerfahrenheit bei ihr
173vorausgesetzt werden.
174.
175Demgegenüber fällt auch nicht ins Gewicht, dass die Be-
176klagte (unter Beweisantritt) behauptet hat, dass die
177Vergabe derartiger Bauvorhaben stets einheitlich er-
178folgt sei. Die Klägerin ist eine selbständige Rechts-
179persönlichkeit und hat als solche das Recht und die
180Möglichkeit, Aufträge selbständig zu vergeben. Dies hat
181sie hier auch, erkennbar für den Normalbieter, hier getan.
182Der Beklagte kann sich weiterhin auch nicht darauf be-
183rufen, dass der Zuschlag in der Vergabeverhandlung der
184Stadt T betreffend den Mischwasserkanal bereits an-
185derweitig erteilt worden sei und damit auch sein Ange-
186bot, das als Gesamtangebot gemeint gewesen sei, hinfäl-
187lig wäre. Das Angebot des Beklagten war aus Sicht der
188Klägerin eben nicht erkennbar ein Gesamtangebot, son-
189dern ein Spezialangebot, betreffend die Verlegung von
190Versorgungsleitungen zum .Preise von insgesamt netto
19170.380,01 DM, wie sich aus der Zusammenstellung, die
192auch insoweit isoliert von der Beklagten unterschrieben
193worden ist, deutlich ergibt. Wenn der Beklagte nur ein
194gemeinsames Angebot hätte abgeben wollen, wäre ein ent-
195sprechender Zusatz (z. B. nur im Zusammenhang mit dem
196Angebot für Mischwasserleitung) erforderlich gewesen.
197Schließlich spricht auch nicht gegen eine getrennte
198Auftragserteilung, dass die Klägerin in ihren Formula-
199ren Bezug nimmt auf das Angebot der Stadt T bei-
200spielsweise in der Rubrik: "Angebotsabgabe" und
201"Arbeitsbeginn". Diese Bezugnahme wäre gerade überflüs-
202sig, wenn die Auftragsvergabe nur einheitlich gemeint
203gewesen wäre und erfolgen sollte.
204Die Klägerin hat das isolierte Angebot der Beklagten
205über die Verlegung von Versorgungsleitungen zum Preise
206von 70.380,01 DM netto wirksam mündlich und schriftlich
207angenommen mit Telefongespräch vom 07.05.1997 und der
208"Bestellung vom 13.05.1997".
209Die mündliche und schriftliche Ablehnungserklärung der
210Beklagten vom 07.05.1997 steht dem nicht entgegen. Die
211Beklagte ist gemäß § 145 BGB an ihr Angebot gebunden,
212es sei denn, die Annahme wäre nicht rechtzeitig er-
213folgt. Davon kann jedoch angesichts des Ablaufs von
214noch nicht einmal einen Monat nicht gesprochen werden.
215Eine Frist war mit dem Angebot ausdrücklich nicht ver-
216bunden.
217Das Angebot ist auch nicht etwa erloschen durch die Er-
218teilung des Zuschlags an einen anderen Bewerberhin-.
219sichtlich des Mischwasserkanals, da eine Abhängigkeit
220zu diesem Angebot nicht bestanden hat, wie bereits oben
221ausgeführt wurde.
222Das einmal erklärte Angebot wird angenommen durch ein-
223fache Erklärung desjenigen, dem gegenüber das Angebot
224abgegeben worden ist, demnach durch die Klägerin.
225Aus der Vorbemerkung der Vertragsbestimmung, wonach die
226Ausschreibung in Anlehnung an die VOB/A-SKR erfolgen
227solle und die Klägerin sich die Vergabe des Auftrags im
228Verhandlungsverfahren vorbehalten hat, kann die Be-
229klagte nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass die Ge-
230samtvergabe bzw. Auftragserteilung unwirksam sei. Die
231Formulierung "vorbehalten" besagt lediglich, dass eine
232Möglichkeit der Stadtwerke besteht, auf diesem Wege den
233Auftrag zu vergeben. Eine Verpflichtung kann hieraus
234nicht hergeleitet werden.
235Im Ergebnis ist somit der Vertrag wirksam geworden und
236die Klägerin kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung
237gemäß § 326 BGB von der Beklagten verlangen. Die Be-
238klagte hat deutlich gemacht, dass sie nicht gewillt
239ist, den Vertrag zu den angebotenen Bedingungen einzu-
240halten.
241Über den Anspruchsgrund war vorab zu entscheiden, weil
242die Schadenshöhe noch streitig ist. Auch der letzte
243Schriftsatz der Klägerin vom 23.09.1998 enthält keine
244Anlagen über die tatsächliche Höhe der Abrechnung der
245Firma K. lm Termin wurde lediglich ein Preisspiegel
246überreicht, aus dem sich nichts ergibt für die tatsächliche
247Höhe der Abrechnung der Firma K. Insoweit wäre
248eine weitere Beweisaufnahme erforderlich.
249Über den Grund des Anspruchs konnte jedoch vorab ent-
250schieden werden.
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