Urteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 82/98
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166.617,00 DM
(i. B. einhundertsechsundsechzigtausendsechshundertsiebzehn Deutsche
Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Mai 1998 abzüglich am
24. September 1998 gezahlter 50.000,00 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 DM
vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsun-
3fall, der sich am 19.. Juli 1994 gegen 23..30 Uhr in
4E auf der Autobahn A 45 in Fahrtrichtung Frank-
5furt zugetragen hat. An diesem Unfall war der Kläger
6als Fahrer des PKW VW-Golf mit dem Kennzeichen ## -## ###
7beteiligt. Bei dem anderen Unfallbeteiligten handelt es
8sich um einen R, dessen Fahrzeug bei der Beklagten
9haftpflichtversichert war.
10R hatte ebenfalls die BAB A 45 in Fahrtrichtung
11Frankfurt befahren. Nach dem Überholen anderer Fahrzeu-
12ge hatte er auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn
13übergewechselt und war mit hoher Geschwindigkeit auf
14das Fahrzeug des Klägers aufgefahren. Die beiden Fahr-
15zeuge verkeilten sich ineinander, gerieten nach links
16in die Mittelschutzplanken und blieben nach ca. 140 m
17auf dem Überholstreifen liegen. Die Beklagte erkennt
18die Haftung aus diesem Unfallereignis dem Grunde nach
19zu 100 % an. Das Verschulden des im Übrigen zur Unfall-
20zeit alkoholisierten Versicherungsnehmers der Beklagten
21ist außer Streit.
22Der Kläger erlitt bei dem Unfall schwerwiegende Verlet-
23zungen. Er war ohne Bewusstsein und wurde zunächst vom
24Notarzt intubiert und beatmet. Sodann erfolgte seine
25Einlieferung in die U- Kliniken in E,
26wo eine ausgedehnte intracranielle Blutung mit deutli-
27cher Kompression des Gehirns festgestellt wurde. Es er-
28.folgte eine sofortige Operation, um das Gehirn von dem
29Druck des Hämatoms zu entlasten. Nach der Operation
30wurde der Kläger auf der Intensivstation nachbeatmet
31und weiter intensiv-medizinisch betreut. Er lag zu-
32nächst zwei Wochen im Koma, anschließend längere Zeit
33im Wachkoma. Am 01.08.1994 wurde er sodann auf eine pe-
34riphere neurochirurgische Station verlegt, wo mit sei-
35ner Mobilisation begonnen wurde. Die Behandlung in den
36U - Kliniken E endete am 18.08.1994. An-
37schließend unterzog er sich in der Zeit bis zum
3823.11.1994 einer Rehabilitationsbehandlung in der Kli-
39nik I in O. Im Anschluss daran wurde
40er zur weiterführenden Reha-Behandlung in die Klinik
41P verlegt, wo er bis zum 21.12.1994 aufhäl-
42tig war. Auch in den folgenden Jahren unterzog er sich
43noch weiteren Behandlungen und sonstigen Therapiemaß-
44nahmen.
45Die Beklagte hat auf den Schmerzensgeldanspruch des
46Klägers vor Rechtshängigkeit den Betrag von
4760.000,00 DM gezahlt. Eine weitere Schmerzensgeldzah-
48lung in Höhe von 50.000,00 DM hat sie sodann nach
49Rechtshängigkeit - am 24.09.1998 - geleistet.
50Mit der Klage macht der Kläger in erster Linie einen
51Anspruch auf Zahlung weiteren Schmerzensgeldes geltend.
52Er hat in der Klageschrift dargelegt, dass er ein
53Schmerzensgeld von insgesamt 150.000,00 DM sowie dar-
54über hinaus eine Schmerzensgeldrente in Höhe von monat-
55lich 350,00 DM für angemessen halte. Im weiteren Ver-
56lauf des Prozesses hat er allerdings, seinen auf Zahlung
57der Rente gerichteten Klageantrag zurückgenommen mit
58dem Ziel, dass seine Schmerzensgeldansprüche insgesamt
59durch eine Kapitalabfindung abgegolten werden. Die Be-
60klagte hat dieser Umstellung der ursprünglichen Klage
61zugestimmt.
62Der Kläger trägt vor:
63Der Unfall habe zu sehr einschneidenden und dauernden
64gesundheitlichen Folgen geführt. Es sei eine Hirn-
65leistungsschwäche eingetreten, so dass er nur noch ein-
66fache Gedankenabläufe verstanden habe. Das Subtrahieren
67habe er wieder neu erlernen müssen. Spielfilmen im
68Fernsehen habe er kaum folgen können. Für Literatur ha-
69be er kein Interesse mehr, da er die Bücher nicht ver-
70standen habe. Es seien nur oberflächliche Gespräche mit
71ihm möglich gewesen. Er habe sich nur eingeschränkt um
72seine eigenen Angelegenheiten kümmern können. Den Nach-
73richten im Fernsehen könne er nicht folgen. Insgesamt
74sei eine Wesensänderung eingetreten. Er sei unordent-
75lich, antriebsarm, unkonzentriert und nicht belastbar
76geworden. Es seien bei ihm Sehstörungen aufgetreten., so
77habe er unter Doppelbildern im linken Auge gelitten.
78Auch sei es zu motorischen Störungen gekommen. Seine
79Aussprache sei unfallbedingt gestört, so dass er wie
80ein Betrunkener gewirkt habe. Anfangs habe er unter
81sehr starken Kopfschmerzen gelitten. Kopfschmerzen wür-
82den auch gegenwärtig, wenn auch in reduzierter Form,
83noch immer wieder auftreten. Darüber hinaus leide er
84unfallbedingt unter häufig eintretenden Angstzuständen.
85In jüngerer Zeit habe es sich gezeigt, dass es bei ihm
86zu einem extrem verstärkten Schwitzen an verschiedenen
87Körperstellen komme. Auch diese Erscheinung beruhe auf
88der durch den Unfall verursachten Hirnschädigung.
89Über das verlangte Schmerzensgeld hinaus nimmt der Klä-
90ger die Beklagte auch auf die Erstattung einer Reihe
91materieller Schadenspositionen in Anspruch. Er macht
92geltend:
93Ihm seien unfallbedingt Aufwendungen für Arzneimittel
94in Höhe von insgesamt 248,30 DM entstanden. Hierbei ha-
95be es sich um Medikamente wie Aspirin, Dextro-Energeen,
96Eunova forte und dergleichen gehandelt. Diese Medika-
97mente seien für ihn medizinisch notwendig gewesen, da
98er ständig unter Kopfschmerzen gelitten habe und sein
99Immunsystem noch nicht wieder vollständig hergestellt
100gewesen sei.
101In den Jahren 1995-1997 habe er jeweils 80,00 DM für
102seine Mitgliedschaft im Verein "Schädel-Hirn-Patienten
103in Not" aufgewendet, insgesamt also den Betrag von
104240,00 DM. Diesem Verein habe er sich angeschlossen, um
105in ständigem Erfahrungsaustausch mit anderen Schädel-
106Hirn-Patienten zu stehen.
107Die Beklagte sei weiter verpflichtet, dem Kläger den
108Betrag von 250,00 DM zu erstatten, den er im Laufe des
109Jahres 1997 für Eintrittskarten für das Freizeitbad V
110aufgewandt habe. Er habe das Freizeitbad aufgesucht,
111um selbständig krankengymnastische und balneologische
112Übungen durchzuführen, wie sie ihm von seinem Arzt an-
113geraten worden seien.
114Da die Beklagte die bisherigen Auslagen des Klägers nur
115unpünktlich und schleppend erstattet habe, habe er sein
116Konto bei der Sparkasse V überziehen müssen. Hier-
117durch seien ihm Überziehungskosten in Höhe von
1181.290,26 DM entstanden. .
119In der Zeit von März 1997 bis einschließlich Dezember
1201997 habe er unfallbedingt Autofahrten, durchführen müs-
121sen, wobei -zusammengerechnet - 8.064 km zurückgelegt
122worden seien. Für jeden km sein ein Aufwand von 0,52 DM
123anzusetzen. Es ergebe sich hiernach für Autofahrten der
124Gesamtbetrag von 4.193,28 DM. Nach Abzug des Betrages
125von 1.856,90 DM, den die Beklagte auf die Fahrtkosten
126geleistet habe, verbleibe ein Differenzbetrag von
1272.336,38 DM, den sie noch zu erstatten verpflichtet sei.
128. .
129Soweit der Kläger bei Klageerhebung hierüber hinausge-
130hend noch weitere materielle Schadenspositionen geltend
131gemacht hat, ist teilweise Klagerücknahme erfolgt und
132im Übrigen die Hauptsache für erledigt erklärt worden.
133Der Kläger beantragt,
134die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein über
135bereits gezahlte 60.000,00 DM hinaus gehendes
136weiteres in das Ermessen des Gerichtes ge-
137stelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit
138Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich am
13924.09.1998 gezahlter 50.000,00 DM,
140die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
1414.907,58 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshän-
142gigkeit zu zahlen.
143Die Beklagte beantragt,
144die Klage abzuweisen.
145Sie hält das von dem Kläger verlangte Schmerzensgeld
146für überhöht und bestreitet eine Reihe der von dem Klä-
147ger behaupteten unfallbedingten Dauerschäden mit Nicht-
148wissen, so, dass er regelmäßig unter Kopfschmerzen lei-
149de, noch Gedächtnisprobleme habe, ein belastungsabhän-
150giger leichter Tremor vorhanden sei sowie eine Fehl-
151stellung der Augen, ferner dass mit Verschlechterungen
152zu rechnen sei. Sie verweist darauf, dass der Kläger
153beispielsweise in der Lage sei, wieder ein Kraftfahr-
154zeug zu führen.
155Die von dem Kläger geltend gemachten Arzneimittelkosten
156hält sie nicht für erstattungsfähig, da der Kläger frei
157verkäufliche Medikamente erworben habe, deren Anwendung
158nicht medizinisch notwendig gewesen sei. Auch die Auf-
159wendungen, die der Kläger für seine Mitgliedschaft in
160dem Verein "Schädel-Hirn-Patienten in Not" getätigt
161hat, sind nach Auffassung der Beklagten nicht erstat-
162tungsfähig, da nicht ersichtlich sei, welcher Nachteil
163durch die Mitgliedschaft bei einem solchen Verein beho-
164ben worden sei. Gleichermaßen sieht die Beklagte die
165von dem Kläger aufgewandten Schwimmbadkosten nicht für
166erstattungsfähig an. Soweit der Kläger die ihm von der
167Sparkasse V in Rechnung gestellten Sollzinsen gel-
168tend macht, sieht die Beklagte keinen Zusammenhang mit
169dem Unfallereignis. Sie verweist darauf, dass er einen
170monatlichen Verdienstausfall in Höhe von 843,04 DM er-
171stattet erhält und daneben eine Erwerbsunfähigkeitsren-
172te in Höhe von 1.408,01 DM und meint, dass er ange-
173sichts dessen in der Lage gewesen sei, die notwendigen
174Kosten aus eigenen Mitteln zu verauslagen. Die von dem
175Kläger für unfallbedingte Fahrten in Rechnung gestellte
176km-Zahl wird von der Beklagten nicht bestritten .Sie
177hält jedoch den Satz von 0,52 DM pro km für überhöht.
178Nach ihrer Auffassung .ist nur ein km-Satz von 0,30 DM
179zugrunde zu legen.
180Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf .
181den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anla-
182gen verwiesen.
183Das Gericht hat durch Einholung eines schriftlichen
184neurologischen Gutachtens und durch Anhörung des Sach-
185verständigen im Termin vom 30.06.1999 Beweis erhoben.
186Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das
187Gutachten des Sachverständigen Dr. U vom
18809.12.1998 nebst den diesem Gutachten beigefügten Zu-
189satzgutachten sowie auf die Sitzungsniederschrift vom
19030.06.1999 Bezuggenommen.
191Entscheidungsgründe
192Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
193Dem Kläger steht - dies ist dem Grunde nach unstreitig
194- wegen seiner Verletzungen, die er bei dem Unfall am
19519.07.1994 erlitten hat, gegen die Beklagte ein Schmer-
196zensgeldanspruch zu (§ 847 BGB). Bestimmende Gesichts-
197punkte für die Bemessung dieses Anspruchs sind die
198Schwere der psychischen und physischen Störungen, das
199Alter und die persönlichen Verhältnisse des Verletzten,
200das Maß seiner Lebensbeeinträchtigung, Heftigkeit der
201Schmerzen, Leiden und Entstellungen, Dauer der statio-
202nären Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit. Bewertet
203man den nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzu-
204stellenden Sachverhalt anhand dieser Kriterien, so muss
205das zu der Zuerkennung einer erheblichen - im oberen
206Bereich liegenden - Schmerzensgeldsumme führen.
207Unstreitig hat der Kläger bei dem Unfall schwerwiegende
208Verletzungen erlitten, die operativ behandelt werden
209mussten und länger dauernde stationäre Krankenbehand-
210lungen erforderlich gemacht haben. Er hat sich Rehabi-
211litationsmaßnahmen von langer Dauer unterziehen müssen.
212Sein beruflicher Werdegang ist durch den Unfall abge-
213brochen worden.
214Mehr als diese vorstehenden, für sich schon ein erheb-
215liches Schmerzensgeld rechtfertigenden Gegebenheiten
216fällt ins Gewicht, dass der von dem Versicherungsnehmer
217der Beklagten verschuldete Unfall für den Kläger zu ir-
218reparablen Dauerfolgen geführt hat, die seine Zu-
219kunftschancen entscheidend verschlechtern und ihn in
220seinem weiteren Leben schwer belasten werden. Aufgrund
221des Gutachtens des Sachverständigen Dr. U
222steht fest, dass er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma
223mit Hirnstammcontusion erlitten hat, das zu einer orga-
224nischen Hirnschädigung geführt hat, die eine Vielzahl
225von Ausfallserscheinungen physischer und psychischer
226Art zur Folge hat. Der Sachverständige hat festge-
227stellt, dass der Kläger unter Störungen der konzentra-
228tiv-mnestischen Funktionen, einer Verlangsamung des
229psychomotorischen Tempos und einer Beeinträchtigung hö-
230herer kognitiver Funktionen leidet. Dies beeinträchtigt
231ihn wesentlich in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit
232bzw. seiner Fähigkeit zur beruflichen Reintegration.
233Wie der Sachverständige bei seiner Anhörung vor der
234Kammer ausgeführt hat, hat der Kläger in der heutigen
235Situation auf dem Arbeitsmarkt wohl äußerst schlechte
236Chancen. Berufliche Tätigkeiten, denen er gewachsen wä-
237re, wie Pförtner oder Kauenwärter., gibt es praktisch
238kaum noch. Zusätzlich ist bei dem Kläger eine atypische
239posttraumatische Wesensveränderung mit Affektstörungen,
240Distanz- und Kritikminderung sowie einer geminderten
241Steuerungsfähigkeit eingetreten. Die Kammer hat im Üb-
242rigen keine Bedenken, dem Sachverständigen auch dahin
243zu folgen, dass der Kläger an einer durch den Unfall
244verursachten organisch bedingten Angsterkrankung lei-
245det. Ebenfalls hält es die Kammer für hinreichend nach-
246gewiesen, dass bei dem Kläger auch gegenwärtig noch im-
247mer wieder Kopfschmerzen auftreten, die ihre Ursache in
248der Unfallverletzung haben. Diese Schmerzen haben sich
249zwar im Laufe der letzten Jahre verringert, sind jedoch
250nicht völlig abgeklungen. Darüber hinaus hat der Sach-
251verständige leichtgradige koordinativ-motorische Stö-
252rungen im Bereich der rechten oberen Extremität mit ei-
253ner armbetonten Steigerung der Muskeleigenreflexe
254rechts gegenüber links, eine mäßig ausgeprägte
255dysarthrische Sprechstörung, eine residuale Oculomoto-
256riusparese links mit Auftreten von Doppelbildern beim
257Blick nach links außen sowie eine generalisierte Hyper-
258hidrosis festgestellt. Das letztgenannte Leiden besteht
259in einer Neigung zu übermäßiger und nicht situationsbe-
260dingter Schweißabsonderung, die ebenfalls Folge der Ge-
261hirnverletzung ist. Diese Schweißabsonderung kann auch
262zu gesundheitlichen Gefahren führen, weil sie u.U. in.
263Völlig unpassenden Situationen auftreten kann, so dass
264es z.B. zu Erkältungen und Lungenentzündungen kommen
265kann. :
266Wie der Sachverständige ausgeführt hat, ist nach wis- .
267senschaftlichen Erkenntnissen regelmäßig davon auszuge-
268hen, dass bei Verletzungen, wie sie der Kläger erlitten
269hat, nach 5 Jahren im Großen und Ganzen ein Endzustand
270eingetreten ist. Dies musste auch Grundlage für die Be-
271messung des Schmerzensgeldanspruches sein.
272Bei alledem konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass
273die bei dem Kläger festzustellenden Krankheitssymptome
274zu einem erheblichen Teil auch nach außen in Erschei-
275nung treten und ihn bei seinem Umgang mit seinen Mit-
276menschen belasten. Dies gilt insbesondere für die bei
277ihm vorhandenen Sprechstörungen und die Hyperhidrosis.
278Angesichts der erörterten Unfallfolgen und unter Be-
279rücksichtigung dessen, dass dem zur Unfallzeit alkoho-
280lisierten Versicherungsnehmer der Beklagten ein erheb-
281liches Verschulden zur Last fällt, hat die Kammer ein
282Schmerzensgeld von insgesamt 225.000,00 DM für angemes-
283sen erachtet. Diese Schmerzensgeldsumme liegt nach Auf-
284fassung der Kammer auch in einem angemessenen Verhält-
285nis zu den Schmerzensgeldbeträgen, die die Rechtspre-
286chung in Fällen noch schwerer wiegender Verletzungen.
287zugesprochen hat.
288Unter Berücksichtigung der vorprozessual geleisteten
289Schmerzensgeldzahlung von 60.000,00 DM hat dem Kläger
290bei Rechtshängigkeit also noch ein Schmerzensgeldan-
291spruch in Höhe von 165.000,00 DM zugestanden. Auf die-
292sen war die nach Rechtshängigkeit geleistete Zahlung
293von 50.000,00 DM anzurechnen.
294Neben dem Schmerzensgeld kann der Kläger Erstattung des
295von ihm geltend gemachten materiellen Schadens aller-
296dings nur in Höhe von insgesamt 1.617,00 DM verlangen.
297Die Kammer hält die von ihm geltend gemachten Apothe-
298kenkosten von 248,30 DM für eine zu ersetzende Scha-
299densposition. Wenn dem Kläger die Medikamente auch
300nicht ärztlich verschrieben worden sind, so beruhte ihr
301Erwerb nach Überzeugung der Kammer doch auf dem Bestre-
302ben des Klägers, die unfallbedingten körperlichen Nach-
303teile und Missempfindungen auszugleichen. Die Kammer
304meint daher, dass die Aufwendungen für die Medikamente
305unter dem Gesichtspunkt vermehrter Bedürfnisse noch un-
306ter den Schadensbegriff fallen.
307Soweit der Kläger Erstattung seiner Fahrtkosten be-
308gehrt, hält die Kammer den von der Beklagten in Ansatz
309gebrachten km-Betrag von 0,30 DM für zu niedrig. Dies
310auch unter Berücksichtigung dessen, dass bei der Bemes-
311sung des km-Satzes die festen Kfz-Kosten außer Acht zu
312lassen waren. Die Kammer schätzt den nach den Umständen
313des vorliegenden Falles angemessenen km-Satz auf
3140,40 DM. Hieraus folgt, dass bei einer Gesamtfahr-
315strecke von 8.064 km Fahrtkosten in Höhe von
3163.225,60 DM entstanden sind. Nach Abzug des von der Be-
317klagten gezahlten Betrages von 1.856,90 DM verbleibt
318dem Kläger mithin noch ein Restanspruch in Höhe von
3191.368,70 DM.
320Über die beiden vorstehend erörterten materiellen Scha-
321denspositionen - insgesamt also 1.617,00 DM - hinaus
322ist das Begehren des Klägers auf Erstattung materiellen
323Schadens nicht gerechtfertigt, wobei zu berücksichtigen
324war, dass nach teilweiser Klagerücknahme und teilweiser
325Erledigungserklärung nur noch ein Teil dieser Positio-
326nen im Streit ist.
327Der Kläger kann die von ihm für den Verein "Schädel-
328Hirn-Patienten" aufgewandten Jahresbeiträge nicht er-
329stattet verlangen, weil seine Mitgliedschaft in diesem
330Verein nicht erforderlich war, um unfallbedingte Nach-
331teile auszugleichen. Insbesondere kann nicht angenommen
332werden, dass insoweit eine Schadensersatzpflicht unter
333dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für vermehrte Bedürf-
334nisse besteht. Die Vereinsmitgliedschaft mag für den
335Kläger zwar zweckmäßig gewesen sein, ein Bedürfnis
336hierfür ist aber nicht anzuerkennen.
337Gleichermaßen hält die Kammer auch einen Anspruch auf
338Erstattung der dem Kläger entstandenen Schwimmbadkosten
339nicht für gegeben. Die Kammer vermag nicht die Fest-
340stellung zu treffen, dass der Besuch des öffentlichen
341Schwimmbades noch eine notwendige Therapiemaßnahme war.
342Die körperliche Betätigung in Schwimmbädern gehört zur
343allgemeinen Lebensführung, so dass sich zuverlässige
344Feststellungen zur Frage der Unfallbezogenheit nicht
345treffen lassen.
346Schließlich konnten dem Kläger auch die von ihm geltend
347gemachten Überziehungszinsen nicht zugesprochen werden.
348Seine Darlegungen reichen nicht aus, um zu belegen,
349dass die Entstehung dieser Zinsen unfallbedingt notwen-
350dig war. Der Kläger hat nicht konkret vorgetragen, mit
351welchen Zahlungen die Beklagte jeweils in Verzug gera-
352ten sein soll und wegen welcher Aufwendungen er deswe-
353gen Kredit hat aufnehmen müssen. Ein entsprechender
354Sachvortrag wäre um so mehr erforderlich gewesen, als
355die Beklagte sich darauf berufen hat, dass ihm genügend
356Mittel zur Bestreitung seiner Aufwendungen zur Verfü-
357gung gestanden haben.
358Die Klage war daher, soweit die verlangten Fahrtkosten
359den zugesprochenen Betrag überschreiten, sowie hin-
360sichtlich der zuletzt erörterten drei Positionen abzu-
361weisen.
362Der dem Kläger zugesprochene Zinsanspruch ergibt sich
363aus § 291 ZPO.
364Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 , 92 Abs. 2 ZPO.
365Im Rahmen der Kostenentscheidung hat die Kammer, den Um-
366stand, dass der Kläger "Rücknahme" der Klage hinsicht-
367lich des anfänglichen Antrages auf Schmerzensgeldrente
368erklärt hat, bewusst nicht zu seinem Nachteil gewertet.
369Bei verständiger Auslegung der Prozesserklärungen des
370Klägers liegt nämlich eine echte Klagerücknahme nicht
371vor, sondern lediglich eine Klageänderung, der die Ge-
372genseite im Übrigen zugestimmt hat. Der Kläger hat sein
373Schmerzensgeldbegehren nicht reduzieren wollen, sondern
374nur dahin geändert, dass er an Stelle der ursprünglich
375verlangten Rente die Leistung eines einmaligen Kapital-
376betrages verlangt.
377Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
378beruht auf § 709 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.