Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 372/98
Tenor
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten Restentschädigung
3für den Ablauf eines Erbbaurechts.
4Mit schriftlichem Vertrag vom 14.11.1927 verpflichtete
5sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Klägerin
6ein Erbbaurecht an dem Grundstück N-straße 41 und
743 in E zu bestellen. Unter § 9 Ziff. 1 des Vertrages
8heißt es wörtlich: "Der Erbbauberechtigte ist
9verpflichtet, die errichteten Bauwerke nebst Zubehör
10sowie die sonstigen Anlagen stets in gutem baulichen
11Zustande .... zu erhalten." Gemäß § 14 des Vertrages
12endete das Erbbaurecht 70 Jahre nach Eintragung in das
13Grundbuch. In § 15 des Vertrages ist geregelt, dass die
14Beklagte nach dem vertragsgemäßen Ablauf des Erbbaurechtes
15der Klägerin für die Bauwerke und Anlagen eine
16Entschädigung in Höhe von zwei Drittel des gemeinen
17Wertes gewährt, die die auf dem Erbbaugelände vorhandenen
18Bauten und Anlagen, die dem Kläger gehörten, zur
19Zeit des Ablaufs des Erbbaurechts besitzen.
20Die Klägerin wurde als Erbbauberechtigte ins Grundbuch
21eingetragen. Vertragsgemäß erlosch das Erbbaurecht am
2208.03.1998.
23Die Klägerin hat zur Berechnung der Entschädigung nach
24§ 15 des Vertrages ein Privatgutachten des Sachverständigen
25U vom 13.03.1998 eingeholt. Dieser kam zu
26dem Ergebnis, dass der Wert der Bauwerke und Anlagen
27auf dem Grundstück 690.000,00 DM betrug und der Klägerin
28davon zwei Drittel, also 460.000,00 DM zustanden.
29Mit Schreiben vom 02.04.1998 begehrte die Klägerin von
30der Beklagten Zahlung dieser 460.000,00 DM. Mit Schreiben
31vom 05.05.1998 überwies die Beklagte der Klägerin
32zunächst 367.000,00 DM. Mit Schreiben vom 15.06.1998
33forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der
34restlichen 93.000,00 DM bis zum 30.06.1998 auf. Mit
35Schreiben vom 09.07.1998 zahlte die Beklagte weitere
3677.000,00 DM. Die Zahlung der restlichen 16.000,00 DM
37verweigerte sie mit der Begründung, dass ihr durch einen
38Unterhaltsrückstau am Gebäude in dieser Höhe ein
39Schaden entstanden sei.
40Diese 16.000,00 DM hat die Klägerin vorliegend eingeklagt.
41Sie ist der Ansicht, ihr stehe gemäß § 15 des
42Erbbauvertrages gegen die Beklagte eine Entschädigung
43von zwei Drittel des vom Sachverständigen festgestellten
44Wertes der Liegenschaft, also 460.000,00 DM, zu.
45Die Klägerin beantragt,
46die Beklagte zu verurteilen, an sie
4716.000,00 DM nebst 6 % Zinsen seit dem
4801.06.1998 zu zahlen.
49Die Beklagte beantragt,
50die Klage abzuweisen.
51Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe die Klageforderung
52durch Aufrechnung getilgt.
53Sie hat nämlich die Aufrechnung mit angeblichen Schadensersatzansprüchen
54in Höhe von 16.000,00 DM gegen die Klageforderung erklärt.
55Diesen Schadensersatzanspruch begründet die Beklagte
56wie folgt: Sie behauptet, die Klägerin sei ihrer
57Pflicht, die Bauwerke in gutem baulichen Zustande zu
58erhalten, nicht nachgekommen. An den Gebäuden habe im
59Zeitpunkt der Rückgabe an die Beklagte erhebliche Renovierungsstau
60bestanden. Außerdem hätten sich dort Schäden
61befunden, die die Kläger unter Verstoß gegen § 14
62des Erbbauvertrages nicht beseitigt hätten. Insgesamt
63machten diese Renovierungsrückstände und Schäden an Beseitigungskosten
64und Minderwert einen Betrag von mindestens
6548.000,00 DM aus. Hätte die Klägerin den Unterhaltungsrückstau
66beseitigt, so würde der Wert der Liegenschaft
67deshalb 48.000,00 DM mehr wert sein als dies
68jetzt der Fall sei. Von diesen 48.000,00 DM hätte dann
69die Beklagte gemäß § 15 des Erbbauvertrages der Klägerin
70zwei Drittel als Entschädigung zu zahlen. Das restliche
71Drittel, mindestens 16.000,00 DM, wäre der Beklagten
72als Mehrwert verblieben. Bei diesen
7316.000,00 DM handelt es sich um die Gegenforderung, mit
74der die Beklagte gegen die Klageforderung die Aufrechnung
75erklärt hat.
76Im Einzelnen trägt die Beklagte zu dem angeblichen Minderwert
77von 48.000,00 DM Folgendes vor:
78Die Beklagte beruft sich darauf, dass unstreitig im
79Zeitpunkt der Rückgabe der Gebäude an die Klägerin die
80Schäden am Dachstuhl vorlagen, die im Gutachten des
81Sachverständigen Q vom 10.03.1998 festgestellt
82wurden. Auf den Inhalt dieses Gutachtens wird Bezug genommen.
83Unstreitig beträgt der Herstellungsanspruch für
84den Dachstuhl 16.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer,
85mithin 18.560,00 DM.
86Ferner behaupten die Beklagten, im Treppenhaus seien an
87den Stufen 14 Kanten ausgebrochen, davon drei größere
88im ersten unteren Treppenlauf im Haustüreingangsbereich.
89Da eine Reparatur nicht möglich sei, veranschlagt
90die Beklagte dafür eine Wertminderung in Höhe
91von 1.500,00 DM netto.
92Ferner beruft sich die Beklagte darauf, dass die Heizungs-
93und Warmwasserbereitungsanlage im Zeitpunkt der
94Rückgabe des Gebäudes an sie altersbedingt erneuert
95werden muss, wie unstreitig im Gutachten der Sachverständigen
96U und I vom 13.03.1998 festgestellt
97worden ist. Dafür sind unstreitig Kosten in
98Höhe von 24.043,52 DM, weitere Mauerkosten in Höhe von
991.500,00 DM und heizungsbedingte Elektroarbeiten in
100Höhe von 1.500,00 DM aufzuwenden. Ferner behauptet die
101Beklagte, dazu kämen Abnahme-Immissionsgebühren durch
102den Bezirksschornsteinfeger und ggf. anfallende Gebühren
103beim Bauordnungsamt. Aus den Reparaturkosten für
104den Dachstuhl, den Minderwert für den Ausbruch der Kanten
105im Treppenhaus und die Kostenerneuerung der Heizungsanlage
106errechnet die Beklagte den Gesamtbetrag von
107mindestens 48.000,00 DM, von dem sie ein Drittel, mithin
10816.000,00 DM, als Schaden ansetzt.
109Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe keinen
110Schaden erlitten, da bereits der Sachverständige U
111in seinem Gutachten die 48.000,00 DM Minderwert
112berücksichtigt habe und dadurch die Klägerin weniger
113Entschädigung erhalten habe, als wenn sie den Unterhaltsrückstau
114beseitigt habe.
115Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen die Beschädigungen
116im Treppenhaus.
117Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe ihrer Pflicht,
118das Gebäude in gutem baulichen Zustand zu erhalten, erfüllt.
119Bei den von der Beklagten berechneten Kosten für
120die Herstellung des Dachstuhls, der Heizungsanlage sowie
121den Minderwert für das Treppenhaus handele es sich
122um normalen altersbedingten Verschleiß.. Eine Pflicht,
123den Zustand des Dachstuhls und der Heizungsanlage zu
124verbessern, habe die Klägerin nicht.
125E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
126Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen
127Umfang begründet.
128Gegen den Restanspruch der Klägerin auf Zahlung der Abfindung
129aus § 15 des Erbbauvertrages in Höhe von
13016.000,00 DM hat die Beklagte mit einer Schadensersatzforderung
131in Höhe von 15.201,17 DM wirksam die Aufrechnung
132erklärt, so dass nur eine Klageforderung in Höhe
133von 798,83 DM verbleibt.
134Dieser Schadensersatzanspruch aus pVV des Vertrages vom
13514.11.1927 ergibt sich aus Folgendem:
136Die Klägerin hat ihre aus § 14 des Erbbauvertrages folgenden
137Pflicht, die Bauwerke bis zur Rückgabe an die
138Beklagte in gutem baulichen Zustand zu erhalten, nicht
139erfüllt. Die Klägerin war verpflichtet, den Dachstuhl
140in einem funktionsfähigen Zustand zu erhalten, bzw.
141diesen wieder in einen solchen Zustand zu versetzen.
142Dieser Pflicht hat die Klägerin nicht genügt, da der
143Dachstuhl nach den unstreitigen Feststellungen des
144Sachverständigen Q im Zeitpunkt der Rückgabe an
145die Beklagte schwerste Verschleißerscheinungen und
146Schäden aufwies. So sind Sparren, Streben, Binderpfosten
147und Stuhlpfosten durch Braunfäule zerstört. Der
148Kopfband am Walm ist zur Hälfte gesplittert. Die vordere
149Mittelfette am Walm ist durch Drehbuch nicht mehr
150tragfähig. Die Deckenbalken über der Dachgeschosswohnung
151haben die zulässige Durchbiegung überschritten,
152wichtige Teile des Daches sind von Anobiiden befallen.
153Um ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen baulichen Instandhaltung
154zu genügen, hätte die Klägerin diese Mängel beseitigen
155müssen. Auch war die Klägerin verpflichtet,
156die Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsanlage in
157gutem baulichen Zustand zu halten. Das hat sie nach den
158Feststellungen im Gutachten der Sachverständigen U
159und I nicht getan. Zu Unrecht beruft sich
160die Klägerin darauf, dass sich die Heizungsanlage in
161einem für ihr Alter ausreichendem Zustand befände. Unstreitig
162stammt die Heizungs- und Wasseraufbereitungsanlage
163noch aus der Vorkriegszeit. Nach den Feststellungen
164der vorgenannten Gutachter, die auch insoweit
165unstreitig sind, ist die Heizungsanlage gemessen
166an den Anforderungen, die heute an eine Heizungsanlage
167zu stellen sind, nicht mehr brauchbar. Zur Unterhaltungspflicht
168der Klägerin gehört aber auch, dass diese
169dafür Sorge trägt, dass eine den heutigen Wohn- und
170Nutzungsverhältnissen entsprechende Heizungs- und
171Warmwasseranlage sich im Gebäude befindet. Sie hätte
172deshalb auf ihre Kosten eine neue, zeitgemäße Heizungs und
173Wasseraufbereitungsanlage einbauen müssen.
174Die Beklagte hat an Kosten für die Erneuerung der Heizungs-
175und Warmwasseranlage nur 27.043,52 DM ausreichend
176anhand des Gutachtens substantiiert.
177Zu Unrecht berufen sich die Beklagten auf einen Minderwert
178durch Beschädigungen an den Treppenstufen. Die Beseitigung
179der Ausbrüche an den Kanten von Stufen im
180Treppenhaus geht über die Pflicht der Klägerin, die Gebäude
181stets in gutem baulichen Zustand zu erhalten,
182hinaus. Denn ein vernünftig wirtschaftender Eigentümer
183würde diese Schäden nicht beseitigen lassen, sondern
184die im übrigen funktionsfähige Treppe im gegenwärtigen
185Zustande belassen. Eine Beseitigung der Ausbrüche an
186den Treppenkanten ist nämlich nicht möglich, so dass
187diese Schäden nur durch völlige Erneuerung der Treppe
188zu erreichen wäre, was keine bauliche Erhaltungsmaßnahme
189mehr darstellt.
190Danach sind zu Gunsten der Beklagten folgende Schadensbeseitigungskosten
191zu berücksichtigen:
192Reparaturkosten des Dachstuhls 18.560,00 DM
193Kosten der Erneuerung der Heizungsund
194Warmwasseraufbereitungsanlage
195nebst Zubehör 27.043,52 DM
196Zwischensumme: 45.603,52 DM
197Zu Recht geht die Beklagte davon aus, dass ihr dadurch,
198dass die Klägerin diese Kosten nicht aufgewandt hat,
199ein Schaden von einem Drittel, also in Höhe von
20015.201,17 DM entstanden ist. Denn hätte die Klägerin
201die vorgenannten Schäden am Dachstuhl beseitigt und die
202Heizungs- und Warmwasseranlage erneuert, so läge der
203Grundstückswert um den Betrag dieser Schadensbeseitigungs-
204und Erneuerungskosten, also um 45.603,52 DM
205höher. Von diesem Betrag hätte die Beklagte zwei Drittel
206als Entschädigung an die Klägerin zahlen müssen.
207Das restliche Drittel dieser Werterhöhung, also
20815.201,17 DM, wäre aber dem Vermögen der Beklagten zugute
209gekommen, woran es jetzt fehlt.
210Mithin betrug der Schaden der Beklagten 15.201,17 DM.
211Die Nebenentscheidungen richten sich nach den §§ 92
212Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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