Beschluss vom Landgericht Dortmund - 21 T 23/01
Tenor
Die Beschwerde des Klägers vom 19.03.2001 gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom
12.03.2001 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
Gründe :
2Die Streitwertbeschwerde ist gemäß §25 Abs. 3 GKG zu-
3lässig, in der Sache jedoch unbegründet.
4Zu Recht hat das Amtsgericht den Streitwert für den
5Räumungsantrag auf der Basis der Nettomiete von
6520,00 DM mit insgesamt 6.240,00 DM ermittelt, also
7ohne Berücksichtigung der Nebenkosten.
81.
9Inwieweit Mietzinsanteile in die Streitwertberechnung
10nach § 16 GKG einzubeziehen sind, ist in der Rechtspre-
11chung und Literatur umstritten (vgl. die Nachweise bei
12Mutter, MDR 1995, 343 f).
13Nach einer Auffassung ist der gesamte Bruttomietzins zu
14berücksichtigen (so OLG Hamm, OLG Report 2001, 38 f;
15ZMR 1995, 359; OLG Düsseldorf, JurBüro 1992, 114;
16OLG München, ZMR 1999, 171; LG Kiel WuM 1998, 45). Zur
17Begründung wird im Wesentlichen auf eine geänderte Ver-
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19kehrsauffassung verwiesen, wonach der Begriff der "Miete"
20eben nicht nur den Nettomietzins sondern auch die Ne-
21benkosten erfaßt ("Zweite Miete"), zumal die Nebenko-
22sten mehr denn je in engem Zusammenhang mit der Ver-
23pflichtung des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung
24stehen. Des Weiteren wird argumentiert, dass auch beim
25Kündigungsgrund des § 554 BGB der Mietzinsrückstand un-
26ter Einbeziehung ausstehender Nebenkosten ermittelt
27wird. Es gäbe keine überzeugenden Gründe für eine un-
28terschiedliche Handhabung bei der Ermittlung des Kündi-
29gungsgrundes und bei der Ermittlung des Wertes des
30darauf gestützten Räumungsbegehrens.
31Nach älterer höchstrichterlicher Auffassung sind nach
32den Umständen des Einzelfalls neben der Kaltmiete die
33nicht verbrauchsabhängigen Nebenkosten zu berücksichti-
34gen, die verbrauchsabhängigen dagegen nicht (vgl.
35BGHZ 18, 169, 173). In diese - nach der Art der Neben-
36kosten differenzierende - Richtung geht auch eine Ent-
37scheidung des LG Saarbrücken (MDR 1994, 316), wonach
38bei der Streitwertberechnung nur solche Nebenkosten
39einzubeziehen sind, die nicht direkt der Versorgung des
40Mieters dienen und daher nicht als bloße Durchlaufpo-
41sten anzusehen sind.
42Schließlich wird die Ansicht vertreten, wonach ledig-
43lich die Nettomiete zugrunde zu legen ist (OLG Köln,
44JurBüro 1996, 474; OLG Rostock JurBüro 1994, 735;
45LG Flensburg, Wum 1998, 44; LG Münster, Wum 1998, 43 f;
46"
47LG Bochum Wum 1995, 548; Fischer in: Bub/Treier, Hand-
48buch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, VIII
49Randziffer 225).
502.
51Die Kammer ist bisher der letztgenannten Auffassung ge-
52folgt und hält hieran auch weiterhin fest. Die im
53Grundsatz von allen Meinungen anerkannte Erforderlich-
54keit der Einfachheit und Klarheit der Streitwertfest-
55setzung läßt sich nur erreichen, wenn sich die erfor-
56derlichen Grundlagen bereits aus dem Mietvertrag selbst
57ergeben, so dass weitergehende Ermittlungen und Beweis-
58aufnahmen hierzu nicht erforderlich sind. Vor diesem
59Hintergrund erscheint eine Differenzierung zwischen
60verbrauchsabhängigen und nicht verbrauchsabhängigen Ne-
61benkosten wenig praktikabel, weil die Mietverträge in
62der Regel eine Nebenkosten (-vorauszahlungs) Pauschale
63benennen, ohne zwischen verbrauchsabhängigen und - un-
64abhängigen Kosten zu unterscheiden. Das Argument der
65fehlenden Praktikabilität läßt sich dementsprechend
66auch der Auffassung entgegenhalten, die eine Differenzie-
67rung danach vornehmen will, ob die jeweiligen Leistun-
68gen der Versorgung des Mieters dienen.
69Praktikabel erscheint nur eine Bewertung auf der Grund-
70lage der Netto- oder der Bruttomiete. Insoweit er-
71scheint der Kammer weiterhin der Ansatz des Nettomiet-
72zinses sachgerecht.
73Schon die übliche Vertragspraxis spricht dafür, dass
74der Verkehr unter" Mietzins" das Gebrauchsentgelt ohne
75die besonders ausgewiesenen Nebenkosten versteht, was
76Folgen für die Auslegung des Begriffs in §16 GKG haben
77muss. Die Nebenkosten stehen in der Regel als Voraus-
78zahlung unter dem Vorbehalt der Abrechnung und sind
79beim Vermieter im Gegensatz zum eigentlichen Ge-
80brauchsentgelt nur durchlaufende Posten. Die Mietver-
81träge trennen deshalb auch regelmäßig zwischen Haupt-
82und Nebenleistungen des Mieters und unterscheiden zwi-
83schen ihnen deutlich, so auch im vorliegenden Fall
84(vgl. § 3 Abs. 1 und Abs. 3, des Mietvertrages vom 30.09.2000
85Bl. 5 d.A..
86Auch der Hinweis darauf, dass in § 554 BGB der zur Kün-
87digung berechtigende Mietrückstand unter Einschluss der
88Nebenkosten zu berechnen ist, vermag letztlich nicht zu
89überzeugen. Dass der Zahlungsrückstand im Falle des
90§ 554 BGB auf der Grundlage der Bruttomiete zu errech-
91nen ist, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut, sondern
92aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie gibt dem Vermie-
93ter die Möglichkeit, sich ohne Einhaltung einer Frist
94aus dem Vertragsverhältnis mit einem säumigen Mieter zu
95lösen, um weiteren finanziellen Schaden zu verhindern
96oder doch zumindestens so gering wie möglich halten.
97Ein solcher Schaden erwächst dem Vermieter aber auch
98durch Nichtzahlung der Nebenkosten, denn sie stellen
99für den Vermieter im Wesentlichen nur durchlaufene Gel-
100der dar, die er zur Begleichung von Forderungen Dritter
101aufwenden muss. Solche Überlegungen sind aber für die
102Bestimmung des Streitwerts nach § 16 GKG gerade nicht
103relevant. Es bestehen vielmehr durchaus triftige
104Gründe, der Streitwertberechnung allein die Nettomiete
105zugrunde zu legen. Nach § 535 Abs. 1 BGB stellt die
106Zahlung des vereinbarten Mietzinses die Gegenleistung
107für die Überlassung der vermieteten Sache dar. Die Ne-
108benkosten schuldet der Mieter demnach als Gegenleistung
109für die vom Vermieter zur erfüllenden Nebenpflichten.
110Dementsprechend werden - wie oben ausgeführt - Miete
111und Nebenkosten getrennt aufgeführt. Im Übrigen ist
112darauf hinzuweisen, dass die Berechnung einer Mietkau-
113tion nach § 550 b BGB ebenfalls allein auf der Grund-
114lage der Nettomiete erfolgt (vgl. Palandt/Weidenkaff,
11560. Auflage, § 550 b Rdn. 9). Auch die vielerorts üb-
116lichen Mietspiegel gehen von der Nettomiete aus. Wenn
117aber schon im materiellen Mietrecht der Begriff "Miete"
118unterschiedlich verwendet wird, besteht auch einer von
119der Rechtsprechung zu § 554 BGB abweichenden Auslegung
120des Begriffs "Miete" im Rahmen des § 16 GKG nichts ent-
121gegen.
122Dass bei der Streitwertberechnung nach § 16 GKG von der
123Nettomiete auszugehen ist, erscheint nicht zuletzt auf-
124grund sozialer Erwägungen geboten. Insbesondere bei
125Klagen auf Räumung von Wohnraum spielen soziale Gründe
126eine wesentliche Rolle. Bei den heute vielfach üblichen
127hohen Mieten ergeben sich im Allgemeinen ohnehin für
128Räumungsverfahren erhebliche Streitwerte. Dass aber der
129Streitwert in Mietsachen niedrig gehalten werden muss,
130ist gesetzgeberischer Wille. Dies zeigt sich schon
131darin, dass durch § 16 GKG i. V. m. §12 Abs. l GKG
132eine von § 8 ZPO abweichende, zu einem niedrigeren
133Streitwert führende Regelung getroffen worden ist.
134Sicherlich führt die Nichtberücksichtigung von Nebenko-
135sten zu Schwierigkeiten bei Inklusiv-Mieten. Denn eine
136exakte Herausrechnung von Nebenkosten ist oft nicht
137möglich oder führte jedenfalls zu einem Aufwand, der
138bei der Streitwertfestsetzung gerade vermieden werden
139soll. Es bleibt aber die Möglichkeit, in den Fällen, in
140denen die Parteien selbst eine solche Inklusiv-Miete
141vereinbart haben, diese dann auch der Streitwertberech-
142nung zugrunde zu legen (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro
1431992, 114). Daraus ergeben sich zwar für den kosten-
144pflichtigen Prozessbeteiligten, der eine Inklusiv-Miete
145vereinbart hatte, gewisse Nachteile. Diese Nachteile
146sind aber der Ausfluss der Vertragsfreiheit der Par-
147teien.
148Hinzu kommt folgendes: Bei einer Berechnung des Streit-
149wertes auf der Grundlage der Bruttomiete wird in Kauf
150genommen, dass der Streitwert gar nicht der tatsächlich
151zu zahlenden Jahresmiete entspricht, weil nämlich Nach-
152zahlungs- bzw. Rückzahlungsansprüche, die sich erst
153aufgrund der Jahresabrechnung ergeben, nicht be-
154rücksichtigt werden.
155Nach alledem hat das Amtsgericht den Streitwert im Er-
156gebnis zu Recht an der Nettomiete orientiert, weshalb
157die Streitwertbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen
158war.
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Referenzen
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