Beschluss vom Landgericht Dortmund - 14 (XIII) Qs 10/01
Tenor
wird die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 19.04.2001
gegen des Beschluß des Amtsgerichts Dortmund vom 11.04.2001
(AZ: 78 Gs 509/01) als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem
Beschuldigten hierin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die
Staatskasse.
1
Gründe:
2Die Beschwerdeführerin ermittelt in dem Verfahren 170 Js 282/01 gegen
3den Beschuldigten wegen des Verdachts des Betrugs zu Lasten der
4X Bausparkasse AG.
5Die Beschwerdeführerin wirft dem Beschuldigten vor, in Absprache mit
6dem bereits rechtskräftig abgeurteilten M, der
7zum Tatzeitpunkt Geschäftsführer der Fa. C GmbH war, die Bausparkasse X durch unrichtige Angaben veranlaßt zu haben,
8Darlehn in Höhe von insgesamt 1.717.800,00 DM auszuzahlen.
9In insgesamt 10 Einzelfällen soll der Beschuldigte als Mitarbeiter der
10Geschädigten den Abschluß von Darlehnsverträgen zwischen
11gutgläubigen und unbedarften Erwerbern von Eigentumswohnungen in
12dem Objekt T-ring in E und der Geschädigten vermittelt
13haben, wobei er in Absprache mit der Verkäuferin dieser Wohnungen, der
14Fa. C GmbH, jeweils wahrheitswidrig
15in den Darlehnsanträgen Eigenkapitalanteile der Erwerber angegeben
16haben soll.
17Auf diese Weise habe er - gemeinschaftlich mit M - eine tatsächlich
18nicht gegebene Teilfinanzierung vorgetäuscht und der Geschädigten
19falsche Angaben über die wahre Vermögenslage der Erwerber gemacht.
20Dadurch habe er die Bausparkasse X zu einer Finanzierung
21veranlaßt, die diese bei Kenntnis der wahren Vermögenssituation der
22Erwerber nicht vorgenommen hätte.
23Für die Vermittlung dieser Verträge zahlte die Geschädigte an den
24Beschuldigten insgesamt 12.544,00 DM an Provisionen aus. Zudem
25erhielt der Beschuldigte auf Veranlassung des bereits abgeurteilten
26M aus einer Darlehnsauszahlung der oben näher beschriebenen
27Darlehnsverträge unmittelbar einen Teilbetrag in Höhe von 16.000,00 DM.
28Nach Auskunft der X Bausparkasse AG vom 16.03.2001
29bestehen mit einem Herrn K bei der Geschädigten 3
30Darlehnsverträge, ein Sparvertrag und 6 Lebensversicherungsverträge,
31wobei aufgrund der ergänzenden Mitteilung der Geschädigten vom
3221.03.2001 unklar geblieben ist, ob diese Verträge mit dem Beschuldigten
33oder mit einem Herrn K bestehen. Letzterer hatte sich
34bezüglich der Lebensversicherungsverträge bereits mehrfach bei der
35A-Lebensversicherungs-AG nach den Rückkaufswerten
36erkundigt.
37Am 28.03.2001 beantragte die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht
38Dortmund gegen den Beschuldigten den Erlaß einer Arrest- und
39Pfändungsanordnung gemäß § 111 b Abs. 2 u. 5, § 111 d Abs. 1 u. 2 StPO
40zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Verfall des Wertersatzes in
41Höhe von 28.544,00 DM. In Höhe dieses Anspruchs sollten in Vollziehung
42des dinglichen Arrestes zur Sicherung der Ansprüche der Bausparkasse
43X als der Geschädigten im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB
44gemäß §§ 111 d Abs. 2, 111 c Abs. 3 S. 3 StPO in Verbindung mit §§ 928,
45930, 829, 840, 851, 857 ZPO sämtliche Ansprüche und Rechte des
46Beschuldigten gegen die A- Lebensversicherungs-AG aus
47allen Lebensversicherungsverträgen gepfändet werden.
48Mit Beschluß vom 11.04.2001 lehnte das Amtsgericht Dortmund den
49Erlaß der beantragten Arrest- und Pfändungsanordnung mit der
50Begründung ab, es liege nach den bisherigen Angaben der
51Staatsanwaltschaft kein Arrestgrund im Sinne des § 917 ZPO vor.
52Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der vorliegenden
53Beschwerde und führt zur Begründung aus, eine Abtretung der
54Forderungen aus den Lebensversicherungsverträgen sei zu befürchten,
55da nach der Auskunft der Bausparkasse X bereits mehrfach nach
56den Rückkaufswerten der Lebensversicherungen gefragt worden sei.
57Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
58Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht - wenn auch mit einer lediglich
59auf den Gesetzestext verweisenden Begründung - den Antrag der
60Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
61Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Arrestes gemäß §§ 111b
62Abs. 2 u. 5, 111 d Abs. 1 u. 2 StPO liegen nicht vor.
63Gemäß § 111 b Abs. 2 StPO kann der dingliche Arrest unter den in § 111 d
64StPO festgelegten Voraussetzungen angeordnet werden, soweit Gründe
65für die Annahme vorhanden sind, daß die Voraussetzungen des Verfalls
66von Wertersatz vorliegen (§§ 73, 73a StGB).
67Da es sich bei der Vorschrift um eine sogenannte "Kann-Vorschrift"
68handelt, ist die Entscheidung über den Erlaß des Arrestes nach
69pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Insbesondere sollte von einer
70Maßnahme gemäß §111b StPO abgesehen werden, wenn der Verfall
71später voraussichtlich nicht angeordnet werden wird.
72Eine spätere Anordnung des Verfalls käme zwar im vorliegenden Fall
73gemäß § 73 Abs. 1 S. 2 StGB nicht in Betracht, da der Geschädigten aus
74der Tat ein Schadenersatzanspruch bzw. Rückforderungsanspruch
75erwachsen ist, durch dessen Erfüllung dem Beschuldigten der Wert des
76aus der Tat Erlangten wieder entzogen würde. Die Erfüllung dieser
77Ausnahmeregelung allein steht der Anordnung eines Arrestes aber nicht
78entgegen, da § 111b Abs. 5 StPO ausdrücklich eine Anwendung des
79§ 111b Abs.2 StPO auch für diesen Fall erlaubt, d.h. ein dinglicher Arrest
80kann auch angeordnet werden, wenn dem Verletzten aus der Tat ein
81Anspruch erwachsen ist. Das bedeutet, daß ein dinglicher Arrest auch zu
82Gunsten des Verletzten möglich ist.
83Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist aber zu berücksichtigen, daß
84das Strafverfahren grundsätzlich nicht der Durchsetzung zivilrechtlicher
85Forderungen dient und daß daher ein Arrest zu Gunsten des
86Geschädigten in aller Regel nicht angezeigt ist. Eine Maßnahme zu
87Gunsten des Verletzten kommt daher nur in Betracht, wenn allein die
88Maßnahme nach § 111d StPO, d.h. im vorliegenden Fall die Anordnung
89des dinglichen Arrestes, den Verletzten davor bewahrt, seiner Ansprüche
90verlustig zu gehen (vgl. Lemke in Heidelberger Kommentar zur
91Strafprozeßordnung, 2. Auflage Heidelberg 1999, § 111b, Rdn. 14 u. 15;
92im Ergebnis ebenso Kleinknecht / Meyer-Goßner, Kom. zur StPO, 44.
93Auflage München 1999, § 111d Rdn. 4).
94Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.
95Es ist nicht erkennbar, daß nur durch die Anordnung des beantragten
96Arrestes verhindert werden könnte, daß die Bausparkasse X ihre
97eventuellen Ansprüche gegen den Beschuldigten verlöre. Bei der
98Geschädigten handelt es sich um ein erfahrenes
99Wirtschaftsunternehmen, welches in der Lage ist, sich zur Durchsetzung
100seiner Rechte ohne besondere Schwierigkeiten des ordentlichen
101Zivilrechtsweges zu bedienen, der ihm für die Durchsetzung seiner
102Ansprüche offen steht. Aufgrund der Erfahrung der Geschädigten in
103rechtsgeschäftlichen Dingen ist eine besondere Schutzbedürftigkeit der
104Geschädigten, die es erforderlich machen würde, die grundsätzliche
105Trennung, die zwischen dem Strafverfahren auf der einen und dem
106Zivilverfahren auf der anderen Seite besteht und durch die ausdrückliche
107gesetzliche Regelung vom Gesetzgeber so gewollt ist, zu durchbrechen,
108nicht ersichtlich.
109Zweifel an einer solchen besonderen Schutzwürdigkeit ergeben sich
110zudem daraus, daß die Geschädigte möglicherweise selbst Schuldnerin
111der Ansprüche des Beschuldigten sein könnte, deren Pfändung die
112Staatsanwaltschaft beantragt hat. So ergibt sich zumindest aus der
113Auskunft der Geschädigten vom 16.03.2001 nicht eindeutig, wer konkret
114Vertragspartner der aufgeführten Lebensversicherung ist, sie selbst oder
115die A- Lebensversicherungs-AG. Soweit die Geschädigte
116selbst Vertragspartnerin des Beschuldigten ist, wäre eine
117Aufrechnungserklärung der Beschuldigten ein einfacheres Mittel als die
118Anordnung eines Arrestes. Bei einem eigenen Arrestantrag der
119Geschädigten im Zivilverfahren würden insoweit bereits Bedenken gegen
120ein Rechtsschutzbedürfnis der Bausparkasse X bestehen.
121Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Anordnung eines dinglichen
122Arrestes zu Gunsten der Geschädigten war darüber hinaus auch noch
123aus anderen Gründen zurückzuweisen.
124Der dingliche Arrest gemäß §§ 111b Abs. 2, 111 d StPO kann allein in
125das Vermögen des Beschuldigten angeordnet werden. Dies folgt bereits
126aus der Tatsache, daß sich die Regelungen des Verfalls allein gegen den
127Täter oder Teilnehmer einer Tat richten können (vgl. Tröndle / Fischer,
128Kom. zum StGB, 50. Aufl. München 2001, § 73 Rdn. 20). Nach dem
129Akteninhalt ist der Beschuldigte offensichtlich nicht Vertragspartner der in
130der Auskunft der Geschädigten vom 16.03.2001 aufgelisteten
131Lebensversicherungsverträge. Es spricht alles dafür, daß die Rechte aus
132diesen Verträgen dem im ergänzenden Schreiben der Geschädigten vom
13321.03.2001 erwähnten Herrn K zustehen; dort heißt es
134nämlich, daß Herr K nach den Rückkaufswerten seiner
135Lebensversicherung gefragt hat.
136Darüber hinaus kam die Anordnung des von der Beschwerdeführerin
137beantragten dinglichen Arrestes auch deshalb nicht in Betracht, da die
138gemäß § 111b Abs.2 StPO weiter erforderlichen Voraussetzungen des §
139111 d Abs. 2 StPO nicht vorliegen.
140Gemäß § 111d Abs. 2 StPO in Verbindung mit §917 ZPO ist für die
141Anordnung eines dinglichen Arrestes das Vorliegen eines Arrestgrundes
142erforderlich. Ein Arrestgrund im Sinne des § 917 Abs.1 ZPO liegt vor,
143wenn zu besorgen ist, daß ohne die Verhängung eines Arrestes die
144Vollstreckung der Forderung vereitelt oder wesentlich erschwert würde.
145Als Arrestgrund kann dabei nicht allein die Begehung der
146zugrundeliegenden Straftat(en) in Betracht kommen, denn dann würde §
147111 d Abs. 2 StPO nicht auf die zusätzlichen Voraussetzungen des § 917
148ZPO verweisen; vielmehr müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der
149Beschuldigte in irgendeiner Weise nachteilig auf sein Vermögen
150einwirken wird. Hierfür genügt es beispielsweise nicht, wenn sich der
151Beschuldigte lediglich in schlechten Vermögensverhältnissen befindet,
152denn durch den Arrest soll die Staatskasse bzw. der Geschädigte nicht
153besser stehen, als sie bzw. er bei einer sofortigen Vollstreckung stehen
154würde; insbesondere soll der Staatskasse bzw. dem Geschädigten kein
155Vorrang vor anderen Gläubigern gesichert werden. Die Anordnung des
156Arrestes setzt voraus, daß eine Verschlechterung der Vermögenslage
157oder eine wesentliche Erschwerung des Zugriffs auf das Vermögen des
158Beschuldigten bevorsteht; dabei kommt es allein auf objektive
159Gesichtspunkte an, eine Vereitelungsabsicht des Beschuldigten ist nicht
160erforderlich (vgl. Lemke in Heidelberger Kommentar zur
161Strafprozeßordnung, 2. Auflage Heidelberg 1999, § 111d, Rdn. 6 u. 7).
162Allgemeingültige Kriterien für die Annahme eines Arrestgrundes i.S.d. §§
163111d Abs. 2 StPO, 917 ZPO lassen sich nicht aufstellen; es kommt
164insoweit auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. In diesem
165Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sich Anhaltspunkte dafür,
166daß der Beschuldigte nachteilig auf sein Vermögen einwirken wird, auch
167aus der Art und Ausführung der zugrundeliegenden Straftat(en) ergeben
168können. Wird dem Beschuldigten beispielsweise eine Vereitelung der
169Zwangsvollstreckung gem. § 288 StGB oder eine Pfandkehr nach § 289
170StGB vorgeworfen oder besteht der Verdacht, daß der Beschuldigte
171bereits die zugrunde liegende(n) Straftat(en) mit Veschleierungs- und
172Verdunklungshandlungen begangen hat, spricht naturgemäß viel dafür,
173daß er auch versuchen wird, die spätere Vollstreckung eines
174Verfallsanspruchs bzw. einer Forderung eines Geschädigten auf irgend
175eine Weise zu verhindern.
176Im vorliegenden Fall ist der erforderliche Arrestgrund jedenfalls nicht
177gegeben.
178Aus dem bisherigen Ermittlungsstand ergibt sich kein objektiver
179Gesichtspunkt dafür, daß der Beschuldigte dabei ist, Vermögenswerte
180beiseite zu schaffen. Insbesondere hat der Beschuldigte bislang nicht
181konkret versucht, seinen Sparvertrag aufzulösen bzw. seine bestehenden
182Lebensversicherungsverträge - falls ihm diese Vermögenswerte
183überhaupt zustehen - zu verwerten. Allein die Erkundigungen einer dritten
184Person - und eine solche ist der von der Bausparkasse X
185benannte K - nach den Rückkaufswerten von
186Versicherungsverträgen sind nicht ausreichend für die Annahme eines
187Arrestgrundes, zumal bislang ungeklärt ist, in welchem Verhältnis Herr
188K zu dem Beschuldigten steht.
189Zum einen ist durch keine Tatsache belegt, daß diese Erkundigungen
190vom Beschuldigten ausgehen. Zum anderen ist die Frage nach den
191aktuellen Rückkaufswerten kein zwingendes Indiz dafür, daß eine
192Verwertung der Versicherungen bzw. eine Auflösung der Verträge
193beabsichtigt ist. Eine solche Anfrage kann auch andere Gründe haben.
194Gegen die objektive Annahme, die Anfrage nach dem Rückkaufswert
195diene der Vorbereitung der Vermögensverschiebung, spricht hier
196insbesondere die Angabe der Bausparkasse X, Herr K habe sich schon mehrfach nach den Rückkaufswerten erkundigt.
197Offensichtlich folgten der Jeweiligen Erkundigung keinerlei
198Konsequenzen, sondern es wurden im Gegenteil die
199Versicherungsverträge weiter fortgesetzt.
200Mangels gegenteiliger Angaben der Bausparkasse X ist insoweit
201sogar davon auszugehen, daß die zwischen den Vertragsparteien
202vereinbarten Beiträge auch nach den Erkundigungen regelmäßig
203weiterbezahlt wurden und das Vermögen des Beschuldigten somit weiter
204vermehrt wird. Etwas Gegenteiliges ergibt sich zumindest aus dem
205bisherigen Ermittlungsergebnis nicht.
206Auch die Art und Weise der Begehung der zugrunde liegenden Straftaten
207- die einzelnen Täuschungen der jeweiligen Mitarbeiter der X
208Bausparkasse wiesen keinerlei raffinierte Verschleierungs- oder
209Verdunklungstendenzen auf - läßt keinen Schluß darauf zu, daß der
210Beschuldigte in irgend einer Weise nachteilig auf sein Vermögen
211einwirken wird.
212Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung darauf
213abstellt, der Beschuldigte werde nunmehr spätestens nach Akteneinsicht
214durch seinen Verteidiger Sicherungsmaßnahmen einleiten, wenn er auf
215diesem Wege von einem drohenden Arrest erfahren werde, stellt diese
216Argumentation - abgesehen davon, daß die Annahme rein spekulativ ist -
217einen unzulässigen Zirkelschluß dar. Denn die drohende Gefahr einer
218Vermögensverschiebung durch den Beschuldigten kann nicht damit
219begründet werden, daß dieser nach einem erfolglosen Antrag der
220Staatsanwaltschaft auf Anordnung eines Arrestes durch diese Maßnahme
221der Staatsanwaltschaft eine Lehre im negativen Sinn ziehen würde. Dies
222würde im Ergebnis bedeuten, daß eine einmal beantragte
223Sicherungsmaßnahme niemals abgelehnt werden dürfte.
224Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
225Dortmund, 22. Mai 2001
226Landgericht-XIII. Strafkammer
227- Wirtschaftsstrafkammer -
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