Urteil vom Landgericht Dortmund - 8 O 449/01
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicher-
heitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreck-
baren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll-
streckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein und gehört gerichtsbekannter-
3maßen zu den qualifizierten Einrichtungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG a.F..
4Die beklagte Sparkasse verwendet im Zusammenhang mit sog. Combispar-
5verträgen (Prämiensparverträgen) eine "Zusatzvereinbarung zum Kontoer-
6öffnungsantrag" unter Ziffer 2. dieser Vereinbarung heißt es:
7Die Sparkasse zahlt am Ende eines Kalenderjahres den im Jahres-
8verlauf durch Aushang bekannt gegebenen Zins für das Combispar-
9Guthaben.
10Der Kläger hält diese Klausel in 2-facher Hinsicht wegen Verstoßes gegen
11§ 9 AGBG a.F. für unwirksam. Zum einen fehle es an der für den Verbrau-
12cher erforderlichen Transparenz der Anpassungsregelung. Zum anderen
13genüge die Bekanntgabe der festgesetzten Zinsen durch Aushang nicht der
14Vorschrift des § 315 Abs 2 BGB.
15Die Beklagte hat die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
16verweigert.
17Der Kläger beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln
19zu unterlassen, die o.g. oder inhaltsgleiche Klauseln in Bezug auf
20Sparverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person
21abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbst-
22ständig beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer).
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie verteidigt die Klausel unterverschiedenen Gesichtspunkten. U.a. hält sie
26sie gemäß § 8 AGBG a.F. für nicht prüffähig. Wegen der Einzelheiten wird
27auf den vorgetragenen Inhalt der Klageerwiderung vom 02.01.2002, Bl. 62 ff.
28d.A. Bezug genommen
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
30Die Klage ist nicht begründet.
31Die beanstandete Klausel regelt zwei voneinander trennbare Gegenstände;
321. Sie bestimmt, dass der von der Sparkasse für die Einlage des Kunden zu
33zahlende Zins jeweils von der Beklagten festgesetzt wird
342. Sie regelt weiter, dass der jeweils geltende Zinssatz dem Kunden durch
35Aushang in den Geschäftsräumen der Beklagten bekannt gegeben wird.
36Zu 1.:
37Die Klausel nimmt in erkennbarer Weise Bezug auf Nr. 15 AGB Sparkassen,
38worin dem Verwender das Bestimmungsrecht über die Höhe des jeweils auf
39Einlagen zu zahlenden Zinssatzes vorbehalten wird. Weil hierdurch lediglich
40ein Leistungsbestimmungsrecht der Sparkasse i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB fest-
41gelegt wird, weicht diese Klausel weder von bestehenden Rechtsvorschriften
42ab, noch ergänzt sie diese, § 8 AGBG a.F.. Damit gelten die §§ 9 - 11 AGBG
43a.F. für sie nicht.
44Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf das Im Verbraucherschutzrecht
45geltende Transparenzgebot (Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., AGBG, § 8 Rn. 1
46m.w. N.).
47Zwar ist nach wohl inzwischen h.M. in der Rechtsprechung und Literatur eine
48Klausel grundsätzlich dann wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG a.F. nichtig,
49wenn sich der Verwender darin ein uneingeschränktes oder nicht nachvoll-
50ziehbares Anpassungsrecht vorbehält. Dieser Ansicht ist auch die Kammer
51zuletzt noch in ihrer in WM 2000, 2095 veröffentlichen rechtskräftigen Ent-
52scheidung gefolgt. Soweit erkennbar, beziehen sich jedoch sämtliche bisher
53ergangenen, auch höchstrichterlichen Entscheidungen in diesem Zusam-
54menhang auf Klauseln, die die Leistungsbestimmung in Bezug auf Entgelte
55des Verbrauchers für Dienstleistungen des Verwenders der AGB (sog. Aktiv-
56geschäft) regein. Insoweit ist dieser Ansicht auch uneingeschränkt zu folgen.
57Für Zinsanpassungsklauseln dieser Art ergibt sich nämlich bereits aus § 4
58Abs. 1 Nr. 1 e) VerbrKrG a.F. ein gesteigertes Transparenzgebot, bei dessen
59Verletzung § 9 AGBG a.F. zugunsten des Verbrauchers eingreift.
60Diese zum Transparenzgebot von Zinsanpassungsklauseln bei Aktivge-
61schäften von Kreditinstituten entwickelte Rechtsprechung ist jedoch nach
62Ansicht der Kammer nicht übertragbar auf die vorliegende Zinsanpassungs-
63klausel, die der Beklagten das Recht einräumt, den von ihr für Einlagen des
64Kunden zu zahlenden Zinssatz zu bestimmen (a.A.: Metz, Zeitschrift für
65Bank- und Kapitalmarktrecht 2001, 21/26). Im Lichte der Verbraucherschutz-
66bestimmungen und des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bil-
67det der von Bankinstituten zu zahlende Zins auf Einlagen nicht schlicht die
68Kehrseite der vom Verbraucher zu zahlenden Zinsen für verauslagte Kredite
69und Darlehen. Dies resultiert zum einen schon daraus, dass Verbraucher-
70schutzvorschriften, die das Leistungsbestimmungsrecht des § 315 BGB ein-
71schränken, nicht existieren. Zum anderen lässt sich das allgemeine Transpa-
72renzgebot, wie es für Aktivgeschäfte von Kreditinstituten entwickelt worden
73ist, nicht auf sog. Passivgeschäfte der vorliegenden Art übertragen. Der Ver-
74braucher begibt sich im vorliegenden Fall auf den Anlagemarkt, den er zuvor
75vergleichen kann und als sorgfältiger Verbraucher auch vergleichen muss. Er
76geht bei Sparverträgen in Kenntnis gleitender Zinssätze bewusst ein ähnli-
77ches Renditerisiko ein, wie es z.B. auch bei Fonds jeglicher Art besteht. Er
78investiert quasi im Vertrauen auf die Bonität und gute Geschäftspolitik seines
79Kreditinstituts und kann im Wesentlichen davon ausgehen, dass - jedenfalls
80bei längeren Laufzeiten, wie sie bei Prämiensparverträgen die Regel sind -
81die Konkurrenz am Markt eine im Großen und Ganzen angemessene Ver-
82zinsung gewährleisten wird. Schließlich ist der Verbraucher, der sein Geld
83gewinnbringend anlegt und im vorliegenden Falle ggf eine geringere Rendite
84riskiert, weniger schutzwürdig als derjenige, der bei seiner Ausgabenplanung
85für aufgenommene Kredite plötzlich mit höheren Kosten konfrontiert werden
86kann.
87Vor diesem Hintergrund steht den Verbraucherinteressen ein gleichwertiges
88Interesse der Beklagten gegenüber, Ihr Zinsangebot der Markt- und Refinan-
89zierungssituation im Rahmen ihrer Gesamtkalkulation flexibel, natürlich im
90Rahmen des § 315 BGB nach billigem Ermessen, anzupassen.
91Danach erscheint es unter Abwägung der beiderseits beteiligten Interessen
92angemessen, die vorliegende Klausel trotz fehlender Konkretisierung der
93Anpassungsparameter für nicht prüffähig i. S.d. § 8 AGBG a. F. anzusehen.
94Sie ist dahingehend auszulegen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von
95ihr zu bestimmenden Zinsen im Rahmen ihrer Gesamtkalkulation nach billi-
96gem Ermessen zugunsten und zu Lasten des Kunden anzupassen. Damit
97weicht sie von § 315 BGB nicht ab (BGH WM 1986, 580). Dieses Ergebnis
98widerspricht nicht EG-Richtlinien, weil diese nicht gelten, soweit es sich - wie
99im vorliegenden Falle - gerade nicht um Klauseln im Rahmen von Allgemei-
100nen Geschäftsbedingungen handelt.
101Zu 2.:
102Bei der Klausel, dass die geltenden Zinssätze durch Aushang im Ge-
103schäftslokal der Beklagten bekannt gegeben werden, handelt es sich zwar
104um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, weil sie die Vorschrift des § 315
105Abs. 2 BGB konkretisiert und damit ergänzt. Sie verstößt jedoch nicht gegen
106§ 9 AGBG, weil sie den Verbraucher nicht unbillig benachteiligt. Sie ent-
107spricht zum einen der Preisangabenverordnung. Darüber hinaus ist sie seit
108Jahren allgemein üblich und dem Verbraucher damit bekannt. Schließlich
109handelt es sich bei dem Prämiensparer der Sparkassen um den typischen
110Kleinsparer, der mit seiner Filiale eng verbunden ist. Er hält sich deshalb
111häufig in den Geschäftsräumen auf und kann somit in angemessener Weise
112und in angemessenem Umfang von etwaigen Zinsänderungen Kenntnis
113nehmen. Soweit er seine Transaktionen online erledigt, stehen ihm die Zins-
114sätze auf Abruf bereit.
115Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die
116vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
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