Urteil vom Landgericht Dortmund - 6 O 563/03
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.276.129,80€ (i.W. einemillionzweihundertsechsundsiebzigtausendeinhundertneunundzwanzig
80/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 29.01.2004 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Einschließlich Kosten der Streitverkündung.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110%des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt von der Beklagten Belastungsausgleich nach dem
3am 18.05.2000 in Kraft getretenen Kraftwärmekopplungsgesetz (KWKG)
4noch für den Zeitraum 18.05. bis 31.12.2000.
5Die Klägerin ist ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, dass
6die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern u. a. im Gebiet der
7Stadt E sicherstellt. Sie ist ein Energieversorgungsunternehmen
8der allgemeinen Versorgung im Sinne von § 10 Energiewirtschaftsgesetz
9und betreibt ein örtliches Verteilungsnetz, dass zur Verteilung von Strom
10an Letztverbraucher eingesetzt wird.
11Die Beklagte firmiert im streitgegenständlichen Zeitraum als S2
12und bündelte alle Stromnetzaktivitäten des S-Konzerns. Sie betrieb ein
13Übertragungsnetz, dass der Übertragung elektrischer Energie zur
14nachgeordneten Verteilernetzen dient und dem Strom-Verteilernetzen der
15Klägerin im Sinne des § 5 Abs. 1 KWKG vorgelagert ist.
16Die Streitverkündete produziert am Standort E Industrieruß für die
17Reifen- und Gummiindustrie sowie Pigmentruß,. für die Farb-, Druck- und
18Kunststoffindustrie. Sie betreibt zudem eine KWK-Anlage im Sinne von § 2
19Abs. 3 KWKG. Die Klägerin bezieht von der Streitverkündeten hergestellten
20Strom aufgrund Liefervertrages vom 19./26.05.1983 in Verbindung
21mit einer Vereinbarung vom 02./08.11.1994.
22Für den bezogenen Strom zahlte die Klägerin für den Zeitraum vom
2318.05.2000 bis zum 31.12.2000 einen Bezugspreis von mindestens
243 Pf/kWh.
25Die Klägerin erzeugt zudem Strom mit dem nachfolgend aufgeführten
264 KWK-Anlagen, bei denen es sich um Verbrennungsmotoren-Anlagen im
27Sinne von § 2 Abs. 3 KWKG handelt:
28-Erdgas, Entspannungsanlage E2, die im Jahre 1989
29in Betrieb genommen wurde,
30-Heizkraftwerk E3, die im Jahre 1990
31in Betrieb genommen wurde,
32-Blockheizkraftwerk E4, das am 22.10.1997
33in Betrieb genommen wurde,
34-Blockheizkraftwerk E5, das im Oktober 2000
35in Betrieb genommen wurde.
36Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob das letztgenannte
37Blockheizkraftwerk bereits im Jahre 1999 hergestellt wurde.
38Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin ursprünglich Belastungsausgleich
39für von der Streitverkündeten hergestellten Strom und für selbsthergestellten
40Strom ursprünglich für den Zeitraum 18.05.2000 bis zum 31.12.2000 und
41für den Zeitraum 01.01.2002 bis 31.03.2002 geltend gemacht. Nach
42Rechtshängigkeit sind die Belastungsausgleichszahlungen für das Jahr
432002 von der Beklagten gezahlt worden. Insofern haben die Parteien den
44Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
45Die Klägerin trägt vor:
46Hinsichtlich des von der Streithelferin bezogenen Stromes sei der dritte
47Förderungsweg (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG) einschlägig. Der
48Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 2 KWKG greife hinsichtlich des dritten
49Förderungsweges (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 Nr. 2 KWKG) nicht ein. Im
50Übrigen seien die tatsächlichen Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes
51nicht gegeben. Sie habe während des gesamten zeitlichen
52Geltungsbereichs des KWKG eine Vergütung an die Streitverkündete
53gezahlt, die der gesetzlichen Vergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG
54entspreche.
55Unter Berücksichtigung der bezogenen Strommengen belaufe sich der
56Ausgleichsbetrag nach § 5 KWKG für den Zeitraum 18.05.2000 bis
5731.12.2000 für den von der Streithelferin bezogenen Strom auf
58- unstreitig - 1.276.129,80 €.
59Der in den eigenen Anlagen produzierte Strom sei nach § 1 Abs. 1 Satz 1
60KWGK zu fördern. Dies gelte auch für den Zeitraum 2000. Die Bagatellgrenze
61nach § 2 Abs. 2 KWKG sei insoweit eingehalten, obwohl zu
62diesem Zeitpunkt die installierte elektrische Kraftwerkleistung in Kraft-Wärme-
63Kopplung bezogen auf ihre installierte Kraftwerkleistung
64insgesamt weniger als 25 vom 100 betragen habe. Nach dem Wortlaut
65des § 2 Abs. 2 sei eine Ausgleichszahlung nur dann nicht zu erbringen,
66wenn beide Schwellenwerte nicht erreicht seien. Die erzeugte
67Strommenge habe bezogen auf ihre gesamte Stromerzeugung im Jahr
6821,9 % betragen.
69Das Blockheizkraftwerk E5 sei bereits im Januar 1999
70gestellt worden.
71Unter Berücksichtigung der selbst produzierten Strommengen beliefen
72sich die Ausgleichsansprüche - in der Höhe nach unstreitig - auf
7371.690,79 € für den fraglichen Zeitraum 2000.
74Die Streithelferin widerspricht den Ausführungen der Klägerin nicht.
75Nach teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich
76der Zinsen beantragt die Klägerin,
77die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.347,820,59 € nebst Zinsen in
78Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit
79zu zahlen.
80Die Streithelferin hat sich diesem Antrag angeschlossen.
81Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
82Sie trägt vor:
83Die mit der Streithelferin vertraglich vereinbarte Vergütung habe unter der
84Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG gelegen. Insofern sei die
85Klägerin nicht berechtigt, Ausgleichsansprüche geltend zu machen.
86Für selbstproduzierten Strom könne die Klägerin gleichfalls keinen
87Belastungsausgleich verlangen, da sie keine getrennten Konten geführt
88habe und im Übrigen der Ausschlusstatbestand nach § 2 Abs. 2 KWKG
89eingreift, da die installierte Kraftwerkleistung insgesamt weniger als 25 %
90betragen habe. Um die Förderung nach § 3 KWKG zu eröffnen sei es
91jedoch erforderlich, dass sowohl die installierte Kraftwerkleistung 25 %
92und die in Kraftwärmekopplung erzeugte Strommenge mehr als 10 % der
93installierten Leistung bzw. erzeugten Strommenge betrage. Dies ergebe
94sich durch eine Auslegung der Regelung in § 2 Abs. 2 KWKG.
95Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
96den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen
97sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
98Entscheidungsgründe:
99Die Klage hat zum ganz überwiegenden Teil Erfolg.
100Für den von der Nebenintervenientin bezogenen Strom steht der Klägerin
101für den noch fraglichen Zeitraum vom 18.05.2000 bis 31.12.2000 ein
102Anspruch auf Zahlung des Ausgleichsbetrages nach § 5 KWKG in Höhe
103von 1.276.129,80 € zu, nicht jedoch für den in den eigenen KWK-Anlagen
104in der Zeit produzierten Strom.
105I.
106Für den von der Streithelferin im Jahre 2000 bezogenen Strom steht dem
107Anspruch der Klägerin aus § 5 Abs. 1 Satz 1 KWKG - entgegen der
108Ansicht der Beklagten - nicht entgegen, dass diese möglicherweise der
109Streithelferin nicht die Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG gezahlt
110hat. Dabei kann dahinstehen, ob die in der genannten Regelung
111aufgeführte Mindestvergütung gezahlt wurde oder nicht. Darauf kommt es
112nicht an. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin in dem
113fraglichen Zeitraum für den von der Streithelferin bezogenen Strom
114zumindest 3 Pf/kWh vergütet hat. Da die sonstigen Erfordernisse erfüllt
115sind, steht ihr damit der Anspruch auf Zahlung des Belastungsausgleichs
116zu.
117Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KWKG kann der Netzbetreiber - hier die Klägerin-
118"Ausgleich für seine Zahlungen" verlangen. Demnach setzt der
119Anspruch auf Belastungsausgleich voraus, dass der Netzbetreiber für den
120bezogenen Strom Zahlungen erbracht hat.
121Zugleich folgt aus dem Begriff "Ausgleich", dass die geleisteten Zahlungen
122nicht geringer sein dürfen als der für sie begehrte Ausgleich. Als
123Voraussetzung für einen Belastungsausgleich in Höhe von 3 Pf/kWh sind
124demnach geleistete Zahlungen in Höhe von mindestens 3 Pf/kWh zu
125fordern. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
126Für das Erfordernis der Vereinbarung und Zahlung einer Vergütung in
127Höhe von mindestens 9 Pf/kWh findet sich keine Grundlage. Diesen
128Betrag setzt § 4 Abs. 1 Satz 1 KWKG als gesetzliche Mindestvergütung
129fest. Der gesetzlichen Mindestvergütung gehen jedoch im Einzelfall
130getroffene Vergütungsvereinbarungen vor, wie sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1
1312. Halbsatz und § 4 Abs. 2 KWKG ergibt. Es steht dem Anspruch auf
132Belastungsausgleich demnach nicht entgegen, wenn Lieferverträge -wie
133vorliegend - Vergütungen von weniger als 9 Pf/kWh vorsehen, solange
134eine Vergütung von 3 Pf/kWh nicht unterschritten wird. Das KWKG
135schließt demnach den - in der Praxis unwahrscheinlichen - Fall nicht aus,
136dass der Netzbetreiber den geförderten Strom praktisch unentgeltlich
137bezieht, wenn er für eine gezahlte Vergütung von 3 Pf/kWh einen
138Belastungsausgleich in derselben Höhe erhält. Dem von dem
139Gesetzgeber im KWKG statuierten Förderungsmechanismus ist mangels
140ausdrücklichen Ausschlusses - die zumindest theoretisch
141denkbare Möglichkeit immanent, dass sich ein durch die Abnahme- und
142Vergütungspflicht des § 3 Abs. 1 Satz 1 KWKG belasteter Netzbetreiber
143durch die Vereinbarung sehr geringer Vergütungen letztlich Strom zum
144Nulltarif beschaffen kann.
145II.
146Die Zinsentscheidung folgt aus den § 284 ff. BGB.
147III.
148Ein Anspruch auf Zahlung des Belastungsausgleichs für den von der
149Klägerin im Jahre 2000 selbst erzeugten Strom steht dieser nicht zu.
150Dabei kann dahinstehen, ob das Blockheizkraftwerk E5
151bereits im Januar 1999 gestellt wurde und ob die Klägerin nach § 3 Abs. 2
152KWKG getrennte Kosten über die Einspeisung aus ihren Kraftwerken
153geführt hat. Ein Anspruch auf Zahlung des Belastungsausgleichs für das
154Jahr 2000 für den von ihr erzeugten Strom scheitert an dem Ausschlusstatbestand
155des § 2 Abs. 2 KWKG.
156Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Ausschlussregelung so zu
157verstehen, dass eine Förderung nur dann möglich ist, wenn sowohl die
158installierte Kraftwerkleistung zumindest 25 % und die in Kraftwärmekopplung
159erzeugte Strommenge zumindest 10 % der installierten Leistung
160bzw. erzeugten Strommenge betragen.
161Entgegen dem wörtlichen Verständnis ist das Wort "und" in § 2 Abs. 2
162KWKG nicht kommutativ, sondern alternativ zu verstehen. Dies ergibt sich
163durch die Auslegung der genannten Regelung unter Berücksichtigung der
164Intention des Gesetzgebers. Unstreitig ist zum zweiten Absatz des § 2
165KWKG in den Gesetzesmaterialien in der Bundestagsgrunddrucksache
16614/2765, Seite 4 f, ausgeführt:
167"Es müssen nicht alle Anlagen der öffentlichen Versorgung
168begünstigt werden. Wenn sie anteilmäßig für die Stromversorgung
169nur von deutlich untergeordneter Bedeutung sind, wird ihr
170Weiterbetrieb im Unternehmen insgesamt nicht gefährdet sein. Als
171Grenze ist vorgesehen mindestens 25 % Anteil an der installierten
172Gesamtleistung des Unternehmens und mindestens 10 % Anteil
173des KWK-Stroms an der Stromerzeugung des Unternehmens."
174Der Auffassung des Gesetzgebers, dass KWK-Anlagen von deutlich
175untergeordneter Bedeutung keine Begünstigung zukommen soll, wird
176letztlich nur die von der Kammer vertretene Auffassung gerecht.
177Andernfalls wäre es nämlich möglich, dass allein durch den Umstand,
178dass die installierte elektrische Kraftwerkleistung in Kraftwärmekopplung
179bezogen auf ihre installierte Kraftwerkleistung 25 oder mehr vom Hundert
180beträgt, die Förderung nach KWKG eröffnet ist, unabhängig von dem
181Verhältnis der erzeugten Strommenge bezogen auf die Gesamtstromerzeugung.
182Bei anderer Auffassung wäre es möglich, dass bei Erfüllung des ersten
183Kriteriums (25 %-Anteil) auch der tatsächlich erzeugte Strom gefördert
184würde, der bezogen auf die gesamte Stromerzeugung nur relativ gering
185wäre, z. B. 0,1 vom Hundert. Das ist unter Berücksichtigung der Intention
186des Gesetzgebers ersichtlich nicht die Absicht des Gesetzgebers
187gewesen.
188IV.
189Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergibt sich aus §§ 91,
19091 a, 92 Abs. 2, 101, 269 Abs. 3 ZPO.
191Dabei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des
192übereinstimmend erledigten Teiles zu tragen. Durch die Zahlung nach
193Rechtshängigkeit hat sie sich letztlich in die Rolle der Unterlegenen
194begeben. Dies folgt offensichtlich auch zu Recht. Denn für das fragliche
195Jahr 2002 lag das Ausschlusskriterium des § 2 Abs. 2 KWKG für den von
196der Klägerin erzeugten Strom - bezogen auf das ganze Jahr -
197offensichtlich nicht vor.
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