Schlussurteil vom Landgericht Dortmund - 15 O 150/99
Tenor
. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1. 4.466,544 € (i.W.: viertausendvierhundertsechsund-
sechzig 54/100 Euro) nebst 4 % Zinsen seit dem
05.11.1999
und
2. ein über das durch Teil-Anerkenntnisurteil vom
19.05.2004 hinausgehendes Schmerzensgeld von noch
14.451,68 € (i.W.: vierzehntausendvierhundertein-
undfünfzig 68/100 Euro) nebst 4 % Zinsen seit dem
03.03.1997 zu zahlen.
Im. Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin
22 % und die Beklagte 78 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar hinsichtlich
des Teil-Anerkenntnisurteils; im Übrigen nur gegen Si-
cherheitsleistung in Höhe von 32.500,00 €.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Si-
cherheitsleistung in Höhe von 850,00 € abwenden, wenn
nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit
leistet.
1
Tatbestand
2Die am 29.02.1960 geborene Klägerin macht neben ihrem Ehemann
3(Kläger in dem Verfahren 15 0 154/99 LG Dortmund) aus eigenem
4Recht Ansprüche anlässlich des Verkehrsunfalles ihres Sohnes
5B am 20.05.1997 geltend.
6Ihr damals 16 Jahre alter Sohn - Fahrer eines Leichtkraft- .
7rades - verstarb an den. Folgen des Unfalles am 28.05.1997.
8Den Unfall hat allein schuldhaft die Versicherungsnehmerin
9der Beklagten zu vertreten, die einen Pkw Q führte und die
10Vorfahrt des Leichtkraftrades nicht beachtete. Wegen des
11Schmerzensgeldes aus übergegangenem Recht hat das Oberlandes-
12gericht Hamm am 09.08.2000 den Eltern insgesamt 30.000,00 DM
13zugesprochen (15 0 129/99 - 13 U 58/00). Vorliegend geht es
14daher noch um Ansprüche der Klägerin aus eigenem Schmerzens-
15geld und den materiellen Schaden der Klägerin aus Gründen des
16Unfalltodes des Sohnes. Auch begehrt die Klägerin betreffend
17zukünftige materielle und immaterielle Schäden, die Feststel-
18lung der Ersatzpflicht der Beklagten vorbehaltlich des Forde-
19rungsüberganges.
20l.
21Ihren materiellen Schaden hat die Klägerin gemäß Klageschrift
22und Anlagen und gemäß Schriftsatz vom 28.06.2001. nebst Anla-
23gen wie folgt aufgelistet:
241. Verdienstausfall 01.07. - 31.12.1997:
25a) 6 x 1.025,98 DM = 6.155,88 DM (Blatt 89 d. A.)
26b) Kürzung Weihnachtsgeld = 615,95 DM (Blatt 85 d. A.)
27c) abzüglich Krankengeld = 5.679,00 DM (Blatt 83 d. A.)
282. Verdienstausfall 01.01.1998 - 30.11.1998:
29a) 11 x 1.025,98 DM = 11.285,78 DM
30b) Kürzung Weihnachtsgeld = 1.241,46 DM (Blatt 85 d.A.
31c) Urlaubsgeld (1.800,00 - 1.241,46 DM) = 5.58,54 DM
32d) abzüglich Krankengeld, Übergangsgeld = 8.618,37 DM
33(Blatt 6 d. A.)
343. Verdienstausfall 01.12.1998 - Juni 1999:
357 x (1.025,98 DM - 789,68 DM) = 1.654,10 DM (Blatt 7 d.A.)
364. Nebentätigkeit Firma B (Mai 1997 - Oktober 1998
3723 x 90,00 DM = 2.070,.00 DM (Blatt 7 d.A.)
385. Ärztliche Behandlung und Attest:
39600,00 DM+ 10,00 DM = 610,00 DM (Blatt 7 d. A.)
40II.
41Hinsichtlich des eigenen Schmerzensgeldes verweist die Kläge-
42rin unter Bezugnahme auf die ärztlichen Bescheinigungen
43Dr. V vom 28.08.1997 und 10.08.1998 auf eine abnorme
44Trauerreaktion und Arbeitsunfähigkeit betreffend ihre Tätig-
45keit im G-Kinderheim bis zum 06.10.1998 und dar-
46über hinaus bis Ende November 1998.
47In Anlehnung an den Streitwert laut Klage vom 18.10.1999
48(vorläufig 177.093,26 DM und aufgeteilt auf den Antrag 2 b))
49stellt sich die Klägerin ein Schmerzensgeld von 32.000,00 DM
50zuzüglich dann doch nicht gezahlter 3.000,00 DM vor.
51Denn die Beklagte hat ihre Einstandspflicht letztlich gänz-
52lich abgelehnt, nachdem zuvor ein Schmerzensgeld von
533.000,00 DM im Raum stand.
54III.
55Mit Schriftsatz vom 14.05.2004 hat die Klägerin überdies
56Feststellungsklage erhoben. Materielle und immaterielle Zu-
57kunftsschäden seien zu besorgen. In der psychosomatischen
58Klinik Schloss X sei anlässlich des Aufenthaltes
59vom 20.01.04 bis 02.03.2004 eine mittelgradige depressive
60Episode bei mehrfacher Belastung und eine Angststörung fest-
61gestellt worden. Diese Erkrankungen seien Folge des Unfallto-
62des ihres Sohnes. Es sei nicht abzusehen, welche weiteren ma-
63teriellen und immateriellen Schäden noch eintreten könnten.
64In der Sitzung vom 19.05.2004 hat die Beklagte hinsichtlich
65eines Teilbetrages von 6.000,00 € nebst 4 % Zinsen seit dem
6603.03.1997 (Schmerzensgeld) ihr Anerkenntnis erklärt. Die
67Klägerin hat den Erlass des Teil-Anerkenntnisurteiles vom
6819.05.2004 beantragt.
69Die Klägerin beantragt darüber hinaus,
701. Die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.183,34 DM
71nebst je 4 % Zinsen aus 7.513,37 DM seit dem
7205.02.1998 und aus weiteren 8.669,97 DM seit dem
7324.06.1999 zu zahlen sowie
742. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes
75Schmerzensgeld von insgesamt mindestens 35.000,00 DM
76nebst 4 % Zinsen seit dem 03.03.1997 zu zahlen und
773. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
78ihr allen materiellen und immateriellen Schaden zu er-
79setzen, der ihr aus dem Verkehrsunfall vom 20.05.1997
80in I noch entstehen wird, soweit der An-
81spruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder
82andere Dritte übergegangen ist.
83Die Beklagte beantragt - soweit nicht anerkannt -,
84die Klage abzuweisen.
85Sie bezieht sich auf ihren Schriftsatz vom 26.11.1999 - dort
86Seite 6, II -, auf. ihren Schriftsatz vom 15.12.1999 und ihren
87Vergleichsvorschlag vom 13.05.2004.
88Hinsichtlich des Feststellungsantrages vom 14.05.2004 erhebt
89sie die Einrede der Verjährung.
90Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird
91auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze nebst der über-
92reichten Unterlagen verwiesen.
93Die Kammer hat gemäß den Beschlüssen vom 05.12.2001,
9423.10.2002 und 20.01.2003 Auskünfte der die Klägerin behan-
95delnden Ärzte eingeholt. Auf diese Auskünfte und die
96Sitzungsniederschrift vom 07.01.2003 wird verwiesen.
97Weiter hat die Kammer gemäß Beschluss vom 10.07.2003 ein neu-
98rologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt. Insoweit wird
99auf das Gutachtendes Sachverständigen Prof. Dr. U
100vom 29.03.2004 Bezug genommen.
101Entscheidungsgründe
102Der Klage war nach Maßgabe des Tenors zu entsprechen, denn es
103steht nach den vorliegenden ärztlichen Berichten und dem Gut-
104achten des Sachverständigen Prof. U fest, dass die
105Klägerin aus Gründen des Unfalltodes ihres Sohnes erhebliche
106gesundheitliche Schäden genommen hat und ihr überdies materi-
107eller Schaden entstanden ist.
108l.
109Der materielle Schaden ist durch die vorliegenden Unterlagen
110wie folgt nachgewiesen (entsprechend der nummerierten Scha-
111densaufstellung der Klägerin):
1121.
113a) 6 x 1.025,98 = 6.155,88 DM
114b) Kürzung Weihnachtsgeld = 615,95 DM
115c) abzüglich Krankengeld von 5.679,00 DM
1161.092.83 DM
1172.
118a) II x 1.025,98 DM = 11.285,78 DM
119b) Kürzung Weihnachtsgeld = . 1.241,46 DM
120c) Urlaubsgeld = nicht belegt
121d) abzüglich Krankengeld und Übergangsgeld von 8.618,37 DM
1223.908,87 DM
1233.
1247 x 789,68 DM= 1.654,10 DM
1254.
12623 x 90,00 DM= 2.070,00 DM
1275.
128Attest = 10.00 DM
129Die psychotherapeutische Behandlung ist der Höhe nach nicht
130belegt.
131Es ist daher ein Gesamtschaden von 8.735,80 DM = 4.466,54 €
132entstanden nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit
133(05.11.1999).
134II.
135Betreffend das Schmerzensgeld geht die Kammer von einem Ge-
136samtbetrag von 40.000,00 DM aus.
137Ein Betrag von 6.000,00 e nebst 4 % Zinsen ist durch Teil-
138Anerkenntnisurteil bisher zugesprochen.
139Zu dieser Bewertung gelangt die Kammer mit Rücksicht auf die
140nachvollziehbaren und überzeugenden Darlegungen des Sachver-
141ständigen Prof. U in seinem Gutachten vom
14229.03.2004. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die um-
143fänglichen Darlegungen in diesem Gutachten verwiesen.
144Der Sachverständige ist bei der Untersuchung der Klägerin am
14501.10.2003 unter Berücksichtigung der von der Kammer einge-
146holten ärztlichen Berichte zu dem Schluss gelangt, dass die
147Klägerin bis zum Unfalltod des Sohnes Andreas psychisch ge-
148sund und hinsichtlich einer wahrscheinlich vorbestehenden,
149lebensgeschichtlich begründeten psychischen Disposition voll-
150ständig kompensiert war. Der Unfalltod, so der Sachverständi-
151ge, sei daher als weit überwiegende wesentliche Ursache für
152die zeitnah zum Unfalltod aufgetretene und seitdem protra-
153hiert verlaufende psychische Störung anzusehen.
154Zusammenfassend hat er dargelegt, ab Juli 1997 sei es zur
155Entstehung einer Anpassungsstörung im Sinne einer abnormen
156Trauerreaktion gekommen. Im weiteren Verlauf habe sich formal
157eine leicht depressive Episode mit somatischen Beschwerden
158und depressiver Symptomatik, Angst und ausgeprägt vegetativ-
159funktionellen körperlichen Beschwerden entwickelt ..Diese psy-
160chische Störung habe einen fluktuierenden Verlauf und sei
161noch im Rahmen der Untersuchung nachweisbar gewesen. Die de-
162pressive Episode mit somatischen Beschwerden sei weiter vor-
163handen; eine Verschlechterung stehe mit Wahrscheinlichkeit
164nicht zu erwarten.
165Diese nach dem 01.06.1999 anhaltende Beeinträchtigung bedingt
166eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % bis zur Gutach-
167tenerstattung. Hingegen ist von einer Minderung der Erwerbs-
168fähigkeit für den Zeitraum 01.06.1997 - 31.10.1997 von 100 %,
16901.11.1997 - 30.04.1998 von 50 %, 01.05.1998 bis 31.07.1998
170von 30 % und für den Zeitraum 01.08.1998 - 31.05.1999 von
17120 % auszugehen.
172Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hatte die Kammer über-
173dies zu berücksichtigen, dass die Beklagte, obwohl ja die At-
174teste Dr. V vorlagen, eine Zahlung schlicht verweigert
175hat. Möglicherweise wäre die erhebliche Erkrankung der Kläge-
176rin abgemildert worden, hätte die Beklagte wenigstens eine
177Vorschusszahlung geleistet.
178Danach war ein Schmerzensgeld von 40.000,00 DM = 20.451,68 €
179nebst 4 % Zinsen seit dem 03.0.3.1997 auszuurteilen. Durch
180Teil-Anerkenntnisurteil wurden schon 6.000,00 € nebst 4 %
181Zinsen seit dem 03.03.1997 zugesprochen.
182III.
183Hinsichtlich des Feststellungsantrages greift die Einrede der
184Verjährung. Die Klägerin hatte Kenntnis vom Schaden
1851997/1998. Es ist nicht erforderlich, dass sie den Schaden in
186seinen einzelnen Elementen und Ausprägungen überschaut. In
187nicht verjährter Zeit hätte danach die Feststellungsklage er-
188hoben werden müssen.
189Allerdings sei auf die Beurteilung des Sachverständigen hin-
190gewiesen, der nur noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
191von 10 % bis zur Untersuchung am 01.10.2003 annimmt.
192Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 284 ff. BGB, 92, 708
193Nr. 1, Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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Referenzen
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