Grund- und Teilurteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 153/02
Tenor
Der Klageantrag zu 1 ) auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgel-
des nebst Zinsen ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche
zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom
02.01.2001 auf dem Parkplatz Fa. H in C zu bezahlen, so-
weit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
1
Tatbestand
2Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Er-
3eignis vom 02.01.2001 geltend, das der Kläger als Verkehrsunfall und die Be-
4klagte als vorsätzliche Tat des Pkw-Fahrers bezeichnet.
5Die Beklagte war am 02.01.2001 Haftpflichtversicherer des Pkw Opel, amtli-
6ches Kennzeichen #########. Halterin dieses Fahrzeugs und Versicherungs-
7nehmerin war die Tochter des Klägers, die Zeugin E.
8Die Zeugin war zeitweilig Lebensgefährtin des Zeugen E2. Dieser war
9zum Zeitpunkt des Ereignisses Fahrer des Opel, die Zeugin E war Beifahrerin.
10Kurz vor dem 02.01.2001 hatten sich die Zeugin und der Zeuge getrennt. Es war
11zu heftigen, teilweise auch tätlichen Auseinandersetzungen gekommen. Die Zeugin hatte durch einen Schlag des Zeugen E2 einen Trommelfettriss erlitten.
12Gleichwohl fuhr sie mit dem Zeugen E2 am Nachmittag des 02.01.2001 mit
13ihrem Pkw fort. Während der Fahrt gab es eine erregte Auseinandersetzung zwischen beiden. Beide wechselten die Plätze im Fahrzeug. Nunmehr war E2
14Fahrer. Sie fuhren zum Parkplatz der Firma H in C. Dort stellte der
15Zeuge E2 das Fahrzeug auf einer markierten Fläche des Parkplatzes ab mit
16der Fahrzeugfront senkrecht zur Fahrgasse. Beide führten im stehenden Pkw ihren Streit fort. Der Motor lief im Leerlauf für den Heizungsbetrieb.
17Die Eltern der Zeugin E, der Kläger und die Zeugin E3, machten sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Tochter und suchten sie. Sie
18kamen mit ihrem Pkw zum Parkplatz der Firma H. Der Kläger stieg aus
19und suchte das Fahrzeug der Tochter. Die Zeugin E3 fuhr auf den
20Parkplatz, entdeckte den Pkw der Tochter und setzte ihr Fahrzeug in die Parkbox
21neben der Beifahrerseite des Opel.
22Die Zeugin E3 stieg aus, ging zur Beifahrerseite und versuchte, ihre
23Tochter aus dem Auto zu ziehen. Nach einigen Bemühungen gelangte die Tochter
24aus dem Auto. Der Zeuge E2 fuhr nun vorwärts an und erfasste dabei mit
25dem Pkw den Kläger, der mittlerweile den Ort des Geschehens erreicht hatte. Der
26Kläger stürzte zu Boden, das linke Bein wurde überrollt. Er erlitt dabei eine Unterschenkelfraktur links und schwere Knieverletzungen links. Der Zeuge E2 hielt
27sofort an und flüchtete.
28Der Zeuge E2 wurde von der Strafkammer des Landgerichts Dortmund u.a.
29wegen -vorsätzlicher- gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Klägers zu
30einer Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil der
31Strafkammer vom 04.06.2002 Bezug genommen.
32Der Kläger behauptet, der Zeuge E2 habe sich offensichtlich auf die beiden
33Frauen konzentriert und habe aus Verärgerung sich mit dem Fahrzeug entfernen
34wollen. Er habe dabei offensichtlich den Kläger übersehen. Das gesamte Ge-
35schehen spreche für ein ungewolltes Unfallgeschehen. Es handele sich somit um
36einen Verkehrsunfall, für den die Beklagte hafte.
37Aufgrund der bei diesem Unfall erlittenen Verletzungen hätten sich schwere
38Schädigungen insbesondere im linken Knie des Klägers eingestellt. Er habe mittlerweile eine Endoprothese links erhalten, weitere Nachoperationen seien erforderlich. Es sei mit erheblichen Dauerschäden zu rechnen.
39Der Kläger beantragt,
40die Beklagte zu verurteilen,
411. an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld
42nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem
4314.11.2001 zu zahlen;
442. an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente
45in Höhe von 250,00 € ab dem 02.01.2001, monatlich im voraus
46jeweils zum 3. Werktag eines Monats zu bezahlen;
473. darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagte
48verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immate-
49riellen Schäden, letztere, soweit sie nach dem 01.01.2004 ent-
50stehen, aus dem Unfall vom 02.01.2001 auf dem Parkplatz der
51Firma H in C zu bezahlen, soweit die Ansprüche
52nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte überge-
53hen.
54Die Beklagte beantragt,
55die Klage abzuweisen.
56Die Beklagte vertritt die Auffassung, ihre Haftung als Haftpflichtversicherer des
57Pkw Opel sei wegen einer Vorsatztat des Fahrers ausgeschlossen. Der
58Haftungsausschluss beruhe auf §152 WG, er gelte nicht nur für die Versiche-
59rungsnehmerin, sondern auch für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Fahrer. Darüber hinaus liege kein Unfall vor, da das Fahr-
60zeug als Waffe eingesetzt worden sei. Die Beklagte stützt sich insoweit auf die
61Feststellungen des Urteils der Strafkammer vom 04.06.2002. Sie behauptet insoweit, der Kläger sei auf die Fahrzeuge zugegangen und habe sich dabei dem
62Frontbereich des Fahrzeuges seiner Tochter genähert, in dem weiterhin der Zeuge E2 saß. Der Kläger habe das Fahrzeug seiner Tochter unmittelbar im
63Frontbereich passieren wollen. In diesem Moment sei der Zeuge E2, der den
64Kläger erkannt habe, langsam losgefahren. Der Kläger habe dem Fahrzeug nicht
65mehr ausweichen können, sondern sich mit den Händen auf der Motorhaube ab-
66gestützt und sei von dem anfahrenden Pkw zurückgedrängt worden. Der Zeuge
67E2 habe erkannt, dass der Kläger, um nicht überfahren zu werden, vor dem
68Fahrzeug rückwärts hergehen müsse und im Falle eines Sturzes erhebliche Verletzungen -insbesondere verursacht durch das fahrende Fahrzeug- erleiden
69könnte. Trotzdem habe er seine Fahrt fortgesetzt. Dem Kläger sei es gelungen,
70ca. 4 m zurückzugehen, ohne zu Fall zu kommen. Ein Ausweichen, etwa durch
71einen Sprung zur Seite, sei ihm nicht möglich gewesen. Nach etwa 4 m sei er mit
72seinem Schuh hängen geblieben. Er sei vor die Front des Fahrzeuges gestürzt.
73Der Angeklagte habe dies erkannt und ebenfalls erkannt, dass er im Falle der
74Weiterfahrt den Zeugen mit dem Fahrzeug überrollen müsste. Trotz der sicheren
75Erkenntnis, dass durch die Weiterfahrt der Kläger erhebliche Verletzungen da-
76vontragen müsste, habe der Zeuge E2, dem es möglich gewesen sei, das
77Fahrzeug anzuhalten, die Fahrt in langsamer Geschwindigkeit fortgesetzt. Der
78Kläger sei unter die Front des Fahrzeugs geraten und sei überfahren worden.
79Vorsorglich trägt die Beklagte zur Schadenshöhe vor, dem Kläger falle ein Mitver-
80schulden zur Last, da er die Neigung des Zeugen E2 zu Gewalttätigkeiten
81hätte kennen müssen. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte die Unfallursäch-
82lichkeit der von dem Kläger erlittenen Beeinträchtigungen. Diese beruhten teilweise auf Vorschäden. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte das Vorliegen eines
83schwerwiegenden Dauerschadens.
84Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der ge-
85wechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
86Das Gericht hat die Strafakten LG Dortmund ###############
87######### beigezogen. Der Kläger ist gemäß § 141 ZPO angehört worden, die
88Zeugen E und E3 sind vernommen worden. Zur Beibringung einer ladungsfähigen Anschrift des Zeugen E2 hat das Gericht den
89Parteien gemäß § 356 ZPO erfolglos eine Frist gesetzt.
90Entscheidungsgründe
91Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches war die Klage dem Grunde nach
92entscheidungsreif. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs wird das Gericht Art und
93Umfang der Verletzungen, insbesondere Art und Schwere eines Dauerschadens,
94noch aufklären müssen. Das Gericht hat daher hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches zunächst durch Grundurteil gemäß § 304 ZPO entschieden. Hinsichtlich des Feststellungsantrages war die Klage entscheidungsreif. Insoweit ist durch
95Teilurteil entschieden worden.
96Die Beklagte haftet dem Kläger gem. §§ 7 Abs. 1 StVG a. F., 3 PflVG auf Ersatz
97des materiellen Schadens und gemäß §§ 823, 847 BGB a.F., 3 PflVG auf Ersatz
98des immateriellen Schadens.
99Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer ist nicht wegen einer Vor-
100satztat des Fahrers, der nicht Versicherungsnehmer der Beklagten war, ausge-
101schlossen.
102Das Gericht hat insoweit Folgendes zugrunde gelegt: Der Begriffvorsatz ist im
103zivilrechtlichen Sinne zu verstehen. Danach liegt Vorsatz vor, wenn der Versicherungsnehmer mit Willen und im Bewusstsein eines für einen anderen schädlichen
104Erfolgs handelt. Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer die Schädigung
105nur für möglich hält, dies aber billigend in Kauf nimmt. Der Vorsatz im Sinne von §
106152 WG muss auch die Schadensfolgen -wenn auch nicht in allen Einzelheiten-
107umfassen (vgl. Prölss/Martin, WG, § 152 Rdn. 2). Vorsätzliches Handeln ist vom
108Versicherer zu beweisen.
109Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass der Fahrer des Opel Astra vorsätzlich, auch in der Form des dolus eventualis, gehandelt hat.
110Das Gericht hat folgendes Beweisergebnis zugrunde gelegt:
111Der Kläger hat gegenüber dem Polizeibeamten X im Rahmen einer in-
112formellen Anhörung im Krankenhaus V am 03.01.2001 folgende Angaben
113gemacht (Bl. 31 f. der Beiakte):
114Als ich näher kam, konnte ich meine Frau neben dem Auto meiner Tochter stehen
115sehen. Meine Tochter stieg zu dieser Zeit aus. E2 saß hinter dem Lenkrad. Ich
116hörte jetzt, wie E2 zu meiner Frau sagte: "Hau ab hier,,. Ich wollte jetzt zu E2
117gehen und fragen was denn eigentlich los sei. Als ich mich vordem Auto befand,
118fuhr er plötzlich an. Er fuhr erst langsam an und dann aber immer schneller. Ich
119konnte nicht weg. Ich stand in Höhe des linken Scheinwerfers und versuchte
120rückwärts zu gehen. Irgendwann fiel ich dabei hin und geriet unter das Auto meiner Tochter. Er schleifte mich meiner Schätzung nach noch einen halben Meter
121mit. Ich hatte in diesem Moment große Schmerzen. Ich sah, dass der E2 aus-
122stieg und weglief. Auf Frage muss ich sagen, dass ich den Eindruck hatte, dass
123E2 mir nur Angst einjagen wollte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich über-
124fahren wollte.
125Der Kläger hat bei seiner förmlichen Vernehmung als Zeuge vor der Polizei
126(wahrscheinlich am 19.01.2001) folgende Angaben gemacht (Bl. 99 f. der Beiakte): Dann kam ich, gegen 19.20 Uhr/20.00 Uhr, zum Parkplatz H. Ich
127konnte sehen, wie meine Frau auch gerade mit unserem Auto auf den Parkplatz
128fuhr und direkt neben einem anderen Auto einparkte. Später habe ich dann gesehen, dass es der Wagen meiner Tochter war. Der Wagen meiner Tochter war mit
129der Front zu mir und der Wagen meiner Frau mit dem Heck zu mir eingeparkt.
130Meine Frau stieg aus und meine Tochter verließ ebenfalls auf der Beifahrerseite
131ihr Fahrzeug. Ich war noch so 5-6m entfernt. Ich konnte hören, wie E2 meiner
132Frau zurief, dass sie abhauen sollte. Ich war in der Zwischenzeit an der Haube
133des Opel angekommen. Dann muss er mich wohl auch gesehen haben. Ich kann
134nicht sagen, ob der Wagen an war oder ob er ihn dann gestartet hat. Auf jeden
135Fall heulte der Motor auf. Ich hatte meine Hände vorne auf der Motorhaube abgestützt und wollte zur Fahrerseite rumgehen. Dazu kam ich aber nicht, weil er dann
136losfuhr. Ich kam genau aus der Richtung und musste vordem Wagen hergehen.
137Dann fuhr der Wagen an, er hat dabei mehrfach richtig Gas gegeben, der Motor
138heulte richtig auf. Dann fuhr er an, ich bin dann weiterzurückgewichen. Dabei habe ich mich immer auf der Motorhaube abgestützt. Dann fuhr er so schnell, dass
139er mich an meinem Bein erwischt hat. Der Schuh muss wohl hängen geblieben
140sein. Ich stürzte dann rücklings aufs Pflaster und schlug mit dem Kopf auf.
141Ich hörte dann nur noch, wie die Wagentür geöffnet wurde und Jemand weglief.
142Bei dem Vorfall wurde nichts gesprochen. Der Wagen war nicht schnell, ich
143konnten immer wieder langsam zurückgehen. Dann wurde er schneller und ich
144stürzte. Nachdem ich gestürzt war ist er nicht mehr richtig gefahren, ich denke, er
145ist nur noch ausgerollt. Ich habe dann ja auch mit meinem Unterkörper unter dem
146Auto gelegen....
147Ich glaube nicht, dass er mich überfahren wollte.
148In seiner Anhörung gem. § 141 ZPO vor der Kammer hat der Kläger u.a. angegeben, als der Opel angefahren sei, habe er sich noch auf Höhe des Hecks seines
149danebenstehenden eigenen Fahrzeuges befunden. Der Opel sei direkt auf ihn
150zugekommen. Er habe nicht mehr zur Seite ausweichen können. Mit den Händen
151habe er auf die Motorhaube des Opel gefasst und sei von diesem Fahrzeug nach
152hinten zurückgedrückt worden. Nach etwa drei Schritten sei er hängen geblieben
153und rückwärts zu Boden gefallen. Es sei nicht so gewesen, dass er unmittelbar
154vor dem Opel stand, als dieser losfuhr. Der Opel sei auf jeden Fall ein Stück her-
155umgefahren. Beim Anfahren des Opels sei er nicht getroffen worden.
156Die Zeugin E3 hat bei ihrer polizeilichen Vernehmung (Bl. 18 der Beiakte) am 02.01.2001 folgende Angaben gemacht: In dem Moment kam dann auch
157gerade mein Mann zu Fuß auf den Parkplatz. Ich weiß im Moment nicht mehr, wo ich stand und wie das genau kam. Ich weiß nur noch, dass der E2 allein in dem Auto noch saß, plötzlich den Motor startete und direkt auf meinen Mann losfuhr.
158Ich kann auch nicht sagen, wie weit er mit dem Auto gefahren war und wie schnell er war. Aber er fuhr direkt auf meinen Mann los und erfasste ihn mit der Fahrzeugschnauze voll. Mein Mann lag dann plötzlich unter dem Auto.
159Die Zeugin E3 hat vor der Kammer u.a. angegeben, es habe zunächst
160ein gewisses Gerangel gegeben, als sie ihre Tochter aus dem Fahrzeug ziehen
161wollte. Sie sei geladen gewesen und etwas robust aufgetreten. Der Zeuge E2
162habe nicht viel gesagt, war aber aufgeregt. Er sei dann losgefahren. Eigentlich
163habe sie nicht gesehen, wie hier Ehemann auf das Auto zugekommen sei. Es sei soviel Heckmeck gewesen. Gesehen habe sie ihn erst, als er unter dem Auto war.
164Die Zeugin E hat bei der polizeilichen Vernehmung vom
16503.01.2001 (Bl. 14 f. der Beiakte) Folgendes angegeben:
166Auf jeden Fall riss mich meine Mutter aus dem Fahrzeug und mein Vater stand
167vor dem Wagen von E2, d. h. direkt vor der Motorhaube. Mein Vater wollte zur
168Fahrerseite und den E2 aus dem Pkw ziehen. Meine Mutter stand nun ebenfalls
169vor der Motorhaube. In diesem Moment fuhr der E2 direkt auf meinen Vater los.
170Er hat Vollgas gegeben. Mein Vater wusste nicht, was er machen sollte. Er stützte
171sich auf der Motorhaube ab. Meine Mutter stützte sich ebenfalls auf der Motor-
172haube ab, d. h. an der Seite. E2 gab immer wieder ruckartig Gas. Meine Mutter
173ist nun zur Seite weggeflogen, während mein Vater direkt mittig vor der Motorhaube stand. Wie ein Irrer hat der E2 immer weiter Gas gegeben. Ich schrie E2 an:
174"Hör auf! Du fährst meine Eltern tot!,, Aber er hörte nicht darauf, er gab immer
175wieder Gas. Ich weiß nicht, wie weit er gefahren ist, aber es waren auf alle Fälle
176einige Meter.
177Auf einmal fiel mein Vater zu Boden. Ich konnte ihn nicht mehr sehen. E2 hat
178dieses auch gesehen, trotzdem fuhr er einfach weiter. Er ist einfach auf meinen
179Vater gefahren: Für mich sah es so aus, als wenn er ihn nochmals 1 bis 1 1/2 m
180mitgezogen hat. Ich konnte meinen Vater nicht mehr richtig sehen. Ich konnte nur erkennen, dass ein Rad auf meinem Vater stand. Es müsste das Vorderrad Beifahrerseite gewesen sein. Mein Vater war zur Hälfte vom Fahrzeug
181bedeckt. ...
182Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass der E2 zuerst versucht hat mich
183umzubringen und anschließend auf dem Parkplatz meinen Vater. Der ist total
184durchgedreht. Ich habe jetzt total die Angst. Selbst wenn der E2 gefasst wird, ist
185da noch sein Bruder. Das ist der N. Der ist genauso durchgeknallt. Der war
186auch schon im Gefängnis. Der bringt mich um. Ich weiß nicht mehr, was ich ma-
187chen soll. Ich habe wirklich Angst vor denen.
188Beide haben mir gegenüber schon mehrfach gesagt, dass sie nichts zu verlieren
189haben. Sie sagten wörtlich: "Wir bringen dich um!,, und das nicht nur einmal.
190Vor der Kammer hat die Zeugin E angegeben, es sei sehr schnell
191gegangen. Der E2 sei angefahren, in diesem Moment sei ihr Vater genau vor
192dem Auto gewesen. Der E2 sei ein Stück nach vorn gefahren. Sie meine, der
193Kläger habe noch nach rechts auf die Fahrerseite ausweichen wollen. Das sei
194aber nicht mehr gegangen. Plötzlich sei der Vater verschwunden gewesen.
195Der Zeuge E2 konnte nicht vernommen werden, weil beide Parteien, die sich
196jeweils auf den Zeugen E2 berufen hatten, eine ladungsfähige Anschrift trotz
197Fristsetzung nach § 356 ZPO nicht angeben konnten.
198Bei diesem Beweisergebnis hat die Kammer nicht die Überzeugung gewonnen,
199dass der Zeuge E2 jedenfalls mit dolus eventualis den Kläger verletzt hat. Die
200Aussagen der Beteiligten sind in den unterschiedlichen Verfahrensabschnitten
201abweichend. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass, jedenfalls der Tendenz
202nach, die Zeugen als Familienangehörige des Klägers dessen Schadensersatzansprüche sichern wollen. Das bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die früher vor
203der Polizei gemachten Angaben eher die Wirklichkeit treffen. Die damaligen An-
204gaben sind gekennzeichnet gewesen von der großen Angst gegenüber dem ge-
205waltbereiten früheren Lebensgefährten der Zeugin E. Insbesondere die Aussagen vor der Polizei waren gekennzeichnet von der Besorgnis, weiteren Bedrohungen durch den Zeugen E2 ausgesetzt zu sein. Auf
206diesem Hintergrund lässt sich -auch der Tendenz nach- den Aussagen der Zeu-
207gen im damaligen Verfahrensabschnitt keine höhere Überzeugungskraft zumes-
208sen.
209Zu berücksichtigen ist auf jeden Fall die emotional hoch aufgeladene Situation am 02.01.2001. In dieser Situation kam es zunächst zu einem Gerangel mit der resolut auftretenden Mutter der Zeugin auf der Beifahrerseite des Fahrzeuges. Dieses Geschehen musste die Aufmerksamkeit des Fahrers auf die Beifahrerseite lenken. Es ist nicht auszuschließen, dass der Kläger plötzlich und unerwartet aus einer Querbewegung vor dem Pkw Opel auftauchte und beim Anfahren erfasst wurde. Unter diesen Umständen konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass der Zeuge E2 billigend mit der Möglichkeit rechnete, den Kläger zu verletzen. Der Ausschluss nach § 152 WG ist somit nicht bewiesen.
210Der geltend gemachte Feststellungsanspruch ist teilweise zulässig und begründet.
211Soweit die Feststellung der Ersatzpflicht für bereits entstandene Schäden verlangt wird, ist der Antrag unzulässig und war daher abzuweisen. Hinsichtlich der zukünftigen Schäden kann der Kläger ein Feststellungsinteresse geltend machen. Er hat unstreitig eine Unterschenkelfraktur und jedenfalls eine Knieverletzung erlitten.
212Verletzungen mit diesen, bereits aufgrund des unstreitigen Sachvortrags festge-
213stellten Verletzungen lassen die Möglichkeit des Eintritts späterer Schäden zu, so dass ein Feststellungsinteresse besteht.
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Referenzen
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