Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 583/03
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.805,87 € (i.W. vierundzwanzigtausendachthundertundtünf 87/100 Euro) nebst Zinsen In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.07.2003 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw A, Cabrio (Fahrgestellnummer: ###############) zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs und Ersatz für von ihm aufgewendete Mittel für die Reparatur des Gebrauchtwagens.
3Mit schriftlichem Vertrag vom 31.12.2002 kaufte der Kläger bei der Beklagten unter Ausschluss der Gewährleistung den erstmals am 30.06.2000 zugelassenen streitgegenständlichen PKW BMW Cabrio zu einem Kaufpreis von 29.990 €. In der Vertragsurkunde, die von beiden Parteien unterzeichnet wurde, heißt es u.a.: "Gesamtlaufleistung nach Angaben des Vorbesitzers 33.000 km". In der Rubrik "Beruf/Gewerbe" wurden im Kaufvertragsformular keine Angaben eingetragen. Als Anschrift des Klägers wurde dessen Privatanschrift angegeben. Zudem wurde die Geltung der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbart.
4Aus diesen ergibt sich ein Ausschluss der Sachmängelhaftung der Beklagten beim Verkauf von Nutzfahrzeugen an Unternehmer, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Vertragsurkunde (Bl. 144 ff d. A.) Bezug genommen.
5Da das Getriebe des Fahrzeugs defekt war. ließ der Kläger es auf seine Kosten für einen Preis von 3.229,06 € auswechseln.
6Mit Schreiben vom 30.06.2003 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Vertrag und vorsorglich dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, die Anzeige der Laufleistung des KfZ sei manipuliert worden. Erforderte die Beklagte unter Fristsetzung zum OB.07.2003 zur Zustimmung zur Rückabwicklung durch Rückgewähr des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsersatzes für die von ihm gefahrenen Kilometer auf.
7Der Kläger behauptet, die Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Kaufes habe 101.298 km - und damit 68.289 km mehr als vertraglich vereinbart - betragen. Am 05.06.2003 sei eine Laufleistung von 117.500 km festgestellt worden bei Kilometerstandsanzeige von 49.211 km. Den Pkw habe er zum privaten Gebrauch erworben. Der Austausch des Getriebes sei erst erfolgt, nachdem er die Beklagte aufgefordert habe den Getriebeschaden zu beseitigen. Das Fahrzeug sei ihm in der Nacht vom 05.05. zum 06.05.2004 bzw. vom 24.05. zum 25.05.2004 gestohlen worden. Er habe das Fahrzeug abends auf der Straße vor seinem Haus abgestellt und am nächsten Morgen sei es nicht mehr dort gewesen. Der oder die Täter seien derzeit unbekannt.
8Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 29.240,42 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 09.07.2003 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw A, Cabrio Fahrgestellnummer #################) zu zahlen.
10Aufgrund des behaupteten Diebstahls des streitbefangenen Fahrzeugs beantragt der Kläger nunmehr,
11die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 29.240,42 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 09.07.2003 Zug um Zug gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen den/die Täter, die das Fahrzeug Pkw A, Cabrio (Fahrgestellnummer: ###################) gestohlen haben, zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte behauptet, der Kläger sei Kfz-Gewerbetreibender und beruft sich auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss. Sie habe das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 31.444 km erworben und sei in vier Wochen damit nur 1.600 km gefahren. Die Manipulation des Tachos sei technisch ausgeschlossen.
15Sie ist der Ansicht, der Kläger könne auch die Kosten für den Getriebeaustausch nicht verlangen. Sie behauptet, dass das Getriebe bei Übergabe nicht defekt gewesen sei. Andernfalls hätte der Kläger nicht noch so weit fahren können. Die Beklagte habe Nachbesserung angeboten; der Kläger habe den Termin aber zurückweisen lassen.
16Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist zulässig und im wesentlichen begründet.
19Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 31.12.2002 zu. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 323, 346.434, 437 BGB.
20Die Parteien haben wirksam einen Kaufvertrag geschlossen. Dem Kläger steht gemäß § 437 Nr. 2, 323 BGB ein Recht zum Rücktritt zu, da die Kaufsache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft war. Der Mangel besteht darin, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht die im Kaufvertrag angegebene Fahrleistung, sondern eine höhere aufwies. Die Vereinbarung einer Laufleitung eines gebrauchten PKW stellt die Vereinbarung einer Soll-Beschaffenheit dar (BGH NJW 1996, 1205). Die Fahrleistung eines PKW betrifft den tatsächlichen Zustand des Fahrzeugs und stellt somit eine Beschaffenheit des PKW dar (Palandt, 63. Aufl. §434 Rn.10). Dass das verkaufte Fahrzeug über eine bestimmte Fahrleistung - und damit einen bestimmte Beschaffenheit - verfügen sollte, wurde von den Parteien mit der Angabe im Kaufvertrag auch ausdrücklich vereinbart im Sinns des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. (vgl. auch OLG Koblenz. Urteil vom 1. April 2004 NJW 2004.1570-1671).
21Die tatsächliche Fahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges wich zum Zeitpunkt der Übergabe von der vereinbarten Fahrleistung ab. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen T. Danach wurden am Wegstreckenzähler im Kombiinstrument des Wagens Manipulationen vorgenommen. Während die in dieser Anzeige angegebene Laufleistung zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen eine Laufleistung von 75.080 km betrug, betrug die tatsächliche Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Besichtigung knapp 160.000 km. Dies ergibt eine Differenz von 84.920 km.
22Dieser Mangel lag auch zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor. Insoweit gilt zu Gunsten des Klägers die Vermutung des § 476 BGB, da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinne der §§ 475, 14 BGB. Der Kläger handelte beim Vertragsschluss als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, da er nicht im Rahmen seiner selbständigen oder gewerblichen Tätigkeit handelte, sondern das Fahrzeug zum privaten Gebrauch erwarb (Vgl. dazu Palandt, 63. Aufl., Vor § 475 Rn.2; §13 Rn.3.). Dafür wiederum ist nicht der innere Wille, sondern der Inhalt des Rechtsgeschäfts und die Begleitumstände maßgebend. Beim Kauf eines Pkw ist maßgebend, ob die private Nutzung im Vordergrund steht (Palandt, 63. Aufl., § 13 Rn, 4; § 476 Rn. 4). Nach dem Vorbringen des Klägers der insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist, nutzt er das Fahrzeug privat. Im Kaufvertrag ist die private Anschrift des Klägers angegeben. Unter dieser Anschrift ist das Fahrzeug auch zugelassen. Das Fahrzeug wurde auch privat und nicht über die Firma finanziert. Den Erwerb zu privaten Zwecken hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten. Dass der Kläger beim Kauf des Pkw seine Gewerbeanmeldung vorgelegt hat, lässt keinen Schluss auf die Verwendungsabsicht zu. Zudem ist für die Beurteilung der Frage, ob das Fahrzeug privat genutzt wird, das Verhalten des Klägers gegenüber der Versicherung und dem Finanzamt nicht ausschlaggebend.
23Selbst wenn der Kläger beim Kauf seine Gewerbeanmeldung vorgelegt haben sollte, so folgt daraus nicht, dass der Zweck des Kaufs eine gewerbliche Nutzung ist.
24Der Beweislastumkehr des § 476 BGB steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem gekauften Fahrzeug um einen Gebrauchtwagen handelt, da die Vermutung des § 476 BGB weder mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Die Fahrleistung in Kilometern eines Fahrzeugs ist von dessen Abnutzungszustand unabhängig und damit keine Frage des Verschleißes, sondern eine punktuell nachweisbare Größe.
25Dass der Mangel erst nach Gefahrübergang entstanden ist, wofür die Beklagte aufgrund der gesetzlichen Beweislastumkehr des § 476 BGB die Beweislast trägt, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Zum einen müssen die Angaben in der Kalkulation der Gothaer Versicherung nicht richtig sein. Zum anderen erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass der Kläger innerhalb von sechs Monaten von Januar bis Juni 2003 über 85.000 km gefahren ist, was nach dem Vortrag der Beklagten zur Fahrleistung aber der Fall gewesen sein müsste. Dazu müsste der Kläger in der Woche 3.200 km gefahren sein.
26Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht der vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Dieser entfaltet gemäß § 475 Abs.1 Satz 1 BGB keine Wirkung, da es sich bei dem Kauf des Fahrzeugs als beweglicher Sache - wie bereits dargestellt - um einen Verbrauchsgüterkauf handelt.
27Da der Mangel der zu hohen Fahrleistung nicht behebbar ist und eine Ersatzlieferung im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist, weil ein Gebrauchtfahrzeug erworben wurde, war eine Fristsetzung des Klägers zur Nacherfüllung durch die Beklagte gemäß § 440 BGB sowie § 323 BGB nicht erforderlich (vgl. Palandt § 440 Rn. 9). Der Mangel und damit die Pflichtverletzung sind auch nicht unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB (vgl. Palandt § 323 Rn. 27 und § 281 Rn. 48).
28Der Kläger hat den Rücktritt vom Vertrag mit Schreiben vom 30.06.2003 erklärt, so dass der Vertrag gemäß § 346 BGB rückabzuwickeln ist.
29Der Kläger ist gemäß § 346 Abs. 1 und 2 BGB verpflichtet, für die Zeit der Nutzung des PKW Wertersatz zu leisten, der sich nach dem Verhältnis zwischen dem in Kilometern bemessenen tatsächlichen Gebrauch, der voraussichtlichen Gesamtlaufleistung und dem Kaufpreis des Fahrzeugs bestimmt (Münchener-Kommentar, 4. Aufl., § 346 Rn. 27). Der Kläger muss sich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 8.413,19 € anrechnen lassen, da er mit dem Fahrzeug, dessen Restlaufzeit mit 150.000 km zu veranschlagen ist, 42.080 km zurückgelegt hat.
30Zudem ist der Kläger verpflichtet, der Beklagten im Rahmen der Rückabwicklung das streitgegenständliche Fahrzeug herauszugeben. Die Pflicht zur Rückgabe des Fahrzeugs aus § 346 Abs. 1 BGB ist auch nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Nur im Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe des Kaufgegenstandes kommt jedoch eine Wertersatzpflicht bzw. die Pflicht zur Abtretung von Ansprüchen gegen die Versicherung in Betracht. Für die Unmöglichkeit der Herausgabe trägt der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast (vgl. Münchener-Kommentar, 4. Aufl., § 275 Rn. 162). Die in der Rechtsprechung anerkannten Beweiserleichterungen für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Diebstahls einer Sache gegen eine Kaskoversicherung greifen bei der Berufung auf die Unmöglichkeit der Herausgabe einer Sache im Rahmen der Rückabwicklung eines Kaufvertrages nicht ein. Dafür besteht keine Veranlassung, da der Betroffene in diesem Fall das Entwendungsrisiko gerade versichern und seine Versicherung in Anspruch nehmen kann.
31Der Kläger hat keinen hinreichenden Beweis dafür angeboten, dass ihm die Herausgabe des Fahrzeugs unmöglich ist. Zum einen ist der Vortrag des Klägers widersprüchlich. Zunächst trägt er vor. das Fahrzeug sei in der Nacht vom 05.05. auf den 06.05.2004, der Nacht der Erstellung des Sachverständigengutachtens, entwendet worden. Sodann erklärt er, das Fahrzeug sei in der Nacht vom 24.05. auf den 25.05.2004 gestohlen worden. Auch das Vorbringen des Klägers auf den Hinweis des Gerichts vom 14.01.2005 (Bl. 140R d.A.) mit Schriftsatz vom 25.02.2005 sowie die darin angebotenen Beweise sind nicht geeignet, den behaupteten Diebstahl und die damit verbundene Unmöglichkeit der Herausgabe zu beweisen. Selbst wenn der Kläger das Fahrzeug am Abend abgestellt hat, und es am nächsten Morgen nicht mehr dort war, lässt dies nicht zur Überzeugung des Gerichts den Schluss darauf zu, dass das Fahrzeug gestohlen wurde. Der Kläger hat auch nicht Beweis dafür angeboten, dass er etwa noch im Besitz der Papiere und des Schlüssels für das Fahrzeug ist.
32Dem Kläger steht indes auch der Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten für das Getriebe in Höhe von 3.229,06 € gemäß §§ 347 Abs. 2 BGB als Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen zu. Der Kläger hat mit dem Austausch des Getriebes notwendige Aufwendungen getätigt (vgl. dazu Palandt, 63. Aufl., § 994 Rn 5). Die Beklagte hat weder die Notwendigkeit der Aufwendungen noch ihre Höhe hinreichend substantiiert bestritten. Zwar hat die Beklagte behauptet, der Kläger hätte versuchen können, die Reparatur des Getriebes auf Kulanzbasis zu erreichen und die Kosten für das Getriebe seien weit überzogen. Zum einen war der Kläger indes nicht verpflichtet, die notwendige Reparatur auf Kulanzbasis zu erwirken. Zum anderen ist nicht näher vorgetragen, warum und inwieweit der Getriebeaustausch überteuert ist.
33Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs, 1 ZPO, wobei das jeweilige Unterliegen der Parteien zu berücksichtigen war. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.