Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 47/04
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auf Grund des zwischen den Parteien geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages Nr. #######-## bedingungsgemäßen Versicherungsschutz wegen der durch die Firma C, Am C2 # #, ##### L und den T, S- Straße ##, ##### H erhobenen Ansprüche aus Anlass des Schadensfalles vom 09.10.2003 zu gewähren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 50.000,00 € die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin, eine GmbH in Gründung aufgrund Gesellschaftsvertrages vom 23.07.2003, beantragte am 15.08.2003 bei dem Mitarbeiter des B (B) T2 den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung bei der Beklagten. Die Beklagte übersandte der Klägerin einen am 16.09.2003 ausgefertigten Versicherungsschein mit dem Versicherungsbeginn 01.09.2003 unter Geltung der AHB (Formular H8-12) und der besonderen Bedingungen für den Hochbaubetrieb der Klägerin. Der Erstbeitrag von 221,28 € sollte vereinbarungsgemäß vom Konto der Klägerin abgerufen werden. In den dem Versicherungsschein beiliegenden Hinweisen und Verhaltensregeln zur abgeschlossenen Versicherung heißt es unter Verhaltensregel 2.: "Beginn der Leistungspflicht" "Die Leistungspflicht der M beginnt mit dem als Beginn vereinbarten Zeitpunkt. Das gilt auch dann, wenn der Versicherungsschein/Nachtrag erst später ausgestellt und übergeben wird. Voraussetzung ist jedoch, dass der erste Beitrag zum Fälligkeitstermin bzw. bei späterer Anforderung ohne Verzug gezahlt wird."
3Am 09.10.2003 meldete einer der Gesellschafter der Klägerin, T3, der Beklagten telefonisch einen Schadensfall an der Baustelle S-Str. ## in H. Ebenfalls an diesem Tage hatte die Beklagte der Klägerin mit Telefax von 12.08 Uhr bestätigt, dass Versicherungsschutz für den Hochbaubetrieb der Klägerin besteht.
4Am 17.10.2003 buchte die Beklagte den Erstbeitrag vom angegebenen Konto der Klägerin bei der H Bank e. G. ab, wobei mangels Deckung am gleichen Tage Rückbuchung erfolgte. Die Klägerin zahlte am 20.11.2003 den Erstbeitrag auf ein Konto der Beklagten ein.
5Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 06.01.2004 durch die Fa. C zur Zahlung von vorläufig 77.135,93 € Schadensersatz aufgefordert. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 08.01.2004 Versicherungsschutz ab und kündigte den Vertrag aus wichtigem Grund.
6Mit der Klage begehrt die Klägerin Deckung für die gegen sie erhobenen Schadensersatzansprüche des Bauherrn und der Generalunternehmerin.
7Sie behauptet, sie sei aufgrund Bauvertrages vom 03.09.2003 für die Generalunternehmerin tätig geworden, nachdem zuvor die Fa. X im Rahmen von Abbruch- und Aufräumungsarbeiten tätig gewesen sei. Der Gesellschafter T3, der Mitarbeiter bei der X gewesen sei, sei im Überwachungsprotokoll vom 09.10.2003 des N fälschlich der Fa. X zugeordnet worden.
8Der Schaden sei am 09.10.2003 eingetreten, als ihr Geschäftsführer T4 und der Gesellschafter T3 Baggerarbeiten an der Straßenfront des Hauses ausgeführt hätten.
9Das Mahnschreiben der Beklagten vom 11.11.2003 habe sie nicht erhalten; auch habe sie ihre neue Bankverbindung bei der Cbank der Beklagten mitgeteilt.
10Die Klägerin beantragt,
11festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages Nr. #######-## bedingungsgemäßen Versicherungsschutz wegen der von der Fa. C, Am C2 ##, ##### L und des T, S-Str. ##, ##### H aus Anlass des Schadensfalles vom 09.10.2003 erhobenen Ansprüche zu gewähren.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie meint, sie sei leistungsfrei, da die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt worden sei. Hinsichtlich der Regelungen in § 3 AHB habe es keiner Belehrung bedurft. Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei weder im Handels- noch im Gewerberegister verzeichnet und daher nicht existent. Auf der Baustelle S-Straße sei nur die Fa. X, nicht aber die Klägerin tätig geworden. Der Schaden sei bereits vor dem 09.10.2003, und zwar vor dem Versicherungsvertrag herbeigeführt worden. Auch sei der Schaden vorsätzlich verursacht worden. Der Bauvertrag zwischen der Fa. C und der Klägerin vom 03.09.2003 sei ein Scheinvertrag und nur gefertigt worden, um die Beklagte zu schädigen. Dieser sei erst geschlossen worden, als man den Schaden erkannt habe; lediglich die Fa. X des T3 habe einen Auftrag von der Fa. C erhalten.
15Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 02.09.2004 Beweis erhoben durch den ersuchten Richter der Amtsgerichte Gera und Jena durch Vernehmung der Zeugen T, E, M2, I, N2 und T4. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsprotokolle vom 07.12.2004 (Bl. 170 ff d. A.) und vom 08.03.2005 (Bl. 187 ff d. A.) Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die zulässige Feststellungsklage ist begründet, da der Klägerin ein Anspruch auf Versicherungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag i. V. m. § 1 AHB, § 1 VVG zusteht.
191.
20Die Klägerin ist als Vor-GmbH aktiv parteifähig, solange die Absicht der Eintragung in das Handelsregister besteht und diese nicht rechtskräftig abgelehnt wurde (BGH NJW 1998, 1079; Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. § 50 Rdnr. 30). Die Klägerin hat unbestritten behauptet, dass das Eintragungsverfahren beim Handelsregister noch nicht abgeschlossen ist.
212.
22Die Beklagte ist nicht nach § 38 Abs. 2 VVG von der Deckungsverpflichtung freigeworden, obwohl die Klägerin die Erstprämie erst nach dem behaupteten Versicherungsfall vom 09.10.2003 zahlte. Denn die Beklagte hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem auf dem angegebenen Konto Deckung vorhanden sein muss, belehrt. § 3 Abs. 2 Ziffer 4 AHB sieht ausdrücklich vor, dass der Fälligkeitstag des Beitrags im Versicherungsschein anzugeben ist, wenn, wie hier die Einziehung des Betrages von einem Konto vereinbart wurde. Es ist nicht geregelt, wann die Zahlung im Lastschriftverfahren als rechtzeitig gilt, sofern, wie hier, kein Fälligkeitstag im Versicherungsschein genannt ist. Daraus folgt, dass bei einem Versicherungsvertrag mit erweiterter Einlösungsklausel, jedenfalls bei Wahl des Lastschrifteinzugsverfahrens eine Belehrung des Versicherungsnehmers hinsichtlich des Zeitpunkts der voraussichtlichen Kontobelastung erforderlich ist, damit der Versicherungsnehmer für Deckung sorgen kann. Ferner sollte die Belehrung deutlich die Folgen der nicht ausreichenden Kontodeckung ansprechen (vgl. OLG Celle NJW-RR 1986, 1359). Dies ist hier nicht geschehen. Vielmehr werden in den von der M ausgegebenen Verhaltensregeln, die dem Versicherungsschein beigefügt waren, keinerlei Folgen der Undurchführbarkeit des Abrufes genannt.
23Ob darüber hinaus eine weitere Belehrung dahingehend erforderlich ist, dass kein Versicherungsschutz besteht, wenn die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt wird (LG Berlin, r + s 2001, 309; a.A. OLG Oldenburg, Urteil vom 08.10.2003, r + s 2005, 250; OLG Köln, NversZ 2002, 469; OLG Karlsruhe NverZ 1999, 558; OLG Hamm, VersR 1994, 1098; OLG München, Beschluss vom 30.07.2001, VersR 2003, 195) kann hier offen bleiben, da hier nicht Zahlung durch den Versicherungsnehmer, wie in den oben zitierten Entscheidungen, sondern Abbuchung durch den Versicherer vereinbart war. Wie oben ausgeführt, kann bei Nichtangabe des Fälligkeitstages mangels entsprechender Regelung in § 3 AHB die Undurchführbarkeit der Abbuchung nicht einer Nichtzahlung nach Fälligkeit gleichstehen.
24Im Übrigen dürfte die Berufung auf Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 VVG gegen Treu und Glauben verstoßen, da die Beklagte der Klägerin mit Telefax vom 09.10.2003 ausdrücklich bestätigte, dass Versicherungsschutz bestehe.
253.
26Die Klägerin hat bewiesen, dass der Versicherungsfall während des zeitlichen Deckungsbereiches des Versicherungsvertrages, nämlich nach dem 01.09.2003, eingetreten ist. Die vom Amtsgericht Gera vernommenen Zeugen T, E und I haben übereinstimmend bekundet, dass Tag des Schadenseintritts der 09.10.2003 war. Auch die Zeugen N2 und T4 haben vor dem Amtsgericht Jena ausgesagt, dass an dem Tag, an dem der Baustopp verhängt wurde, die Grabarbeiten an dem Haus getätigt wurden. Der Baustopp wurde vom Ordnungsamt Glienicke am 09.10.2003 verhängt. Die von der Klägerin durchgeführten Grabearbeiten , die nach der Behauptung der Anspruchsteller zu den geltend gemachten Schäden führten, waren nach diesen glaubhaften Aussagen der Zeugen während der Laufzeit des Versicherungsvertrages (vgl. hierzu BGH VersR 1967, Seite 769, 770).
274.
28Die Beklagte vermochte nicht zu beweisen, dass die Klägerin sie arglistig getäuscht habe und daher ihre vertraglichen Obliegenheiten nach § 5 Ziffer 3 des Versicherungsvertrages verletzte. Denn die zum Beweis der Indizien der Vortäuschung eines Versicherungsfalls benannten Zeugen F konnten mangels Beibringung einer ladungsfähigen Anschrift nicht vernommen werden. Weitere Beweismittel hierzu hat die Beklagte nicht benannt.
295.
30Der Versicherungsschutz ist auch nicht nach § 4 Abs. 2 Ziffer 1 AHB wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens ausgeschlossen. Die Beklagte hat trotz des Bestreitens der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, weshalb der Geschäftsführer der Klägerin wissentlich bei Durchführung der Grabearbeiten das Gebäude habe schädigen wollen.
31Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.