Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 S 10/05
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.03.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird kostenpflichtig zurückgewie-sen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.092,00 €.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
21.
3Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung unter Geltung der ARB 2000 abgeschlossen. Gedeckt ist u. a. die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen. Mit der Klage begehrt sie von der Beklagten die Erstattung der Kosten erster Instanz des Rechtsstreits 3 Ca ####/03 Arbeitsgericht Hagen abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung. In jenem Rechtsstreit wurde die Klägerin, die eine Bäckerei sowie Verkaufsfilialen betreibt, von einer Mitarbeiterin, die die Filialen L-Straße in I und W-Straße in I-I2 betreute, wegen einer fristlosen Kündigung eines Agenturvertrages in Anspruch genommen worden. Zwischenzeitlich ist der Rechtsstreit durch Klageabweisung zu Gunsten der Klägerin dieses Verfahrens rechtskräftig abgeschlossen. In jenem arbeitsgerichtlichen Verfahren hatte die Klägerin die Auffassung vertreten, dass zwischen ihr und der gekündigten Mitarbeiterin kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Beklagte hat bedingungsgemäße Deckung für die Kosten des Arbeitsgerichtsprozesses verweigert mit der Begründung, dass die Klägerin selbst Arbeitsgerichtsprozess vorgetragen habe, dass kein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der gekündigten Mitarbeiterin bestanden habe.
4Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass es bei einem Passivprozess entscheidend darauf ankommt, ob nach dem schlüssigen Sachvortrag der Gegenseite ein Sachverhalt gegeben sei, der unter den gedeckten Bereich des Versicherungsschutzes falle.
5Sie hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1.092,-- € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2004 zu zahlen.
6Die Beklagte hat in erster Instanz Klageabweisung beantragt.
7Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass es nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 2 a ARB 2000 darauf ankomme, ob objektiv ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien des Arbeitsprozesses bestanden habe. Dies sei nicht der Fall gewesen, weil die fristlos gekündigte Mitarbeiterin der Klägerin die geschuldeten Dienste nicht oder nicht ausschließlich in eigener Person erbringen konnte, sondern etwa 10 Mitarbeiter auf eigene Verantwortung beschäftigen musste, um ihren Verpflichtungen aus dem Agenturvertrag nachkommen zu können.
8Gegen dieses Urteil richtet sicht die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Sie macht geltend, dass es für die Frage der Eintrittspflicht der Beklagten nicht darauf ankommen könne, ob objektiv ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, sondern es nach dem System des Rechtsschutzes nur auf einen behaupteten Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften ankomme, so dass in einem Passivprozess der schlüssige Vortrag des Prozessgegners ausreiche, um die Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers auszulösen.
9Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und begehrt deswegen Zurückweisung der Berufung. Sie will einen schlüssigen Vortrag hinsichtlich der gedeckten Leistungsarten in der Rechtsschutzversicherung nicht ausreichen lassen und verweist weiterhin darauf, dass die Klägerin selbst im Arbeitsgerichtsprozess vorgetragen habe, das kein Arbeitsverhältnis mit der gekündigten Mitarbeiterin vorgelegen habe.
102.
11Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten keine Erstattung der ihr entstandenen Kosten für die anwaltliche Vertretung im Arbeitsgerichtsprozess zwischen ihr und einer gekündigten Mitarbeiterin verlangen, weil kein Rechtsschutzfall gemäß den zwischen den Parteien geltenden ARB 2000 eingetreten ist. Zwar hat die Beklagte der Klägerin über § 2 b ARB 2000, der unstreitig vom versicherten Leistungsumfang erfasst ist, Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen versprochen. Die Voraussetzung eines solchen Rechtsschutzfalles haben jedoch bei den zwischen ihr und der gekündigten Mitarbeiterin vor dem Arbeitsgericht I geführten Rechtsstreit nicht vorgelegen, so dass das Amtsgericht die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
12Nicht bedenkenfrei erscheint der Kammer allerdings die Auffassung des Amtsgerichts, dass es nach dem Wortlaut des § 2 b ARB 2000 für die Eintrittspflicht der Beklagten darauf ankommen soll, dass objektiv ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien der Rechtsstreitigkeit bestanden haben muss. Es mag sein, dass bei isolierter Betrachtung des § 2 b ARB 2000 ein solcher Schluss gezogen werden kann. Versicherungsbedingungen sind allerdings nach ständiger Rechtssprechung so auszulegen, wie der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diese verstehen kann. Maßgeblich ist, wie ein solcher Versicherungsnehmer die jeweilige Bestimmung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGH Versicherungsrecht 2003, 641; Versicherungsrecht 2003, 581; Versicherungsrecht 2003, 454; Versicherungsrechts-Handbuch/Präve, § 10 Rdnr. 208 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Unter Berücksichtigung dieser Auslegungskriterien ist zu Bedenken, dass sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer durch ein Studium des § 2 b ARB 2000 der Umfang seines Versicherungsschutzes alleine nicht erschließt. Er wird zum Verständnis seines Leistungsrechtes zumindest auch § 4 der ARB heranziehen müssen, der die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz konkretisiert. Dabei wird er in § 4 Abs. 1 a und insbesondere c erkennen, dass der Anspruch auf Rechtsschutz im Schadensersatz-Rechtsschutz und in allen anderen Fällen, also auch in den hier maßgeblichen Arbeits-Rechtsschutz besteht, wenn
13a) "der Schaden verursacht wurde oder verursacht worden sein soll
14c) ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvor-
15schriften begangen hat oder begangen haben soll".
16Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse wird aus der Formulierung dieser Vorschriften zwanglos entnehmen, dass es nicht nur darauf ankommt, ob ein Schaden tatsächlich verursacht wurde oder der Versicherungsnehmer oder ein anderer objektiv einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat, sondern dass es für den Anspruch auf Rechtsschutz ausreicht, dass ein Schaden verursacht worden sein soll bzw. ein Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften vorgelegen haben soll.
17Vor diesem Verständnis der ARB 2000 stellt sich denn auch die auf das objektive Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses abhebende und auf eine Entscheidung des Amtsgerichts München in R+S 1979, 25 gestützte Meinung des Amtsgerichts als Mindermeinung dar. Die herrschende Meinung, der auch die Kammer zuneigt, lässt für den Eintritt des Versicherungsfalles ausreichen, dass Ansprüche im versicherten Bereich geltend gemacht werden, wobei allerdings keine substanzlose Rechtsmeinung ausreicht, sondern schlüssiger Sachvortrag gefordert wird, durch den der Rechtsverstoß im versicherten Bereich nachvollziehbar dargelegt wird (OLG Köln R+S 2004, 235 = NJOZ 2003, 2414; Harbauer Rechtsschutzversicherung 7. Auflage 2004 Vorbemerkungen zu §§ 21 ff. ARB 75 Rdnr. 4; Bauer NJW 2005 1472, 1473). Danach kommt es nicht darauf an, ob objektiv zwischen den Parteien des Arbeitsgerichtsprozesses ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Erst recht ist nicht - wie die Beklagte meint - entscheidend, ob der Versicherungsnehmer in einem Passivprozess das vom Prozessgegner behauptete Arbeitsverhältnis bestritten hat. Denn der Versicherer kann von seinem Versicherungsnehmer redlicher Weise nicht erwarten, dass er anstatt sich gegen die Klage zu verteidigen, das Vorbringen des Prozessgegners zu den Voraussetzungen des Versicherungsfalles unstreitig stellt, nur um in den Genuss des Deckungsschutzes zu gelangen.
18Letztlich bedarf es aber keiner Entscheidung, ob der vom Amtsgericht vertretenen oder der von der herrschenden Meinung verfolgten Auffassung der Vorzug zu geben. Denn sowohl nach der einen wie nach der anderen Meinung ist die Klage unbegründet. Das Amtsgericht hat mit zutreffender Auffassung ausgeführt, dass objektiv kein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der gekündigten Mitarbeiterin bestanden hat. Ein entsprechender schlüssiger Vortrag ist auch im Arbeitsgerichtsprozess nicht erfolgt. Deswegen wurde die Klage vom Arbeitsgericht in erster Instanz unter Heranziehung der höchstrichterlichen arbeitsgerichtlichen Rechtssprechung abgewiesen, weil die Klägerin jenes Verfahrens nicht in der Lage war, ihre vertraglichen Leistungspflichten aus dem Agenturvertrag alleine zu erfüllen, sondern auf Hilfskräfte angewiesen und vertraglich berechtigt war, ihre Leistungen durch Dritte zu erbringen - im konkreten Fall durch den Einsatz von 10 - 11 auf eigene Verantwortung eingestellte Arbeitskräfte - und sie unter Berücksichtung dieser ein Arbeitsverhältnis regelmäßig ausschließenden Umstände nicht substantiiert dargelegt habe, dass sie hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Vertragsleistungen dergestalt Weisungen der Beklagten jenes Verfahrens unterlegen war, dass dann auch von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sei. Diese Auffassung des Arbeitsgerichts hat sich auch beim Landesarbeitsgericht durchgesetzt, so dass die Klägerin jenes Verfahrens nach Nichtzulassung der Revision vor dem Bundesarbeitsgerichts - wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - mit ihrer Klage rechtskräftig unterlegen ist. Zwar besteht im Verhältnis des Rechtsschutzversicherers zum Versicherungsnehmer keine Bindungswirkung für die Feststellungen des Hauptprozesses im Deckungsprozess (BGH Versicherungsrecht 1992, 1509; OLG Köln aaO). Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Arbeitsgerichte, dass die Klägerin jenes Arbeitsgerichtsverfahrens das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig vorgetragen hat, weil sie ca. 10 Mitarbeiter eigenverantwortlich eingestellt hat, um ihren Verpflichtungen aus dem Agenturvertrag mit der Klägerin dieses Verfahrens erfüllen zu können, so dass es der Darlegung ganz besonderer Umstände bedurft hätte, um ausnahmsweise dennoch vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgehen zu können.
19Die Berufung war somit mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
20Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.
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Referenzen
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