Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 510/04
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 114.214,32 € der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je-weils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger hat bei der Beklagten im Juli 2003 durch Vermittlung des
3Agenten I eine Risikolebensversicherung mit Berufungsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Am 01.07.2003 war eine ebenfalls bei der Beklagten abgeschlossene Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ausgelaufen, aus der dem Kläger die Versicherungsleistung der Lebensversicherung mit ca. 95.000,00 € zugeflossen war.
4Der Kläger behauptet, der Agent habe auf den Abschluss eines sogenannten Folgevertrages gedrängt und schon vor der Antragsaufnahme gegenüber seiner Ehefrau als auch bei der Antragsaufnahme selbst am 30.06.2003 ihm gegenüber erklärt, eine Gesundheitsprüfung sei bei einem Folgeantrag weder in der Lebens- noch in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung erforderlich. Dementsprechend habe der Zeuge I bei Antragsaufnahme auch keine Gesundheitsfragen gestellt und von sich aus Eingaben in den Laptop vorgenommen, ohne dass er - der Kläger - diese habe sehen können. Ohne einen Ausdruck des Formulars vorzulegen, habe der Agent ihn auf dem Pad unterschreiben lassen. Dabei habe er auf die Eilbedürftigkeit des Antrags hingewiesen, um das Antragsdatum sicherzustellen.
5Im Antragsformular sind die Gesundheitsfragen nach Krankheiten und Beschwerden in den letzten 10 Jahren, nach ärztlichen Behandlungen in den letzten 5 Jahren und nach Medikamentenverordnung in den letzten 12 Jahren verneint. Die Beklagte nahm den Antrag an. Der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung liegen die Bedingungen für die BUZ (BUZ 2000 C) zugrunde. Wegen der Einzelheiten des Vertragswerks wird auf diese Bedingungen Bezug genommen.
6Mit Schreiben vom 09.04.2004 beantragte der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit der Begründung, aufgrund eines mehrfachen Sarkoidose-Rezidivs mit cardialer und pulmonaler Beteiligung sei seine Leistungsfähigkeit auf unter 50 % abgesunken. In dem ihm daraufhin von der Beklagten übersandten Antragsformular gab der in einer Gemeinschaftspraxis als selbständiger Radiologe tätige Kläger an, seit Februar 2002 an Sarkoidose erkrankt zu sein. Darauf beruhende Arbeitsunfähigkeitszeiten benannte er mit dem 23.09.2001 bis 03.05.2002 und dem 13.01.2003 bis 07.05.2003.
7Wegen dieser Angaben trat die Beklage mit Schreiben vom 14.06.2004 wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten vom Vertrag zurück. Zusätzlich erklärten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 01.02.2005 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung.
8Der Kläger behauptet Berufsunfähigkeit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf und macht die bedingungsgemäßen Leistungen geltend.
9Der Kläger beantragt,
10- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag von je 2.000,00 € ab dem 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10. und 01.11.2004 zu zahlen.
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.12.2004 bis längstens zum 30.06.2015 eine monatliche Rente in Höhe von 2.000,00 € nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen zu zahlen.
- festzustellen, dass der Kläger von der Beitragspflicht für die Lebensversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung für die Zeit vom 01.05.2004 bis längstens zum 30.06.2015 befreit ist.
Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie behauptet, ihr Agent habe die Gesundheitsfragen entsprechend dem Formular gestellt und sei die einzelnen Fragen mit dem Kläger durchgegangen. Die Antworten seien entsprechend den Angaben des Klägers eingetragen worden. Sie bestreitet die vom Kläger behauptete Berufsunfähigkeit im ausgeübten Beruf und macht für den Fall, dass eine solche vorliegen sollte geltend, dass die Berufsunfähigkeit bereits vor Vertragsbeginn am 01.07.2003 vorgelegen habe.
14Das Gericht hat über die Umstände der Antragsaufnahme Beweis erhoben durch Anhörung des Klägers sowie Vernehmung der Zeugen I, O und L . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.09.2005, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist unbegründet.
17Dem Kläger stehen die vereinbarten Leistungen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht zu ungeachtet der Frage, ob bei ihm Berufsunfähigkeit vorliegt oder nicht.
18Denn die Beklagte ist zu Recht von der Versicherung zurückgetreten, so dass dem Kläger Leistungsansprüche nicht zustehen.
191.
20Die von der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten erklärte Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung greift nicht durch, weil die Beklagte nicht bewiesen hat, dass der Kläger durch die Nichtangabe der bereits bei Antragstellung vorhandenen Sarkoidose täuschen und zur Annahme des Antrages bewegen wollte. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist für die Kammer ungeklärt geblieben, ob der Kläger vom Agenten der Beklagten, dem Zeugen I, überhaupt nach Vorerkrankungen gefragt worden ist. Die Beweisaufnahme hat dazu ein widersprüchliches Ergebnis erbracht. Während die Zeugen O und L den Vortrag des Klägers bestätigt haben, wonach der Zeuge I ausdrücklich auf die Stellung von Gesundheitsfragen verzichtet hat mit der Begründung, dass die Beantwortung solcher Gesundheitsfragen bei einem Folgevertrag nicht erforderlich sei, hat der Zeuge I bekundet, dass er die Gesundheitsfragen aus dem Antragsformular wortwörtlich vorgelesen und dem Kläger diese zudem auf dem Laptop zu lesen gegeben habe. Das Gericht hat keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, welcher der Zeugen die Unwahrheit gesagt hat. Alle vernommenen Personen haben einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Ihre Aussagen waren in sich schlüssig und widerspruchsfrei, so dass das Gericht von einem non liquet in der Beweisaufnahme ausgehen muss, das sich zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten auswirkt.
212.
22Die Beklagte hat jedoch erfolgreich den Rücktritt vom Vertrag erklärt, weil der Kläger schuldhaft - leichte Fahrlässigkeit reicht - eine ihm obliegende vorvertragliche Anzeigepflicht hinsichtlich seines Gesundheitszustandes verletzt hat. Denn der Kläger war verpflichtet, die bei ihm ausgebrochene Sarkoidose - eine Autoimmunerkrankung - mit pulmonaler und cardionaler Beteiligung sowie die darauf beruhenden erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 2001 und 2003 der Beklagten anzuzeigen. Die Anzeigepflicht beruht auf § 16 VVG. Danach hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, den Entschluss des Versicherers zu beeinflussen, ob er den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abschließen will. Danach bedarf es keiner näheren Begründung, dass die beim Kläger ausgebrochene rezidive Sarkoidose anzeigepflichtig war, zumal sie bereits im Jahre 2001 zu einer fast 6-monatigen Arbeitsunfähigkeit und im Jahre 2003 nach den Angaben des Klägers im Termin zu einer gut 2-monatigen und nach seinen vorprozessualen Angaben gegenüber der Beklagten zu einer fast 4-monatigen Arbeitsunfähigkeit geführt hatte. Grundsätzlich braucht der Versicherungsnehmer zwar nur solche Umstände zu offenbaren, nach denen er vom Versicherer gefragt worden ist. Anderes gilt aber für solche nicht ausdrücklich oder erkennbar konkludent erfragten Umstände, von denen sich sagen lässt, dass ihre ungefragte Mitteilung allgemein oder zumindest in den betreffenden Verkehrskreisen als selbstverständlich angesehen wird, so dass es einer speziellen Nachfrage nicht einmal bedarf. Solche Umstände hat der Versicherungsnehmer spontan zu offenbaren (BGH VersR 1986, 1089; OLG Koblenz R + S 2004, 208; OLG Hamm VersR 1993, 999; VersR 1994, 293). Soweit erkennbar lag den zitierten Entscheidungen allerdings ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Versicherungsnehmer überhaupt nach Gefahrumständen gefragt worden ist. Bei dem im vorliegenden Fall wegen des non liquet in der Beweisaufnahme zugunsten des Klägers zu unterstellenden Sachverhaltes ist aber gerade die Stellung von Gesundheitsfragen unterblieben, weil der Agent der Beklagten erklärt haben soll, dass solche Gesundheitsfragen bei einem Folgevertrag nicht erforderlich seien.
23Dennoch war der Kläger zur Anzeige der erlittenen Sarkoidose gegenüber der Beklagten verpflichtet, weil der Agent der Beklagten mit dem unterstellten Verzicht auf die Stellung von Gesundheitsfragen für den Kläger erkennbar seine Vollmacht missbraucht hätte, so dass der Kläger den Angaben des Zeugen I nicht hätte vertrauen dürfen. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht eines Agenten liegt vor, wenn dieser von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtigter Weise Gebrauch macht, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt. Der Vertretene ist dann im Verhältnis zu seinem Vertragspartner vor den Folgen des Vollmachtsmissbrauchs geschützt (BGH VersR 2002, 425). Der Kammer ist bewusst, dass an die geforderte Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs ein strenger Maßstab anzulegen ist, der der besonderen Stellung des Versicherungsagenten Rechnung trägt, weil der Versicherungsnehmer davon ausgehen darf, dass der Agent zur Erteilung von Erläuterungen, Auskünften und Ratschlägen befugt ist (BGH aaO). Ein solcher Fall von evidentem Vollmachtsmissbrauch läge aber vor, wenn der Zeuge I dem Kläger erklärt haben sollte, dass für die neu abzuschließende Risikolebensversicherung nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Gesundheitszustand des Klägers nur deswegen keine Rolle spielen sollte, weil es sich um einen Folgevertrag zu einer gerade auslaufenden Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung handelt. Denn dem Kläger war bewusst, dass sein Gesundheitszustand für die Übernahme des Risikos der Berufsunfähigkeit von essenzieller Bedeutung war. Er hat selbst bei seiner Anhörung vor der Kammer erklärt, dass er der Auffassung war, wegen seiner Vorerkrankung keine neue Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen zu können, zumal er bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem anderen Versicherer Probleme bekommen hatte, weil er eine im Verhältnis zur Sarkoidose harmlose Schulterverletzung nicht angegeben hatte. Unter diesen Umständen hätte sich der Kläger mit den Angaben des Zeugen I nicht zufrieden geben dürfen, dass für die neu abzuschließende Versicherung die Gesundheit des Klägers ohne Bedeutung sei, weil es sich um einen Folgevertrag handelt. Denn auch mit diesem Folgevertrag übernimmt der Versicherer für einen langen Zeitraum ein neues Risiko und es ist kein Grund ersichtlich, warum die Risiko relevanten Umstände ohne Bedeutung sein sollen, nur weil ein Vertrag auslief, der mit dem neu abzuschließenden noch nicht einmal identisch war.
24In der Rechtssprechung ist allgemein anerkannt, dass bei einem evidenten Vollmachtsmissbrauch eine Wissenszurechnung des Agenten gegenüber dem Versicherer nicht erfolgt (OLG Hamm NJOZ 2005, 210; OLG Saarbrücken VersR 2005, 675; OLG Zweibrücken VersR 2004, 630). Nach Auffassung der Kammer ist der Versicherungsnehmer unter denselben Voraussetzungen von der Pflicht zur Anzeige gefahrerheblicher Vorerkrankungen selbst dann nicht befreit, wenn der Agent - erkennbar unrichtig - die Gesundheitsverhältnisse für belanglos erklärt.
25Demnach war der Kläger verpflichtet, die bei ihm vorhandene Sarkoidose mit den vorangegangenen erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten dem Versicherer anzuzeigen, so dass das schuldhafte Unterlassen der Anzeige eine Pflichtverletzung darstellt, die die Beklagte zum Rücktritt berechtigt hat.
263.
27Da nach dem Vortrag des Klägers die behauptete Berufsunfähigkeit gerade auf der Erkrankung beruht, die er pflichtwidrig der Beklagten nicht angezeigt hat, ist die Leistungsfreiheit der Beklagten auch nicht gemäß § 21 VVG ausgeschlossen.
28Die Klage musste somit mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abgewiesen werden.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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