Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 70/04
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.707,03 € (in Worten: sechstausendsiebenhundertsieben 03/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank aus 34.806,96 € für den Zeitraum vom 01.02.2002 bis 22.03.2004 sowie aus weiteren 6.707,03 € seit dem 23.03.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je-weils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Die Beklagte ist Privatversicherer ihres Versicherungsnehmers I , den sie mit einer sogenannten Klinikcard ausgestattet hat, wodurch die Klägerin berechtigt ist, Kosten für die stationäre Behandlung des Versicherungsnehmers direkt gegenüber der Beklagten abzurechnen.
3Dem Versicherungsnehmer der Beklagten wurde bei der Klägerin wegen einer Coxarthrose (Arthrose des Hüftgelenks) eine Prothese eingesetzt. Im Laufe des Rechtsstreits ist streitig geworden, ob es sich dabei um eine Hüftkopf-/Schaftprothese oder um eine Totalendoprothese gehandelt hat.
4Da der Krankenhausaufenthalt über die Jahreswende vom 25.09.2001 bis 20.01.2002 andauerte, erstellte die Klägerin 2 Rechnungen für die Leistungen bis zum 31.12.2001 und ab 01.01.2002. Die Rechnung für das Jahr 2002 hat die Beklagte beglichen. Mit der Rechnung für das Jahr 2001 berechnete die Klägerin unter dem 31.12.2001 den Basis- und Abteilungspflegesatz, System- und Qualitätssicherungszuschlag sowie für die Operation das Sonderentgelt 17.03: Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese. Mit Schreiben vom 31.01.2001 bat die Beklagte um Zusendung einer korrigierten Rechnung, da ihrer Auffassung nach die Behandlung nach den Fallpauschalen 17.021 und 17.022 der Bundespflegesatzverordnung abzurechnen sei. Die Klägerin übersandte daraufhin den Entlassungsbericht. Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 06.11.2002 Operations- und Entlassungsbericht an, ohne dass die Klägerin auf dieses Schreiben reagierte. Im August 2003 erhob sie Klage vor dem Sozialgericht, dass den Rechtsstreit an das erkennende Gericht abgab. Im März 2004 zahlte die Beklagte auf die streitige Rechnung über 34.806,96 € den Betrag von 28.099,93 €, wobei sie eine Abrechnung nach Fallpauschalen 17.021 und 17.022 vornahm.
5Die Klägerin behauptet, bei dem Versicherungsnehmer der Beklagten sei keine Totalendoprothese sondern eine Hüftkopf-/Schaftprothese eingesetzt worden. Für diese Operation sei die Berechnung des Sonderentgeltes 17.03 vorgesehen. Die Abrechnung der Beklagten nach den Fallpauschalen 17.021 und 17.022 sei unzutreffend, weil diese Fallpauschale bei Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese bei geschlossener Schenkelhalsfraktur gelte. Dieser Fall habe jedoch beim Versicherungsnehmer der Beklagten nicht vorgelegen, da der Einbau der Prothese wegen einer Coxarthrose erforderlich gewesen sei.
6Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe des nach Rechtshängigkeit gezahlten Betrages von 28.099,93 € für erledigt erklärt.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.707,03 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank aus 34.806,96 € für den Zeitraum vom 01.02.2002 bis 22.03.2004 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank aus 6.707,03 € seit dem 23.03.2004 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat sich ursprünglich damit verteidigt, dass bei Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese nach Fallpauschalen 17.021 und 17.022 abgerechnet werden müsse, weil bei Einbau einer solchen Prothese auch bei Coxarthrose genau diejenige Leistung erbracht werde, die in den genannten Fallpauschalen geregelt worden sei. Im Laufe des Rechtsstreits hat sie bestritten, dass bei ihrem Versicherungsnehmer eine Hüftkopf-/Schaftprothese eingebaut worden sei. Gestützt auf eine Privatliquidation des operierenden Chefarztes, der den Einsatz einer Totalendoprothese abgerechnet hat, behauptet sie nunmehr, bei ihrem Versicherungsnehmer sei eine Totalendoprothese eingesetzt worden, so dass nach den Fallpauschalen 17.061 und 17.062 abgerechnet werden müsse.
12Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Frage, welche Prothese dem Versicherungsnehmer der Klägerin eingesetzt worden ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L vom 26.05.2005, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
15Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung weiterer 6.707,03 € nebst Zinsen auf diesen Betrag sowie den im Laufe des Rechtsstreits gezahlten Betrag für die Behandlung des Versicherungsnehmers der Beklagten verlangen, da sich die Beklagte mit Ausstellung der sogenannten Klinikcard gegenüber der Klägerin verpflichtet hat, die medizinisch notwendigen Kosten für die Behandlung ihres Versicherungsnehmers unmittelbar an die Klägerin zu zahlen, wodurch dieser ein eigener Leistungsanspruch eingeräumt worden ist.
16Die Klägerin war berechtigt, den Einbau der Prothese nach dem Sonderentgelt 17.03 und nicht nach den Fallpauschalen 17.021 und 17.022 abzurechnen. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens steht fest, dass bei dem Versicherungsnehmer der Beklagten ungeachtet der Privatliquidation durch den behandelnden Chefarzt keine Totalendoprothese sondern eine Hüftkopf-/Schaftprothese eingesetzt worden ist. Dieses Ergebnis der Beweisaufnahme wird auch von der Beklagten ausdrücklich akzeptiert, so dass es einer näheren Begründung nicht bedarf.
17Entgegen der ursprünglich von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung ist bei Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese nicht nach den Fallpauschalen 17.021 und 17.022 abzurechnen, da diese Fallpauschalen den Einsatz der Hüftkopf-/Schaftprothese bei geschlossener Schenkelhalsfraktur vorsehen. Die Anwendung dieser Fallpauschalen kann nicht auf ähnlich gelagerte Fälle übertragen werden, auch wenn gleichartige Leistungen dabei erbracht werden. Denn mit den Fallpauschalen ist eine Vergütungsregelung getroffen worden, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist. Sie kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng ihrem Wortlaut nach sowie nach den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen beläßt (Bundessozialgericht Urteil vom 13.12.2001 Aktenzeichen B 3 KR 1/01 R, NZS 2002, 537 -Leitsätze-; KH 2002, 642 -Volltext-). Sofern sich in der Praxis erweist, dass es bei dieser streng am Wortlaut der Fallpauschalen orientierten Abrechnung zu Ungereimtheiten kommt, weil - wie die Beklagte meint - durchaus gleichartige Leistungen nicht nach den Fallpauschalen sondern nach Sonderentgelten abgerechnet werden können, ist es Aufgabe der Vertragspartner, diesen möglichen Ungereimtheiten durch Weiterentwicklung der Fallpauschalen bzw. Sonderentgeltkataloge zu beheben. Eine analoge Anwendung von Fallpauschalen auf entsprechende Sachverhalte ist jedenfalls nicht zulässig.
18Somit war die Klägerin berechtigt, die Behandlung und Operation des Versicherungsnehmers der Beklagten nach dem Sonderentgelt 17.03 abzurechnen. Diese Abrechnung ist rechnerisch unter den Parteien unstreitig, so dass die Klägerin den noch nicht beglichenen Teil ihrer Rechnung vom 31.12.2001 verlangen kann.
19Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten des Rechtsstreits ebenfalls der Beklagten aufzuerlegen, da sie die berechtigte Forderung der Klägerin nach Rechtshängigkeit beglichen hat und sich dazu aufgrund von Unterlagen in der Lage sah, die ihr jedenfalls ab November 2002 vorlagen.
20Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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