Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 1/05
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem
Streitwert in Höhe von 10.880,00 € der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Frau I kaufte im Jahre 2003 einen Neuwagen I5, den sie über einen Kredit der I2 GmbH, der Klägerin, finanzierte. Mit Kreditvertrag vom 26.09. ############ trat sie unter anderem den Anspruch auf Leistungen aus Fahrzeugversicherung an die Klägerin ab und übereignete dieser das Fahrzeug zur Sicherheit.
3Frau I nahm bei der Beklagten eine Kfz-Versicherung, welche das Vollkaskorisiko umfasste. Der Versicherung lagen die AKB in der bei Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, Seite 1492 ff. abgedruckten Fassung zu Grunde. Ein Sicherungsschein wurde weder beantragt noch ausgestellt.
4Die Versicherungsnehmerin I verunglückte am 23.05.2004 mit dem versicherten Pkw. Es herrschte Dunkelheit, als sie gegen 21.55 Uhr die C Straße in L – aus Richtung B Straße kommend – in Richtung Q befuhr. Die Straße verlief gerade, sie war trocken. In Höhe der C Straße/Abschnitt 6/kurz vor Blumen K wurde das Fahrzeug nach links über die Gegenfahrbahn hinweg auf den auf der linken Fahrbahnseite vorhandenen unbefestigten Seitenstreifen gelenkt. Das Fahrzeug stieß sodann frontal mittig gegen einen Straßenbaum mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von ca. 60 bis 65 km/h. Weder Bremsspuren noch Spuren eines Hindernisse waren festzustellen. Die Versicherungsnehmerin war angeschnallt, der Airbag löste aus. Die Versicherungsnehmerin erlag noch in der Nacht ihren schweren Verletzungen.
5Der von der Polizei eingeschaltete Gutachter I3 kam in seinem Gutachten vom 14.06.2004 (Anlage zur Klageerwiderung vom 09.02.2005, Bl. 32 ff d.A.; wegen der Verkehrsunfallanzeige und der Unfallskizze vgl. Bl. 28-31 d.A.) zu dem Ergebnis, dass es sich nach der Spurenlage um einen Alleinunfall gehandelt habe, der aus verkehrs-technischer Sicht allen Umständen entsprechend auf körperliche oder geistige Mängel – ggf. kurzfristige oder kurzzeitige – zurückzuführen sei. An dem Fahrzeug entstand Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert zum Unfallzeitpunkt betrug nach einem für die Beklagte eingeholten Gutachten vom 02.06.2004 11.310,00 € brutto bei einem Restwert von 300,00 €.
6Mit Schreiben vom 15.06.2004 meldete sich der Nachlasspfleger der Verstorbenen, Rechtsanwalt W, bei der Beklagten. Die Beklagte versagte der Verstorbenen (!) mit Schreiben vom 16.07.2004 Versicherungsschutz und informierte hiervon Rechtsanwalt W mit Schreiben vom gleichen Tag unter Übersendung der "Originalversicherungsschutzversagung zur Kenntnis". Das Schreiben an die Verstorbene enthielt eine Fristsetzung und eine Belehrung nach § 8 AKB.
7Der Bruder der Verstorbenen sowie dessen Kinder schlugen am 03.06.2005 die Erbschaft aus. Mit Schreiben vom 02.11.2005 teilte Rechtsanwalt W der Klägerin mit, dass er Ansprüche gegen die Beklagte nicht verfolgt habe, da die Ansprüche gegen den Versicherer aus einem Vollkaskoschaden im Rahmen des Darlehensvertrages von der Verstorbenen an die Klägerin abgetreten worden seien.
8Die Klägerin behauptet, die Verstorbene habe kein Testament hinterlassen. Weitere Erben existierten nicht.
9Die Klägerin hält es für möglich, dass die Verstorbene aus Übermüdung am Steuer eingeschlafen sei. In einem solchen Fall sei die grobe Fahrlässigkeit zu verneinen.
10Die Klägerin verlangt mit der Klage den zum Todeszeitpunkt offenen Darlehensbetrag.
11Sie beantragt daher,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.880,00 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.12.2004 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie beruft sich auf das Abtretungsverbot aus § 3 Nr. 2, Nr. 4 AKB. Sie beruft sich ferner auf § 61 VVG. Sie meint, die Klägerin müsste ent-lastende Umstände hinsichtlich des Unfallgeschehens vortragen. Da dies nicht geschehen sei, müsse auf Grund des äußeren Geschehensablaufes von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18I.
19Der Geltendmachung der Klageforderung durch die Klägerin steht § 3 Nr. 2, Nr. 4 AKB vorliegend nicht entgegen. Zwar ist hierin ein Abtretungsverbot enthalten, jedoch kann die Beklagte sich vorliegend nach Treu und Glauben auf dieses nicht berufen. Dies gilt unabhängig davon, welcher Zweck dem Abtretungsverbot zu Grunde liegt. Nimmt man an, Zweck des Abtretungsverbotes sei allein, eine Vernehmung des Versicherungsnehmers als Zeugen in Versicherungsangelegenheiten zu verhindern (Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Auflage, § 3 AKB, Rdnr. 80; OLG Düsseldorf, VersR 1983, 625 zu § 7 Abs. 3 AHB), so kommt die Berufung auf das Abtretungsverbot auf Grund des Todes der Versicherungsnehmerin von vornherein nicht in Betracht. Stellt man demgegenüber darauf ab, dass der Versicherer es nur mit seinem Vertragspartner und nicht einem beliebigen Dritten zu tun haben soll (Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, § 3 AKB, Rdnr. 7 m.w.N.) wäre eine Berufung auf das Abtretungsverbot ebenfalls treuwidrig. Denn es kann vorliegend ausgeschlossen werden, dass die Beklagte noch von Erben in Anspruch genommen wird. Die einzig bekannt gewordenen gesetzlichen Erben haben am 03.06.2005 die Erbschaft ausgeschlagen. Die hier fernliegende Möglichkeit, dass eine Anfechtung der Erbausschlagung noch erfolgt oder nunmehr noch ein Testament/weitere Erben aufgefunden werden, kann als bloße theoretische Möglichkeit im Rahmen der Abwägung nach § 242 BGB vernachlässigt werden. Unerheblich ist auch, dass die Möglichkeit bestand, dass der Nachlasspfleger selbst den Anspruch gegen die Beklagte hätte geltend machen können. Denn die Beklagte kann jedenfalls sicher davon ausgehen, dass eine Inanspruchnahme durch den Nachlasspfleger nicht mehr in Betracht kommt und sie sich nunmehr nur noch der Klägerin als Anspruchsgegnerin ausgesetzt sieht. Der Beklagten steht damit nunmehr ein Anspruchsgegner gegenüber, dessen Bonität sicher höher eingeschätzt werden kann als die der Kreditnehmerin.
20II.
21Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die Beklagte sich mit Erfolg auf Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG beruft. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht lässt, d. h., objektiv einen besonders groben, über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Verstoß gegen die Sorgfalts- und Verkehrspflichten und auch subjektiv eine in besonderer Weise vorwerfbares Verhalten zeigt, also ein beträchtliches und erhebliches schuldhaftes Versagen gegenüber den zu stellenden Anforderungen an die Achtsamkeit und Sorgfalt (BGH, VersR 1989, 469; OLG Oldenburg, VersR 1996, 841). Die Voraussetzungen sind in objektiver Hinsicht erfüllt. Das Fahrverhalten der Verstorbenen wie es sich aus den Unfallspuren ergibt, war ersichtlich grob verkehrswidrig. Der Grund für das Fahrverhalten der Klägerin ist ungeklärt. Hieraus folgt jedoch nicht, dass zugunsten der Klägerin abstrakt anzunehmen wäre, dass ein Sachverhalt vorlag, welcher nicht zu einer Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG führte. Vielmehr ist zu prüfen, ob nach den Umständen des Einzelfalles vorliegend eine Sachverhaltsvariante ernstlich in Betracht kam, auf Grund derer Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG zu verneinen wäre (vgl. OLG Hamm, VersR 1997, 961).
22- Denkbar wäre, dass der Unfall durch einen kurzfristigen Bewusst-seinsverlust der Fahrerin, einer sog. Synkope, verursacht wurde. In diesem Fall wäre sie für ihr Verhalten nicht verantwortlich gewesen. Jedoch ist für die Voraussetzungen des auch im Rahmen des § 61 VVG entsprechend anwendbaren § 827 Satz 1 BGB die Klägerin beweisbelastet (vgl. BGH, VersR 1990, 888; OLG Hamm, a. a. O.). Diesen Beweis kann die Klägerin nicht führen.
- Soweit die Klägerin geltend macht, mögliche Ursache sei ein Einschlafen der Fahrerin gewesen, so entlastet dieses im Ergebnis nicht. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm, der die Kammer folgt, ist davon auszugehen, dass einem Einnicken am Steuer stets unübersehbare Zeichen vorausgehen, deren Nichtbeachtung dem Fahrer in der Regel zum groben Verschulden gereicht, sofern nicht im Einzelfall Anhaltspunkte bestehen, die das Verhalten des Fahrers in einem milderen Licht erscheinen lassen (OLG Hamm, VersR 1998, 1276; OLG Hamm, VersR 1997, 961, OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 102 f; Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, § 30, Rdnr. 62; vgl. Prölss/Martin, a. a. O., § 12 AKB, Rdnr. 97). Die Gegenauffassung, wonach es darüber hinaus im Einzelfall einer Feststellung bedarf, wonach die Anzeichen vor dem Einschlafen hinreichend deutlich gewesen sein müssen, um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu rechtfertigen (OLG Oldenburg, VersR 1999, 1105, Thüringer OLG, OLG-NL 2003, 80) verdient dagegen keine Zustimmung, weil sie nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Anzeichen vor dem Einnicken stets für den Fahrer unübersehbar und damit zu beachten sind. Die von der Klägerin in Bezug genommene Fundstelle (Berliner Kommentar/Beckmann, § 61, Rdnr. 78) streitet nicht für ihre Position. Mit dieser werden lediglich Einzelfälle aus der Judikatur aufgelistet. Da vorliegend Anhaltspunkte, welche das Verhalten der Fahrerin in einem milderen Licht erscheinen lassen, weder vorgetragen noch ersichtlich sind, war mithin von grober Fahrlässigkeit auszugehen.
Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
24Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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