Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 S 25/05
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 23. Mai 2005
verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird kosten-
pflichtig nach einem Berufungsstreitwert von 6.395,34 €
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2l.
3Der Kläger hat bei der Beklagten durch Vermittlung eines Maklers eine
4Krankenversicherung abgeschlossen, von der die Beklagte wegen angeb-
5licher Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten zurückgetreten ist. Sie
6hat dem Kläger vorgeworfen, eine Pollenallergie, die unstreitig schon vor
7Antragstellung vorgelegen hat und wiederholt ärztlich behandelt worden
8ist, trotz Fragen nach Behandlungen und Untersuchungen in den letzten 5
9Jahren nicht angegeben zu haben. Der Kläger hat behauptet, die Er-
10krankung und deren Behandlungsbedürftigkeit dem Makler mitgeteilt zu
11haben. Dieser habe die Krankheit jedoch für nicht eintragungspflichtig er-
12klärt.
13Nach Leistungsablehnung hat der Kläger Feststellung des Fortbestehens
14der Krankenversicherung beantragt und Zahlungsklage erhoben. Das
15Amtsgericht hat nach Anhörung des Klägers und informatorischer An-
16hörung des Zeugen D2 die Feststellungsklage abgewiesen und der
17Leistungsklage überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es aus-
18geführt, dass eine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung des Klägers vor-
19gelegen habe, da dieser darauf habe bestehen müssen, dass die von ihm
20offenbarte Vorerkrankung auch tatsächlich in das Antragsformular hätte
21aufgenommen werden müssen. Der Vermittler sei als Makler nicht Auge
22und Ohr der Beklagten. Deswegen scheidet eine Zurechnung fehlerhafter
23Ratschläge des Vermittlers auf die Beklagte aus.
24Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung insoweit eingelegt, als die
25Feststellungsklage abgewiesen worden ist. In der Berufungsinstanz be-
26streitet er erstmals den Vortrag der Beklagten, dass diese den Antrag bei
27Kenntnis der Vorerkrankung jedenfalls nicht unverändert angenommen
28hätte. Er weist darauf hin, dass ein fehlerhaftes Verhalten des Maklers
29jedenfalls ihm auch nicht zuzurechnen sei, da der Makler nicht sein
30Repräsentant und auch nicht sein Wissenserklärungsvertreter gewesen
31sei. Er macht geltend, dass er den Angaben des Maklers hätte vertrauen
32dürfen und dass er deshalb schuldlos gehandelt habe.
33Der Kläger beantragt,
34das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 23.05.2005 - 108
35C 1948/05 - teilweise abzuändern und festzustellen, dass
36der zwischen den Parteien unter der Versicherungsnummer
37890.112.669532 mit Wirkung ab 01.03.2004 abgeschlossene
38private Krankenversicherungsvertrag über den 31.07.2004
39hinaus zu den Bedingungen des am 19.02.2004 von der Be-
40klagten ausgestellten Krankenversicherungsscheines fortbe-
41steht.
42Die Beklagte beantragt,
43die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
44Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass ihr das Handeln des Maklers
45nicht zuzurechnen sei und der Kläger schuldhaft gehandelt habe. Jeden-
46falls sei ein Vollmachtsmissbrauch anzunehmen, der eine Wissens-
47zurechnung ausschließe.
48II.
49Die Berufung hat keinen Erfolg.
50Das Amtsgericht hat zu Recht den Feststellungsantrag des Klägers abge-
51wiesen, da das Krankenversicherungsverhältnis zwischen den Parteien
52durch einen berechtigten Rücktritt der Beklagten wegen Verletzung vor-
53vertraglicher Anzeigepflichten nicht fortbesteht.
541.
55Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Amtsgericht davon aus,
56dass bei der - hier unstreitigen - Vermittlung des Versicherungsvertrages
57durch einen Makler die sogenannte Auge-Ohr-Rechtsprechung keine An-
58wendung findet, wonach der Agent des Versicherers dem Versicherungs-
59nehmer bildlich gesprochen als Auge und Ohr des Versicherers gegen-
60übersteht. Was den Agenten gesagt oder vorgelegt worden ist, ist dem
61Versicherer gesagt und vorgelegt worden, so dass es, wenn der Ver-
62sicherungsantrag wie üblich nicht vom Versicherungsnehmer sondern vom
63Agenten auf Grund der Befragung des Antragstellers ausgefüllt worden ist,
64nicht auf die schriftlich niedergelegten Antworten, sondern auf das an-
65kommt, was der Versicherungsnehmer dem Agenten bei Antragstellung
66mündlich mitteilt. Der Versicherungsnehmer hat mithin seine Anzeige-
67obliegenheit genügt, wenn er bei Antragsaufnahme dem Agenten dessen
68Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Stützt der Versicherer den Rücktritt
69auf unzutreffende Angaben des Versicherungsnehmers zu gefahrerheb-
70lichen Umständen, muss er - der Versicherer -da es um den Vorwurf
71einer Obliegenheitsverletzung geht, darlegen und beweisen, dass das-
72jenige, was der Versicherungsnehmer als ordnungsgemäße Erfüllung der
73Anzeigeobliegenheit behauptet, nicht zutrifft. Gelingt dem Versicherer
74dieser Beweis nicht, fehlt es bereits am objektiven Tatbestand der Ob-
75liegenheitsverletzung, ohne dass es auf ein irgendwie geartetes Ver-
76schulden des Versicherungsnehmers in diesem Zusammenhang ankäme.
77Wird der Versicherungsvertrag hingegen durch einen Makler vermittelt,
78findet eine Wissenszurechnung auf den Versicherer nicht statt. Der
79objektive Tatbestand der Anzeigepflichtverletzung steht durch die un-
80richtigen Angaben im Antragsformular fest. Es ist nunmehr Sache des
81Versicherungsnehmers, das nach § 6 Abs. 1 WG vermutete Verschulden
82zu widerlegen, wobei er jedwedes Verschulden auszuräumen hat, da ihm
83bereits leichte Fahrlässigkeit schadet.
84Dieser Entlastungsbeweis ist dem Kläger nicht gelungen. Denn der Kläger
85hat schon nicht bewiesen, dass er die im Zeitpunkt der Beantragung des
86Versicherungsschutzes bestehende Pollenallergie und die in jüngster Zeit
87zuvor stattgefundenen ärztlichen Behandlungen dem Makler offenbart hat.
88Zwar hat sein Bruder bei der Vernehmung vor der Kammer den Vortrag
89des Klägers bestätigt, wonach sowohl die Pollenallergie als auch deren
90Behandlungsbedürftigkeit dem Makler mitgeteilt worden sein soll. Der
91Zeuge D, der den Versicherungsvertrag vermittelt hat, hat jedoch
92eine solche Offenbarung von Vorerkrankungen und Vorbehandlungen
93glaubhaft in Abrede gestellt. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass der von
94ihm gewählte Tarif nur absolut Gesunden vorbehalten sei und dass er
95dem Kläger einen anderen Tarif, wenn nicht gar einen anderen Ver-
96sicherer, angeraten hätte, wenn der Kläger seine Vorerkrankung offenbart
97hätte.
98Da dem Kläger die Beweislast für fehlendes Verschulden obliegt, liegt be-
99reits das non liquet der Beweisaufnahme - anders als bei der Vermittlung
100eines Vertrages durch einen Agenten und der damit verbundenen Anwen-
101dung der Auge-Ohr-Rechtsprechung - zu Lasten des Klägers. Er hat nicht
102nachgewiesen, dass ihn an der unstreitig vorliegenden objektiven Ver-
103letzung der Anzeigenobliegenheit kein Verschulden trifft, so dass der
104Rücktritt der Beklagten berechtigt war und dem Feststellungsbegehren
105des Klägers nicht stattgegeben werden konnte.
106Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz bestritten hat, dass
107die Beklagte den Versicherungsantrag bei Kenntnis der Vorerkrankung
108und der darauf fußenden ärztlichen Behandlungen nicht oder nicht
109unverändert angenommen hätte, konnte er damit gemäß § 531 II ZPO
110kein Gehör finden, da er nicht vorgetragen hat, dass dieser Vortrag nicht
111schon in erster Instanz hätte erfolgen können.
112Seine Berufung gegen das angefochtene Urteil war somit mit der Kosten-
113folge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
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