Urteil vom Landgericht Dortmund - 6 O 666/02
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Kläger sind die Erben der am 01.01.2005 verstorbenen ursprünglichen Klägerin I. Sie führen den Prozess weiter.
3Die ursprüngliche Klägerin war Eigentümerin eines Zweifamilienhauses aus dem Jahr 1938, das sich im Einwirkungsbereich des Kohleabbaus der Dortmunder Zeche N, betrieben von der Beklagten, befand.
4Der Kohleabbau wurde 1987 beendet.
5Aufgrund des Untertageabbaus kam es bei dem klägerischen Haus zu verschiedenen Schieflagen.
6Als sich nach Ende des Abbaus keine nennenswerten Veränderungen
7mehr ergaben, einigten sich die Klägerin und die Beklagte darauf, nunmehr eine abschließende Regelung für das Haus herbeizuführen, mit der alle durch die Bodenbewegungen herbeigeführten reparablen Schäden abgegolten werden sollten. Es sollte Geldersatz geleistet werden.
8Hierzu kamen die Parteien durch von der Klägerin gegengezeichnetes Schreiben der
9Beklagten vom 22.05.1992 darüber überein, dass der Sachverständige E die Feststellung bergbaulich bedingter, reparabler Schäden durchführen sollte.
10Das Ergebnis des Gutachtens sollte für beide Seiten bindend sein. Wegen des weiteren Inhalts wird auf Bl. 46/47 d.A. Bezug genommen.
11Unter Hinweis auf eine mögliche Befangenheit gab der Sachverständige E im
12Sommer 1993 den Auftrag zurück. Die Klägerin erklärte sich durch Schreiben des VBHG (Verband bergbaugeschädigter Haus- und Grundeigentümer e.V.) vom 08.11.1993 mit dem Vorschlag der Beklagten, nunmehr den Sachverständigen X als Schiedsgutachter zu bestellen, einverstanden. Es wird auf B1.49 d.A. Bezug genommen.
13Der Sachverständige X erstellte sein Gutachten mit zwei Nachträgen. Er schlug
14letztlich eine Entschädigung in Höhe von 144.500,00 DM einschließlich Mehrwertsteuer vor. Mit enthalten war ein Endregulierungszuschlag in Höhe von 15.709,00 DM, der gezahlt werden sollte, wenn eine Einigung der Parteien auf dieser Basis herbeigeführt würde.
15Die Klägerin war mit dem Ergebnis nicht einverstanden und ließ das selbständige Beweisverfahren LG Dortmund, 5 OH 10/98 durchführen, in dem der Sachverständige X2 ein Gutachten mit Ergänzungsgutachten erstattete. Zuvor hatte sie durch Schreiben vom 27.03.1997 das Angebot auf Zahlung von 144.500,00 DM abgelehnt und eine Zahlung in Höhe von 295.000,00 DM verlangt. Es wird auf Bl. 27/28 d.A. Bezug genommen.
16Mit Schreiben vom 20.11.2001, wegen dessen Einzelheiten auf BI. I3ff d.A. Bezug genommen wird, bezifferte die Klägerin die ihr nach ihrer Ansicht zustehende Entschädigung mit insgesamt 418.441,45 DM einschließlich eines merkantilen Minderwertes in Höhe von 36.000,00 DM.
17Am 12.04.2002 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Betrag von 128.791,00 DM, entsprechend den Zahlen des Sachverständigen X ohne Endregulierungszuschlag.
18Mit der Klage verlangen die Kläger die Differenz aus dem gezahlten Betrag und den vom Sachverständigen X im selbständigen Beweisverfahren festgestellten
19418.441,45 DM.
20Die Kläger behaupten, dass nach vollständiger Beseitigung der Schäden ein merkantiler Minderwert in Höhe von 36.000,00 € verbleiben würde. Sie meinen, dass die Einigung über den Schiedsgutachter konkludent einen befangenen Sachverständigen ausschließe, nachdem der Sachverständige E die Bearbeitung abgelehnt hatte. Der Sachverständige X sei befangen gewesen. Unstreitig war der Sachverständige bereits vorher für die Beklagte tätig gewesen, was dem VBHG bekannt gewesen war.
21Die Kläger beantragen,
22die Beklagte zu verurteilen, an sie 176.279,74 € nebst Zinsen in Höhe von 4 %
23aus 84.981,31 € seit dem 01.05.1997, in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Ba-
24siszinssatz aus 63.114,61 € seit dem 01.12.2001 und aus 15.013,86 € seit Zu-
25stellung des Mahnbescheides zu zahlen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Die Kammer hat Beweiserhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen T aufgrund Beweisbeschlusses vom 21.11.2003 (Bl.122 d.A.) und 12.02.2004 (Bl.127 d.A.) sowie.Vernehmung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten und das Sitzungsprotokoll vom 20.01.2006 Bezug genommen.
29Wegen des weiteren Vortrages wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
31Die Klage ist nicht begründet.
32Mit Ausnahme des behaupteten merkantilen Minderwertes sind die geltend gemachten Mehrkosten nicht durch die Beklagte zu zahlen, unabhängig davon, ob der Sachverständige X2 im selbständigen Beweisverfahren nachvollziehbar zu anderen Zahlen als der Sachverständige X gekommen ist.
331.
34Die Parteien haben nämlich wirksam einen Schiedsgutachtervertrag gemäß § 317 BGB geschlossen. Die Parteien wollten eine endgültige Regelung der Frage der Entschädigung. Entsprechend dem unterzeichneten Schreiben der Beklagten sollte der Sachverständige E ein für beide Seiten verbindliches Gutachten zur Feststellung bergbaulich bedingter, reparabler Schäden erstellen. Damit haben die Parteien übereinstimmend vereinbart, dass die Bestimmung der Leistung durch den zu beauftragen den Sachverständigen erfolgen sollte. Nachdem der Sachverständige E die Durchführung abgelehnt hatte, einigten sich die Parteien auf den Sachverständigen X.
35Die Kläger meinen, es sei unklar, ob überhaupt eine gemeinsame Aufgabenstellung für den Sachverständigen X bestand. Mit Schreiben vom 20.12.1993 habe sie gerügt, dass die Aufgabenstellung mit der ersten gleichlautend war, und weitere Fragen formuliert.
36Der Vorschlag der Beklagten in Verbindung mit dem Schreiben der Klägerin vom
3708.11.1993 , in der sie sich mit dem Sachverständigen als Schiedsgutachter einverstanden erklärte, ist als Einigung dahingehend aufzufassen, dass bezogen auf die ursprüngliche Vereinbarung der Sachverständige E durch den Sachverständigen X ersetzt werden sollte. Im Übrigen erfolgte keine Änderung, insbesondere brachte die Klägerin in dem Schreiben vom 08.11.1993 zunächst keine Änderungswünsche vor.
38Durch das nachträgliche Schreiben der Klägerin ist der Schiedsgutachtervertrag nicht abgeändert worden. Die Aufgabenstellung blieb bis zum bindenden Schreiben vom 08.11.1993, das als Annahme des Angebotes auf Änderung der ursprünglichen Vereinbarung auszulegen ist, gleich.
39Das weitere Schreiben kann dem gemäß nur als Angebot auf eine weitere Vertragsänderung dahingehend verstanden werden, dass auch weitere Fragen behandelt werden sollten. Dieses Angebot hat die Beklagte allerdings nicht angenommen. Dass die Beklagte dem Schreiben der Klägerin nicht widersprochen hat, führt nicht zu einer stillschweigenden Annahme. Grundsätzlich ist Schweigen im Rechtsverkehr unverbindlich; es sei denn, dass besondere Umstände vorliegen. Solche sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte den Auftrag an den Sachverständigengerade nicht ergänzt.
40Damit war der Auftrag an den Sachverständigen X deckungsgleich mit dem Auf-
41trag an den Sachverständigen E.
42Die Kläger meinen, dass konkludent vereinbart worden sei, dass ein Gutachter, bei dem die Besorgnis der Befangenheit besteht, das Gutachten nicht erstellen sollte. Der SV X sei befangen, weil er bereits Gutachten für die Beklagte angefertigt hatte.
43Eine konkludente Vereinbarung wie von den Klägern vorgetragen ist nicht ersichtlich.
44Der Sachverständige E hat den Auftrag abgelehnt. Eine Pflicht zur Annahme des Auftrages hatte der Sachverständige nicht, so dass die Parteien keine Möglichkeit gehabt hätten, ihn zu zwingen. Sie mussten daher nunmehr einen neuen Vertragspartner finden. Ein Erklärungswert hin zu einer Modifizierung des Vertrages im Übrigen liegt darin nicht. Ausschließlich die Person des Sachverständigen wurde ausgetauscht.
45Gegen eine weitergehende Vereinbarung spricht auch, dass dem die Klägerin vertretenden VBHG unbestritten bekannt war, dass der Sachverständige X zumindest hin und wieder für die Beklagte tätig gewesen war. Dennoch befürwortete er dessen Beauftragung.
46Schließlich war auch kein Bedürfnis dafür vorhanden, die Vereinbarung entsprechend zu modifizieren. Der Schiedsgutachtervertrag dient dazu, das u. U. langwierige und kostenintensive gerichtliche Verfahren zu verhindern. Das Gutachten sollte ausdrücklich verbindlich sein, weitere Einschränkungen wurden nicht gemacht. Das Gesetz löst etwa beim Schiedsgutachten auftretende Probleme damit, dass gemäß § 319 BGB die Bestimmung dann unwirksam ist, wenn sie offenbar unbillig ist.
47Offenbare Unbilligkeit ist nicht ersichtlich:
48Es kommt nicht darauf an, dass der Sachverständige X nicht die zusätzlichen
49Fragen der Klägerin beantwortet hat, weil wie dargelegt der Auftrag sich nur auf die ursprünglichen Fragen bezog. Über die Feststellung bergbaubedingter reparabler Schäden hinaus haben die Parteien eine Schiedsgutachtervereinbarung nicht geschlossen, so dass insoweit auch keine Bindungswirkung bestand.
50Anhaltspunkte für ein parteiisches Verhalten des Sachverständigen bestehen nicht.
51Insbesondere hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten sogar zu Gunsten der Kläger Abweichungen zum Erstgutachten festgestellt. Eine Begünstigung der Beklagten liegt damit nicht vor. Die Diskrepanz zwischen den beiden Gutachten spricht entgegen der Ansicht der Kläger gerade für die Unparteilichkeit des Sachverständigen.
52Parteiisch ist er auch nicht deswegen, weil er der Beklagten vorgeschlagen hat, entsprechende Beträge anzubieten. Hiermit hat er vielmehr gemäß seiner Aufgabe als Schiedsgutachter auf eine gütliche Lösung zwischen den Parteien hingewirkt. Im Ergebnis läuft es auf das gleiche hinaus, ob der Sachverständige im Gutachten ausdrücklich der Beklagten eine bestimmte Regulierung empfiehlt oder es so formuliert, dass ein entsprechender Entschädigungsanspruch besteht. Entsprechend ist auch erkennbar, dass es sich um einen Gütevorschlag handelt. Der Sachverständige hat hierbei seinen festgestellten Zahlen für den Fall der Einigung der Parteien einen Endregulierungszuschlag hinzugefügt. Es war damit für die Klägerin erkennbar, welches die vom Sachverständigen festgestellten Schäden waren.
53Auch eine vorherige Tätigkeit des Sachverständigen für die Beklagte ist nicht wesentlich. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Sachverständige mit Erfahrungen auf dem Spezialgebiet Bergschäden zumeist auch für die Beklagte tätig gewesen sein mussten, weil eine Großzahl der Fälle unter Beteiligung mit der Beklagten aufgetreten ist. Hier wurde die Klägerin hinreichend geschützt, indem ihr der sachkundige VBHG bei der Auswahl behilflich war.
54Dass sich aus den Gutachten des Sachverständigen X die Unbilligkeit wegen Unrichtigkeit ergeben würde, ist klägerseits nicht substantiiert vorgetragen worden. Eine Beweisaufnahme hierzu war nicht erforderlich. Nicht auseichend ist der Vortrag der Kläger dazu, dass sich der Sachverständige X die Drainage gar nicht angeschaut hätte. Auch hier ist nicht dargelegt, warum sich daraus insgesamt die Unbilligkeit ergeben würde.
55Soweit sich die Kläger auf die Entscheidung BGH NJW 1972, 827 beziehen, wonach ein Schiedsgutachter wie ein Schiedsrichter entsprechend § 1036 ZPO abzulehnen ist, ist der vorliegende Fall mit dem dem BGH vorgelegenen Sachverhalt deswegen nicht vergleichbar, weil hier eine entsprechende vertragliche Abrede bezüglich der Ablehnungsmöglichkeit nicht besteht.
56Den Klägern steht ein Anspruch wegen merkantilen Minderwertes nicht zu. Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass ein merkantiler Minderwert nach vollständiger Beseitigung der vom Sachverständigen X festgestellten Schäden nicht besteht. Die Kammer folgt dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen T.
57Zwar handelt es sich bei der Frage, ob eine Offenbarungspflicht besteht, letztlich um
58eine Rechtsfrage, die das erkennende Gericht zu entscheiden hat. Der Sachverständige hat aber genügend Tatsachen festgestellt, die eine entsprechende rechtliche Wertung erlauben.
59Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgehend von der noch zu erwartenden Nutzungsdauer des Hauses festgestellt, dass die von ihm im Einzelnen überprüften Maßnahmen nur solche sind, die von Art und Umfang her mit üblichen altersbedingten Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen vergleichbar sind.
60Weiter hat er in seiner Vernehmung erklärt, dass es statistisches Material über vergleichbare Fälle nicht gibt, auf die alternativ zurückgegriffen werden könnte. Tabellen gibt es hierzu nicht, auch nicht für Schädigungen aufgrund anderer Umstände als Bergschäden.
61Der Sachverständige konnte eventuelle Folgeschäden ausschließen. Hierzu hat er in seiner Vernehmung nachvollziehbar dargelegt, dass für Fachleute bei einer fachgerechten Rissverpressung weitere Schäden ausscheiden. Die angesetzten Kosten für die Rissverpressung seien im Vergleich zu den übrigen Kosten relativ gering. Für diese Wertung kommt es nicht darauf an, ob die Kosten für die Verpressung wie ursprünglich dargestellt 2.600,00 € oder aber bis zu 6.000,00 € erfordern. Die übrigen als Schönheitsreparaturen zu wertenden Maßnahmen führen zu keinen Folgeschäden. Wenn ein nicht verpresster Riss durch Wärmedammverbundsystem kaschiert wird, handelt es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen um solche, die keine Auswirkung auf die Tragfähigkeit haben. Durch die Kaschierung sind die Auswirkungen des Risses dann beseitigt.
62Der Sachverständige hat auch keine deckungsgleiche Ausnahme festgestellt, die nicht im von ihm zugrundegelegten Abkommen zwischen der Beklagten und dem VBHG geregelt worden sind. Insbesondere liegt keine Erdstufe im Bereich des Grundstückes oder eine Nutzung als Nichtwohngebäude vor.
633.
64Ein Anspruch der Kläger in Höhe des Endregulierungszuschlages besteht darüber hinaus auch nicht. Die Kläger tragen selbst vor, dass es sich hierbei um eine Risikozuschlag handelte, der eigentlich nicht vom Auftrag des Sachverständigen X nicht umfasst war. Es sollte damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich Schäden weiterentwickeln können.
65Bindungswirkung zwischen den Parteien hat diese Aussage jedoch nicht, weil sie nicht vom Auftrag, bergbaubedingte reparable Schäden festzustellen, umfasst war.
66Dementsprechend ist der Vorschlag des Sachverständigen bezüglich des Endregulierungszuschlages als Vorschlag für eine endgültige Einigung der Parteien auch unter Einschluss eines eventuellen Minderwertes zu verstehen. Bei Annahme durch die Klägerin hätte die Beklagte daher den Endregulierungszuschlag gezahlt, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Minderwert besteht. Nach Ablehnung durch die Klägerin ist die Beklagte daran nicht mehr gebunden. Ein merkantiler Minderwert ist in diesem Verfahren nicht festgestellt worden.
674.
68Der Klägerin steht bezüglich des gezahlten Betrages kein Anspruch auf Verzugszinsen für die Zeit zwischen dem Schreiben vom 27.03.1997 und dem Datum der Zahlung aus §§ 288, 286 Abs.1 BGB zu. Verzug ist unabhängig von der Formulierung der Aufforderung nicht begründet worden, da die Beklagte in Höhe von 144.500,00 DM die Regulierung angeboten hatte. Ausdrücklich lehnte die Klägerin diese Zahlung ab, so dass sie sich selbst im Annahmeverzug gemäß § 293 BGB befand.
695.
70Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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