Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 S 176/05
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 06.07.2005 wird wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 274,20 €
(i.W.: zweihundertvierundsiebzig 20/100 Euro)
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2005 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 18,66 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über tierärztliche Vergütungsansprüche. Der Kläger macht Ansprüche aus abgetretenem Recht des Tierarztes U geltend. Dieser hat verschiedene Pferde der Beklagten in der Zeit vom 02.01. bis zum 26.02.2002 behandelt.
4Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.
5Das Amtsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
6Der Kläger beantragt,
7das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 07.06.2005 (135 C 5234/05) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 274,20 € nebst 9,75 % Zinsen, hilfsweise 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2005 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 18,66 € zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10II.
11Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Zahlungsanspruch gem. §§ 611, 398 BGB in Höhe von 274,20 € zu.
121. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Abtretung der Honorarforderung des Tierarztes an den Kläger verstößt nicht gegen §§ 134 BGB, 203 I Nr. 1 StGB.
13a.) Mit dem Amtsgericht geht die Kammer davon aus, dass § 203 StGB auch bei der Abtretung von Tierarzthonoraren grundsätzlich ein Verbotsgesetz darstellt, das im Rahmen von § 134 BGB zu berücksichtigen ist.
14Maßgebend für die Annahme eines Verbotscharakters sind in jedem Fall Sinn und Zweck des Gesetzes. Für die Bestimmung des § 203 StGB steht die Eigenschaft des Verbotsgesetzes außer Frage. Sie dient – wenn nicht ausschließlich, so doch jedenfalls in erster Linie – dem Schutz der Individualsphäre des Patienten, indem sie das unbefugte Offenbaren eines unter die ärztliche Schweigepflicht fallenden Geheimnisses mit Strafe bedroht (vgl. insoweit zur humanmedizinischen Behandlung BGH NJW 1991, S. 2955).
15Die Anwendung von § 203 StGB scheidet nicht schon deswegen aus, weil der Kläger selbst als tierärztliche Verrechnungsstelle gem. § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Jedes Überschreiten der Grenzen des Bereichs stellt ein Offenbaren des dem Arzt anvertrauten Patientengeheimnisses dar, wobei es ohne Bedeutung ist, ob der Mitteilungsempfänger seinerseits der Schweigepflicht unterliegt (vgl. BGH a.a.O.; LG Bochum NJW 1993, S. 1535; LG Lüneburg NJW 1993, S. 2994).
16b.) Eine Abtretung ist jedoch gem. § 134 BGB nur dann unwirksam, wenn auch tatsächlich ein objektiver Verstoß gegen § 203 StGB vorliegt (vgl. BGH a.a.O.). Dabei ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen.
17Bei ärztlichen Behandlungen des Menschen liegt in der Weitergabe der Behandlungsdaten zur Abrechnung immer eine Weitergabe von geschützten Geheimnissen und damit immer ein objektiver Verstoß gegen § 203 StGB vor. Denn allein die Tatsache, dass der Patient einen Arzt aufgesucht hat, fällt in den geschützten Bereich.
18Dies ist aber bei tierärztlichen Behandlungen anders. § 203 StGB schützt nur die unbefugte Offenbarung von fremden Geheimnissen, die insbesondere zum persönlichen Lebensbereich des Menschen gehören. Die Informationen über die Erkrankung und Behandlung des Tieres selbst stellen noch kein geschütztes Geheimnis dar (vgl. OLG Celle NJW 1995, S. 786; LG Lüneburg NJW 1993, S. 2994; LG Bochum, NJW 1993, S. 1535).
19Zum geschützten Rechtsgut gehört – anders als beim Menschen – nicht die gesamte Krankengeschichte der Tiere, da dem Patient Tier kein strafrechtlicher Geheimnisschutz zuteil werden kann. Geschützt sind nur die persönlichen Geheimnisse des Eigentümers oder des Auftraggebers, die dem Tierarzt anlässlich der Behandlung anvertraut oder bekannt werden. Der Gesetzgeber hat bei der Aufnahme des Tierarztes in den Tatbestand des § 203 StGB zugrunde gelegt, dass der Tierarzt oft neben oder häufig vor dem Arzt z.B. von vom Tier auf den Menschen übertragbaren oder umgekehrt übertragbaren, insbesondere meldepflichtigen Krankheiten, erfährt und der Schutz des persönlichen Geheimnisbereichs unvollkommen wäre, wenn zwar der Arzt über derartige Erkenntnisse hinsichtlich des Menschen schweigen müsste, nicht aber der Tierarzt (vgl. OLG Celle a.a.O.).
20Wie vorstehend ausgeführt, ist die Abtretung gem. § 134 BGB nur dann unwirksam, wenn ein objektiver Verstoß gegen § 203 StGB vorliegt. Dies ist zwar bei der Weitergabe von Behandlungsdaten des Menschen immer, bei der Behandlung von Tieren regelmäßig aber nicht der Fall. Nur wenn im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von der Erkrankung des Tieres auf eine Erkrankung des Tierhalters geschlossen werden kann, kommt ein Verstoß gegen § 203 StGB in Betracht. Dies bedeutet, dass der Tierarzt immer im Einzelfall entscheiden muss, ob die Behandlung des Tieres Rückschlüsse auf die Gesundheit des Menschen erlaubt und er daher die Honorarforderung nicht abtreten darf, um die Geheimnissphäre des Tierhalters zu schützen.
21Liegen aber solche Anhaltspunkte dafür, dass der Geheimnisbereich des Menschen betroffen ist, nicht vor, so kommt ein Verstoß gegen § 203 StGB nicht in Betracht und eine Abtretung verstößt nicht gegen § 134 BGB. Die Kammer stellt daher, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und auch des Landgerichts Bochum auf den konkreten Einzelfall ab. Die Tatsache, dass eine Tierarztrechnung generell geeignet ist, in den Schutzbereich des § 203 StGB zu fallen, genügt nicht. Soweit sich daraus möglicherweise ein Risiko bzgl. der Wirksamkeit der Abtretung für den abtretenden Tierarzt ergibt, so ist dies nicht zu beanstanden. Der Tierarzt kann diese Frage selbst beurteilen und im Zweifelsfall auf die Abtretung verzichten und die Forderung selbst geltend machen. Im übrigen bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, eine Zustimmung des Auftraggebers zur Abtretung bereits bei Auftragserteilung einzuholen.
22c.) Im vorliegenden Fall ist von Seiten der Beklagten nichts vorgetragen, was für die Verletzung des Geheimnisschutzes spricht. Ausweislich der vorgelegten Kopie des Behandlungsnachweises (Bl. 17 d.A.) geht es hier um die Lahmheit eines Pferdes sowie Verbandwechsel und Prellungen bei Pferden. Damit sind keine schützenswerten Daten des Menschen verbunden. Die Erkrankungen lassen auch keinerlei Rückschluss auf Erkrankungen des Menschen zu.
23Soweit die Beklagte zuletzt vorgetragen hat, ihr wirtschaftliches Interesse an der Pferdezucht sei betroffen, so ist dies nicht relevant. Die Beklagte hat als Züchterin von Pferden sicherlich ein Interesse daran, dass nicht bekannt wird, dass ihre Pferde erkrankt sind. Dies stellt jedoch kein schützenswertes Geheimnis im Sinne von § 203 StGB dar. Ein solches Interesse hat jedes wirtschaftliche Unternehmen, dass verhindern möchte, dass Mängel ihrer Produkte bekannt werden. Ein Verstoß gegen § 203 StGB käme in diesen Fällen nicht in Betracht.
24Im Ergebnis kann die Kammer daher in diesem Fall einen objektiven Verstoß gegen § 203 StGB durch Weitergabe der tierärztlichen Abrechnungsdaten nicht feststellen. Die Abtretung verstößt daher nicht gegen § 134 BGB und ist wirksam.
252. Der Kläger noch kann ein restliches tierärztliches Honorar in Höhe von 274,20 € verlangen.
26a.) Der Kläger hat zu den Behandlungen durch Vorlage des Behandlungsnachweises (Bl. 17) substantiiert vorgetragen. Dagegen hat die Beklagten nichts erhebliches vorgebracht. Der Vortrag insbesondere in der ersten Instanz genügt nicht, um die Berechtigung der Forderung erheblich zu bestreiten.
27b.) Dem Kläger steht daher für die Behandlungen in der Zeit vom 02.01. bis zum 26.02.2002 insgesamt ein Betrag in Höhe von 446,60 € zu. Auf diesen Betrag hat die Beklagte unstreitig am 02.02.2005 Beträge in Höhe von 127,60 € und 44,80 €, also insgesamt 172,40 €, gezahlt. Für die weiter behauptete Zahlung in Höhe von 300 € ist die Beklagte beweisfällig geblieben. Der Kläger kann daher einen Restbetrag in Höhe von 274,20 € verlangen.
283. Soweit die Beklagte mit der Zahlung dieses Betrages in Verzug war, kann der Kläger Mahnkosten in Höhe von 18,66 € verlangen. Die Kammer hält diesen Betrag angesichts der vorgerichtlichen Korrespondenz gem. § 287 ZPO für angemessen. Die von dem Kläger begehrten Verzugszinsen in Höhe von 9,75 % sind bestritten und vom ihm nicht belegt worden. Es konnten daher nur die hilfsweise geltend gemachten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen werden. Wegen der weitergehenden Zinsen war die Klage und die Berufung zurückzuweisen.
294. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr.10 ZPO.
30Die Revision war nicht gem. § 543 Abs.2 ZPO zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert. Der Bundesgerichtshof hat zu den Rechtsfragen, auf denen das Urteil beruht, bereits mehrfach, zuletzt in der vorstehend zitierten Entscheidung Stellung genommen.
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