Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 268/05
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1. den Kläger von der gegen ihn gerichteten Forderung
des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 5.110,55 € ( i. W.
fünftausendeinhundertzehn 55/100 EURO) nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2005 aus
dem zweiten Versäumnisurteil des Landgerichts Wuppertal , AZ:
1 O 262/04, freizustellen,
2. den Kläger von der Forderung des Landes Nordrhein-Westfalen in
Höhe von 401,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2005, aus dem Kostenfestsetzungs-
beschluss des Landgerichts Wuppertal vom 28.02.2005, AZ: 1 O 262/04,
freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 5.511,91 €
die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund
des Urteils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ########. Dem Versicherungsvertrag lagen die AKB der Beklagten zugrunde, die bezüglich der hier maßgeblichen Regelungen den Musterempfehlungen entsprechen.
3Am 05.06.2003 gegen 5.02 Uhr erhielten Polizeibeamte den Einsatz, in dem Bereich Autobahnkreuz X das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug des Klägers, das von diesem gesteuert wurde, anzuhalten, da dieser nach einem Verkehrsunfall im E Stadtgebiet Unfallflucht begangen hatte. Trotz der aufgenommenen Verfolgung durch die Polizei hielt der Kläger sein Fahrzeug nicht an. Schließlich stellte ein Polizeibeamter seinen Funkstreifenwagen quer auf die Fahrbahn, um den Kläger zum Anhalten zu zwingen. Der Kläger fuhr mit ca. 80 Km/h, ohne abzubremsen, bewusst auf den mit eingeschaltetem Blaulicht querstehenden Funkwagen zu und rammte das Fahrzeug im vorderen Bereich mit derartiger Wucht, dass es gegen die auf der rechten Fahrbahnseite befindlichen Leitplanke prallte.
4Dem Land Nordrhein- Westfalen entstand dadurch ein Sachschaden in Höhe von 5.110,55 €.
5Im Juli 2004 erhob das Land Nordrhein- Westfalen sowohl gegen den Kläger als auch gegen die Beklagte Klage beim Landgericht Wuppertal (AZ: 1 O 262/04) mit dem Antrag beide als Gesamtschuldner zu verurteilen, den entstandenen Schaden am Funkstreifenwagen zu ersetzen. Der Kläger wurde im Wege des 2. Versäumnisurteils unter dem 10.12.2004 verurteilt, vollumfänglich Schadensersatz zu leisten. Zuvor hatte das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass unabhängig von der Verschuldensfrage er in jedem Fall aus § 7 StVG hafte.
6Die Klage gegenüber der Beklagten ist mit der Begründung rechtskräftig abgewiesen worden, dass die Beklagte den an sich gegebenen Anspruch des Landes Nordrhein- Westfalen ihr gegenüber aus § 7 StVG mit Erfolg den Risikoausschluss nach § 152 VVG entgegenhalten könne, da der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Zu den entsprechenden Urteilsgründen im übrigen wird auf das Urteil des Landgerichts Wuppertal, AZ: 1 O 262/04, vom 17.12.2004 verwiesen.
7Im Rahmen des gegen den Kläger ebenfalls eingeleiteten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Wuppertal (AZ: 60 Js 3527/03) ist ein fachpsychiatrisches Gutachten des Herrn I vom 20.07.2004 eingeholt worden. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen ist. Zu dem weiteren Inhalt des Gutachtens wird auf die entsprechende Anlage zur Klageschrift, Anlage zur Akte, verwiesen.
8Der Kläger erstattete aufgrund mangelnder Zahlungsfähigkeit den Schaden dem Land Nordrhein- Westfalen bislang nicht. Auch hat er keinerlei Zahlungen aus dem ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Wuppertal vom 28.02.2005 erbracht.
9Unter Berufung auf den zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag verlangt der Kläger mit der vorliegenden Klage von der Beklagten Freistellung von seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem gegen ihn ergangenen Urteil des Landgerichts Wuppertal, 1 O 262/04, und dem entsprechenden unter dem 28.02.2005 ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss.
10Dazu trägt er vor, ihm habe zum Zeitpunkt des Unfalls die Fähigkeit gefehlt, das Unrecht seiner Tat einzusehen, er sei daher im Sinne des § 827 BGB verschuldensunfähig gewesen. Aus diesem Grund könne sich die Beklagte nicht auf einen Haftungsausschluss ihm gegenüber berufen. Die in dem Verfahren 1 O 262/04 ergangenen Urteile des Landgerichts Wuppertal stünden der Einstandspflicht der Beklagten nicht entgegen, da die dort getroffenen Feststellungen keinerlei Auswirkungen auf den hiesigen Rechtsstreit hätten.
11Er beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen,
13- ihn von der gegen ihn gerichteten Forderung des Landes Nordrhein- Westfalen in Höhe von 5.110,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2005 aus dem 2. Versäumnisurteil des Landgerichts Wuppertal, AZ: 1 O 262/04 freizustellen,
- ihn von der Forderung des Landes Nordrhein- Westfalen in Höhe von 401,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2005 aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Wuppertal vom 28.02.2005, AZ: 1 O 262/04, freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie beruft sich weiterhin auf einen bestehenden Haftungsausschluss wegen Vorsatztat. Sie wendet ein, der Kläger könne aufgrund der Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses, in dem vorsätzliches Verhalten des Klägers festgestellt worden sei, nicht mehr einwenden, er sei schuldunfähig gewesen. Im übrigen werde eine bestehende Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt bestritten.
18Zu dem Vortrag der Parteien im übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist begründet.
21Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 1, 10 AKB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag. Der Versicherungsfall ist eingetreten. Die Voraussetzungen der §§ 1, 10 AKB sind unstreitig erfüllt.
22Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf einen Haftungsausschluss nach § 152 VVG berufen. Danach haftet der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für den er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat.
23Zwar ist § 152 VVG auch auf die Haftpflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz anwendbar (vgl. OLG Oldenburg VersR 1999, 482).
24Auch hat der Kläger das streitgegenständliche Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt, so dass an sich auch die Voraussetzungen aus § 152 VVG erfüllt sind (vgl. OLG Hamm NJW- RR 2006, 397; OLG Nürnberg NJW- RR 2005, 466).
25Er kann sich jedoch mit Erfolg auf § 827 BGB berufen, da er zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig war. Denn Vorsatz wäre dann nicht gegeben, wenn der Kläger im Zeitpunkt der Tat sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hätte (vgl. OLG Frankfurt VersR 1990, 42).
26Dass der Kläger zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war ergibt sich bereits aus dem im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten des Herrn I vom 20.07.2004, dessen Inhalt sich der Kläger im Rahmen seines Vortrages zu eigen macht. Einer gesonderten Beweiserhebung über diesen Punkt bedurfte es vorliegend nicht. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass eigentlich den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für seine Schuldunfähigkeit trifft und die Beklagte das Vorliegen der Schuldunfähigkeit beim Kläger zum Tatzeitpunkt bestritten hat.
27Jedoch führt der Sachverständige in seinem Gutachten über mehrere Seiten ausführlich und gut nachvollziehbar aus, aus welchen Gründen der Kläger zum Zeitpunkt der Tat nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Insoweit wird insbesondere auf die Seiten 49 ff. des Gutachtens vom 20.07.2004 verwiesen.
28Demgegenüber muss das einfache Bestreiten der Beklagten als nicht genügend substantiiert gewertet werden. Der Beklagten hätte es vor dem Hintergrund des ausführlichen Parteivortrags des Klägers oblegen, sich mit dem Gutachten des I auseinander zu setzen oder die mangelnde Schuldunfähigkeit anderweitig näher zu begründen. An einem derartigen Vortrag fehlt es vorliegend jedoch.
29Der Kläger kann den Einwand der Schuldunfähigkeit im Tatzeitpunkt auch in diesem Verfahren noch geltend machen. Ihm ist dieser Einwand nicht aufgrund der getroffenen Feststellungen in den Urteilen des Landgericht Wuppertal vom 10.12.2004 und 17.12.2004 (AZ: 1 O 262/04) abgeschnitten, da eine Bindungswirkung der angeführten Urteile insoweit nicht besteht.
30Zwar erstreckt sich die Bindungswirkung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 10.12.2004 auf die Tatsache, dass ein Anspruch des Landes Nordrhein- Westfalen gegen den Kläger entstanden ist.
31Denn nach dem in Haftpflichtversicherungsfällen geltenden Trennungsprinzip ist zwischen dem Haftpflichtverhältnis und dem Deckungsverhältnis und damit prozessual zwischen dem Haftpflichtprozess und dem Deckungsprozess zu unterscheiden. Ob und in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer besteht, ist auf Grund der für das Haftpflichtverhältnis maßgeblichen Normen im Haftpflichtprozess zu entscheiden. Dagegen ist es eine Frage des Deckungsprozesses und des Versicherungsverhältnisses, ob und inwieweit der Versicherer eintrittspflichtig ist (vgl. BGH VersR 2006, 107; OLG Saarbrücken, VersR 1993, 1004 (1005); Prölss/Martin-Voit, § 149 VVG, Rdnr. 24).
32Im Deckungsprozess darf nicht mehr geprüft werden, ob der Anspruch des geschädigten Dritten berechtigt ist oder nicht (vgl. BGH, VersR 1967, 769 (770); VersR 1980, 522 (523); OLG Hamm VersR 2005, 1678; OLG Frankfurt, VersR 1989, 732; Prölss/Martin-Voit, § 149 Rdnr. 5 und 29). Insoweit entfaltet die rechtskräftige Entscheidung des Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage Bindungswirkung, die auf der Auslegung des vertraglichen Leistungsversprechens des Versicherers beruht (vgl. BGH, VersR 2004, 590; VersR 1992, 1504 (1505); OLG Saarbrücken, VersR 1993, 1004 (1005); Prölss/Martin-Voit, § 149 VVG, Rdnr. 29).
33Die Parteien des Deckungsprozesses sind an die Feststellungen des Haftpflichturteils gebunden und können deren Unrichtigkeit nicht mehr einwenden (vgl. BGH, VersR 1978, 862 (863); Prölss/Martin-Voit, § 149 VVG, Rdnr. 29). Dies gilt für den Versicherer selbst dann, wenn er am Haftpflichtprozess nicht mitgewirkt hat (vgl. BGH, VersR 1963, 421; OLG Hamm VersR 2005, 1678; Prölss/Martin-Voit, § 149 VVG, Rdnr. 29).
34Die Bindungswirkung bezieht sich auf Grund und Betrag der Verurteilung im Haftpflichtprozess und umfasst auch Einzelfeststellungen des Haftpflichturteils (vgl. BGH, VersR 1963, 421; OLG Hamm OLGR 2003, 371; Prölss/Martin-Voit, § 149 VVG, Rdnr. 30).
35Der Kläger wurde im Haftpflichtprozess 1 O 262/04 durch das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 10.12.2004 verurteilt, an das Land Nordrhein- Westfalen 5.110,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2004 zu zahlen. Mithin steht auf Grund dieses Urteils fest, dass dem Land- Nordrhein- Westfalen gegen den Kläger ein Schadensersatzanspruch in der zuerkannten Höhe zusteht. Diese Feststellung ist für den nunmehr zu entscheidenden Deckungsprozess verbindlich, d. h. es ist ohne weitere Überprüfung davon auszugehen, dass ein Anspruch des Klägers aus §§ 149, 156 Abs. 2 VVG auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit in der rechtskräftig zuerkannten Höhe entstanden ist.
36Diese Verbindlichkeit erstreckt sich jedoch nicht auf den Umstand, dass das streitgegenständliche Unfallereignis durch den Kläger vorsätzlich herbeigeführt worden ist.
37Denn die Entscheidung im Haftpflichtprozess ist nur dann für den Deckungsprozess bindend, wenn gerade über diese Frage auch im Haftpflichtprozess entschieden wurde, etwa indem eine vorsätzlich Handlung des Versicherten positiv bejaht oder verneint wurde (vgl. OLG Hamm, VersR 1987, 603 (604)). Ist dagegen eine für den Deckungsanspruch, namentlich für Risikobegrenzungen oder Ausschlüsse, relevante Frage - etwa der Vorsatz - offen geblieben, so tritt keine Bindungswirkung ein. Über die Voraussetzungen ist vielmehr im Deckungsprozess selbstständig zu entscheiden (vgl. BGH, VersR 1963, 421; OLG Saarbrücken, VersR 1993, 1004 (1005); Prölss/Martin-Voit, § 149 VVG, Rdnr. 31; Reiff VersR 1990, 113 (120)).
38Im vorliegenden Fall hat das Landgericht Wuppertal in seinem Urteil vom 10.12.2004 eine Schadensersatzpflicht des Klägers im Wege des 2. Versäumnisurteils bejaht, Entscheidungsgründe sind somit nicht vorhanden. Der Erlass des Versäumnisurteils setzte lediglich einen schlüssigen Klägervortrag, unerheblich vom Vortrag der damaligen Beklagten, voraus. Dieses Versäumnisurteil konnte jedoch auch erlassen werden unter der Annahme der schlüssigen Darlegung der Voraussetzungen des § 7 StVG, d. h. einer Norm, die unabhängig von der Verschuldensfrage und damit der Frage des Vorsatzes beim Kläger, im vorliegenden Fall für die Begründung einer Haftung des Klägers im Haftpflichtprozess ausreichend war. Dass das Landgericht Wuppertal das Versäumnisurteil gegenüber dem Kläger auf die Vorschrift des § 7 StVG gestützt hat, ergibt sich aus einem entsprechendenden Hinweis der zuständigen Kammer gegenüber dem Kläger.
39Selbst wenn man unterstellt, das Landgericht Wuppertal hätte bei Erlass des 2. Versäumnisurteils eine Vorsatztat des Klägers zugrunde gelegt, wäre diesbezüglich keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren eingetreten.
40Denn eine Bindungswirkung greift nur bei Voraussetzungsidentität ein, während eine überschießende Feststellung von Vorsatz im Haftpflichtprozess (Feststellung von Fahrlässigkeit hätte gereicht) dem Versicherungsnehmer im Deckungsprozess nicht die Möglichkeit nimmt, sich auf eine leichtere Verschuldensform berufen zu können (BGH r+s 2004,232; Vorinstanz OLG Hamm r+s 2002, 323; Schimikowski r+s 2006, 7/9; Wendt r+s 2006, 45/50).
41Wie bereits ausgeführt, konnte das 2. Versäumnisurteil gegenüber dem Kläger auch unter Zugrundelegung fahrlässigen Handelns ergehen.
42Der Umstand, dass der Direktanspruch aus § 3 Nr. 1 PflVG im Haftpflichtprozess gegen die Beklagte durch das Urteil des Landgericht Wuppertal vom 17.12.2004 rechtskräftig abgewiesen wurde, ändert an der angenommenen fehlenden Bindungswirkung nichts.
43Zwar gilt auch in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Bindungswirkung der Feststellungen des Haftpflichtprozesses für den nachfolgenden Deckungsprozess (vgl. Prölss/Martin-Knappmann, § 3 Nr. 8 PflVersG, Rdnr. 7; Reiff VersR 1990, 113). Jedoch lässt der Direktanspruch das von ihm zu trennende versicherungsrechtliche Deckungsverhältnis unberührt (vgl. Prölss/Martin-Knappmann, § 3 Nr. 8 PflVG, Rdnr. 7). Eine nach der rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers erfolgende Abweisung des Direktanspruchs gegen den Versicherer lässt daher den Anspruch gegen den Versicherer aus dem Versicherungsvertrag (Innenverhältnis) unberührt (vgl. OLG Nürnberg, VersR 1989, 34 (35); OLG Köln, VersR 1991, 654; Prölss/Martin-Knappmann, § 3 Nr. 8 PflVersG, Rdnr. 5).
44Auch die Vorschrift des § 3 Nr. 8 PflVG führt insoweit nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift wirkt ein die Direktklage des Geschädigten abweisendes rechtskräftiges Urteil auch zugunsten des Versicherungsnehmers und die Abweisung der Klage gegen den Versicherungsnehmer umgekehrt zugunsten des Versicherers. Dadurch soll die Einheitlichkeit der Entscheidung über beide Ansprüche gewährleistet und dem Geschädigten die Möglichkeit genommen werden, nach rechtskräftiger Verneinung seines Anspruchs in einem zweiten Prozess noch einmal das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs prüfen zu lassen (vgl. BGH VersR 1981, 1156 (1157); Prölss/Martin-Knappmann, § 3 Nr. 8 PflVersG, Rdnr. 1). Die Vorschrift kommt auch zur Anwendung, wenn Versicherungsnehmer und Versicherer gemeinsam verklagt werden. Dann ist im Falle der rechtskräftigen Klageabweisung gegen einen Beklagten auch gegen den anderen nur noch Klageabweisung möglich (vgl. BGH VersR 1981, 1156; Prölss/Martin-Knappmann, § 3 Nr. 8 PflVersG, Rdnr. 2). Eine erstinstanzliche Klageabweisung wird daher grundsätzlich bereits dann rechtskräftig, wenn nicht beide Ansprüche in der Berufungsinstanz weiterverfolgt werden (vgl. OLG Karlsruhe, r + s 1988, 125).
45Im vorliegenden Fall wurde jedoch der Anspruch des Landes Nordrhein- Westfalen gegen den Kläger im Prozess vor dem Landgericht Wuppertal nicht verneint, sondern zuerkannt. Dieser Ausspruch ist in Rechtskraft erwachsen. Erst danach wurde der Direktanspruch gegen die Beklagte rechtskräftig abgewiesen.
46Wird aber der Direktanspruch gegen den Versicherer erst abgewiesen, nachdem der Versicherungsnehmer rechtskräftig verurteilt wurde, so kann die einmal zugunsten des Dritten eingetretene Rechtskraft im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht mehr beseitigt werden (vgl. BGH VersR 1971, 611; OLG Köln r + s 1990, 402 (403); Prölss/Martin-Knappmann, § 3 Nr. 8 PflVersG, Rdnr. 7). Die Abweisung des Direktanspruchs berührt in einem solchen Fall auch nicht die Verpflichtung des Versicherers aus dem Deckungsverhältnis, denn der Direktanspruch ist der Haftpflichtebene nicht gleichzustellen. § 3 Nr. 8 PflVersG gilt nicht bei widersprechenden rechtskräftigen Urteilen. Darum schließt eine nachfolgende Abweisung des Direktanspruchs die Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag nicht aus. Nur bei Leistungsfreiheit des Versicherers im Innenverhältnis ist dem Geschädigten das Vorgehen über den Deckungsanspruch des Schädigers verwehrt (vgl. OLG Nürnberg, VersR 1989, 34 (35)). Dogmatisch folgt dies daraus, dass es sich bei dem Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer und dessen Direktanspruch gegen den Versicherer einerseits und dem Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers andererseits um Ansprüche handelt, die auf getrennten Rechtsverhältnissen beruhen. Daher betreffen der Haftpflichtprozess und der nachfolgende Deckungsprozess verschiedene Streitgegenstände. Schon aus diesem Grund kommt keine Rechtskrafterstreckung gemäß § 3 Nr. 8 PflVersG in Betracht. Diese bezieht sich nur auf das Verhältnis zwischen dem Schadensersatzanspruch und dem Direktanspruch gegen den Versicherer (vgl. Stiefel/Hofmann, § 3 Nr. 8 PflVG, Rdnr. 4), nicht aber auf das Verhältnis zwischen Direktanspruch und Deckungsanspruch (vgl. OLG Köln, r + s 1990, 402 (403)).
47Als Rechtsfolge kann der Kläger Befreiung von den Verbindlichkeiten aus dem Urteil des Landgericht Wuppertal vom 10.12.2004 und dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.02.2005 nebst Zinsen verlangen. Denn in dem Fall, dass der Versicherungsnehmer zur Zahlung von Schadensersatz und Kostenerstattung verurteilt wird, wandelt sich der Rechtsschutzanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer nach § 156 II VVG in einen auf Befreiung von der Verbindlichkeit gerichteten Anspruch um (OLG Saarbrücken OLGR 2003, 272).
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.
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