Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 O 340/04
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen eines vom Kläger
zu beauftragenden Notars 71.018,44 € (i.W.
einundsiebzigtausendachtzehn 44/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.03.2005
zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notarieller Erklärungen
vor dem beauftragten Notar:
a.) Der Kläger verpflichtet sich, dem Beklagten den nachfolgenden
Grundbesitz Objekt in E, H-straße ##, Wohnung Nr. 1
nebst Kellerraum Nr. 1, gelegen Gemarkung E, Flur ##,
Flurstück ###, Grundbuch E B, Blatt ##### zu übertragen,
frei von der in Abteilung III der Grundbücher eingetragenen
Grundschuld(en). Dazu erteilt der Kläger dem Beklagten Vollmacht
im Namen des Klägers und unter Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu erklären.
b.) Der Kläger erklärt sein Einverständnis mit der Weisung des
Beklagten an den Notar, den Zahlungsbetrag zur Ablösung der in
Abt. III des Grundbuches eingetragenen Grundschuld(en)
einschließlich evtl. Vorfälligkeitsentschädigung und Kosten zu
verwenden.
c.) Der Kläger bewilligt die Eintragung des Beklagten als Eigentümer
unter der aufschiebendenden Bedingung, dass Zahlungseingang in
Höhe des durch die Klage geforderten Betrages zzgl. evtl. Kosten
und Vorfälligkeitsentschädigungen auf dem Konto des
unterzeichneten Notars erfolgt.
d.) Der evtl. nach Ablösung der Grundschuld überschießende
Geldbetrag ist an den Kläger zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 26 % und der
Beklagte 74 %.
Das Urteil ist für den Kläger und den Beklagten gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Beklagte erwarb im Jahre 1998 den Grundbesitz H-straße ##
3gemeinsam mit Herrn T. Wegen der Einzelheiten des
4Kaufvertrages kann auf die Kopie des notariellen Vertrages vom
517.08.1998 (Bl. 85 f. d.A.) Bezug genommen werden. Der Grundbesitz
6wurde von den Erwerbern sodann in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Auf
7die Kopien der notariellen Teilungserklärungen vom 23.11.1998 (Bl. 23 R
8f. d.A.) und vom 18.01.1999 (Bl. 28 R f. d.A.) kann Bezug genommen
9werden.
10Nach der erfolgten Teilung wurde der Beklagte in dem neu angelegten
11Grundbuch als Eigentümer mehrerer Eigentumswohnungen im Hause
12H-straße ## in E eingetragen. Dazu gehörte auch die
13Wohnung Nr. 1 in diesem Hause. Auf die Kopie des Grundbuchauszuges
14des Amtsgerichts Dortmund zum Grundbuch von E B Blatt #####
15(Bl. 5 R f. d.A.) wird Bezug genommen.
16Der Beklagte vertrieb die ihm gehörenden Wohnungen über die Fa. V
17GmbH (nachstehend V genannt), deren Geschäftsführer der Beklagte
18auch war. Der Kläger wurde von Mitarbeitern der Fa. V angesprochen.
19Die Einzelheiten der Gespräche sind zwischen den Parteien streitig. Der
20Kläger entschloss sich daraufhin zum Erwerb der vorbezeichneten
21Wohnung.
22Es kam zum Abschluss eines notariellen Kaufvertrages. Die Parteien
23vereinbarten darin einen Kaufpreis in Höhe von mindestens 71.018,44 €.
24Nach Zahlung des Kaufpreises wurde der Kläger als Eigentümer in dem
25vorbenannten Grundbuch eingetragen. Der wirtschaftliche Übergang
26erfolgte zum 01.01.2001.
27Der Kläger erhielt von dem Beklagten einen Betrag in Höhe von 8.220,04
28€, der zum Teil als sog. "Belastungszuschuss" und zum Teil auch als
29"Innenprovision" bezeichnet wurde. Diesen Zuschuss rechnete der
30Beklagte mit Schreiben vom 14.12.2000 (Bl. 84 d.A.) gegenüber dem
31Kläger ab.
32Im Jahre 2004 wurden Verkehrswertgutachten über den Wert
33verschiedener Wohnungen im Hause H-straße ## von dem
34Klägervertreter in Auftrag gegeben. Der Sachverständige Dipl.-Ing.
35I erstellte daraufhin unter dem 22.11.2004 ein Gutachten.
36Wegen der Einzelheiten des Gutachtens kann auf die Kopie (Bl. 3 f. d.A.)
37Bezug genommen werden.
38Der Kläger behauptet, der Beklagte habe damit geworben, dass es sich
39bei der vorgenannten Eigentumswohnung um eine risikolose
40Kapitalanlage und zugleich um ein Steuersparmodell handele. Die
41Mitarbeiter der Fa. V hätten weiter damit geworben, dass für den Fall
42des Mietausfalls ein Mietpool vorhanden sei, der diesen Ausfall auffangen
43würde. Es sei erklärt worden, dass sich unter Berücksichtigung einer
44Steuerersparnis von 3.000,00 DM jährlich eine monatliche Belastung von
45ca. 90,00 € ergebe. Tatsächlich habe sich jedoch eine monatliche
46Belastung über vier Jahre in Höhe von 616,79 € ergeben. Der Kläger
47behauptet, er sei insoweit falsch beraten worden. Bei richtiger Beratung
48hätte er den Kaufvertrag nicht geschlossen.
49Der Kläger behauptet weiter, es sei erklärt worden, das Haus sei
50vollständig neu saniert gewesen. Tatsächlich hätte sich jedoch ein völlig
51unterdurchschnittlicher Zustand mit erheblichem Instandhaltungsstau
52gezeigt. Weiter habe er erst später festgestellt, dass das Haus in einer
53besonders schlechten Gegend Dortmunds liege. Der Kläger behauptet,
54der Verkehrswert der Wohnung habe im Juli 2000 lediglich bei 30.200 €
55gelegen. Der Kaufpreis sei daher um mehr als 100 % überteuert. Der
56Kläger behauptet, der Beklagte habe als gewerbsmäßiger
57Immobilienhändler Kenntnis von der Überteuerung gehabt. Der Kläger ist
58daher der Ansicht, der Kaufvertrag sei sittenwidrig und nichtig und verlangt
59die Rückabwicklung des Kaufvertrages.
60Der Kläger ist weiter der Ansicht, ihm stünden Schadensersatzansprüche
61aus c.i.c. wegen einer Falschberatung vor Abschluss des Kaufvertrages
62sowie gem. §§ 823 BGB i.V.m. § 302 a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB zu.
63Der Kläger behauptet weiter, unter Berücksichtigung von Mietzahlungen in
64Höhe von ca. 4.424,69 € und Zinszahlungen in Höhe von ca. 30.031,00 €
65sei ihm ein erheblicher Schaden in Höhe von ca. 29.606,31 € entstanden.
66Davon macht er mit dem Klageantrag zu 2.) einen
67Schadensersatzanspruch in Höhe eines Teilbetrages in Höhe von
6825.000,00 € geltend.
69Der Kläger beantragt,
701. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu
71Händen eines vom Kläger zu beauftragenden Notars
7271.018,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
73Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit
74Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe
75folgender notarieller Erklärungen vor dem beauftragten
76Notar:
77a.) Der Kläger verpflichtet sich, dem Beklagten den
78nachfolgenden Grundbesitz Objekt in E,
79H-straße ##, Wohnung Nr. 1 nebst Kellerraum
80Nr. 1, gelegen Gemarkung E, Flur ##,
81Flurstück ###, Grundbuch E B, Blatt #####
82zu übertragen, frei von der in Abteilung III der
83Grundbücher eingetragenen Grundschuld(en). Dazu
84erteilt der Kläger dem Beklagten Vollmacht im
85Namen des Klägers und unter Befreiung von den
86Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu
87erklären.
88b.) Der Kläger erklärt sein Einverständnis mit der
89Weisung des Beklagten an den Notar, den
90Zahlungsbetrag zur Ablösung der in Abt. III des
91Grundbuches eingetragenen Grundschuld(en)
92einschließlich evtl. Vorfälligkeitsentschädigung und
93Kosten zu verwenden.
94c.) Der Kläger bewilligt die Eintragung des
95Beklagten als Eigentümer unter der
96aufschiebendenden Bedingung, dass
97Zahlungseingang in Höhe des durch die Klage
98geforderten Betrages zzgl. evtl. Kosten und
99Vorfälligkeitsentschädigungen auf dem Konto des
100unterzeichneten Notars erfolgt.
101d.) Der evtl. nach Ablösung der Grundschuld
102überschießende Geldbetrag ist an den Kläger zu
103zahlen.
1042. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere
10525.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
106Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit
107Rechtshängigkeit zu zahlen.
108Der Beklagte beantragt,
109die Klage abzuweisen.
110Der Beklagte behauptet, es habe keine fehlerhafte Beratung gegeben.
111Insbesondere sei dem Kläger keine monatliche Belastung in Höhe von
11290,00 € in Aussicht gestellt worden. Auch sei in den notariellen
113vertraglichen Unterlagen kein Hinweis auf Vereinbarungen zu einem
114Mietpool enthalten.
115Der Beklagte bestreitet Grund und Höhe des geltend gemachten
116Schadensersatzanspruchs in Höhe von 25.000,00 €.
117Der Beklagte behauptet, der Kaufpreis sei nicht sittenwidrig überhöht
118gewesen. Insbesondere sei die Zahlung in Höhe von 8.220,04 € vor der
119Bewertung vom Kaufpreis in Abzug zu bringen. Im Zuge des Erwerbs des
120Gebäudes durch den Beklagten sei eine Renovierung der Fassade, des
121Treppenhauses und des Keller erfolgt. Eine vollständige Sanierung sei
122dem Kläger nicht zugesichert worden.
123Der Beklagte behauptet weiter, er habe das Gebäude selbst zu einem
124Gesamtkaufpreis in Höhe von 427.440 € erworben. Der Verkehrswert sei
125seinerzeit durch Herrn Dipl.-Ing. I überprüft worden. Dieser habe
126festgestellt, dass der Kaufpreis etwa 10 bis 15 % unterhalb des
127Verkehrswertes des Gebäudes liege. Daher fehle es an dem subjektiven
128Tatbestand der Sittenwidrigkeit.
129Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
130Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf
131die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen
132werden.
133Die Klage ist am 31.12.2004 beim Landgericht Dortmund eingegangen
134und dem Beklagten am 02.03.2005 zugestellt worden.
135Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
136Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. Wegen des
137Ergebnisses der Beweisaufnahme kann auf das bei den Akten befindliche
138Gutachten vom 22.05.2006 (Bl. 108 f. d.A.) Bezug genommen werden.
139Entscheidungsgründe
140Die Klage ist zulässig und in dem tenorierten Umfang begründet.
141Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf
142Rückzahlung in Höhe von 71.018,44 € Zug um Zug gegen
143Rückabwicklung des Kaufvertrages gem. §§ 812, 818 BGB zu.
144Der zwischen den Parteien geschlossen notarielle Kaufvertrag über die
145Wohnung Nr. 1 im Hause H-straße ## ist gem. § 138 BGB nichtig.
146Nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und
147Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter ist das Rechtsgeschäft mit den
148guten Sitten nicht vereinbar. Die Sittenwidrigkeit des Vertrages ergibt sich
149aus einem besonderes groben Missverhältnis zwischen dem vereinbarten
150Kaufpreis und dem Wert der Wohnung.
151Die Parteien haben nach Angaben des Klägers einen Kaufpreis in Höhe
152von 71.018,44 € vereinbart. Ob sogar ein höherer Kaufpreis vereinbart
153worden ist, wie vom Beklagten vorgetragen, konnte die Kammer nicht
154feststellen, da der Kläger eine Kopie des notariellen Kaufvertrages nicht
155vorgelegt hat. Der vom Kläger selbst behauptete Kaufpreis lag jedoch
156118,5 % über dem tatsächlichen Verkehrswert. Der Sachverständige Dipl.-
157Ing. F ist bei seiner Begutachtung zu dem Ergebnis gekommen, dass
158die Wohnung zum Zeitpunkt des Vertragesabschlusses nur einen
159Verkehrswert in Höhe von 32.500,00 € hatte.
160Der Sachverständige hat überzeugend erläutert, dass er diesen Wert
161aufgrund des Sach-, des Ertrags- und des Vergleichswertes geschätzt hat.
162Diese Schätzung vermochte das Gericht gut nachzuvollziehen.
163Den Sachwert hat der Sachverständige mit 33.500 € angegeben. Dazu hat
164er erläutert, dass er den Zeitwert der Bausubstanz des Gebäudes auf der
165Grundlage der Herstellungskosten unter Berücksichtigung einer
166Alterswertminderung ermittelt und den Bodenwertanteil sowie die
167Zeitwerte für Versorgungsanschlüsse und besondere Bauteile
168hinzugerechnet hat. Den gesamten Betrag hat der Sachverständige dann
169auf die anteilige Fläche der hier streitigen Wohnung umgerechnet.
170Den Ertragswert hat der Sachverständige mit 32.200 € in Ansatz gebracht.
171Dabei ist er von dem Jahresnettomietertrag sowie von einem
172Liegenschaftszins in Höhe von 3,80 % ausgegangen. Danach hat er einen
173Ertragswertanteil der Bausubstanz ermittelt und zu diesem ebenfalls den
174Bodenwertanteil addiert. Auch dieser Betrag ist auf die anteilige Fläche
175der Wohnung umgelegt worden.
176Der Vergleichswert in Höhe von 31.900 € ist vom Sachverständigen
177anhand vergleichbarer Objekte ermittelt worden. Dabei hat er einen
178Mittelwert der Preise pro qm errechnet, den er hier mit 678 € / qm
179angegeben hat.
180Das Gericht hat keine Bedenken, den überzeugenden Ausführungen des
181Sachverständigen Dipl.-Ing. F zu folgen. Der Sachverständige geht
182von den richtigen Tatsachen aus und hat seine Schlussfolgerungen
183detailliert und nachvollziehbar begründet. Der Sachverständige verfügt
184persönlich über eine umfassende Sachkompetenz, die keinerlei Anlass zu
185Zweifeln bietet.
186Es kann dahinstehen, ob sich das Objekt tatsächlich in einem derart
187schlechten Zustand befunden hat, wie der Kläger geltend gemacht hat.
188Insoweit fehlt es bereits an einem substantiierten Sachvortrag des
189Klägers. Der Sachverständige hat bei der Ermittlung des geringen
190Verkehrswertes zugrunde gelegt, dass ein gemeinüblicher
191Erhaltungszustand bestanden hat, wie es der Beklagte behauptet.
192Soweit der Beklagte zuletzt mit Schriftsatz vom 14.07.2006 die Kopie
193eines "Grundstücksmarktberichts E 1998" vorgelegt hat, erfolgte
194dies nach Ablauf der im Beschluss vom 31.05.2006 gesetzten Frist und
195nach Terminierung. Diese Kopie vermag aber das Gutachten des
196Sachverständigen auch nicht zu erschüttern. Es ist nicht ersichtlich, was
197bei dem Wert von 2.500 DM / qm zugrunde gelegt worden ist. Ein
198ausreichender Vortrag hierzu fehlt. Der Beklagte hätte dies allenfalls dem
199Sachverständigen vorhalten können, was er jedoch nicht beantragt hat. Im
200übrigen belegt auch das außergerichtlich von einigen Eigentümern der
201Wohnungen im Hause H-straße ## eingeholte Gutachten des
202Sachverständigen Dipl.-Ing. I vom 22.11.2004 (Bl. 3 f. d.A.),
203dass der Verkehrswert der Wohnungen erheblich unter den Kaufpreisen
204lag. Das Gericht hat daher im Ergebnis keinerlei Zweifel, dem
205Sachverständigen Dipl.-Ing. F in seiner Bewertung zu folgen.
206Auf der Grundlage des von dem Sachverständigen ermittelten
207Verkehrswertes bei Vertragsabschluss in Höhe von 32.500,00 € im Juli
2082000 ist das Verhältnis zum vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 71.018,44
209€ nur als grob zu bezeichnen. Der gezahlte Kaufpreis beträgt mehr als 118
210% des tatsächlichen Wertes der Wohnung.
211Von einem groben Missverhältnis ist selbst dann auszugehen, wenn die
212nach Vertragsabschluss erfolgte Zahlung des Beklagten an den Kläger in
213Höhe von 8.220,04 € in Abzug zu bringen wäre. Dabei ist es bereits
214fraglich, ob dieser Betrag tatsächlich vom vereinbarten Kaufpreis in Abzug
215zu bringen ist, wie der Beklagte meint. Der Beklagte selbst bezeichnet
216diesen Betrag zum Teil als sog. "Innenprovision". Wenn es sich jedoch um
217eine Provisionszahlung handelt, so käme ein Abzug nicht in Betracht.
218Selbst wenn man einen Abzug jedoch vornähme, so verbliebe noch immer
219ein Kaufpreis in Höhe von 62.798,40 €, der über 93 % des tatsächlichen
220Wertes lag.
221Das Gericht geht davon aus, dass die Vorgehensweise des Beklagten
222auch subjektiv verwerflich war. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung
223und Gegenleistung besonders grob, so rechtfertigt dies den Schluss auf
224die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner
225in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes. Von
226einem solchermaßen groben Missverhältnis, das den Schluss auf eine
227verwerfliche Gesinnung zulässt, ist nach der Rechtsprechung des
228Bundesgerichtshofs bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen,
229wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der
230Gegenleistung. Die hieran anknüpfende Schlussfolgerung leitet sich aus
231dem Erfahrungssatz her, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen
232nicht ohne Not - oder nicht ohne einen anderen den Benachteiligten
233hemmenden Umstand - zugestanden werden und auch der Begünstigte
234diese Erfahrung teilt, (vgl. BGH NJW 2001, S. 1127 f., BGH NJW 1992, S.
235899 f.). Ein hemmender Umstand in diesem Sinne kann insbesondere die
236Unerfahrenheit des Benachteiligten sein. Sie kommt u.a. dann in Betracht,
237wenn der Benachteiligte keinerlei Kenntnisse über den tatsächlichen Wert
238und die wirkliche Marktlage hat.
239Allein das besonders grobe Äquivalenzmissverhältnis erlaubt es, auf die
240verwerfliche Gesinnung als subjektives Merkmal des § 138 BGB zu
241schließen. Denn eine verwerfliche Gesinnung muss schon dann bejaht
242werden, wenn sich der Begünstigte zumindest leichtfertig der Einsicht
243verschließt, dass sich der andere Teil nur unter dem Zwang der
244Verhältnisse oder den in § 138 Abs. 2 BGB genannten Umständen auf
245den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. Nach dem geschilderten Satz
246der Lebenserfahrung, dass außergewöhnliche Gegenleistungen nicht
247ohne Not zugestanden werden, kann sich der Begünstigte der Kenntnis
248der "misslichen Lage" des anderen Teils nicht nur dadurch verschließen,
249dass er bei erkannt krassem Missverhältnis dessen Zwangslage oder
250einen anderen ihn hemmenden Umstand nicht zur Kenntnis nimmt,
251sondern auch dadurch, dass er sich schon des objektiven besonders
252groben Missverhältnisses nicht bewusst wird (vgl. BGH NJW 2001, S.
2531127f).
254Der Bundesgerichtshof hat dazu weiter ausgeführt, dass davon
255auszugehen ist, dass sich der Begünstigte, wenn er nicht ohnehin
256aufgrund einer Tätigkeit im Immobiliengewerbe hinreichend sachkundig
257ist, im allgemeinen - gleich ob er auf Erwerber- oder Veräußererseite
258steht - wegen der hohen finanziellen Aufwendungen, die mit einem
259Grundstückserwerb verbunden sind, vor Vertragsabschluss durch
260Beobachtung des Grundstücksmarktes oder Einholung sachverständiger
261Auskünfte zumindest grundlegende Kenntnisse von den Marktpreisen
262verschafft hat. Er ist damit im Regelfall ohne weiteres in der Lage, ein
263Geschäft als für ihn außergewöhnlich vorteilhaft zu erkennen, so dass er
264sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis eines besonders groben
265Äquivalenzmissverhältnisses und der hierdurch indizierten Zwangslage
266seines Vertragspartners verschließt (vgl. BGH a.a.O.).
267Im Ergebnis kann es dabei dahinstehen, ob diese Schlussfolgerung im
268Wege des Anscheinsbeweises vollen Beweis für die verwerfliche
269Gesinnung des Begünstigten erbringen könnte, oder ob ihr lediglich die
270Bedeutung als Indizienbeweis zukommt. Es handelt sich nach Auffassung
271des Bundesgerichtshofes jedenfalls um eine beweiserleichternde
272tatsächliche Vermutung, die vom Tatrichter im Bereich der
273Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist. Sie kann nur dann nicht zu
274Anwendung kommen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände
275erschüttert ist (vgl. BGH a.a.O.).
276Dem Beklagten ist die Erschütterung dieser Vermutung der verwerflichen
277Gesinnung nicht gelungen. Dem Gericht ist aus einer Vielzahl anderer
278Verfahren, die vor dem Landgericht gegen den Beklagten anhängig sind,
279bekannt, dass der Beklagte nicht nur eine Wohnung oder nur die
280Wohnungen im Hause H-straße ## veräußert hat. Der Beklagte hat
281eine große Zahl von Wohnungen im Raum E veräußert und ist
282mithin gewerblich im Immobiliengeschäft tätig gewesen. Auf dieser
283Grundlage geht das Gericht davon aus, dass dem Beklagten der
284Grundstücksmarkt in E und die allgemein üblichen Preise bekannt
285waren. Daraus ergibt sich weiter, dass dem Beklagten auch der
286tatsächliche Wert der streitgegenständlichen Wohnung bekannt oder
287allenfalls aus Leichtfertigkeit unbekannt war.
288Der von dem Beklagten selbst zuvor gezahlte Kaufpreis entkräftet die
289Vermutung nicht. Dieser von ihm selbst gezahlte Preis spricht schon für
290einen wesentlichen niedrigeren Verkehrswert. Der Beklagte hat hierzu
291vorgetragen, das gesamte Haus für 427.440 E erworben zu haben. Stellt
292man diesen Preis in Relation zu der Gesamtwohnflächen (565,78 qm), so
293entfällt auf die streitgegenständliche Wohnung (47 qm) ein anteiliger Preis
294von ca. 35.500 €. Dieser Wert liegt nicht weit von dem entfernt, den der
295Sachverständige Dipl-Ing. F mit 32.500 € festgestellt hat. Welche
296Nebenkosten der Beklagte beim Erwerb des Hauses und bei der Teilung
297der Wohnungen hatte, mag für seine unternehmerische Kalkulation von
298Bedeutung sein, spielt für die Beurteilung der Kenntnis vom Verkehrswert
299aber keine Rolle. Die von ihm aufgewandten Nebenkosten schmälern
300allenfalls seinen Gewinn, führen aber nicht zu einer Erhöhung des
301tatsächlichen Verkehrswertes. Die Tatsache, dass der Beklagte das
302gesamte Objekt zu einem Preis in Höhe von 427.440 € erworben hat,
303spricht vielmehr für eine positive Kenntnis von den tatsächlichen
304Verkehrswerten. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte zuletzt auch
305eingeräumt, zumindest von einer 50 % - igen Überhöhung des
306Kaufpreises positive Kenntnis gehabt zu haben. Das Gericht geht aber
307nach dem eigenen Vortrag des Beklagten auch davon aus, dass er auch
308bezüglich einer noch höheren Überteuerung Kenntnis hatte. Dem
309Beklagten, der gewerblich im Immobiliengeschäft tätig war, muss bekannt
310gewesen sein, dass die von ihm verauslagten Erwerbs- und Nebenkosten
311den Verkehrswert nicht erhöhen. Daher geht auch das Gericht davon aus,
312dass der Beklagte bei seiner subjektiven Vorstellung vom Verkehrswert
313diese Kosten zumindest nicht in der angegeben Höhe ernsthaft in Ansatz
314gebracht hat.
315Dass der Beklagte tatsächlich von einem wesentlich höheren
316Verkehrswert ausgehen musste oder durfte, hat er auch sonst nicht
317substantiiert dargelegt. Da der Beklagte gewerblich im Immobiliengeschäft
318tätig war, rechtfertigt der von ihm gezahlte Preis nicht die Vermutung eines
319besonders hohen Verkehrswertes. Es ist vielmehr davon auszugehen,
320dass er die Marktlage kannte und sich ein eigenes Bild machen konnte.
321Der von ihm gezahlte Preis muss nicht mit der tatsächlichen Marktlage
322übereinstimmen. Der Beklagte -hat zwar vorgetragen, dass ein Gutachten
323des Dipl.-ing. I vorgelegen habe, wonach der zu zahlende
324Kaufpreis etwa 10 bis 15% unterhalb des Verkehrswertes gelegen habe.
325Dieser Vortrag ist jedoch unsubstantiiert. Hierauf hat das Gericht mit
326Beschluss vom 31.05.2006 hingewiesen, ohne das weiterer hinreichender
327Vortrag erfolgte. Das Gutachten selbst ist nicht vorgelegt worden. Auch ist
328nicht ersichtlich, welche Werte ermittelt worden sein sollen und was dem
329zugrunde gelegt wurde. Die pauschale Behauptung des Beklagten genügt
330nicht.
331Für eine verwerfliche Gesinnung spricht jedoch, dass der Beklagte die
332Objekte überwiegend in Süddeutschland vermarktet hat oder hat
333vermarkten lassen. Wie sich aus der Gesamtschau der allein in der 4.
334Zivilkammer des Landgericht Dortmunds anhängigen Verfahren zu den
335Objekten H-straße, V- Straße, S-straße und
336N-straße, an welchen der Beklagte in verschiedenen Formen
337beteiligt war, ergibt, haben die Käufer die jeweiligen Wohnungen
338überwiegend vor dem Abschluss des Kaufvertrages nicht besichtigt und
339sich allein auf die Angaben der Vermittler zu den Grundbesitzungen
340verlassen. Hier spricht einiges dafür, dass der Beklagte gezielt Käufer in
341einer möglichst großen räumlichen Distanz gesucht hat, damit diese
342möglichst auf eine vorherige Besichtigung verzichten. Weiter ist es auch
343Erwerbern in Süddeutschland wesentlich schwerer möglich, den
344Grundstücksmarkt in E zu beurteilen. Bei höheren
345Grundstückspreisen in Süddeutschland mag einigen Erwerbern der
346Kaufpreis für eine E Wohnung relativ niedrig vorgekommen
347sein, obwohl der nach E Verhältnissen überhöht war.
348Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe des gezahlten Kaufpreises ist
349nicht verjährt. Der Kläger hat den Lauf der Verjährung rechtzeitig durch
350Einreichung der Klage unterbrochen. Die Verjährungsfrist betrug nach
351dem Schuldrecht in der alten Fassung gem. § 195 BGB dreißig Jahre. Die
352neue Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Diese neue Frist begann gem.
353Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB am 01.01.2002 und wäre danach am
35431.12.2004 abgelaufen. Die Klage ist am 31.12.2004 bei Gericht
355eingegangen. Die Zustellung der Klage an den Beklagten wirkt auf den
356Eingang der Klage zurück. Die Tatsache, dass die Zustellung erst am
35702.03.2005 erfolgt ist, fällt nicht in den Verantwortungsbereich des
358Klägers. Der Kläger hat den Gerichtskostenvorschuss umgehend nach
359Erhalt der Gerichtskostenrechnung eingezahlt.
360Dem Kläger stehen gem. § 291 BGB Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit
361zu.
362Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von
36325.000 € zu. Insoweit war die Klage unbegründet und abzuweisen.
364Der Kläger hat einen Schaden insoweit nicht substantiiert vorgetragen.
365Der Kläger hat nur eine Teilforderung geltend gemacht, ohne näher
366anzugeben, um welchen Teil es sich handeln soll. Es fehlt weiterhin jede
367konkrete Schadensberechnung. Der Kläger hat lediglich in der Klageschrift
368ungefähre Angaben zu Zinsen und Mieteinnahmen gemacht und eine
369Differenz in den Raum gestellt. Der Kläger hat jedoch nicht angegeben, für
370welchen Zeitraum er einen Schadensersatz geltend macht. Es fehlt auch
371jede konkrete Aufstellung über die Höhe der vereinnahmten Mieten, der
372angefallenen Zinsen und etwaiger Steuerersparnisse. Das Gericht hatte
373bereits im Beweisbeschluss darauf hingewiesen, dass für Ansprüche, die
374über die Rückabwicklung hinausgehen, ein ausreichender Vortrag fehlt.
375Ein weiterer hinreichender Vortraq des Kläqers erfolgte nicht.
376Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPC
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Referenzen
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