Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 55/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleis-
tung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist Herausgeberin der X. Sie gründete
31980 mit der N und dem Verlagskaufmann M der Gesellschafter der im bergischen
4Land tätigen B ist, die Beklagte. Geschäftszweck der Beklagten ist die Herausgabe von Anzeigenblättern und die Herausgabe und Verteilunq von Werbemitteln. Der
5Zusammenschluss wurde dem BkartA gemeldet. Das Prüfungsverfahren
6wurde ohne Untersagung abgeschlossen.
7Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten, zu dessen genauen Wortlaut auf
8Blatt 60 bis 69 der Akten Bezug genommen wird, enthält in seinen §§ 7,9,
910, 11 und 14 Regelungen zur Entziehung von Geschäftsanteilen, Befugnissen
10der Geschäftsführer, Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung,
11Einberufung und Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung
12und eine Wettbewerbsklausel. Die Regelungen haben folgenden Wortlaut:
13,,§ 7
14Einziehung von Geschäftsanteilen
15Neben der im Gesetz oder sonst in dieser Satzung bestimmten Fällen
16kann die Einziehung eines Geschäftsanteils jederzeit mit Zustimmung
17des betroffenen Gesellschafters beschlossen werden. Ohne Zustimmung
18des betroffenen Gesellschafters können Geschäftsanteile eingezogen
19werden:
20a) wenn über das Vermögen eines Gesellschafters das Vergleichs- oder
21Konkursverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung mangels
22Masse abgelehnt wird,
23b) wenn der Geschäftsanteil eines Gesellschafters ohne Zustimmung
24der Gesellschaft verpfändet oder durch einen Gläubiger
25des Gesellschafters gepfändet wird,
26c) wenn in der Person eines Gesellschafters ein wichtiger Grund
27eingetreten ist, der für die übrigen Gesellschafter die Fortsetzung
28des Gesellschäftsverhältnisses unzumutbar macht, d. h. ein wichtiger
29Grund zum Ausschluss aus der Gesellschaft im Sinne §§
30138,140 HGB vorliegt,
31d) wenn der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist und dieses
32zu über 50 % in andere Besitzverhältnisse übergeht.
33Wird der Geschäftsanteil eingezogen, so ist der Wert des Anteils zu
34vergüten. Maßgebend für die Bewertung ist der steuerliche gemeine
35Wert der Anteile, der auf den Ietzten Feststellungszeitpunkt vor dem
36Ausscheiden festgestellt worden ist. Der hiernach ermittelte Betrag
37kann in 10 gleichen Jahresraten, erstmals am ersten Januar des Jahres
38ausgezahlt werden, das auf den Einziehungsbeschluss folgt.
39Frühere Auszahlung ist möglich.
40§9
41Die Befugnisse der Geschäftsführer
42Die Geschäftsführer bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung
43zur Vornahme folgender Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen:
441) zum Erwerb, zur Veräußerung und zur Belastung von Grundstücken
45und grundstücksgleichen Rechten, sowie zum wesentlichen
46Aus- und Umbau von Gebäuden;
472) zum Abschluss von Rechtsgeschäften, die im Wert und in der
48Dauer über die von der Gesellschafterversammlung aufgestellten
49Grenzen hinausgehen;
503) zur Bestellung und Entlassung von Prokuristen und Handlungs-
51bevollmächtigten;
524) bei Einstellungen, Höhergruppierungen und Kündigungen von
53Dienstkräften, deren Bezüge über die von der Gesellschafterversammlung
54aufgestellten Grenzen hinausgehen; das gilt nicht für
55fristlose Kündigungen;
565) zur Anstellung und Kündigung von Handelsvertretern;
576) zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten und Bürgschaftsverpflichtungen
58sowie Inanspruchnahme von Krediten, die im
59Wert und in der Dauer über die von der Gesellschafterversammlung
60aufgestellten Grenzen hinausgehen;
617) zur Errichtung von Zweigniederlassungen.
628) zum Erwerb und zur Veräußerung von Beteiligungen an wirtschaftlichen
63Unternehmungen;
649) zur Hingabe von Darlehen, ausgenommen Gehalts- und Lohnvorschüsse
65von höchstens zwei Monatsgehältern;
6610) zu unentgeltlichen Zuwendungen oberhalb einer von der Gesellschafterversammlung
67festzulegenden Grenze, soweit es sich
68nicht um geschäftsübliche Spenden und Bewirtungen handelt;
6911) zum Abschluss und zur Kündigung von Druck- und Satzverträgen
70sowie von Vertriebsaufträgen;
7112) zu einer Änderung des Verbreitungsgebietes der von der Gesellschaft
72herausgegebenen Schriften;
7313) zu Vereinbarungen über Wettbewerbsbedingungen;
7414) zur Preisgestaltung
75Die Geschäftsführer haben alljährlich bis Ende Februar eine Planung
76der Kosten und Erlöse des Jahres vorzulegen, die von der Gesell-
77schafterversammlung bis Ende März zu genehmigen ist. Die
78Geschäftsführer sind an die so festgelegten Kostenanschläge gebun-
79den. Für die Zeit bis zur Genehmigung des neuen Planes sind die Geschäftsführer
80zur Verauslagung von Kosten monatlich von 1/12 des
81Vorjahres befugt.
82§ 10
83Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung
84Die Gesellschafterversammlung entscheidet über die im Gesetz und
85im Gesellschaftsvertrag genannten, sowie über die folgenden Angelegenheiten:
861) Feststellung des Jahresabschlusses
872) Verwendung des Bilanzgewinns
883) Entlastung der Geschäftsführer
894) Zustimmung zur Teilung, Veräußerung oder Einziehung von
90Geschäftsanteilen
915) Übernahme von Pensionsverpflichtungen
926) Erteilung der Zustimmung zu den zustimmungsbedürftigen
93Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen der Geschäftsführer
947) in allen Angelegenheiten, die über das normale Tagesgeschäft
95der Geschäftsführung hinausgehen
968) Bestellung eines Sachverständigen zur Prüfung des Jahresabschlusses.
97§ 11
98Einberufung und Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung
99Die Gesellschafterversammlung wird von den Geschäftsführern
100schriftlich einberufen, und zwar unter Mitteilung der Tagesordung
101mindestens 14 Tage vor dem Tage der Versammlung. Sie ist auf
102Verlange eines Gesellschafters einzuberufen auf einen Termin,
103der nicht später als vierzehn Tage nach dem Zugang des schriftlichen,
104mit Angabe des Verhandlungsgegenstandes versehenen
105Verlangens liegen darf. Bei Nichteinhaltung der Frist kann der verlangte
106Gesellschafter die Gesellschafterversammlung selbst einberufen.
107Die Gesellschafter können sich in der Gesellschafterversammlung
108durch einen anderen Gesellschafter oder durch eine mit schriftlicher
109Vollmacht ausgewiesene Person vertreten lassen .
110Sollte ein solcher Vertreter in der Branche des Unternehmens
111unmittelbar oder mittelbar tätig sein, können die übrigen Gesellschafter
112die Vertretung ablehnen.
113Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn alle Gesellschafter
114vertreten sind. Ist die Gesellschafterversammlung
115nicht beschlussfähig, so ist mit gleicher Einladungsfrist erneut
116einzuladen zu einer Versammlung, die ohne Rücksicht auf die
117Anwesenheit und die Vertretung der Gesellschafter beschlussfähig
118ist.
119Beschlüsse der Gesellschafter können auch, wenn sämtliche Gesellschafter
120ausdrücklich zustimmen, ohne Einhaltung von Fristen,
121im Wege der schriftlichen Stimmabgabe oder durch telefonische
122Rundfrage gefasst werden. Im letzten Fall ist von dem Geschäfts-
123führer eine Niederschrift anzufertigen, die den Gesellschaftern
124unverzüglich, spätestens bis zum 3. Tag nach der Rundfrage zuzuleiten
125ist. Die Gesellschafter können dann innerhalb eines Tages nach
126Erhalt der Niederschrift durch Erklärung gegenüber dem
127Geschäftsführer ihre Stimmabgabe wieder widerrufen.
128Der Vorsitz in der Gesellschafterversammlung wechselt in der
129Weise, dass jeder der Gesellschafter entsprechend dem An-
130fangsbuchstaben seines Namens oder seiner Firma an die Reihe
131kommt.
132Die Gesellschafterversammlung beschließt mit der Mehrheit der
133abgegebenen Stimmen. Je DM 1.000,00 Geschäftsanteil gewähren
134eine Stimme. Stimmenthaltungen werden als nicht abgegeben
135gewertet.
136Abweichend davon ist Einstimmigkeit erforderlich - außer in den
137sonst in diesem Gesellschaftsvertragvorgesehenen – in folgenden
138Fällen:
139a) Änderung des Gesellschaftsvertrages
140b) Auflösung der Gesellschaft
141c) Übertragung von Geschäftsanteilen oder Teilen davon
142d) Beteiligung an anderen Unternehmungen
143e) Hinzunehmen weiterer Gesellschaftszwecke
144f) Errichtung von Zweigniederlassungen
145g) Änderung des Verbreitungsgebietes und Herausgabe neuer Objekt-
146oder Teilausgaben
147h) Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern
148i) Festlegung der Grenzen von Dauer und Wert einzelner Rechtsgeschäfte
149der Geschäftsführer, für die die Zustimmung der GeseIlschafterversammlung
150erforderlich ist.
151j) Festlegung und Änderung von Richtlinien für die inhaltliche Tendenz
152von Verlagsobjekten.
153Die Gesellschafter sind von den Geschäftsführern unverzüglich von
154allen, über das normale Tagesgeschäft hinausgehenden Sachverhalten
155zu informieren. Jeder Gesellschafter hat das Recht, von den Geschäftsführern
156über alle Geschäftsvorfälle, Planungen und Entwicklungen
157Auskunft zu verlangen und in die Buchhaltung und die Schriften
158der Gesellschaft selbst oder durch einen Beauftragten Einblick zu
159nehmen.
160§14
161Wettbewerbsklausel
162Die Gesellschafter sind verpflichtet, während der Dauer ihrer Mitgliedschaft
163in der Gesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar Unter-
164nehmungen zu betreiben oder zu unterstützen oder sich an Unternehmungen
165zu beteiligen, die mit dem von der Gesellschaft unternommenen Betrieb
166in Konkurrenz treten können. Diese Verpflichtung
167besteht für einen ausscheidenden Gesellschafter bei Fortbestehen
168der Gesellschaft auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden
169fort. In Konkurrenz treten unabhängig vom jeweiligen Verbrei-
170tungsgebiet des von der Gesellschaft herausgegebenen Anzeigenblattes
171alle Blätter, die im Gebiet des Regierungsbezirkes Münster erscheinen
172sollen. Die Gesellschafter können durch einstimmigen Beschluss
173Ausnahmen von diesem Wettbewerbsverzicht gestatten."
174Das Stammkapital der Beklagten halten heute zu je 1/3 die Klägerin, der
175Verlagskaufmann M und als Rechtsnachfolger der N der Verlag M2, der zu
176100 % der S gehört.
177Die Gesellschafter der Beklagten befinden sich seit 2005 im Streit, was zu
178einer Vielzahl von Rechtsstreiten beim Landgericht Münster und bei der
179hiesigen Kartellkammer geführt hat. Frühere Mitarbeiter der Beklagten, so
180ihr Geschäftsführer S2, der Produktionsleiter und Redakteur L,
181zwei Chefredakteure und Mitarbeiter der Vertriebsabteilung sind nun für
182die Klägerin tätig.
183~
184In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 18.08.2005
185war zu beschließen über die Anträge, den Druckvertrag der Beklagten mit
186der Klägerin zu kündigen und einen neuen Druckvertrag der Beklagten mit
187der Firma M3 abzuschließen. Die Abstimmung über die Tagesordnungspunkte wurde gegen den Widerspruch der Klägerin
188zusammengelegt. Der danach allein stimmberechtigte Gesellschafter
189M stimmte für die Anträge.
190Auf Antrag der Klägerin wurde der Beklagten im Wege
191einstweiligen Rechtsschutzes die Vollziehung der Beschlüsse untersagt.
192Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wurde zurückgenommen.
193In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 16.09.2005
194beschlossen die Gesellschafter M2 und M den Abschluss
195eines Kooperationsvertrages zwischen der Beklagten· und dem Reisebüro
196U der Ehefrau des Gesellschafters M, Die Beklagte hatte danach
197dem Reisebüro kostenlosen Anzeigenraum zur Verfügung zu stellen
198und gegen Provision Reiseangebote zu veröffentlichen. Die Anfechtungsklage
199der Klägerin hiergegen wurde vom Landgericht Münster zurückgewiesen.
200Das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm ist noch nicht abgeschlossen.
201In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 01.01.2006 stimmten
202Die Gesellschafter M2 und M für die Abberufung und Entlastung des
203damaligen Geschäftsführers S2 der Beklagten.
204Die Klägerin stimmte dagegen. Die Gesellschafter M2 und M kündigten das Dienstverhältnis fristlos und untersagten jede Tätigkeit. Der
205Geschäftsführer kündigte das Dienstverhältnis seinerseits fristlos und legte sein
206Amt nieder. Das von ihm angestrebte einstweilige Rechtsschutzverfahren
20723 O 10/06 Landgericht Münster wurde später für erledigt erklärt.
208Am 02.02.2006 fand eine weitere außerordentliche Gesellschafterversammlung
209statt. Es wurde der 16.02.2006 als Termin für die nächste außerordentliche
210Gesellschafterversammlung, bei der die Vorstellung eines
211neuen Vertriebsleiters erfolgen sollte, festgelegt. Die Klägerin verlangte
212mit Schreiben vom 09.02.2005 eine Änderung der Tagesordnung für diese
213Gesellschafterversammlung. Die Beklagte lud mit Schreiben vom
21413.02.2006 zur Gesellschafterversammlung am 16.02.2006 um 15:00 Uhr
215ein. Am Vormittag des 16.02.2006 teilte die Klägerin der Beklagten per
216Fax mit, sie werde zur Gesellschafterversammlung nicht erscheinen können,
217da sie das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 02.02.2006
218nicht rechtzeitig und die Bewerbungsunterlagen des Vorstellungskandidaten
219gar nicht erhalten habe. Sie erschien in der Gesellschafterversammlung
220vom 16.02.2006 nicht. Die anwesenden Gesellschafter M und
221M2 stellten fest, dass die Gesellschafterversammlung nicht be,-
222schlussfähig war und verlangten Einberufung einer neuen Gesellschafterversammlung auf den 28.02.2006. Die Beklagte lud mit
223Schreiben vom 16.02,2006 zu einer außerordentlichen
224Gesellschafterversammlung auf
225den 28.02.2006. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 21.02.2006 mit, die
226Ladungsfrist sei nicht eingehalten. Sie verlangte Einberufung einer außer-
227ordentlichen Gesellschafterversammlung mit den Tagesordnungspunkten
228"Verdacht gesellschaftsschädigenden Verhaltens durch die Gesellschafter
229M und Verlag M2" und "Beauftragung der Geschäftsführer
230zur Einleitung der sich daraus ergebenden notwendigen Maßnahmen." Die
231Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 22.02.2006 mit, dass auf
232Wunsch des Gesellschafters Verlag M2 die Tagesordnungspunkte für
233die außerordentliche Gesellschafterversammlung am
23428.02.2006 um den Tagesordnungspunkt "Beschlussfassung über die Einziehung
235des Geschäftsanteils der B2 wegen
236Vorliegens eines wichtigen Grundes gemäß § 7 Iit c des Gesellschaftsvertrages"
237ergänzt wurde.
238An der außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 28.02.2006
239nahmen die drei Gesellschafter teil, die Klägerin aber nur informatorisch.
240Bei Aufruf des Tagesordnungspunktes "Einziehung des Geschäftsanteils
241der Klägerin" verließ sie die Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafter
242M2 und M stimmten für die Einziehung des Geschäftsanteils
243der Klägerin. Zum genauen Wortlaut wird auf das Protokoll der GeseIlschafterversammlung Blatt 51 bis 55 der Akten Bezug genommen.
244Die Gesellschafter M und M2 beschlossen bei einer außerordentlichen
245Gesellschafterversammlung vom 08.03.2006 erneut die Einziehung
246des Geschäftsanteils der Klägerin. Zum Inhalt des Beschlusses
247wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung Blatt 223 bis 226
248der Akten verwiesen. Die Klägerin nahm an dieser Gesellschafterver-
249sammlung nicht teil. Ob sie eine Ladung zur Gesellschafterversammlung
250erhalten hat, ist streitig.
251Mit Schreiben vom 09.03.2006 meldete die Gesellschafterin M2
252dem Bundeskartellamt, dass im Rahmen einer außerordentlichen Ersatzgesellschafterversammlung am 28..02.2006 die Geschäftsanteile der Klägerin
253aus wichtigem Grund eingezogen wurden und die Anteile der Klägerin
254den Geschäftsanteilen der übrigen Gesellschafter angewachsen sind.
255Die Klägerin beantragte unter dem 22.03.2006 beim Landgericht Münster
256im Verfahren 23 0 44/06 Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen
257die Vollziehurig der Einziehungsbeschlüsse. Sie erhob am 24.03.2006
258beim Landgericht Münster im Verfahren 23 0 48/06 Nichtigkeits- und Anfechtungsklage. Die Verfahren wurden in der Folge auf den Hilfsantrag der
259Klägerin an die hiesige Kammer als Kartellgericht verwiesen zu den Aktenzeichen
26013 0 48/06 Kart. LG Dortmund und 13 0 55/06 Kart. LG Dortmund.
261Mitte März 2006 kündigte die H in
262N in einem Werbeschreiben an, dass ab April 2006 mittwochs und
263samstags Gratiszeitungen "H" an über 340.000 Haushalte im N-land
264verteilt werden. Die H ist eine 100% ige Tochter der Klägerin. Deren Geschäftsführer sind Geschäftsführer der H.
265Die Beklagte beantragte hiergegen Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes,
266zunächst beim Landgericht Münster, dann bei der hiesigen
267Kammer als Kartellgericht. Mit Urteil vom 04.04.2006 wurde im Verfahren
26813 0 42/06 Kart. Landgericht Dortmund der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
269Verfügung wegen fehlender Dringlichkeit zurückgewiesen. Die
270Beklagte, legte gegen das Urteil, zu dessen Inhalt auf Blatt 188 bis 198 der
271beigezogenen Akte 13 O 42/06 Kart. Landgericht Dortmund Bezug genommen
272wird, Berufung ein, die sie in der Berufungshauptverhandlung vor
273dem Oberlandesgericht Düsseldorf am 09.08.2006 zurücknahm.
274Die Klägerin nahm in der mündlichen Verhandlung am 20.04.2006 im Verfahren
27513 O 48/06 Kart. LG Dortmund den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
276Verfügung gegen die Vollziehung der Einziehungsbeschlüsse zurück.
277Die Verteilung der H-Gratiszeitungen wurde fortgesetzt. Die Gesellschafter
278M2 und M mahnten die Klägerin deswegen ab mit
279Anwaltsschreiben vom 25.04.2006. Sie boten die sofortige Zahlung einer
280Einziehungsvergütung von 946.702,00 € in einer Summe mit einer Abzinsung
281von 5 % für den Verzicht auf Ratenzahlung an.
282Die Beklagte lud mit Schreiben vom 09.05.2006 zu einer außerordentlichen
283Gesellschafterversammlung für den 18.05.2006 ein, in der vorsorglich
284erneut über die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin abgestimmt werden
285sollte. Auf Verlangen der Klägerin wurde die Tagesordnung
286um den Tagesordnungspunkt "Einziehung der Geschäftsanteile der Gesellschafter
287M2 und M" ergänzt. Die Beklagte überwies am
28817.05.2006 der Klägerin einen Betrag von 946.702,33 €. Die Klägerin verweigerte
289die Annahme des Betrages und veranlasste Rücküberweisung
290am 18.05.2006.
291An der Gesellschafterversammlung vom 18.05.2006 nahmen die Vertreter
292der Klägerin, der Mitgesellschafter M und die Mitgesellschafterin M2 mit Vertretern teil. Gegen den Widerspruch der Vertreter der
293Klägerin übernahm ein Vertreter des Gesellschafters M2 die
294Versammlungsleitung. Es wurde die Entziehung des Geschäftsanteils der
295Klägerin beschlossen und die Vertagung des Tagungsordnungspunktes
296"Einziehung der Geschäftsanteile der Mitgesellschafter M2 und
297M. Zum Wortlaut des Protokolls wird auf Blatt 280 bis 284 der Akte
29813 O 89/06 Kart. LG Dortmund Bezug genommen.
299Die Beklagte reichte unter dem 02.06.2006 Unterlassungs- und Schadenfeststellungsklage ein beim Landgericht Dortmund als Kartellgericht.
300Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 11.10.2006 an die hiesige Kammer
301für Handelssachen zur Entscheidung im Verfahren 13 0 137/06 Kart.
302Landgericht Dortmund verwiesen. Die Klägerin erhob unter dem
30319.06.2006 beim Landgericht Dortmund als Kartellgericht Nichtigkeits- und
304Anfechtungsklage bezüglich des Beschlusses vom 18.05.2006. Das Verfahren
305wurde am 27.06.2006 an die hiesige Kammer für Handelssachen
306abgegeben zum Verfahren 13 0 89/06 Kart. LG Dortmund. Die Klage
307wurde mit Urteil vom 02.11.2006 abgewiesen.
308Die Klägerin hält die Beschlussfassungen wegen schwerwiegender
309Rechts- und Vertragsverstöße für nichtig, zumindest anfechtbar. Die GeseIlschafterversammlung vom 28.02.2006 sei, da als Nachfolgegesellschaft
310zur beschlussunfähigen Gesellschafterversammlung vom
31116.02.2006 nur mit gleicher Ladungsfrist von 2 Wochen einzuberufen, beschlussunfähig gewesen. Der TOP 10 der Tagesordnung sei, da nicht Ge-
312genstand der Gesellschafterversammlung vom 16.02.2006, auch nicht
313ordnungsgemäß angekündigt worden. Gegenstand von Nachfolgeversammlungen
314seien regelmäßig die Tagesordnungen, die für die beschlussunfähige
315Versammlung angekündigt worden seien. Ihr sei durch
316die anzureichende Ankündigung auch die Möglichkeit genommen worden,
317zum Grund für die Einziehung Stellung zu nehmen.
318Der Einziehungsbeschluss vom 08.03.2006 sei ebenfalls grob fehlerhaft.
319Die Gesellschafterversammlung sei keine Folgeversammlung und als solche
320auch nicht angekündigt worden. Sie sei zu dieser Gesellschafterversammlung
321überhaupt nicht geladen worden und darüber hinaus durch den
322Bevollmächtigten der Mitgesellschafter von jeder gesellschaftsrechtlichen
323Mitwirkung ausgeschlossen worden.
324Die Einziehungen seien auch materiell rechtwidrig, da ein Grund für eine
325Ausschließung nach § 7 c der Satzung nicht vorgelegen habe. Sie habe
326keine, erst recht keine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen. Sie
327habe zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung die Herausgabe der
328Anzeigenblätter nur vorbereitet. Grund hierfür sei das Verhalten ihrer Mitgesellschafter
329gewesen. Diese hätten ab Mitte 2005 alles unternommen,
330um sie aus der Beklagten herauszudrängen und die verlegerischen Kapazitäten
331der Beklagten dem Mitgesellschafter M2 zuzuschanzen.
332Der Mitgesellschafter M habe offensichtlich seinen Anteil auf M2
333übertragen und damit die Grundlagen der Beklagten als einer auf
334Gleichberechtigung ausgerichteten Verlagsgesellschaft zerstört. Dass
335M nur noch formal die Position als Mitgesellschafter inne habe, zeige
336sich in den rechtswidrigen Gesellschafterbeschlüssen vom 18.05.2005
337und 16.09.2005. Durch die Zusammenfassung von Beschlussgegenständen sei
338ihr Stimmrecht planvoll und systematisch ausgeschaltet und sie an
339der Abgabe eines Konkurrenzgebotes gehindert worden. Durch den Kooperationsvertrag
340sei dem Mitgesellschafter M ein Sondervorteil von
34150.000,00 € zugeflossen, während die Beklagte hierdurch keine nachvollziehbaren wirtschaftlichen Vorteile gehabt habe.
342Die Vorbereitungsarbeiten für die Herausgabe und den Vertrieb eines Anzeigenblattes
343sei noch keine Pflichtverletzung, insbesondere kein Verstoß gegen § 14 der Satzung.
344Vorbereitungshandlungen seien von Wettbewerbsverboten überhaupt nicht umfasst. Ihr Produkt sei, da wegen der , äußeren und inhaltlichen Gestaltung kein klassisches Anzeigenblatt, überhaupt kein Wettbewerbsprodukt. Die Regelung in § 14 der Satzung sei zudem unwirksam wegen Verstoßes gegen § 138 BGB und § 1 GWB. Ein
345Wettbewerbsverbot lasse sich auch nicht aus gesellschaftsrechtlicher
346Treuepflicht herleiten. Sie habe angesichts der Beteiligung von nur 1/3
347und fehlender Mitwirkung in der Geschäftsführung keinen maßgeblichen
348Einfluss auf die Gesellschaft.
349Die Klägerin beantragt,
350festzustellen, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen
351der Beklagten vom 28.02.2006 (TOP 10) und vom
35208.03.2006 (TOP 5) betreffend die Einziehung des Geschäftsanteils
353der Klägerin wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes gemäß
354§§ 7 lit. C des Gesellschaftsvertrages nichtig sind, hilfsweise,
355die vorgenannten Beschlüsse für nichtig zu erklären.
356Die Beklagte beantragt,
357die Klage abzuweisen.
358Die Beklagte hält die Einziehungsbeschlüsse für formell und materiell
359wirksam.
360Für beide Gesellschafterversammlungen gelte die abgekürzte Gesellschafterladungsfrist von mindestens einer Woche bis höchstens zwei Wochen.
361Die Möglichkeit des § 51 Abs 4 GmbHG, Tagesordnungspunkte
362innerhalb einer Frist von drei Tagen nachzuschieben, gelte auch für Nach-
363folgeversammlungen und sei durch die Satzung nicht abbedungen. Die
364Gesellschafterversammlung vom 28.02.2006 sei als Folgeversammlung
365beschlussfähig gewesen, weil die Gesellschafterversammlung vom
36616.02.2006 durch einvernehmliche Terminsvereinbarung der Gesellschafter
367wirksam eingerufen worden sei. Die Ladung zur Gesellschafterver-
368sammlung vom 08.03.2006 und das Tagesordnungserweiterungsschreiben
369habe die Klägerin erhalten. Die Gesellschafterversammlung sei zumindest
370hinsichtlich des TOP "Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin"
371als Folgeversammlung beschlussfähig gewesen. Der Einziehungsbeschluss
372vom 28.02.2006 beruhe zudem nicht auf einem Einberufungsmangel.
373Die Klägerin habe die Gelegenheit zur Diskussion der für die
374Ausschließung wichtigen TOP3 und 6 nicht wahrgenommen. Die Gesellschafter
375hätten auch in einer späteren Versammlung nicht anders abgestimmt,
376da die Klägerin auch in der Folgezeit ihr grob gesellschaftsschädi-
377gendes Verhalten nicht abgestellt und keinen Konsens mit den übrigen
378Gesellschaftern gesucht habe. Zumindest liege ein eklatanter Fall missbräuchlichen
379Verhaltens vor. Das Gesamtverhalten der Klägerin - heimliches
380Abwerben von Personal, Verunglimpfung der eigenen Gesellschaft,
381massives Eindringen in die Geschäftschancen der Beklagten, vorsätzliche
382Schädigung der Beklagten, Täuschung der Mitgesellschafter und Torpe-
383dieren von Gesellschafterversammlungen - mache eine Fortsetzung des
384Gesellschaftsverhältnisses für sie, ihre Mitarbeiter und die Mitgesellschafter
385unzumutbar. Schon in der ersten Jahreshälfte 2005 habe die Klägerin
386damit begonnen, Mitarbeiter aus Schlüsselfunktionen abzuwerben, zum
387Teil mit wahrheitswidrigem Hinweis auf eine baldige Liquidation oder
388Schließung. Sie habe gemeinsam mit dem ehemaligen Geschäftsführer
389S2 durch Verkürzung und qualitative Verschlechterung und fehlende
390Stärkung der Vertriebsmannschaft ihre Entwicklung behindert, Unruhe in
391die Gesellschafter reingetragen, Kunden auf das kommende Konkurrenz-
392produkt angesprochen, das Konkurrenzprodukt herausgebracht und durch
393massives Preisdumping Verdrängungswettbewerb betrieben. Die Handlungen
394führten für sie zwangsläufig zu einer vermögensmäßigen Schädigung.
395Es sei angesichts der identischen Erscheinungsgebiete der Produkte
396in N und im Altkreis P, der begrenzten Zahl potentieller
397Anzeigenkunden und der Verteilung der Produkte an dieselben
398Haushalte ausgeschlossen, ihre Umsatz- und Gewinnergebnisse zu hal-
399ten, wenn die H-Gratis-Zeitung weiter erscheinen und sich im Markt
400etablieren werde. Angesichts der ruinösen Preispolitik der Klägerin sei mittelfristig
401auch eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht auszuschließen.
402Die Beklagte hält das Wettbewerbsverbot in § 14 der Satzung für wirksam.
403Die Regelung im Gesellschaftsvertrag gebe angesichts der personalistischen
404Struktur bei gleichberechtigten Gesellschaftern der Klägerin die
405Möglichkeit der massiven Einflussnahme auf ihre Geschäftspolitik. Die
406Klägerin hätte nicht nur die Möglichkeit, sich über alle Geschäftsinterna,
407auch die Abwehrstrategien gegenüber den Hallo-Anzeigenblättern zu informieren.
408Sie könnte auch zumindest alle wesentlichen strategischen
409Schritte durch das Einstimmigkeitsprinzip verhindern. Die Klägerin habe
410sich außerdem in den Gesellschaftsversammlungen zutiefst treuwidrig und
411destruktiv verhalten durch wahrheitswidriges Beantworten von Fragen
412oder durch Antwortverweigerung.
413Die Mitgesellschafter M2 und M hätten stets nur im Interesse
414der Beklagten und aller Gesellschafter gehandelt. Die Zusammenfassung
415von Beschlussgegenständen am 18.05.2005 habe die Klägerin nicht be-
416nachteiligt, da der neutrale, da nicht eigene Druckinteressen vertretende
417Gesellschafter M sich für deutlich bessere Druckpreise für die Gesell-
418schaft entschieden habe. Die Klägerin dagegen habe durch Abrechnung
419der Druckpreise zu überhöhten Konditionen ihre GesellschaftersteIlung
420jahrelang missbraucht. Der Kooperationsvertrag mit der U habe
421für beide Vertragspartner nur Vorteile gebracht. Der ehemalige Geschäftsführer
422S2 habe alle Gesellschafter, auch die Klägerin, betrogen. Er
423habe durch Täuschung einen Dienstwagen erschlichen, entgegen der
424Verpflichtung aus dem Anstellungsvertrag erst Anfang 2006 seinen
425Hauptwohnsitz in N genommen, zu Lasten der Gesellschafter
426Tausch- und Kompensationsgeschäfte vorgenommen und Druckverträge
427zu überhöhten Preisen mit dem Haus B2 geschlossen.
428Es sei den Mitgesellschaftern nicht zuzumuten gewesen, vor der Einziehung
429eine Abmahnung auszusprechen, Diese wäre, wie die spätere Abmahnung und die Verweigerung der Auskunftserteilung trotz ausdrücklicher
430Nachfrage zeigten, nutzlos gewesen. Hinsichtlich der Abwerbung von
431Mitarbeitern sei die Klägerin zudem in der Gesellschafterversammlung
432vom 02.02.2006 abgemahnt worden.
433Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
434Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
435sowie auf den Inhalt der informatorisch beigezogenen Akten
43613 042/06 Kart., 13 0 48/06 Kart. und 13 0 137/06 Kart., jeweils Landgericht
437Dortmund, Bezug genommen.
438Mit Beschluss vom 02.11.2006 wurde die Klage, soweit sie den Beschluss
439der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 08.03.2006 (TOP 5)
440betrifft, abgetrennt zur gesonderten Entscheidung im Verfahren
44113 0 154/06 Kart. Landgericht Dortmund.
442Entscheidungsgründe
443Die Klage ist nach dem verbliebenen Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber
444unbegründet.
445Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom
44628.02.2006 zu TOP 10 ist weder nichtig noch anfechtbar. Ein Verstoß ge-
447gen wesentliche Regeln über die Einberufung der Gesellschafterversamm-
448lung oder ein Verstoß gegen die guten Sitten durch den Inhalt des angegriffenen
449Beschlusses liegt nicht vor. Der Beschluss verstößt auch weder
450gegen Gesetz noch gegen die Satzung der Beklagten.
451Der Beschluss ist formal wirksam zustande gekommen. Die Gesellschaf-
452terversammlung vom 28.02.2006 war bezüglich des Einziehungsbe-
453schlusses in TOP 10 beschlussfähig. Es handelte sich bei der Gesellschafterversammlung um eine Ersatzversammlung gemäß § 11
454Abs. 3 S. 2 der Satzung für die beschlussunfähige Gesellschafterversammlung
455vom 16.02.2006. Die Gesellschafterversammlung vom 28.02.2006 ist auch ordnungsgemäß einberufen worden. Die Ladungsfrist ist gewahrt. Die Frist
456betrug nach Maßgabe von § 11 der Satzung und § 51 Abs. 1 GmbHG eine
457Woche bis 14 Tage. Es gilt gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 der Satzung die Ladungsfrist
458für die nicht beschlussfähige Gesellschafterversammlung vom
45916.02.2006. Diese war ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung
460vom 02.02.2006 eine auf Gesellschafterinitiative durch Terminsvereinbarung
461mit Verzicht auf gesonderte Ladung einberufene GeseIlschafterversammlung.
462Die Tagesordnung zu TOP 10 ist rechtzeitig bekannt gemacht worden. Es
463gilt für jede Gesellschafterversammlung, auch für Ersatzversammlungen,
464die gesetzliche Nachschubfrist des § 51 Abs. 4 GmbHG von drei Tagen.
465Für Ersatzversammlungen ist entgegen der Auffassung der Klägerin keine
466längere Vorbereitungszeit erforderlich. Die Regelung des § 51 Abs.4
467GmbHG ist auch durch die Satzung der Beklagten nicht abbedungen.
468Der Einziehungsbeschluss ist auch materiell rechtlich nicht zu beanstanden.
469Er verstößt weder gegen gute Sitten noch gegen Gesetz und Satzung.
470Die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin ist rechtmäßig
471nach § 7 c der Satzung i. V. m. §§ 34 Abs.1, Abs. 2 GmbHG. Ein wichtiger
472Grund, der die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit der
473Klägerin für die übrigen Gesellschafter unzumutbar machte, liegt vor.
474Die Klägerin hat durch die Vorbereitung der Herausgabe und des Vertriebs
475der H-Gratis-Zeitung durch eine Tochtergesellschaft eine Pflichtverletzung
476begangen, die so schwer wiegt, dass bei umfassender Prüfung
477aller Umstände des Einzelfalls und Gesamtabwägung der beteiligten Inte-
478ressen eine andere Lösung als das Ausscheiden der Klägerin als Gesellschafter
479den Mitgesellschaftern unter keinen Umständen zugemutet werden kann.
480Die Herausgabe und Verteilung der H-Zeitung ist ein Verstoß gegen
481das Wettbewerbsverbot in § 14 Satz 1 der Satzung der Beklagten.
482Die H-Gratis-Zeitung ist ein Konkurrenzprodukt zu den von der Beklagten
483vertriebenen Anzeigenblättern. Sie wird von der Klägerin selbst als
484Anzeigenblatt bezeichnet und ist auch als solches zu qualifizieren. Das
485vom BVDA in seiner Stellungnahme vom 28.03.2006 angegebene Kriterium
486der regelmäßigen, mindestens 12-mal jährlich erfolgenden flächendeckenden
487Verteilung an Haushalte eines fest umrissenen Gebietes ist erfüllt.
488Die von der Klägerin aufgezeigten Unterschiede bei der inhaltlichen
489und formellen Gestaltung sind für die Einordnung als Anzeigenblatt ohne
490Relevanz.
491Das Wettbewerbsverbot ist auch wirksam. Es verstößt weder gegen Kartellrecht
492noch gegen § 138 BGB.
493Nichtigkeit gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen nationales oder
494europäisches Kartellrecht ist weder für den Gesellschaftsvertrag als solchen
495noch für die Einzelregelung in § 14 des Gesellschaftsvertrages zu
496bejahen. Der Zusammenschluss der Gesellschafter stellt auch angesichts
497der Zustimmungs- und Einstimmigkeitsvorbehalte kein unzulässiges Preis-
498und Gebietskartell auf dem Markt der Anzeigenblätter dar. Er wurde nach
499Prüfung durch das Bundeskartellamt auch nicht beanstandet. Allein kartellrechtsrelevant, da potentiell wettbewerbsbehindernd, ist die Regelung
500in § 14 Satz 1 der Satzung. Diese ist aber zur Durchführung des kartell-
501rechtsneutralen Gesellschaftsverhältnisses unverzichtbar, da sie notwendig ist,
502das Gemeinschaftsunternehmen in seinem Bestand und seiner
503Funktionsfähigkeit zu erhalten. Es ist weder nach der Bekanntmachung
504der Europäischen Kommission über Nebenabreden Amtsblatt 2005 C
50556/24 noch nach § 1 GWB zu beanstanden, wenn durch Wettbewerbsverbote
506verhindert werden soll, dass ein Gesellschafter das Gemeinschaftsunternehmen
507von innen her aushöhlt und damit leistungsfähigen Wettbewerb zu Gunsten seiner eigenen Konkurrenztätigkeit einschränkt oder ausschließt (BGH, Urteil vom 03.05.1988, NJW1988, Seite 2737).
508Die Gefahr einer solchen inneren Aushöhlung der Gesellschaft besteht nicht
509nur bei Gesellschaftern, die die Geschäftsführung der Gesellschaft innehaben
510oder bei Mehrheitsgesellschaftern. Sie ist auch gegeben bei Gesellschaftern,
511die maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung haben,
512da in diesem Fall zu befürchten ist, dass der Geschäftsführer seine Pflicht
513vernachlässigt, in allen Angelegenheiten, die das Interesse der GmbH berühren,
514allein deren Wohl und nicht den eigenen Nutzen im Auge zu haben.
515Von einer solchen maßgeblichen Einflussmöglichkeit der Klägerin ist
516auszugehen.
517Die Gesellschaftsstruktur der Beklagten ist, auch wenn zwei der Gesell-
518schafter keine natürlichen Personen sind, personalistisch geprägt und auf
519vertrauensvolle und persönliche Zusammenarbeit der Gesellschafter angelegt.
520Die Gesellschafter haben angesichts der weitreichenden Zustimmungsregelung
521in § 9 der des Gesellschaftsvertrages die Möglichkeit, das
522Unternehmen gemeinschaftlich über Gesellschafteranweisungen zu steuern.
523Sie haben hiervon über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten ständig Gebrauch gemacht. Für die einzelnen Gesellschafter ergibt
524sich hieraus aufgrund der weitreichenden, die wesentlichen geschäftspoli-
525tischen Entscheidungen betreffenden Veto- und Informationsrechte des §
52611 der Satzung die Möglichkeit der nachhaltigen Einflussnahme auf die
527Geschäftsführung und zwar bezüglich aller Entscheidungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft betreffen, Die Gesellschafter erhalten
528gesellschaftsinterne Informationen, die sie zu Lasten der Gesellschaft
529ausnutzen können und im Falle einer Konkurrenzfähigkeit im Zweifel ausnutzen
530werden. Die sich hieraus ergebenden Gefahren für die Funktionsfähigkeit
531der Gesellschaft sind erheblich. Ihnen kann mit den Mitteln der
532Informationsvorenthaltung nach § 51 a II GmbHG nicht begegnet werden.
533Dies gilt im Fall der Klägerin um so mehr, als diese durch die Übernahme
534von Mitarbeitern in Schlüsselfunktionen bereits über erhebliche Informationen
535bezüglich Geschäftsinterna der Beklagten verfügt.
536Das Wettbewerbsverbot hält sich auch im Rahmen dessen, was zur Siche-
537rung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft erforderlich ist.
538Eine Überschreitung der Grenzen des Erforderlichen in zeitlicher Hinsicht
539kommt bei dem Wettbewerbsverbot des § 14 Satz 1 der Satzung nicht in
540Betracht. Es ist nach dem Vorgesagten nicht zu beanstanden, dem Gesellschafter
541für die Dauer seiner Gesellschaftszugehörigkeit ein Wettbewerbsverbot
542aufzuerlegen. Ob die zeitlichen Grenzen auch im Hinblick auf
543ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot beachtet wurden, kann dahinstehen.
544Eine etwaige Unwirksamkeit der Regelung in § 14 Satz 2 der Satzung
545führt gemäß § 139 BGB und nach Maßgabe der salvatorischen
546Klausel in §15 der Satzung nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Regelung
547des § 14 der Satzung.
548Das Wettbewerbsverbot ist nach dem Wortlaut von § 14 Satz 1 der Sat-
549zung räumlich beschränkt auf das tatsächliche Verbreitungsgebiet der An-
550zeigenblätter der Beklagten. Ob die Ausweitung in § 14 Satz 3 der Satzung
551auf den gesamten Regierungsbezirk Münster unwirksam ist, weil zu
552weit gefasst, kann dahinstehen, da auch insoweit die Regelungen des
553§ 139 BGB und die salvatorische Klausel gem. § 15 der Satzung greifen.
554Das Wettbewerbsverbot ist auch gegenständlich nicht zu weit gefasst.
555Wenn in § 14 von "Blätter" die Rede ist, sind in verständiger, auch die Re-
556gelung in § 2 des Gesellschaftsvertrages berücksichtigender Auslegung
557nur Anzeigenblätter gemeint. Dass das Verbot weit gefasst ist und auch
558bloße Kapitalbeteiligung und untergeordnete und unselbständige Tätigkeiten
559der Gesellschafter umfasst, ist nicht zu beanstanden.
560Ein Verstoß der Regelung gegen § 138 BGB ist nach den vorherigen Ausführungen
561zu verneinen. Der Schutz der Gesellschaft vor Aushöhlung
562durch einen Gesellschafter erfordert ein gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot.
563Die dem Gesellschafter auferlegten Beschränkungen halten
564sich im Rahmen des zur Erreichung des Schutzzwecks Erforderlichen.
565Die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin stellt eine gravierende Pflichtverletzung
566dar, da sie die Beklagte wirtschaftlich schädigt. Ob die Beklagte, wie
567von ihr befürchtet, in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet wird, kann
568dahinstehen. Ausreichend ist, dass sich, wenn das Konkurrenzprodukt
569sich am Markt etabliert, die Umsatz- und Gewinnchancen der Beklagten
570verringern und damit einhergehend sich Umsatz- und Gewinnrückgänge
571ergeben, da die Zahl der Anzeigenkunden im Vertriebsgebiet der Beklagten
572begrenzt ist. Die Tätigkeit der Beklagten und ihrer Mitarbeiter wird, wie
573von der Beklagten nachvollziehbar dargetan, erheblich erschwert.
574Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot des § 14 Satz 1 der Satzung
575beginnt auch bereits mit der konkreten Vorbereitung der Herausgabe und
576Verteilung. Der Tatbestand des Wettbewerbs ist verwirklicht mit dem Be-
577trieb eines Konkurrenzunternehmens. Dies umfasst sämtliche vorbereitenden
578Maßnahmen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 28.02.2006
579war die H bereits gegründet und im Hinblick auf
580die Organisation des für Mitte März beabsichtigten Betriebs auch tätig.
581Dies wurde den Mitgesellschaftern über längere Zeit und schließlich trotz
582ausdrücklicher Nachfrage verheimlicht, was für sich einen Verstoß gegen
583die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht darstellt und den Verbleib der Klä-
584gerin in der Beklagten für die übrigen Gesellschafter unzumutbar macht.
585Die Klägerin kann sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens nicht auf geseIlschaftswidriges Verhalten der Mitgesellschafter berufen. Auch bei der
586für die Frage der Zumutbarkeit vorzunehmenden Gesamtabwägung der
587beteiligten Interessen kommt einem etwaigen Fehlverhalten der Mitgesell-
588schafter keine Bedeutung zu. Die Klägerin hatte, wie die vielen Rechtsstreitigkeiten der Parteien zeigen, ausreichend Möglichkeit, ihre rechtlichen
589und wirtschaftlichen Belange durch Inanspruchnahme bestehender
590Rechtsschutzmöglichkeiten zu wahren. Die Streitigkeiten der Gesellschafter
591betrafen zudem auch nur das Verhältnis der Gesellschafter unterein-
592ander und ihre Beziehung zur Beklagten. Deren Bestand und die Funkti-
593onsfähigkeit wurde durch die Mitgesellschafter nicht in Frage gestellt. Bei
594der Pflichtwidrigkeit der Klägerin ist dies grundlegend anders.
595Die Einziehung des Gesellschaftsanteils der Klägerin war angesichts der
596Schwere der Pflichtwidrigkeit der Klägerin und mangels milderer Mittel
597notwendige ultima ratio. Eine Abmahnung der Klägerin durch die Mitgesellschafter
598wäre, wie das spätere Verhalten der Klägerin zeigt, ohne Erfolg geblieben. Der Beklagten war auch nicht zuzumuten, die Klägerin gerichtlich
599auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Sie konnte, wie das
600einstweilige Verfügungsverfahren zeigt, einstweiligen Rechtsschutz nicht
601erlangen. Es war ihr auch nicht zuzumuten, eine rechtskräftige Entschei-
602dung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten, da angesichts
603der kontroversen Auffassung der Beteiligten die Ausschöpfung des vollen
604Instanzenzuges und damit ein lang dauernder Rechtsstreit zu erwarten
605war.
606Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläu-
607figen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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