Urteil vom Landgericht Dortmund - 22 O 105/05
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu je ½ auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beklagte zu 1.) war im Grundbuch des Amtsgerichts Dortmund, Blatt ###### als Eigentümerin einer Grundbesitzung der Gemarkung 1 mit einer Größe von 3.569 m² eingetragen. Auf dem Grundstück wurden Mitte der 90iger Jahre 11 Reiheneigenheime errichtet. Ein zunächst bestelltes Gesamterbbaurecht wurde in Einzelerbbaurechte aufgeteilt. Für die jeweiligen Erbbauberechtigten wurde im Grundbuch ein Vorkaufsrecht vermerkt. Die Kläger erwarben eines der Reiheneigenheime. Sie sind Erbbauberechtigte hinsichtlich folgender Flächen:
31. 1/1-Anteil des Flurstücks 793, 794, 795, 796, 797, 862
42. ¼-Anteil des Flurstückes 849
53. 1/11-Anteil des Flurstücks 767
6Gesamtfläche: 322,07 m².
7(Weitere Klagen der anderen Erwerber gegen die Beklagten aus gleichgelagerten Sachverhalten sind bei der 15., 21. und 22. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund anhängig.)
8Die Beklagte zu 1.) übertrug der Beklagten zu 2.) mit notariellem Vertrag vom 27.07.2004 (Urkundenrolle-Nr. #####) des Notars und Zeugen X (im Folgenden: 1. Vertrag) das Gesamtgrundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 85.000,00 €. Dies entspricht einem m²-Preis von 29,68 € (ohne anteilige Straßenflächen; mit diesen: 24,20 €). Die Beklagte zu 2.) lebte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses seit vielen Jahren mit dem Sohn der Beklagten zu 1.), dem Zeugen G, zusammen. Die Eheschließung stand in Aussicht. Die Ehe wurde später geschlossen.
9Die Erbzinszahlungen aller Erbbauberechtigten summieren sich auf ca. 12.000,00 € p. a..
10Die Beklagte zu 2.) wurde aufgrund der mit dem notariellen Vertrag erklärten Auflassung am 08.10.2004 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
11Die Kläger erhielten eine Mitteilung des Grundbuchamtes von der Eigentumsumschreibung. Mit Schreiben vom 12.01.2005 ließen die Kläger der Beklagten zu 1.) mitteilen, dass sie Auskunft über den Kaufvertrag begehrten und ihrerseits das Vorkaufsrecht ausüben wollten. Die Beklagte zu 2.) schrieben die Kläger ebenfalls an.
12Die Beklagten unterzeichneten vor dem Notar und Zeugen X am 27.01.2005 sodann einen weiteren Vertrag (Urkundenrolle Nr. ####; im Folgenden: 2. Vertrag). Dieser hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
13"Die Erschienene zu 2.) ist seit über 10 Jahren als Lebensgefährtin des Sohnes G mit der Familie der Erschienenen zu 1.) persönlich verbunden.
14So wurde bereits der Erschienenen zu 2.) als "Schwiegertochter" der Erschienenen zu 1.) die Übertragung des vorstehend aufgeführten Grundbesitzes mündlich fest zugesagt. Es wurde seinerzeit für die in Zukunft dann vorzunehmende Übertragung ein Kaufpreis von 450.000,00 DM (i. W.: vierhundertfünfzigtausend Deutsche Mark) vereinbart. Als zukünftiges "Familienmitglied" wurde der Erschienenen zu 2.) durch die Erschienene zu 1.) die Möglichkeit eingeräumt, den vereinbarten Kaufpreis langfristig in Raten abzahlen zu können. So hat dann die Erschienene zu 2.) Anfang Dezember 1995 an die Erschienene zu 1.) eine erste Teilzahlung in Höhe von 90.000,00 DM geleistet. Ab Januar 1996 hat die Erschienene zu 2.) dann in den Folgejahren und den Monaten bis einschließlich Juni 2004 monatlich einen Betrag in Höhe von 1.500,00 DM später 750,00 € an die Erschienene zu 1.) gezahlt. Diese Teilzahlungen der Erschienenen zu 2.) an die Erschienene zu 1.) machen einen weiteren anzurechnenden Teilbetrag von insgesamt 153.000,00 DM aus. Im Jahre 1999 hat die Erschienene zu 2.) darüber hinaus noch zusätzlich an die Erschienene zu 1.) in Anrechnung auf den Gesamtkaufpreis einen Teilbetrag von 34.000,00 DM gezahlt. Danach war nach der letzten Teilzahlung im Juni 2004 auf den mündlich vereinbarten Gesamtkaufpreis von 450.000,00 DM noch ein Restbetrag von 183.000,00 DM bzw. nunmehr umgerechnet 88.453,50 € als Restkaufpreis offen. Im Rahmen des dann eingangs erwähnten beurkundeten notariellen Übertragungsvertrages vom 27.07.2004, UR-Nr. #### hat die Erschienene zu 1.) den von der Erschienenen zu 2.) noch zu zahlenden Restkaufpreis dieser gegenüber entgegenkommenderweise abgerundet auf 85.000,00 €."
15Entgegen den Ausführungen in dem notariellen Vertrag sind die dort für die Vergangenheit aufgeführten Zahlungen auf einen Kaufpreis in Höhe von 450.000,00 DM nicht erfolgt. Gleichwohl wurden den am 14.03.2005 erstmals von den Klägern mandatierten Prozessbevollmächtigten Schriftstücke anerboten, die die Zahlungen belegen sollten.
16Mit Schreiben vom 02.02.2005 erklärten die Kläger die Ausübung des Vorkaufsrechtes hinsichtlich des ersten Vertrages und vorsorglich auch wegen des zweiten Vertrages.
17Mit Schreiben vom 04.05.2005 (Anlage zum Schriftsatz der Kläger vom 12.01.2006, Blatt 78 f. d. A.) erklärte Rechtsanwalt X2, in Sozietät verbunden mit dem Rechtsanwalt und Notar, Zeuge X:
18"Bei der hier vertretenen Rechtsansicht verbleibt es. Die Ergänzungsvereinbarung ist maßgeblich.
19Namens unserer Mandaten stellen wir es ihnen nach vorheriger Terminsvereinbarung anheim, Einsichtnahme in die Zahlungsunterlagen im Büro unserer Mandantschaft zu nehmen."
20Weiter wurde in dem Schreiben erklärt, dass die "Mandatschaft" bereit sei, einen m²-Preis von 75,00 € zu akzeptieren. Zu einer außergerichtlichen Einigung kam es nicht.
21Die Kläger behaupten, bei dem ersten Vertrag sei ein "voller Verkauf" gewollt gewesen; eine gemischte Schenkung läge daher nicht vor.
22Die Kläger haben zunächst behauptet, der zweite Vertrag sei nur zum Schein abgeschlossen worden; es liege eine "offensichtlich unwirksame Vereinbarung" vor.
23Die Kläger behaupten nunmehr, der zweite Vertrag sei als Kaufvertrag nicht zum Schein abgeschlossen worden. Er habe dazu gedient, einen angemessen Preis für die Grundstücke zu beurkunden, "um auf der Basis dieses erhöhten Kaufpreises den Berechtigten den Eintritt in die Verträge im Zusammenhang mit der Ausübung des Vorkaufsrechtes zu ermöglichen".
24Die Kläger behaupten, der Grundstückswert – unter Berücksichtigung des Erbbaurechtes – belaufe sich auf 60,00 € bis 80,00 € pro m2.
25Sie begehren den Eintritt in den ersten Vertrag, hilfsweise in den zweiten Vertrag. Weiter hilfsweise machen sie Schadensersatzansprüche im Wege der Feststellungsklage geltend.
26Sie beantragen daher,
271. im Verhältnis der Beklagten zu 1.) festzustellen, dass die
28Kläger ihr Vorkaufsrecht des im Grundbuch von E Blatt B ##### eingetragenen Grundstückserbbaurecht gegenüber der Beklagten zu 2.) wirksam ausgeübt haben und die Beklagte zu 1.) verpflichtet ist, das Eigentum an dem Grundstück an die Kläger als Gesamtberechtigte zum Preise von 9.559,04 €, hilfsweise zum Preise von 25.875,10 € für die Teilfläche, gekennzeichnet im Grundbuch von E B Blatt ##### zu Eigentum zu übertragen und die notwendigen notariellen Erklärungen abzugeben.
29hilfsweise,
30die Beklagte zu 1.) zu verurteilen, folgende Erklärung abzugeben:
31"wir, d. h. die Eheleute G2, C-Kamp ,E und Frau N, C-straße , E sind sich darüber einig, dass das Eigentum an der Teilfläche des Grundbuchs E, Blatt ##### im Umfang des durch die im Erbbaugrundbuch E, Blatt B ##### verzeichneten Flächen an die Eheleute G2 übergeht und bewilligen die Eintragung dieser Eigentumsänderung im Grundbuch,
322. im Verhältnis zur Beklagten zu 2.) festzustellen, dass diese
33verpflichtet ist, alle Rechtshandlungen zur Übertragung des Eigentums an dem Grundstück, gekennzeichnet durch das Erbbaugrundbuch E B Blatt ##### an die Kläger zu dulden, sowie alle zur notariellen Übertragung des Eigentums notwendigen Erklärungen in der gebotenen Form abzugeben, damit das Eigentum lastenfrei auf die Kläger übertragen wird,
34hilfsweise,
35die Beklagte zu 2.) zu verurteilen, die durch das Erbbaugrundbuch von E B Blatt ##### gekennzeichneten Teilflächen aus dem Grundbuch E, Blatt ##### an die Beklagte zu 1.) zurückzuübertragen und in notarieller Form folgende Auflassungserklärung abzugeben:
36"wir, d. h. Frau N, C-straße in E und Frau U, C-Kamp , E sind uns darüber einig, dass die im Eigentumsgrundbuch von E, Blatt ##### verzeichnete Teilfläche im Umfang des durch das Grundbuch B Blatt ##### verzeichneten Umfangs auf die Erschienene zu 1.) übertragen wird und bewilligen die Eintragung im Grundbuch von E, Blatt ##### ",
373. für den Fall, dass die Anträge zu 1.) und 2.) keinen Erfolg
38haben beantragen die Kläger weiter hilfsweise,
39festzustellen, dass die Beklagten zu 1.) und 2.) verpflichtet sind, den Klägern als Gesamtberechtigte den Schaden zu ersetzen, der ihnen dadurch entstanden ist, dass infolge der Übertragung der Teilfläche, gekennzeichnet im Grundbuch von E B Blatt ##### aus der Eigentumsfläche, Eigentumsgrundbuch E, Blatt ##### (diese ihnen) nicht übertragen worden ist.
40Die Beklagten beantragen,
41die Klage abzuweisen.
42Sie haben sich die zunächst aufgestellte Behauptung der Kläger, wonach es sich bei dem zweiten Vertrag um einen Scheinvertrag handelte, zu eigen gemacht. Hieran halten sie fest.
43Sie behaupten, der erste Vertrag stelle im Wesentlichen eine Schenkung dar. Der niedrige Kaufpreis sei wegen der familiären Verhältnisse so vereinbart worden. Das Grundstück habe in der Familie bleiben und nicht an andere Erben gehen sollen. Das Grundstück und die Erbbauzinserträge hätten der Beklagten zu 2.) als Versorgung dienen sollen.
44Den Wert des Grundstückes (ohne Berücksichtigung des Erbbaurechtes) beziffern die Beklagten auf mindestens 120,00 € pro m².
45Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen G3 und G sowie des Notars X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2006, Blatt 114 ff. d. A., Bezug genommen.
46E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
47Die Klage ist insgesamt unbegründet.
48I.
49Die Anträge zu 1.) und 2.) haben insgesamt keinen Erfolg.
501.
51Die Feststellungsanträge (Hauptanträge zu 1) und 2)) sind jedenfalls unbegründet, weil die Kläger das Vorkaufsrecht weder in Bezug auf den 1. noch in Bezug auf den 2. Vertrag wirksam ausüben konnten.
52a)
53Bei dem 1. Vertrag handelt es sich um eine gemischte Schenkung. Eine solche löst einen Vorkaufsfall nicht aus (RGZ 101, 99 (101), 125, 123 (125); KG MDR 2000, 147 f. zu § 4 RSG). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn aus dem Inhalt des Vorkaufsrechts abgeleitet werden kann, dass auch kaufvertragsähnliche Vertragsgestaltungen erfasst sein sollen. Dafür ist jedoch vorliegend nichts ersichtlich oder dargetan.
54Von einer gemischten Schenkung ist auszugehen, wenn die Parteien das objektive Missverhältnis von Zuwendung und Gegenleistung kennen und sich darüber einig sind, dass der Mehrwert unentgeltlich zugewendet werden soll (BGH NJW 1972, 1709; 1987, 890 (892)).Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Ein objektives und erhebliches Missverhältnis zwischen dem "Kaufpreis" von 85.000,00 €, entsprechend einem m²-Preis von 29,68 €, und dem tatsächlichen Wert unter Berücksichtigung des Erbbaurechtes, welchen bereits die Kläger mit 60,00 bis 80,00 € pro m² behauptet haben, liegt vor. Die Beklagten gingen nach ihren Angaben, denen die Kammer insoweit zu folgen vermag, auch von einem den Kaufpreis deutlich übersteigenden Wert des Grundstückes aus, wobei der Mehrwert der Beklagten zu 2.) unentgeltlich zugewendet werden sollte. Der Zeuge G3 hat hierzu – insoweit plausibel – bekundet, Hintergrund für die Übertragung zu einem günstigen Preis sei u. a. die vorweggenommene Regelung der Erbfolge gewesen, für die aufgrund von Erkrankungen Anlass bestanden habe.
55Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Beklagten und der Zeuge G3 an der Errichtung einer notariellen Urkunde mitwirkten, die unrichtige Angaben zu angeblichen Zahlungen auf einen Kaufpreis in Höhe von 450.000,00 DM beinhaltete (dazu näher unten unter b)). Sie haben damit bereits ihre Bereitschaft dokumentiert, durch unwahre Angaben ihr Interesse an der Vereitelung der Durchsetzung der Vorkaufsrechte bezogen auf den Kaufpreis von 85.000,00 € zu verfolgen. Die hieraus resultierenden Bedenken gegen die Richtigkeit der Angaben der Beklagten und des Zeugen G3 zu den Hintergründen des ersten Vertrages hat die Kammer bei einer Gesamtwürdigung der Beweisaufnahme und der weiteren Umstände überwinden können. So sprach für die Angaben der Beklagten das bereits nach dem Sachvortrag der Kläger (m²-Preis 60,00 bis 80,00 €) vorliegende deutliche objektive Gefälle des "Kaufpreises" zu dem tatsächlichen Wert. Für eine Kenntnis der Parteien von dem den Kaufpreis deutlich übersteigenden Wert spricht auch der in der Laiensphäre leicht nachzuvollziehende objektive Umstand, dass der "Kaufpreis" von 85.000,00 € lediglich dem etwa 7-fachen Jahresbetrag der Gesamterbbaurechtszinszahlungen entsprach. Hinzu kommt, dass der Zeuge G3 nach seinem Bekunden eine Vorstellung über den Wert des Grundstückes bereits aufgrund eines Vertrages aus dem Jahr 1995 mit dem Bauträger, wonach ein Kaufpreis von 267,00 DM pro m² zu Grunde gelegt worden war, gebildet hatte. Es erscheint danach glaubhaft, dass ebenfalls bei den Beklagten die Vorstellung vorlag, dass das Grundstück im Jahre 2005 einen Wert von mehr als 400.000,00 € repräsentierte.
56Nach alledem erscheint die Annahme, die Übertragung sei in Unkenntnis des objektiven Missverhältnisses zwischen Wert und "Kaufpreis" erfolgt, wenig lebensnah. Kannten aber die Parteien das objektive Missverhältnis, so wandte die Beklagte zu 1.) der Beklagten zu 2.) das Grundstück teilweise unentgeltlich zu. Ob die Beklagten die Zuwendung dabei untereinander ausdrücklich als Schenkung bezeichneten, kann dahinstehen. Sie ist jedenfalls rechtlich als solche einzuordnen.
57Die Kammer hätte im Übrigen das Vorliegen einer gemischten Schenkung auch dann festgestellt, wenn sie den Angaben der Beklagten und den Bekundungen des Zeugen G3 in den vorgenannten Punkten nicht gefolgt wäre. Denn für das Vorliegen einer gemischten Schenkung streitet hier eine tatsächliche Vermutung, die die Kläger nicht haben widerlegen können. Zwar trifft die Beweislast für das Vorliegen einer gemischten Schenkung grundsätzlich denjenigen, der sich auf das Vorliegen einer gemischten Schenkung beruft (Palandt, BGB, 65. Aufl., § 516 Rn. 20); besteht aber zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives, über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Missverhältnis, so streitet eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer gemischten Schenkung (BGH NJW 1987, 890, 892, NJW 1982, 82). Ein solches Missverhältnis bestand hier, wie bereits in anderem Zusammenhang oben dargelegt. Soweit die Kläger unter Beweisantritt (Sachverständigengutachten) behaupten "dass sowohl der Wert des ersten Vertrages, als auch hilfsweise der Wert des zweiten Vertrages angemessen an die Übertragung des Erbbauzinses gewesen" sei, so ist dies für das Bestehen der Vermutung ohne Belang. Denn die Bewertung der Relation zwischen "Kaufpreis" und tatsächlichem Wert ist eine Rechtsfrage. Diese war anhand der von den Parteien behaupteten konkreten m²-Preise zu beantworten. Bereits der von den Klägern selbst genannte Betrag von 60,00 € pro m² musste hier zu der Bewertung der Relation als Missverhältnis führen.
58Die bestehende Vermutung haben die Kläger nicht widerlegen können. Der von den Klägern benannte Zeuge Notar X hat zu den Hintergründen für den Abschluss des ersten Vertrages und das Zustandekommen des Kaufpreises in Höhe von 85.000,00 € keine näheren Angaben gemacht. Über den Wert des Grundstückes will er sich bei der Beurkundung des 1. Vertrages keine Gedanken gemacht haben.
59b)
60Der zweite Vertrag ist als Scheinvertrag nichtig, § 117 Abs. 1 BGB. Ein solcher Vertrag löst den Vorkaufsfall nicht aus (Palandt, a.a.O., § 463, Rn. 6). Ein Scheinvertrag liegt vor, weil die Beklagten die Rechtsfolgen des Vertrages nicht eintreten lassen wollten. Ein Kaufpreis in Höhe von 450.000,00 DM ist nicht bezahlt worden und sollte nach dem Willen der Beklagten auch nicht aufgrund des zweiten Vertrages gezahlt werden. Nach den lebensnahen wie insoweit glaubhaften Erklärungen der Beklagten und den Bekundungen der Zeugen G und G3 wurde der zweite Vertrag zum Schein aufgesetzt, nachdem eine erfolgreiche Ausübung des Vorkaufsrechtes zu den Kautelen des ersten Vertrages befürchtet wurde. Die Kammer folgt den übereinstimmenden Angaben der Beklagten und der Zeugen G und G3. Diese stehen mit dem unstreitigen Umstand in Einklang, dass die Kläger bei dem Versuch scheiterten, belastbare Zahlungsnachweise hinsichtlich der in dem zweiten Kaufvertrag aufgeführten Zahlungen vorzulegen, da die in dem Vertrag aufgeführten Zahlungen nicht erfolgt waren.
61Dieser Würdigung stehen den Bekundungen des Zeugen Notar X nicht entgegen. Dieser hat bekundet, er habe später (nach dem 1. Vertrag) Informationen bekommen, wie sich der Kaufpreis tatsächlich habe zusammensetzen sollen, jahrelang habe ein anderer, höherer Kaufpreis im Raum gestanden. Diesen – bemerkenswert farblosen – Bekundungen kommt ein Beweiswert nicht zu. Die Kammer ist vielmehr davon überzeugt, dass die Errichtung des zweiten Vertrages von dem Zeugen Notar X initiiert wurde (möglicherweise im Zusammenwirken mit dessen Sozius Rechtsanwalt X2), in Kenntnis der nicht zutreffenden Angaben zur Höhe des "Kaufpreises". So hat der Zeuge G3 insoweit glaubhaft bekundet, der Zeuge Notar X habe den Vorschlag gemacht "den Kaufpreis höher zu setzen". Diese Angabe ist aus mehreren Gründen glaubhaft: Der Zeuge Notar X hatte ein Motiv, den Beklagten und/oder dem Zeugen G3 behilflich zu sein, die Ausübung des Vorkaufsrechtes zu den Kautelen des 1. Vertrages zu verhindern. Denn bei einer sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung der notariellen Beurkundung des 1. Vertrages hätte er die Beklagten auf die Gefahr der Ausübung des Vorkaufsrechtes zu dem den tatsächlichen Wert deutlich unterschreitenden "Kaufpreis" hinweisen müssen. Ein solcher Hinweis ist auch nach den Bekundungen des Notars X nicht erfolgt.
62Die von dem Zeugen G3 geschilderte Abfolge steht zudem in Einklang mit einem regelmäßig zu erwartenden Ablauf, bei dem ein juristischer Laie sich mit einem zu Tage getretenen Problem an einen "Fachmann" wenden wird, der sodann eine Problemlösung vorgibt oder empfiehlt. Demgegenüber erscheint die Annahme, den Beklagten oder dem Zeugen G3 sei nach der Beurkundung des ersten Vertrages eingefallen, der Kaufpreis sei vor Abschluss des ersten Vertrages mündlich höher vereinbart gewesen, worauf diese den Abschluss des zweiten Vertrages initiierten, fernliegend. Einen solchen Sachverhalt hat auch der Zeuge X nicht konkret bekundet. Seine Aussage blieb in diesem Punkt betont vage.
63Lebensnah erschienen demgegenüber die Bekundungen der Zeugen G und G3, wonach der Zeuge X nach einer Überlegungszeit kund tat, ein "Reichsgesetz" oder "Reichsabgabengesetz" gefunden zu haben, welches eine Höhersetzung des Kaufpreises ermögliche. Denn mit dieser Äußerung konnte der Zeuge Notar X seinem dolosen Tun eine legale Fassade geben, wenn diese auch brüchig war, weil die Beklagten gleichwohl erkannt haben mussten, dass unrichtigerweise Zahlungen auf den höheren Kaufpreis beurkundet wurden.
64Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass der Charakter des zweiten Vertrages als Scheingeschäft auch dann nicht zweifelhaft wäre, wenn die Beklagten – wie von den Klägern behauptet - mit dem Abschluss dieses Vertrages bezweckt haben sollten, die Kläger zu einer Ausübung des Vorkaufsrechtes in Bezug auf den höheren Kaufpreis zu veranlassen. Denn die Nichtigkeit folgt bereits daraus, dass der in dem zweiten Vertrag angegebene Kaufpreis nicht dem übereinstimmenden Willen der Beklagten entsprach. Im Übrigen haben die Kläger ihre diesbezügliche Behauptung auch nicht beweisen können. Die Beklagte zu 1.) hat angegeben, nicht an Dritte verkaufen zu wollen. Der Zeuge G3 hat erklärt, mit dem zweiten Vertrag habe verhindert werden sollen, dass es überhaupt zu einer Ausübung des Vorkaufsrechtes komme.
652.
66Aus den Gründen zu I. 1. sind auch die Anträge zu 1.) und 2.) unbegründet, soweit mit ihnen hilfsweise die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung erstrebt wird.
67II.
68Auch der weiter hilfsweise zur Entscheidung gestellte Feststellungsantrag (Antrag zu 3.)) ist jedenfalls unbegründet. Der Antrag ist zur Entscheidung gestellt, da die Anträge zu 1.) und 2.) keinen Erfolg haben.
69Denn den Klägern ist kein Schaden daraus entstanden, dass ihnen das Grundstück nicht übertragen worden ist. Auf die Übertragung des Grundstückes hatten sie, wie bereits vorstehend ausgeführt, keinen Anspruch. Soweit die Kläger einen Schadensersatzanspruch daraus herleiten wollen, dass die Beklagten,wie von ihnen eingeräumt, bei dem 2. Vertrag im Rahmen eines Scheingeschäftes kollusiv zusammenwirkten, so werden hieraus resultierende Schäden nicht von dem Wortlaut der Antragstellung erfasst. Überdies haben die Kläger nicht im Ansatz dargelegt, welche Schäden ihnen durch den Abschluss des zweiten Vertrages entstanden sein sollen.
70Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
71Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 100, 709 ZPO.
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