Urteil vom Landgericht Dortmund - 16 O 1/06
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.474,26 € (i. W. einundzwanzigtausendvierhundertvierundsiebzig 26/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.01.2003 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter der U (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) die am 25.05.1999 gegründet wurde und deren Gegenstand der Betrieb eines Call-Centers und der Durchführung von Schulungen war, die aber tatsächlich Telefonmarketing betrieb. Der Beklagte war Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Das Stammkapital betrug anfangs 125.000,00 €.
3Nach anfänglichen Verlusten gewährten die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin im Jahre 2000 ein Darlehen. Am Ende des Geschäftsjahres, welches von Mai 1999 bis zum 31.03.2000 lief, stand dennoch ein Verlust von fast 400.000,00 DM zubuche. Das folgende Geschäftsjahr brachte Gewinne in Höhe von etwa 65.000,00 DM. Gegen Ende dieses Jahres kündigte der Hauptkunde T die Geschäftsbeziehung auf. Im März 2002 übernahm der Beklagte mehrere Gesellschaftsanteile. Das Stammkapital wurde auf 300.000,00 € erhöht. Am 31.03.2002 betrug der Verlust aus dem Geschäftsjahr 272.907,93 €. Die Gesellschaft war daher bilanziell überschuldet, allerdings waren Abschreibungen auf Computerequipment vorhanden. Die Gemeinschuldnerin war zu diesem Zeitpunkt nur noch für einen Kunden tätig. Am 16.05.2002 beschlossen die Gesellschafter, eine erneute Kapitalerhöhung durchzuführen und ihre der Gemeinschuldnerin gewährten Darlehen anteilig bis zum 21.06.2002 zurückzuerstatten. Daraufhin wurden dem Beklagten unter dem Verwendungszweck "Rückzahlung Gesellschafterdarlehen" 21.474,26 € am 18.06.2002 gezahlt. Am 19.06.2002 zahlte der Beklagte 21.000,00 € an die Gesellschaft zurück, um seiner Kapitaleinlagepflicht nachzukommen. Am 28.06.2002 erhöhte die Kreisparkasse M den Kreditrahmen der Gemeinschuldnerin von 500.000,00 € auf 715.000,00 € gegen Gewährung von Gesellschafterbürgschaften und der Verpflichtung zur Erhöhung des Stammkapitals. Nach weiteren Verlusten stellte die Gemeinschuldnerin am 30.10.2002 Insolvenzantrag. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Kläger bestimmt. Dieser machte mit Schreiben vom 10.01.2003 unter der Fristsetzung zum 23.01.2003 den an den Beklagten zurückgezahlten Betrag beim Beklagten geltend. Am 14.02.2003 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 07.03.2005 hoben die Gesellschafter die am 16.05.2002 beschlossene Kapitalerhöhung auf.
4Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
5Der Kläger meint, dass Darlehen sei eigenkapitalersetzend. Er behauptet, bei Rückzahlung des Darlehens sei die Gesellschaft überschuldet gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte für stille Reserven. Er ist der Ansicht, die Kreissparkasse M habe auch keinen neuen Kredit gewährt, sondern das bereits vorhandene Soll lediglich auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Der Kläger behauptet, die Gemeinschuldnerin habe zu diesem Zeitpunkt keinen Kredit zu marktüblichen Konditionen mehr erhalten können. Der Kläger ist zudem der Auffassung, der Beklagte habe das Darlehen in der Krise stehen gelassen.
6Der Kläger beantragt,
7den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 21.474,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.01.2003 zu zahlen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er behauptet, die Gesellschafter hätten der Gesellschaft kein Haftkapital entziehen wollen. Es seien durch die Abschreibungen auch erhebliche stille Reserven gebildet worden. Zudem ist er der Auffassung, dass für die Gesellschaft eine positive Fortstehensprognose zu stellen gewesen sei. Der Beklagte erklärt zudem die Aufrechnung mit einer angeblichen Gegenforderung in Höhe von 21.000,00 €. Hierzu ist er der Ansicht, ihm stünde ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 21.000,00 € wegen der noch nicht durchgeführten Kapitalerhöhung zu. Des Weiteren meint er, hinsichtlich des Stehenlassens des Darlehens in der Krise fehle es an einer angemessenen Überlegungszeit. Außerdem könne wegen der Verjährung des Anspruchs aus §§ 143 Abs. 1, 135 Nr. 2 InsO, 32 a Abs. 1 GmbHG auch kein Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG analog mehr bestehen.
11Der Kläger hat am 11.02.2005 einen Mahnbescheid gegen den Beklagten beantragt. Der Mahnbescheid wurde am 05.04.2005 erlassen. Dagegen hat der Beklagte am 12.04.2005 Widerspruch eingelegt.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Klage ist begründet.
14Dem Kläger steht der zugesprochene Anspruch aus §§ 143 Abs. 1, 135 Nr. 2 InsO, § 32 a Abs. 1 GmbHG zu. Der Beklagte ist zur Erstattung des im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückbezahlten kapitalersetzenden Darlehens verpflichtet.
15Die Gemeinschuldnerin befindet sich seit dem 14.02.2003 in der Insolvenz. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin gemäß § 80 Abs. 1 InsO berechtigt, ihre Ansprüche geltend zu machen.
16Der Beklagte hat der Gemeinschuldnerin im Jahre 2000 ein kapitalersetzendes Darlehen gewährt. Denn er hat der Gesellschaft ein Darlehen zur Verfügung gestellt. Zudem wurde er spätestens im März 2002 durch Übernahme diverser Gesellschaftsanteile Gesellschafter der Gemeinschuldnerin. Das Darlehen hat kapitalersetzenden Charakter im Sinne des § 32 a Abs. 1 GmbHG. Es wurde in der Krise der Gemeinschuldnerin durch den Beklagten stehen gelassen. Die Gemeinschuldnerin befand sich im März/Anfang April 2002 in der Krise.
17Die Gemeinschuldnerin war überschuldet. Ausschlaggebend dafür ist, ob das Vermögen der Gemeinschuldnerin bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht zu decken vermochte und keine positive Fortführungsprognose zu stellen war (BGHZ 119, 201, 214; WM 1994, 791, 793; NJW 1999, 3120, 3121; NJW-RR 2001, 1343; NJW-RR 2005, 766, 767). Das war zumindest im März und April des Jahres 2002 der Fall.
18Die Gemeinschuldnerin war bilanziell überschuldet. Nach der zum 31.03.2002 erstellten Bilanz betrug der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag 46.201,54 €. Unter Zugrundelegung des in der Bilanz ausgewiesenen Verlustes von 272.907,93 € und des nach Verlust und Gewinn der Vorjahre richtigerweise anzusetzenden Verlustvortrags von 171.201,55 € ist jedoch bei einem Stammkapital von 300.000,00 € von einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 144.109,48 € auszugehen. Dem stehen auch keine stillen Reserven in entsprechender Höhe gegenüber. Der Kläger hat durch seinen Vortrag nicht jede erdenkliche Möglichkeit stiller Reserven auszuschließen, sondern nur naheliegende Anhaltspunkte und entsprechendes Beklagtenvorbringen zu widerlegen (BGH NJW-RR 2005, 766, 767). Ein substantiiertes Beklagtenvorbringen ist nicht ersichtlich. Auch der Beklagte führt lediglich Anhaltspunkte an, die auf das Vorliegen stiller Reserven schließen lassen könnten. Dem tritt der Kläger ausreichend entgegen. In den ersten beiden Geschäftsjahren 1999/2000 und 2000/2001 wurden Abschreibungen in Höhe von etwa 200.000,00 € getätigt. Für das dritte Geschäftsjahr ergeben sich Anhaltspunkte für ähnliche Abschreibungen. Da verlustbedingt größere Anschaffungen nicht getätigt worden sein dürften, ist auch unter Heranziehung des Berichtes des Klägers an die Gläubigerversammlung vom 31.03.2003 davon auszugehen, dass die Abschreibungen sich insgesamt auf etwa 400.000,00 € belaufen. Davon, dass keine weiteren Anschaffungen getätigt wurden, zeugen auch die geringen Abschreibungen in der Zeit zwischen dem 31.03.2003 und dem Insolvenzantrag.
19Die Abschreibungen erfolgten zu größten Teilen auf Computer und Zubehör. Derartige Ausstattung veraltet sehr schnell und verliert sehr schnell und stark an Wert. Aber selbst wenn das nach drei Jahren vollständig abgeschriebene Equipment noch einen tatsächlichen Wert in Höhe eines Drittels der Anschaffungskosten gehabt haben sollte, reicht dies nicht aus, um die bilanzielle Überschuldung zu kompensieren.
20Zudem war eine negative Fortführungsprognose zu stellen. Hohen Personalkosten stand eine sehr schlechte Auftragslage gegenüber. Ende März bestand lediglich ein Vertrag mit der F, dessen Volumen jedoch nur ausreichte, um einen kleinen Teil des benötigten Umsatzes zu erzielen. Der Hauptauftraggeber T ist bereits Ende 2001 weggefallen. Zwar behauptet der Beklagte, neue Angebote im März 2002, legt jedoch nicht dar, inwieweit dies die Lage des Unternehmens hätte bessern können. Es ist zumindest nicht anzunehmen, dass T direkt nach der Kündigung des alten Vertrages ein ähnliches Auftragsvolumen angeboten hat. Außerdem reichten Verhandlungen alleine nicht aus, um von einer sicheren Gewinnerwartung ausgehen zu können.
21Hinzu tritt, dass die Gemeinschuldnerin in dem Zeitpunkt bereits kreditunwürdig war. Auch hieraus ergibt sich die Krise (BGH NJW 1998, 1143). Die Gemeinschuldnerin hat von dritter Seite kein Kredit zu marktüblichen Konditionen mehr erhalten können. Das legt die Tatsache nahe, dass im fraglichen Zeitpunkt hohe Verluste zu Buche standen und die Auftragslage keine Aussicht auf Besserung versprach. Es kann auch dahinstehen, ob die Erhöhung der Kreditlinie durch die Kreissparkasse M überhaupt eine Kreditgewährung gewesen ist oder bestehende Verbindlichkeiten lediglich auf eine rechtliche Grundlage gestellt wurden. Denn jedenfalls geschah dies nicht zu marktüblichen Konditionen (vgl. BGH NZI 2005, 284, 286). Die Sparkasse verlangte sowohl selbstschuldnerische Gesellschafterbürgschaften als auch eine Erhöhung des Stammkapitals.
22Der Beklagte hat das der Gemeinschuldnerin gewährte Darlehen in der Krise stehen lassen. Den Eintritt der Krise hätte er als geschäftsführender Gesellschafter erkennen müssen. Es war seine Pflicht, sich über die Verhältnisse der Gemeinschuldnerin informiert zu halten (vgl. BGH NJW 2000, 3565; Baumbach/Hoeck GmbHG, 18. Aufl., 2006, § 32 a Rdn. 41; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 135, Rdn. 55). Das Darlehen wurde auch nicht innerhalb eines angemessenen Überlegungszeitraums abgezogen. Als angemessen sind im Lichte des § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG höchstens drei Wochen anzusehen (Münchener Kommentar, § 135, Rdn. 58). Dem Beklagten hätte die Krise zumindest Ende März bekannt sein müssen. Als Überlegungsfrist ist daher höchstens bis Ende April zuzubilligen. Der Beschluss zur Rückzahlung erfolgte aber erst am 16.05.2002.
23Das Darlehen wurde am 18.06.2002 an den Beklagten zurückgezahlt. Da der Insolvenzantrag im Oktober 2002 gestellt wurde, fand die Rückzahlung innerhalb eines Jahres vor diesem Zeitpunkt statt. Das Darlehen war zu diesem Zeitpunkt nach wie vor als kapitalersetzendes Darlehen verhaftet. Eine Entsperrung hat nicht stattgefunden. Unabhängig davon, ob die Grundsätze zur Entsperrung überhaupt auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 32 a, 32 b GmbHG anwendbar sind, war das Darlehen durchgängig zur Erhaltung des Stammkapitals notwendig. Gegenteiliges wurde nicht vorgetragen.
24Der Anspruch ist durch den Beklagten nicht durch die Zahlung der 21.000,00 € am 19.06.2002 in dieser Höhe erfüllt worden. Die Zahlung erfolgte auf eine zumindest vermeintlich bestehende Kapitaleinlageverpflichtung und nicht auf die Tilgung der hier in Rede stehenden Schuld.
25Der Beklagte kann gegenüber dem Anspruch auch nicht aufrechnen. Es kann dahinstehen, ob dem Beklagten ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 21.000,00 € gegen die Gemeinschuldnerin zusteht. Die Aufrechnung gegen den Rückzahlungsanspruch aus §§ 143 Abs. 1, 135 Nr. 2 InsO, § 32 a Abs. 1 GmbHG ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 96, Rdn. 10). Der Anspruch des Klägers entstand als insolvenzrechtlicher Anfechtungstatbestand erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Vorher wäre eine Anfechtung gar nicht möglich. Auch eine Aufrechnung gegen den inhaltsgleichen Anspruch analog §§ 30, 31 GmbH kommt nicht in Betracht. Dem steht die analoge Anwendung von § 19 Abs. 2 S. 2 GmbHG entgegen (BGH NJW 2001, 830, 831). Die Regeln der §§ 30, 31 GmbHG sollen der Erhaltung des zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Stammkapitals dienen. Dies kann nicht nur durch die Kapitalaufbringung gewährleistet sein, sondern muss auch die Kapitalerhaltung umfassen. Es ist daher erforderlich und geboten, die sich eigentlich nur auf die Einzahlung des Stammkapitals beziehende Vorschrift auf solche Ansprüche der Gesellschaft zu erstrecken, die die unter Verletzung des Auszahlungsverbots getätigten Rückzahlungen an den Gesellschafter rückgängig machen sollen.
26Der Anspruch ist zudem nicht verjährt. Die am 14.02.2005 endende Verjährungsfrist wurde durch den Kläger durch das eingeleitete Mahnverfahren am 11.02.2005 gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, 167 ZPO gehemmt. Die Zustellung des Mahnbescheids erfolgte demnächst im Sinne dieser Vorschrift. Der Kläger hat bei Antragstellung das Erforderliche getan, um eine Zustellung herbeizuführen.
27Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB. Durch die Zahlungsaufforderung vom 10.01.2003 mit Fristsetzung zum 23.01.2003 befand sich der Beklagte seit diesem Tag mit der Zahlung in Verzug. Die angemahnte Schuld kann sich zwar nicht auf den Anspruch aus §§ 143 Abs. 1, 135 Nr. 2 InsO, § 32 a Abs. 1 GmbH beziehen, da dieser Anspruch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht bestand. Die Mahnung betrifft jedoch den inhaltsgleichen Anspruch des §§ 30, 31 GmbHG analog. Der Beklagte hat als Gesellschafter der Gemeinschuldnerin am 18.06.2002 ein zur Erhaltung des Stammkapitals notwendiges kapitalersetzendes Darlehen zurückgezahlt bekommen. Der sich daraus ergebende Anspruch bestand auch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und konnte durch den Kläger als vorläufigem Insolvenzverwalter gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 InsO geltend gemacht werden.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
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