Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 23/06
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.021,53 € (i. B.: neun-zehntausendeinundzwanzig 53/100 EURO) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.477,26 € seit dem 28.11.2005, aus 3.000,00 € seit dem 13.01.2006, aus weiteren 3.000,00 € seit dem 11.03.2006, aus wei-teren 3.000,00 € seit dem 18.05.2006 sowie aus 2.544,27 € seit dem 22.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 19.021,53 € die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des je-weils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger begehrt von der Beklagten Deckung aus einer bei ihr genommenen Betriebshaftpflichtversicherung unter Geltung der AHB der Beklagten. Versichert sind u. a. Haftpflicht-Sachschäden mit einer Deckungssumme in Höhe von 26.000,00 € je Versicherungsfall im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Klägers als Malermeister. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird im Übrigen auf den in Ablichtung bei den Gerichtsakten befindlichen Nachtrags-Versicherungsschein vom 10.06.2005 (Anlage K1 zur Klageschrift vom 20.01.2006) sowie das geltende Bedingungswerk (Bl. 79 ff. d. A.) verwiesen.
3Unter dem 07.11.2003 schloss der Kläger auf der Grundlage eines Angebots vom 22.09.2003 mit der Kirchengemeinde H in I (im folgenden: Auftraggeberin) einen Werkvertrag über die Ausführung von Wärmedämmarbeiten, wobei sich der Kläger zur Aufbringung einer Innendämmung der Außenwand des Kirchengebäudes der Auftraggeberin verpflichtete. Der Kläger führte in der Folgezeit sein Gewerk aus und berechnete gegenüber der Auftraggeberin seine Leistungen mit Rechnung vom 30.11.2004 über brutto 14.456,23 €. Die Auftraggeberin zahlte nach Abnahme des klägerischen Gewerkes zunächst einen Teilbetrag der Rechnung und behielt zunächst einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 7.477,26 € wegen angeblich vom Kläger im Rahmen der Durchführung verursachter Schäden an der im Kirchengebäude befindlichen Orgel ein.
4Der Kläger hatte mit Schreiben vom 04.11.2004 gegenüber der Generalvertretung der Beklagten angezeigt, dass ihm seitens der Auftraggeberin Beschädigungen im Orgelbereich zur Last gelegt würden, wegen derer unter dem 05.11.2004 zunächst vorgerichtlich seitens der anwaltlichen Vertretung der Auftraggeberin Ansprüche gegen den Kläger geltend gemacht wurden. Die Beklagte hatte daraufhin den Orgelbaumeister C mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, welches dieser unter dem 01.02.2005 vorgelegte. Das Gutachten C, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf die bei den Gerichtsakten befindliche Ablichtung (Bl. 41 ff. d. A.) verwiesen wird, schließt nach Abzug von Sowieso-Kosten mit einem Schadensbeseitigungsaufwand in Höhe von brutto 45.408,83 €.
5Mit Schreiben vom 03.03.2005 und vom 18.05.2005 erklärte die Beklagte nach Erhalt des Gutachtens C Deckungsablehnung und führte zur Begründung aus, dass die im Gutachten C festgestellten Schäden durch eine betriebliche Tätigkeit des Klägers entstanden seien, wegen derer der in den AHB der Beklagten bedungene Haftungsausschluss für Bearbeitungsschäden eingreife. Dem trat der Kläger, der eine Verursachung der Schäden durch ihn oder seine Mitarbeiter bestritt, mit Schreiben seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 11.07.2005 entgegen. Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 28.07.2005 an ihrer Deckungsablehnung fest, erklärte sich allerdings bereit, die Deckungsbeurteilung nach Aufklärung des Sachverhaltes im Haftpflichtprozess zu überdenken.
6Die Auftraggeberin hatte ihrerseits im Juli 2005 Klage gegen den Klägerin vor dem Landgericht Dortmund in dem Verfahren 6 O 333/05 erhoben und auf der Grundlage der Schadensberechnung des Orgelbaumeisters G nach einem Schadenbetrag in Höhe von 45.025,40 € und nach Abzug restlichen Werklohnes von 7.354,47 € Zahlung von 38.000,00 € begehrt. Bereits unter dem 24.05.2005 hatte die Auftraggeberin die Aufrechnung vermeintlicher Schadensersatzansprüche gegen die Restwerklohnforderung des Klägers erklärt. Der Kläger hatte im Verfahren 6 O 333/05 – LG Dortmund – widerklagend restlichen Werklohn in Höhe von 7.477,26 € begehrt.
7Die Parteien des Haftpflichtprozesses stellten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.11.2005 die Vergütungsforderung des Klägers unstreitig und schlossen einen Widerrufsvergleich, mit dem sich der Kläger nach Anrechnung des verbleibenden Werklohnes zur Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 9.000,00 € verpflichtete. Wegen der Einzelheiten der Erörterungen im Termin am 18.11.2005 wird auf die Sitzungsniederschrift vom selben Tag (Anlage K5 zur Klageschrift vom 20.01.2006 = Bl. 130 ff. BA) verwiesen.
8Der Kläger setzte die Beklagte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.11.2005 von den Erörterungen im Termin am 18.11.2005 und dem abgeschlossenen Widerrufsvergleich in Kenntnis und forderte die Beklagte zugleich auf, sich im Hinblick auf die Widerrufsfrist 16.12.2005 bis zum 12.12.2005 zum Vergleich zu erklären, um entsprechend den Weisungen der Beklagten den Vergleich zu widerrufen oder ihn bestandskräftig werden zu lassen. Die Beklagte reagierte mit Schreiben vom 28.11.2005, mit dem sie an ihrer Deckungsablehnung festhielt. Ein Widerruf des Vergleichs vom 18.11.2005 durch den Kläger erfolgte nicht.
9Mit seiner Klage begehrt der Kläger nunmehr Ausgleichung der von ihm an seine Auftraggeberin erbrachten Leistungen in Form des Vergleichsbetrages nebst angerechneten Restwerklohnes, der Kosten für die Verteidigung gegen den Haftpflichtanspruch sowie nicht anrechenbarer Rechtsanwaltsgebühren für die vorgerichtliche Inanspruchnahme seiner Prozessbevollmächtigten. Seine Klageforderung beziffert der Kläger wie folgt:
101. Vergleichsbetrag: 9.000,00 €
112. Angerechnete Werklohnforderung: 7.477,26 €
123. Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche
13Vertretung gegenüber der Auftraggeberin gem. Kostennote
14vom 18.01.2006: 1.481,00 €
154. Rechtsanwaltsgebühren für die gerichtliche Vertretung
16im Haftpflichtprozess gem. Kostennote vom 18.01.2006: 3.133,77 €
175. Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche
18Vertretung gegenüber der Beklagten gem. Kostennote
19vom 18.01.2006, soweit nicht anrechenbar: 588,50 €
20insgesamt mithin: 21.680,53 €
21./. gezahlter 2.659,00 €
22Summe: 19.021,53 €
23Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte könne sich deshalb nicht auf den Ausschluss für Bearbeitungs- oder Tätigkeitsschäden in ihren AHB berufen, weil er, der Kläger, die Schäden an der Orgel nicht verursacht habe. Hierzu behauptet er, er habe die Auftraggeberin bereits vor Beginn der Dämmarbeiten darauf hingewiesen, dass eine staubdichte Einhausung der Orgel notwendig sei und die bloße Abdeckung mit Plastikfolien nicht ausreiche. Die Auftraggeberin habe vermutlich aus Kostengründen auf einen fachgerechten Schutz der Orgel verzichtet. Er, der Kläger, habe alsdann bis zum 13.08.2004 Dämmarbeiten seitlich der Orgel durchgeführt und dann die Baustelle verlassen, da andere Gewerke weiterer beteiligter Unternehmen haben durchgeführt werden müssen. Bei Fortsetzung seines, des Klägers, Gewerkes habe er sofort in der Zwischenzeit entstandene erhebliche Schäden an der Orgel festgestellt. Er behauptet weiter, den Vergleichsbetrag von 9.000,00 € in drei Raten zu 3.000,00 € am 12.01., 10.03. und 18.05.2006 an seine Auftraggeberin gezahlt zu haben.
24Der Kläger beantragt,
25die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.021,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2005 aus 7.477,26 €, aus 9.000,00 € seit dem 28.11.2005 sowie aus 2.544,27 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Sie beruft sich wie vorprozessual auf den Ausschluss für Bearbeitungs- und Tätigkeitsschäden. Hierzu behauptet sie, der Kläger habe, um die Dämmarbeiten an der Wand hinter der Orgel durchführen zu können, in die Orgel selber einsteigen müssen, um von dort die Arbeiten durchzuführen. Um sich Arbeitsraum zu verschaffen, hätte der Kläger bzw. hätten seine Mitarbeiter die dort befindlichen Pfeifen aus der Verankerung genommen und unsachgemäß abgelegt. Außerdem habe es der Kläger versäumt, bei der Aufbringung des Dämmputzes im Orgelbereich die entsprechenden Bereiche durch ordnungsgemäße Folienabdeckung zu schützen, weswegen es im Folgenden zur Verunreinigung bzw. Beschädigung der einzelnen Pfeifen durch Putz und Wasser gekommen sei. Schäden seien bei Wiederaufnahme der Arbeit durch den Kläger am 15.10.2004 noch nicht vorhanden gewesen. Die Beklagte ist der Ansicht, die gesamte Orgel sei Ausschlussobjekt im Sinne des § 4 I Nr. 6 lit. b) ihrer AHB, da die Orgel gleichsam als Arbeitsbühne habe benutzt werden müssen und eine Bearbeitung der Außenwand ohne Betreten der Orgel nicht denkbar gewesen sei. Insoweit sei die Orgel unmittelbarer Gegenstand des klägerischen Gewerkes gewesen.
29Die Klage ist der Beklagten am 22.02.2006 zugestellt worden.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
32Die Klage ist begründet.
33Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrte Versicherungsleistung aus §§ 1, 49 VVG i. V. m. §§ 1 Nr. 1, 3 II Nr. 1 AHB der Beklagten zu.
34Der Versicherungsfall im Sinne von § 1 Nr. 1 AHB der Beklagten ist eingetreten und die Beklagte hat für diesen Versicherungsfall Versicherungsschutz zu gewähren. Die Versicherungsleistung besteht vorliegend nicht mehr in der Rechtsschutzgewährung gegenüber den Forderungen der Auftraggeberin des Klägers und Klägerin des Haftpflichtprozesses, sondern darin, die Zahlungen des Klägers an seine Auftraggeberin auszugleichen.
35I.
36Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Deckungsschutz für das Schadensereignis, wegen dem er in dem Verfahren 6 O 333/05 von seiner Auftraggeberin in Anspruch genommen worden ist. Die in § 4 I Nr. 6 lit. b) AHB der Beklagten bedungene Risikoausschlussklausel greift nicht ein.
37Nach § 4 I Nr. 6 lit. b) AHB der Beklagten sind Schäden an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (z. B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung u. dgl.) ausgeschlossen, bei Schäden an fremden unbeweglichen Sachen jedoch nur, soweit diese Sachen oder Teile von ihnen unmittelbar Gegenstand der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers sind.
381.)
39Nach Dafürhalten der Kammer und entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Reichweite der Ausschlussklausel am Wortlaut des zweiten Halbsatzes zu messen, da es sich bei der beschädigten Kirchenorgel um eine unbewegliche Sache im Sinne dieser Bestimmung handelt. Unter Teilen einer unbeweglichen Sache im Sinne der geltenden Bedingungen sind nach obergerichtlicher Rechtsprechung deren Bestandteile gem. §§ 93 ff. BGB zu verstehen (vgl. Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 4 AHB Rn. 61 m. w. N.). Wenn nämlich die Rechtssprache mit einem in den Bedingungen verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verwendet, so ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Bedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH, NJW 2000, 2103, 2104). Die mit dem Kirchengebäude der Auftraggeberin in dauernde Verbindung gebrachte Kirchenorgel stellt insoweit einen wesentlichen Bestandteil des Kirchengebäudes im Sinne von § 94 Abs. 2 BGB dar, da sie nach der Verkehrsanschauung im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung zur Herstellung des Gebäudes eingefügt ist. Zur Herstellung eines Gebäudes eingefügt sind alle Teile, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertiggestellt ist. Hierbei braucht es sich nicht um Teile zu handeln, die für die Herstellung notwendig sind. Ausstattungen und Einrichtungen werden deshalb auch dann wesentlicher Bestandteil, wenn sie dem Baukörper besonders angepasst sind und deswegen mit ihm eine Einheit bilden, wenn sie dem Gebäude ein bestimmtes Gepräge oder eine besondere Eigenart geben, oder wenn dies der örtlichen Verkehrsanschauung entspricht. Unerheblicher ist hierbei der Zeitpunkt der Einfügung (vgl. zum Ganzen Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 94 Rn. 6 m. w. N.).
40Hieran gemessen erweist sich die Kirchenorgel als wesentlicher Bestandteil, weil sie dem Baukörper des Kirchengebäudes angepasst und mit ihm fest verbunden ist, was den in den beigezogenen Akten des Haftpflichtverfahrens enthaltenen Lichtbildern (vgl. nur Bl. 76 BA) hinreichend deutlich entnommen werden kann. Insoweit bestimmt die Kirchenorgel auch trotz nach Errichtung des Kirchengebäudes erfolgter Einfügung das Wesen des Kirchengebäudes mit. Die in anderem rechtlichen Zusammenhang vom Reichsgericht vorgenommene Bewertung, eine in dauernde Verbindung gebrachte Kirchenorgel teile während der Dauer der Verbindung die rechtlichen Schicksale des Kirchengebäudes (vgl. RG, JW 1910, 466), teilt die Kammer in der Sache, nicht aber in der rechtlichen Schlussfolgerung des Reichsgerichts, hieraus folge die Einordnung als Pertinenz- oder Zubehörstück (vgl. dazu auch RGZ 90, 346, 348 f.).
41Die Beklagte vertritt insoweit die Auffassung, die Kirchenorgel sei – selbst wenn man sie als unbeweglichen Gegenstand ansieht – vom Risikoausschluss erfasst, da sie sich zum Zeitpunkt des Auftrags nur wenige cm von der vom Kläger zu bearbeitenden Rückwand entfernt befand und dieserhalb zwangsläufig vom Gewerk des Klägers gefährdet gewesen sei, da der Kläger die Orgel gleichsam habe als Arbeitsbühne benützen müssen. Dem vermag die Kammer bei Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung der sog. Tätigkeitsklausel nicht zu folgen.
42Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (vgl. BGHZ 123, 83, 85). Bei Risikoausschlussklauseln geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Sie sind daher eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zieles und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (vgl. BGH, VersR 2003, 454; VersR 1999, 748; jeweils m. w. N.).
43Der Bundesgerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 03.05.2000 (VersR 2000, 963 = NJW-RR 2000, 1189) den Umfang der in Streit befangenen Klausel eingeschränkt. Jedenfalls bei Beschädigung unbeweglicher Sachen setzt hiernach der Wortlaut des zweiten Halbsatzes des eng auszulegenden Risikoausschlusses das Ausschlussobjekt mit dem Auftragsgegenstand gleich. Der Risikoausschluss greift hiernach nur dann, wenn die beschädigte Sache oder die beschädigten Bestandteile selbst Auftragsgegenstand waren, d. h. unmittelbar bearbeitet, repariert, befördert oder geprüft werden sollten. Eine bloße Benutzung der beschädigten Sache im Rahmen der Auftragsarbeiten – z. B. als Materialablagefläche – genügt hiernach nicht (vgl. BGH, a. a. O.; zustimmend: v. Rintelen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, § 26 Rn. 65 und OLG Karlsruhe, VersR 2005, 213). Nach alledem ist es für die Anwendbarkeit des Risikoausschlusses nicht ausreichend, dass sich das beschädigte Objekt möglicherweise – so die Beklagte – erkennbar im Gefahrenbereich des klägerischen Gewerkes befunden hat, da dieser Gesichtspunkt nichts daran zu ändern vermag, dass die Kirchenorgel jedenfalls nicht unmittelbar Gegenstand der Tätigkeit des Klägers gewesen ist. Der von der Beklagten mit der Ausschlussklausel verfolgte Zweck ist nur in den Grenzen der Wortwahl berücksichtigungsfähig; bei der von ihr verwendeten Ausschlussklausel braucht der Versicherungsnehmer deshalb nicht damit zu rechnen, dass außer dem Gegenstand seines Auftrags auch noch weitere Sachen, mit denen er im Rahmen seiner Tätigkeit in Berührung kommt, Ausschlussobjekte sein sollen (so zutreffend OLG Karlsruhe, a. a. O.).
442.)
45Selbst wenn man aber mit der Beklagten von der fehlenden Anwendbarkeit des zweiten Halbsatzes der Bestimmung in § 4 I Nr. 6 lit. b) AHB ausgeht, folgt hieraus nach Dafürhalten der Kammer Abweichendes nicht. Auch wenn sich nämlich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.05.2000 lediglich mit dem Gegenstand der Tätigkeit bei unbeweglichen Sachen befasst, hat die Auslegung auch Auswirkungen für die Reichweite des Begriffs der Tätigkeit an oder mit beweglichen Sachen. Denn zum Ersten stehen die beiden Halbsätze der Klausel in einem Sinnzusammenhang, zum Zweiten gelten die vom Bundesgerichtshof angeführten teleologischen Argumente für Schäden an beweglichen wie an unbeweglichen Sachen gleichermaßen. Der Bundesgerichtshof hebt diesbezüglich zutreffend hervor, dass das Hauptinteresse von Handwerkern, die von der Tätigkeitsklausel in erster Linie betroffen sind, gerade im Versicherungsschutz wegen der Beschädigung fremder Sachen liegt und die Interessen des Versicherungsnehmers bei der Auslegung der Tätigkeitsklausel berücksichtigt werden müssen. Zwar ist bei beweglichen Sachen der Wortlaut der Klausel weiter. Der Begriff der Tätigkeit wird jedoch durch den Beispielskatalog geprägt. Zum Ausschluss sollen danach Bearbeitung, Reparatur, Beförderung oder Prüfung "an oder mit diesen Sachen" führen. Nur durch Tätigkeiten, die einen vergleichbaren Bezug zur Sache haben wie Bearbeitung, Reparatur oder Beförderung, soll für einen verständigen Versicherungsnehmer die Pflicht des Versicherers begrenzt werden. Die bloß bewusste Miteinbeziehung im Rahmen eines Auftrags zur Tätigkeit an anderen Sachen hat weder objektiv noch subjektiv die gleiche Einwirkungsintensität. Auf dieses Erfordernis kann aber nicht verzichtet werden, da ansonsten der Versicherungsschutz für Sachschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung ausgehöhlt wird (so zum Ganzen ausdrücklich v. Rintelen, a. a. O., Rn. 66).
46Hieran gemessen kann eine Beschädigung der Kirchenorgel durch zwangsläufige Einwirkung (vgl. zu diesem Kriterium auch OLG Frankfurt/Main, NJOZ 2006, 4165, 4166) des klägerischen Gewerkes auf diese im Sinne des Risikoausschlusses bei dessen verständiger Auslegung nicht festgestellt werden, ohne dass es hierfür der Aufklärung bedurfte, ob der Kläger – wie die Beklagte behauptet – die Orgel zur Durchführung seines Auftrages zwangsläufig betreten musste. Die im Raum stehenden Beschädigungen an der Orgel sind nämlich ersichtlich nicht durch deren Benutzung als Arbeitsbereich entstanden, sondern beruhen vielmehr allein auf dem Umstand, dass sich die Kirchenorgel im Gefahrenbereich der Arbeit des Klägers befand. Dies reicht aber als solches aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers nicht hin, um von einer den im ersten Halbsatz der Klausel aufgeführten Tätigkeiten vergleichbaren Einwirkungsintensität auszugehen. Für eine solche Annahme wäre es nämlich erforderlich, dass eine vom Willen des Klägers getragene Einwirkung auf die Kirchenorgel über deren bloßes Betreten hinaus festgestellt werden könnte. Im Übrigen hat auch nicht die von der Beklagten behauptete zwangsläufige Mitbenutzung der Orgel den Schadenfall ausgelöst, sondern die unterlassenen Schutzvorkehrungen gegen Verschmutzung durch die auftragsgemäßen Dämmarbeiten, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt vom Zweck der Klausel diese keine Anwendung findet.
47II.
48Die Beklagte ist an das Ergebnis des vom Kläger vor dem Landgericht Dortmund im Haftpflichtprozess 6 O 333/05 geschlossenen Prozessvergleichs gebunden.
49Insoweit gilt nichts anderes als bei Vorliegen eines Haftpflichturteils, bei dem eine Bindungswirkung aus dem materiellen Leistungsversprechens des Versicherers folgt. Es soll vermieden werden, dass die im Haftpflichtverfahren getroffenen Feststellungen, soweit sie für die Deckungsfrage von Bedeutung sind, im Deckungsprozess erneut überprüft werden können. Hiermit korrespondiert die bedingungsgemäße Verpflichtung des Versicherungsnehmers, den Prozess nach den Weisungen des Versicherers zu führen und ohne dessen Zustimmung kein Anerkenntnis abzugeben oder einen Vergleich zu schließen. Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit beseitigt allerdings nicht die Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses, sondern berechtigt den Versicherer allenfalls, sich wegen Obliegenheitsverletzung auf Leistungsfreiheit zu berufen. Soweit Anerkenntnis oder Vergleich nicht zur Leistungsfreiheit führen, sind sie für den Versicherer ebenso verbindlich wie das Urteil im Haftpflichtprozess (vgl. Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, a. a. O., § 154 Rn. 22).
50Hieran gemessen war der Kläger trotz Anerkenntnis- und Befriedigungsverbotes zum Vergleichsabschluss berechtigt, nachdem die Beklagte durch Verweigerung von Deckungsschutz spätestens nach Mitteilung des Widerrufsvergleichs und Bitte um diesbezügliche Weisung durch den Kläger deutlich gemacht hat, auf die Einhaltung der Obliegenheiten zu verzichten. Wenn ein Versicherer unberechtigt Deckung (in Form der Befreiung oder Abwehr) verweigert, ist der Versicherungsnehmer bei der Verteidigung der gegen ihn gerichteten Ansprüche frei (vgl. BGH, VersR 1992, 1505; OLG Düsseldorf, VersR 2002, 748; OLG Köln, zfs 2006, 106; Voit/Knappmann, a. a. O.). Das Risiko der unberechtigten Deckungsablehnung kann der Versicherer nicht auf den Versicherungsnehmer abwälzen. Er kann sich nicht einerseits seiner vertraglichen Hauptpflicht auf Unterstützung des Versicherungsnehmers im Haftpflichtprozess entledigen und andererseits für sich in Anspruch nehmen, an das Ergebnis des vom Versicherungsnehmer allein geführten Haftpflichtprozesses nicht gebunden zu sein (OLG Düsseldorf, a. a. O., m. w. N.).
51In Betracht kommen als Grundlage des Vergleichs schließlich auch nur Haftpflichtansprüche gegen den Kläger aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts. Insoweit war auf das Parteivorbringen im Haftpflichtprozess zurückzugreifen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, a. a. O.).
52III.
53Zum Inhalt des Anspruchs gilt folgendes:
54Die Beklagte ist zur Erstattung der Vergleichssumme und der Kosten der Führung des Haftpflichtprozesses (vgl. § 150 VVG) verpflichtet. Gegenstand des Prozessvergleichs war – wie sich aus dem Hinweis der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund im Haftpflichtprozess (Bl. 132 BA) ergibt – auch die vom Kläger und damaligen Beklagten eingebrachte Widerklageforderung. Letztlich haben sich die Parteien mit dem Vergleich auf eine Verrechnung dieser Forderung in voller Höhe geeinigt. Dieser Betrag ist der Vergleichssumme hinzuzusetzen.
55Dass der Kläger die Vergleichssumme in drei Raten zu je 3.000,00 € am 12.01., 13.03. und 22.05.2006 ausgeglichen hat, ergibt sich aus der Bestätigung des Pfarramtes H vom 17.10.2006 (Bl. 72 d. A.), gegen deren inhaltliche Richtigkeit die Beklagte Einwendungen nicht erhoben hat.
56Der Gebührenanspruch des Klägers ist zutreffend berechnet. Der Einwand der Beklagten, es könne für die außergerichtliche Tätigkeit allenfalls die Schwellengebühr von 1,3 verlangt werden, geht fehl, da die Sache – sowohl Haftpflicht als auch Deckung – jedenfalls umfangreich i. S. d. Anmerkung zu Nr. 2400 VV RVG war, so dass der Ansatz der Mittelgebühr von 1,5 berechtigt ist. Die Kammer ist von der Ausgleichung der Gebühren durch den Kläger überzeugt, nachdem sein damaliger und jetziger Prozessbevollmächtigter im Termin am 19.10.2006 zu Protokoll erklärt hat, dass seine Rechnungen bezahlt seien.
57IV.
58Die zuerkannten Zinsen rechtfertigen sich unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 247 BGB. Soweit der Kläger weitere Zinsen begehrt, unterlag seine Klage demgegenüber der Abweisung, da lediglich aus dem verrechneten Teilbetrag von 7.477,26 € aus Restwerklohn ab Deckungsablehnung der Beklagten unter dem 28.11.2005 Verzug eingetreten, im Übrigen auf den jeweiligen Zeitpunkt der Teilzahlungen abzustellen ist.
59V.
60Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
61Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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