Urteil vom Landgericht Dortmund - 8 O 171/06
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu
vollstrecken gegenüber den Geschäftsführern der Beklagten bzw. der
Komplementärin, zu unterlassen, als Flüssiggaslieferant im
Zusammenhang mit Vereinbarungen über die Lieferung von Flüssiggas
in den AGB'en folgende Klauseln gegenüber Verbrauchern zu
verwenden und sich bei der Abwicklung bestehender
Vertragsverhältnisse auf diese Klausel zu berufen:
,,Ändern sich die Einkaufspreise von Q für Flüssiggas, so
kann jeder Vertragspartner gemäß § 315 BGB eine
entsprechende Anpassung des künftig gültigen Abnahmepreises
verlangen. Gleiches gilt, wenn sich der Abgabepreis für
Flüssiggas für vergleichbare Verbraucherkunden im Markt
allgemein verändert. Q trägt dem Rechnung durch
Ausweisung des jeweiligen Tagespreises auf der Rechnung."
Dem Kläger wird die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel mit der
Bezeichnung des verurteilten Verwenders auf Kosten der Beklagten im
Bundesanzeiger, im Übrigen auf eigene Kosten, bekannt zumachen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 €
vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG.
3Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Unternehmen, zu dessen Betrieb auch der
4Handel mit Flüssiggas gehört. Teil des Unternehmens ist u. a. die
5Zurverfügungstellung eines Flüssiggastanks im Rahmen eines Flüssiggasliefervertrages.
6Der Kläger hält eine von der Beklagten u. a. gegenüber deren Kunden D
7verwendete Preisanpassungsklausel für unzulässig, weil sie ihrer Meinung nach
8gegen die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB verstoße. Die Klausel lautet:
9"Ändern sich die Einkaufspreise von Q für Flüssiggas, so kann jeder
10Vertragspartner gemäß § 315 BGB eine entsprechende Anpassung des
11künftig gültigen Abnahmepreises verlangen. Gleiches gilt, wenn sich der
12Abgabepreis für Flüssiggas für vergleichbare Verbraucherkunden im Markt
13allgemein verändert. Q trägt dem Rechnung durch Ausweisung des
14jeweiligen Tagespreises auf der Rechnung."
15Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.03.2006 ab und forderte sie
16zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte lehnte
17die Abgabe einer solchen Erklärung ab, weil ihrer Ansicht nach ein Verstoß gegen
18AGB-rechtliche Vorschriften nicht vorliege.
19Der Kläger beantragt, wie erkannt
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hält die von ihr verwendete Klausel für zulässig. Die Klausel sei für ihre Kunden
23ausreichend verständlich und benachteilige diese schon wegen der Möglichkeit einer
24Preisanpassung zu deren Gunsten nicht.
25Wegen des weitergehenden Vortrages wird auf die von den Parteien wechselseitig
26eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
28Die Klage ist zulässig und begründet.
29Der Kläger ist eine anspruchsberechtigte Stelle im Sinne des § 3 Abs. 1, S. 1 Nr. 1
30UKlaG.
31Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1
32UKlaG, 307 BGB zu, weil die streitgegenständliche Klausel die Verbraucher
33unangemessen benachteiligt.
34Die vorliegende Klausel genügt nicht dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1, S. 2
35BGB. Sie ist nicht hinreichend klar und verständlich formuliert.
36Preisanpassungsklauseln, die grundsätzlich zulässig sind, müssen so konkret
37gefasst sein, dass dem Verbraucher der Grund für eine Erhöhung oder Ermäßigung
38der Preise anhand der Ermächtigungsklausel nachvollziehbar ist. Dies ist für Kunden
39der Beklagten nicht möglich, weil sie weder den Anlaß für ein
40Preisänderungsverlangen noch dessen berechtigten Umfang erkennen können.
41Weiterhin ist es der Beklagten nach dem Wortlaut der Klausel unzulässigerweise
42möglich, nachträglich nahezu unkontrollierbar den im Äquivalenzverhältnis zwischen
43Leistung und Gegenleistung stehenden Gewinnanteil zu erhöhen. Damit verstößt sie
44auch gegen § 307 Abs. 1, S. 1 BGB.
45Nach Satz 1 i. V. m. S. 3 der Klausel könnte die Beklagten nahezu jederzeit ihre
46Preise erhöhen, nämlich schon dann eine Preiserhöhung vornehmen, wenn nur ganz
47geringfügige oder kurzfristige Steigerungen ihres Einkaufspreises eintreten.
48Die Beklagte könnte die Preiserhöhung auch langfristig festsetzen und damit auch
49einen Zeitraum überbrücken, in dem sie selbst deutlich niedrigere Preise zahlen
50müsste . Sie wäre also in der Lage, die Preise zu ändern, wenn sie selbst den
51höheren Einkaufspreis effektiv nicht zahlen muß. Sie ist auf der anderen Seite nicht
52verpflichtet, sondern nur berechtigt, Ermäßigungen ihres Einkaufspreises an den
53Kunden weiterzugeben. Diesem ist wiederum nur schwer möglich, selbst
54Preisanpassungen zu verlangen, weil er sich nicht in zumutbarer Weise über die
55Einkaufspreise der Beklagten informieren kann.
56Weiterhin kann die Beklagte nach der Formulierung des Satzes 1 eine
57Preiserhöhung auch dann durchsetzen, wenn zwar ihr eigener Einkaufspreis steigt,
58ihre übrigen Kalkulationsparameter wie Betriebskosten, Löhne etc. aber zu ihren
59Gunsten sinken. Hierdurch könnte sie - bei der im Verbandsprozeß anzuwendenden
60kundenfeindlichsten Auslegung (BGH, NJW-RR 2005, 1717, 1718 unter 3. c))- ebenfalls eine Steigerung ihres Gewinnanteils erreichen.
61Der zweite Satz der Klausel benachteiligt den Kunden ebenfalls, weil für ihn völlig
62unklar ist, welcher vergleichbare Verbraucher und welcher Markt gemeint sind. Es ist
63dem Kunden nicht möglich, in zumutbarer Weise in Erfahrung zu bringen, welche
64anderen Verbraucher welche konkreten Preise zahlen. Wie die Beklagte selbst
65vorträgt, existiert keine Möglichkeit, Marktpreise i. S. eines durchschnittlichen
66Abgabepreises von Flüssiggas an langjährig gebundene Kunden zu ermitteln. Soweit
67die Beklagte den Sinn der Klausel in der Klageerwiderung zu erklären versucht,
68nämlich mit der für die Kunden bestehenden Möglichkeit, durch Verhandlungen einen
69günstigeren Preis zu erzielen, wenn eine Preisermäßigung anderer
70Flüssiggasversorgungsunternehmer angezeigt werde, ergibt sich dies aus der
71Klausel selbst gerade nicht.
72Der letzte Satz der Klausel stellt zwar für sich allein genommen keinen Verstoß
73gegen § 307 BGB dar; er steht jedoch in Abhängigkeit zu den beiden weiteren
74Sätzen der Klausel.
75Antragsgemäß ist dem Kläger gem. § 7 UKlaG die Befugnis der Veröffentlichung
76des Urteilstenors im Bundesanzeiger zu gestatten, weil dies zur Beeinträchtigung der
77durch die Verwendung der Klausel eingetretenen Störung erforderlich und geeignet
78erscheint.
79Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
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