Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 465/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem
Streitwert von 5.661,80 € die Klägern.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des voll-
streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin ist seit 2004 bei der Beklagten krankenversichert. Im Mai 2004 trat die Beklagte wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vom Vertrag zurück. Die auf Fortbestand des Versicherungsvertrages gerichtete Feststellungsklage wurde zunächst vom Amtsgericht abgewiesen, hatte aber in der zweiten Instanz Erfolg. Im Berufungsurteil vom 11.08.2005 hat die erkennende Kammer ausgeführt, dass zwar der objektive Tatbestand einer Anzeigepflichtverletzung erfüllt sei, weil die Klägerin Behandlungen wegen eines Axillenekzems nicht angegeben hatte. Die Klägerin habe aber den Entlastungsbeweis geführt, weil sie glaubhaft versichert habe, bei Beantragung des Versicherungsschutzes nicht mehr an das Axillenekzem gedacht zu haben.
3Wegen des Rücktritts vom Vertrag durch die Beklagte nahm die Klägerin bei einem anderen Krankenversicherer Deckung des Krankheitskostenrisikos. Dieses Versicherungsverhältnis beendete sie wieder, nachdem das Urteil vom 11.08.2005 ergangen war. Die für die weitere Krankenversicherung aufgewendeten Prämien in Höhe von insgesamt 5.661,80 € nebst Zinsen und anwaltlicher Differenzgebühr macht sie als Schadensersatz gegen die Beklagte geltend,
4Sie wirft der Beklagten vor, durch den im Ergebnis unberechtigten Rücktritt vom Vertrag schuldhaft gegen die Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verstoßen zu haben.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an sie
71. 5.661,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 22.10.2005,
82. die nach RV außergerichtlich entstandenen, nicht anrechenbaren Kosten und Gebühren nach den Vorbemerkungen zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses in Höhe von 219,70 €
9zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie sieht sich nicht schadensersatzpflichtig, weil die Klägerin objektiv gegen die auf vorvertragliche Anzeigepflicht verstoßen und damit selbst den Grund für den Rücktritt gesetzt habe. Sie verweist darauf, dass die Klägerin mit dem neuen Versicherungsvertrag auch eine Krankenhaustagegeldversicherung abgeschlossen hat, die im Vertrag zwischen den Parteien nicht enthalten ist. Zudem wirft sie der Klägerin vor, sich nicht um eine günstigere Möglichkeit der Versicherung bemüht zu haben.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
15Die Klage ist unbegründet.
16Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB wegen Verletzung von Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankenversicherungsvertrag durch den im Ergebnis unberechtigten Rücktritt vom Vertrag zu. Allerdings betrifft § 280 BGB auch die Verletzung von Nebenpflichten des Schuldners. Zu diesen Nebenpflichten zählt auch die Leistungstreuepflicht, d.h. die Pflicht, den Vertragzweck nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Gegen diese Nebenpflicht verstößt, wer einen unbegründeten Rücktritt vom Vertrag ausspricht, weil er damit den Bestand des Vertragsverhältnisses in Frage stellt und dem Vertragspartner u.a. dessen Leistungsrecht streitig macht. Geschieht das schuldhaft, wobei Fahrlässigkeit genügt und erwächst dem Vertragspartner daraus ein Schaden, so ist der den unberechtigten Rücktritt aussprechende Vertragsteil dem anderen nach § 280 BGB ersatzpflichtig (vgl. BGHZ 89, 296 = NJW 1984, 1028 zur unberechtigten Kündigung). Danach kommt eine Schadensersatzpflicht des Versicherers in Betracht, wenn dieser bei unklarer Beantwortung der Gesundheitsfrage eine gebotene Rückfrage unterlässt oder der Agent des Versicherers trotz ihm mündlich mitgeteilter Vorerkerkrankungen diese nicht in das Antragsformular aufnimmt und der Versicherer den Rücktritt vom Vertrag erklärt. In solchen oder vergleichbaren Fällen kann der zu Unrecht erklärte Rücktritt vom Vertrag eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellen.
17Im streitgegenständlichen Fall ist die Rechtslage jedoch anders zu beurteilen.
18Denn unstreitig hat die Klägerin den objektiven Tatbestand der Anzeigepflichtverletzung erfüllt, da sie die ärztlichen Behandlungen wegen des Axillenekzems hätte angeben müssen. Damit hat die Klägerin selbst den Rücktritt durch die Beklagte veranlasst, den diese innerhalb der Monatsfrist des § 20 VVG erklären musste. Der Erfolg des Rücktritts hing nunmehr davon ab, ob es der Klägerin gelang, den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nach § 16 Abs. 3 VVG zu führen. Unter diesen Umständen ist die Rückrittserklärung der Beklagten nicht als schuldhaft zu werten. Der Rücktritt erfolgte vielmehr in Wahrnehmung eigener und der berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft, ohne dass der Beklagten dieses Verhalten i.S. eines Verschuldens vorgeworfen werden könnte. Dem stimmt die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur jedenfalls im Ergebnis zu, wenn sie einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers wegen eines objektiv grundlosen Rücktritts des Versicherers nach Treu und Glauben ausschließt, wenn der Versicherungsnehmer selbst gegen seine vorvertraglichen Anzeigepflichten verstoßen und dadurch den Rücktritt mit veranlasst hat (OLG Oldenburg, Versicherungsrecht 1995, 819; Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 16 Rd-Nr. 103 und § 20 Rd-Nr. 24; Römer/Langheidt VVG, 2. Aufl., §§ 16, 17 Rd-Nr. 72).
19Somit unterlag die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO der Abweisung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung beruht auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.