Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 586/04
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 2000 sowie der "Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfallrente bei einem Invaliditätsgrad ab 50 % mit jährlicher Rentenerhöhung und Kapitalleistung ab 1 % Invaliditätsgrad (Unfallrente G )".
3Danach sollte im Versicherungsfall dem Kläger eine Kapitalleistung je nach Höhe des Invaliditätsgrades sowie eine monatlich zu zahlende Unfallrente zustehen.
4Am 08.09.2002 verunfallte der Kläger anlässlich eines Tandemfallschirmabsprungs. Er erlitt eine instabile LWK 3-Fraktur mit Nervenwurzelschädigung L 3 links sowie einen Bandscheibenvorfall L 4/5 rechts.
5Mit Unfallbericht vom 24.09.2002 zeigte der Kläger der Beklagten den Unfall an. Die Frage nach früheren Unfällen beantwortete der Kläger dahingehend, dass er ca. im Jahre 1985 die rechte Kniescheibe gebrochen hatte. Die Frage nach vorbestehenden Krankheiten oder Gebrechen, unabhängig von den Folgen des jetzigen Unfalls, beantwortete der Kläger mit "nein". Zu dem weiteren Inhalt des Unfallberichtes wird auf die Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 10.01.2005 verwiesen.
6Unstreitig litt der Kläger in der Vergangenheit an Depressionen. Zudem wurde er wegen Dysfunktionen der LWS, wegen Schultersteife links und wegen kompens. Niereninsuffizienz behandelt. Wegen Wirbelsäulenbeschwerden war er seit 1991 in Behandlung.
7Der Kläger übersandte der Beklagten sodann ein Attest des Dr. C vom 04.12.2002, in dem dieser eine beim Kläger vorliegende unfallbedingte Dauerinvalidität von 20 % oder höher diagnostizierte. Unter dem 18.06.2003 legte der Kläger der Beklagten ein Attest des Herrn Dr. D vor, in dem dieser dem Kläger einen Invaliditätsgrad von 50 % bescheinigte.
8Die Beklagte ließ ein fachorthopädisches Gutachten erstellen. Dieses kam unter dem 17.02.2004 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine dauernde Beeinträchtigung in Form eines Invaliditätsgrades von z.Zt. 50 % gegeben sei.
9Die Beklagte zahlte an den Kläger Vorschüsse in Höhe von 5.000,00 € und 10.000,00 €, nachdem sie nach dem Vorliegen des Gutachtens ihre Beratungsärztin eingeschaltet hatte und diese zu einem Invaliditätsgrad des Klägers von lediglich 30 % kam.
10Mit der Klage verlangt der Kläger nunmehr die Zahlung einer monatlichen Unfallrente ab September 2002 sowie eine Kapitalleistung auf Basis eines Invaliditätsgrades von 50 % abzüglich der geleisteten Zahlungen der Beklagten.
11Dazu trägt er vor, aufgrund des Unfallereignisses vom 08.09.2002 liege bei ihm eine unfallbedingte Invalidität in Höhe von 50 % vor.
12Eine Obliegenheitsverletzung sei ihm nicht zur Last zu legen. Die bei ihm vorliegenden Depressionen habe er in dem Unfallbericht nicht angegeben, da für ihn nicht nachvollziehbar gewesen sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Unfall von Bedeutung seien. Im Übrigen habe er Angaben zu seiner Krankenversicherung gemacht, so dass die Beklagte sich hätte erkundigen können. Er habe die Unfallanzeige im Krankenhaus erstellt. Zu diesem Zeitpunkt habe er Infusionen mit Morphium erhalten. Er habe sich in einer Stresssituation befunden und deswegen die Frage nach Krankheiten oder Gebrechen mit "nein" beantwortet. Er habe die Behandlungen und Beschwerden, die von der Beklagten angeführt worden seien, nicht vorsätzlich verschwiegen. Dazu hätte er überhaupt keine Veranlassung gehabt.
13Er beantragt,
14die Beklagte zu verurteilen,
151. an ihn eine Kapitalleistung in Höhe von 50 Unfallrenten in Höhe von 766,94 €, also 38.347,00 € zu zahlen.
162. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, eine laufende Unfallrente in bedingungsgemäßer Höhe ab September 2002 abzüglich der geleisteten Vorschusszahlungen in Höhe von 5.000,00 € mit Wertstellung 10.01.2003 und in Höhe von weiteren 10.000,00 € mit Wertstellung 23.07.2004 zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie beruft sich auf eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Klägers, da dieser in seinem Unfallbericht verschwiegen habe, dass er an Depressionen leide, wegen Dysfunktionen der LWS, wegen Schultersteife links, inkompens. Niereninsuffizienz sowie wegen Wirbelsäulenbeschwerden in Behandlung gewesen sei.
20Zudem betrage der Invaliditätsgrad des Klägers allenfalls 20 bis 30 %. Davon müssten noch vorbestehende Krankheiten und Gebrechen in Abzug gebracht werden. Diese bestünden in einer Verlagerung des Bandscheibengewebes zwischen dem 4. und dem 5. Lendenwirbelkörper und eine fast komplette Osteochondrosis bei L 1/L 2.
21Zu dem Vortrag der Parteien im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
23Die Klage ist unbegründet.
24Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit Ziffer 2.1 AUB 2000, Ziff. 1 und 2 der Besonderen Bedingungen für die Versicherung eine Unfallrente bei einem Invaliditätsgrad ab 50 % mit jährlicher Rentenerhöhung und Kapitalleistung ab 1 % Invaliditätsgrad (Unfallrente G ) nicht zu.
25Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger durch den Unfall auf Dauer in seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist und diese Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Beklagten geltend gemacht worden ist.
26Denn die Beklagte ist gemäß Ziffer 8 AUB 2000 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG leistungsfrei geworden, da der Kläger seine Obliegenheit aus Ziffer 7.2 AUB 2000 verletzt hat.
27Nach Ziff. 7.2 AUB 2000 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, die von der Beklagten übersandte Unfallanzeige wahrheitsgemäß auszufüllen und an die Beklagte unverzüglich zurückzusenden. Falsche oder fehlende Angaben des Versicherungsnehmers zu früheren Krankheiten oder Gebrechen stellen daher eine Obliegenheitsverletzung dar.
28Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger verstoßen, indem er in seinem Unfallbericht vom 24.09.2002 angegeben hat, dass unabhängig von den Folgen des jetzigen Unfalls Krankheiten oder Gebrechen weder bestehen noch bestanden haben. Denn tatsächlich litt der Kläger in der Vergangenheit an Depressionen, an Dysfunktionen der LWS, an einer Schultersteife links, an einer Niereninsuffizienz sowie an Wirbelsäulenbeschwerden. Dieses hat er im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am 1. Februar 2007 selbst eingeräumt.
29Leistungsfreiheit der Beklagten bei Verletzung der oben geschilderten Obliegenheit durch den Kläger ist zwischen den Parteien in Ziff. 8 AUB 2000 vereinbart, wobei der Kläger die gesetzliche Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht zur Überzeugung der Kammer widerlegt hat. Die entschuldigende Angabe des Klägers, er habe sich bei Beantwortung der Frage Nr. 13 in einer Stresssituation befunden und deswegen "nein" angekreuzt, ist vorliegend unerheblich. Gleiches gilt für seinen Vortrag, er habe die Unfallanzeige noch im Krankenhaus ausgefüllt und zu diesem Zeitpunkt habe er Infusionen mit Morphium bekommen. Seine Schmerzen habe er auf einer Skala von 1 – 10 mit "10" angegeben. Denn die Frage einer lediglich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit hat keine Bedeutung, solange nicht der Zustand einer Zurechnungsunfähigkeit im Sinne von § 827 BGB erreicht ist, d.h. ein Ausschluss der Wahrnehmungsfähigkeit oder der freien Willensbestimmung noch nicht eingetreten ist (BGH VersR 2006, 108). Dass dieses der Fall ist, hat der Kläger in nicht genügend substantiierter Weise vorgetragen. Zwar hat er vorgetragen, dass er Infusionen mit Morphium bekommen hat. Über die Dosis konnte er im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am 01.02.2007 jedoch keine Angaben machen, so dass vorliegend nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger sich in einem Zustand der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne von § 827 BGB befunden hat.
30Dieses unterstreicht auch die Tatsache, dass der Unfallbericht, der nach Angaben des Klägers im Krankenhaus vollständig ausgefüllt worden ist, ansonsten detaillierte und zutreffende Angaben enthält. Insbesondere die ausführliche und verständliche Schilderung des Unfallhergangs lässt nicht den Schluss darauf zu, dass der Kläger sich in einem Zustand im Sinne des § 827 BGB befunden hat.
31Auch die von der sogenannten Relevanzrechtsprechung entwickelten weiteren Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit des Versicherers sind gegeben (vgl. dazu Römer in Römer / Langheidt, VVG, 2. Aufl., § 6 Rn. 51 ff. m.w.N.).
32Unzutreffende Angaben des Versicherungsnehmers zu Vorerkrankungen oder Gebrechen sind im Rahmen der Unfallversicherung generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Das Verschulden des Klägers ist erheblich; es handelt sich nicht bloß um ein Fehlverhalten, welches auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufbringen müsste. Der Kläger war auch durch die auf dem Unfallbericht unmittelbar über seiner Unterschrift abgedruckten – sachlich richtigen und durch Fettdruck hervorgehobenen – Belehrungen ausreichend auf die Folgen vorsätzlich falscher Angaben hingewiesen worden.
33Die von der Beklagten gewonnenen Erkenntnisse über die von dem Kläger verschwiegenen Vorerkrankungen sind vorliegend auch verwertbar.
34Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23.10.2006 (Bundesverfassungsgericht ZfSch 2007, 34) entschieden hat, dass die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, für die vom Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung eingeholten Auskünfte und Auskehrungen eine Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletze, so ist diese Entscheidung vorliegend nicht einschlägig. Denn das Bundesverfassungsgericht erklärt in der zitierten Entscheidung lediglich eine generelle Entbindungserklärung von der Schweigepflicht als verfassungswidrig. Vorliegend verlangte die Beklagte jedoch in hiernach nicht zu beanstandender Weise lediglich die Unterzeichnung von Einzelermächtigungen hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht durch den Kläger für diejenigen Angehörigen von Heilberufen oder Krankenanstalten, die der Kläger selbst durch eigene Angaben oder die Überreichung von Unterlagen der Beklagten benannt hat.
35Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte gegen diese Einzelermächtigung verstoßen hat, sind weder von dem Kläger vorgetragen, noch ergeben sie sich aus sonstigen Umständen.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
37Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.
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Referenzen
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