Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 425/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen nach einem
Streitwert von 52.531,20 € (i. W. zweiundfünfzigtausendfünfhun-
derteinunddreißig 20/100 Euro) die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger zu 2) unterhält seit 1950 bei der Beklagten eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 61, in die die Klägerin zu 1) als Versicherte einbezogen ist. Die Versicherungssumme bei Invalidität beträgt für beide je 175.104,00 € mit Progression 50 %. Nach zwei Unfällen des Klägers zu 2) im Jahre 2006 regulierte die Beklagte die Versicherungsansprüche mit rund 13.000,00 € und nahm die Leistungserbringung zum Anlass, den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 24.04.2006 zum 26.05.2006 gegenüber dem Kläger zu 2) gemäß § 7 II 2 (a) AUB 61 zu kündigen.
3Die Kläger halten die Kündigung für unwirksam. Sie begründen ihre Auffassung mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit einer unbegrenzten Kündigungsmöglichkeit in der Krankentagegeldversicherung und meinen, dass diese Entscheidung auf die Unfallversicherung übertragbar sei, weil die Unfallversicherung ebenfalls ein Tagegeld für den Fall unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit verspreche und die soziale Funktion der Unfallsversicherung mit derjenigen der Krankentagegeldversicherung vergleichbar sei. Zudem müsse die Versicherungswirtschaft das durch ein hohes Alter bedingte Unfallrisiko tragen, ohne dass sich dem der Versicherer durch Kündigung entziehen könne. Die Klägerin zu 1) als Versicherte, habe ohnehin keine Leistungen erhalten, so dass ihr gegenüber ein Kündigungsgrund überhaupt nicht vorliege.
4Die Kläger beantragen,
5festzustellen, dass die Kündigung des Versicherungsvertrages über die Unfallversicherung ########/#/#/## vom 24.04.2006 zum 26.05.2006 unwirksam ist.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie hält die vereinbarte Kündigungsmöglichkeit für wirksam und bezieht sich dazu auf die einmütige Meinung in Rechtssprechung und Literatur.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
11Die Klage ist unbegründet.
12- Die Klägerin zu 1) ist bereits nicht aktiv legitimiert, da sie nicht Versicherungsnehmerin, sondern Versicherte in dem von ihrem Ehemann, dem Kläger zu 2), abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag ist. Als Versicherte ist sie nicht befugt, Ansprüche aus der Unfallversicherung neben dem Versicherungsnehmer geltend zu machen und den Fortbestand des Versicherungsvertrages feststellen zu lassen. Die von BGH NJW 2006, 1434 = Versicherungsrecht 2006, 686 entwickelten Grundsätze zur Aktivlegimitation einer versicherten Ehefrau in der privaten Krankenversicherung können auf die Unfallversicherung nicht übertragen werden, weil für die Unfallversicherung über § 179 Abs. 2 Satz 1 VVG die §§ 75 bis 79 VVG entsprechende Anwendung finden, die durch § 16 Abs. 3 AUB 61 wiederum teilweise abgedungen worden sind. In der Krankenversicherung ist hingegen wegen § 178 a Abs. 2 VVG der Rückgriff auf die §§ 74 ff. VVG versperrt.
- Die Klage der Kläger hat aber auch in der Sache keinen Erfolg, weil die fristgerecht und auf § 7 II 2 (a) AUB nach einer Entschädigungszahlung gestützte Kündigung der Beklagten wirksam ist. Die von den Klägern gegen die Wirksamkeit der Kündigung vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Die Beklagte weist zurecht darauf hin, dass in der umfangreichen Kommentarliteratur zu den AUB Bedenken gegen die Wirksamkeit der Schadensfallkündigungsklausel nicht geäußert werden. In der Rechtssprechung wird die entsprechende Klausel in den AUB 61 ausdrücklich vom OLG Nürnberg NJW-RR 1993, 1373 gebilligt. Die Kammer schließt sich den Gründen des OLG Nürnberg ausdrücklich an. Insbesondere können die von BGHZ 88, 79 = NJW 1983, 2632 angeführten Gründe für eine Unwirksamkeit eines zeitlich unbegrenzten Kündigungsrechtes in der Krankenversicherung auf die Unfallversicherung nicht übertragen werden. Die herausragende soziale Funktion, die die Krankenversicherung übernimmt, gilt nicht im gleichen Maße für die Unfallversicherung. Soweit in der Unfallversicherung für den Fall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ein Tagegeld versichert ist, kommt dieser Versicherung nicht der Charakter einer Verdienstausfallversicherung zu wie der Krankentagegeldversicherung als Zweig der privaten Krankenversicherung. Denn das Tagegeld in der Unfallversicherung wird nur bei einer unfallbedingten, nicht aber jeder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und gemäß § 8 III 4 AUB 61 höchsten für ein Jahr vom Unfalltage an gerechnet gewährt, so dass es schon wegen dieser Einschränkungen keine der Krankentagegeldversicherung in der privaten Krankenversicherung vergleichbare soziale Absicherung bieten kann. Deswegen hat das OLG Nürnberg nach Auffassung der Kammer zu Recht abgelehnt, die BGH Rechtssprechung zur Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung auf die private Unfallversicherung zu übertragen.
Da das vereinbarte Kündigungsrecht nicht an ein bestimmtes Alter der versicherten Personen geknüpft ist, war die Beklagte befugt, anlässlich ihrer Leistungserbringung aus den letzten Schadensfällen den Vertrag zu kündigen, auch wenn dieser bereits 1950 geschlossen wurde und damit eine ungewöhnlich lange Laufzeit hatte. Rechtsgründe stehen dem jedenfalls nicht entgegen.
14Entgegen der Auffassung der Kläger entfaltete die Kündigung Wirkung auch zu Lasten der mitversicherten Klägerin zu 1). Auch wenn diese selbst keinen Versicherungsfall erlitten und deshalb in ihrer Person keinen Grund für die Schadensfallkündigung geliefert hat, ist sie durch die Kündigung des zwischen ihrem Ehemann und der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrages betroffen. Eine dem § 178 h Abs. 5 VVG in der Krankenversicherung bestehende Regelung, wonach der Versicherer die Kündigung auf einzelne Personen des Versicherungsvertrages beschränken kann, findet keine Entsprechung in den gesetzlichen Vorschriften zur Unfallversicherung oder den AUB 61, woraus wiederum deutlich wird, dass der soziale Schutzzweck der privaten Krankenversicherung weit höher wiegt als der Zweck der Unfallversicherung.
15Die Klage musste somit mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abgewiesen werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
16Den Streitwert hat die Kammer entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung nicht aus der 42-fachen Monatsprämie für die Unfallversicherung berechnet. Eine solche entsprechend §§ 3, 9 ZPO vorgenommene Streitwertberechnung hat der BGH für den Antrag auf Feststellung des Fortbestehens einer Krankheitskosten- oder Krankentagegeldversicherung zugelassen (BGH Versicherungsrecht 2000, 1430 / 1431; Versicherungsrecht 2001, 492 / 493). Für die Unfallversicherung schließt sich die Kammer dem BGH NJW-RR 1992, 608 und OLG Köln, Beschluss vom 17.05.2006 – 5 W 44/06 – veröffentlich unter www.NRWE.de - an, wonach sich der Streitwert einer Klage auf Fortbestand einer Unfallversicherung mit 10 % der Höchstleistungssumme berechnet, die für jede der Kläger unter Berücksichtigung der 50 prozentigen Progression zu berechnen ist.
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