Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 578/04
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 50.072,72 € - i.B.: fünfzigtausendzweiundsiebzig 72/100 Euro - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 5.375,58 € seit dem 01.08.2004, 01.11.2004, 01.02.2005, 01.05.2005, 01.08.2005, 11.11.2005, 01.02.2006, 01.05.2006 und 01.08.2006 sowie auf 203,10 € ab dem 07.01.2005 und auf weitere 1.489,40 € ab dem 14.12.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger unterhält bei dem Beklagten seit dem 1.12.1995 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unter Geltung der Allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeitsleistungen des Beklagten auf Basis einer Kapitallebensversicherung. Versicherte Leistungen sind bei Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente von 3.000 DM sowie Beitragsbefreiung. Der monatliche Beitrag beträgt 67,70 €.
3Ab dem 1.11.1997 erkannte der Beklagte seine Leistungspflicht an, nachdem der Kläger an einer Fibromyalgie erkrankt war. Der Kläger war zuvor als Geschäftsführer der Rettungswache F bei der Q GmbH tätig. In der Folgezeit erbrachte der Beklagte vertragsgemäße Leistungen, zuletzt eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von vierteljährlich 5.375,58 €.
4Anlässlich einer Überprüfung der Berufsunfähigkeit im Jahr 2002 teilte der Kläger in dem ihm übersandten Fragebogen des Beklagten am 7.10.2002 mit, keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen und nicht aktiv selbständig tätig zu sein. Mit Schreiben vom 25.11.2002 führte der Kläger aus, dass er keine der in der beigefügten Arbeitsplatzbeschreibung genannten Tätigkeiten mehr ausübe. Auf das Schreiben nebst Anlage (Bl.50 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Bei einer weiteren Nachprüfung machte der Kläger am 2.3.2004 die nämlichen Angaben wie am 7.10.2002. Wegen des Internet-Auftritts der Q GmbH, der neben zwei weiteren Gesellschaftern den Kläger als Gesellschafter nennt und die berufliche Qualifikation jedes Gesellschafters anspricht, bat der Beklagte um weitere Auskünfte zur Tätigkeit des Klägers und um Kopien der Einkommensteuerbescheide seit 2000 und des Gesellschaftervertrages. Dies lehnte der Kläger zunächst ab, da dort Daten seiner Ehefrau bzw. seiner Mitgesellschafter seien, mit deren Offenlegung diese nicht einverstanden seien. Mit Schreiben vom 20.4.2004 wies der Beklagte auf Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Mitwirkungspflicht hin und kündigte die Einstellung der Leistungen bei Nichtvorlage der Unterlagen an. Entsprechend dem Schreiben des Beklagten vom 9.6.2004 erfolgte die Leistungseinstellung zum nächsten Vierteljahreszeitraum am 1.8.2004.
5Mit der am 6.12.2004 eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst die fälligen Leistungen begehrt. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 12.4.2005 hat der Kläger Auskunft dahingehend erteilt, dass er neben Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, nämlich als Geschäftsführer der Q GmbH im Jahr 2000 in Höhe von 154.637 DM, 2001 in Höhe von 169.637 DM, 2002 in Höhe von 74.903 € und 2003 in Höhe von 60.940 € erzielt habe. In der Folge übersandte der Kläger dem Beklagten die maßgeblichen Steuerbescheide. Mit Schreiben vom 26.7.2005 focht der Beklagte seine konkludenten Leistungsentscheidungen hinsichtlich der in den Jahren 2001 und 2002 durchgeführten Nachprüfungsverfahren wegen arglistiger Täuschung durch falsche Angaben des Klägers zu Tätigkeit und Einkommen an.
6Klagerweiternd macht der Kläger nunmehr Berufsunfähigkeitsrente bis einschließlich Oktober 2006 sowie Rückzahlung der bis August 2006 geleisteten Beiträge geltend. Er überreichte Kopie des Gesellschaftsvertrags der Q GmbH vom 26.5.1993.
7Er behauptet, er habe die Unterlagen allein wegen der dort enthaltenen Daten seiner Ehefrau und der Mitgesellschafter nicht vorgelegt. Seine berufliche Tätigkeit habe sich seit 2002 nicht verändert Er sei für die GmbH nur noch in beratender Funktion tätig gewesen; dabei sei er durchschnittlich einmal im Monat von den Mitgesellschaftern angerufen worden. Seine Kapitaleinkünfte seien aus steuerlichen Gründen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit deklariert worden; er habe keine unselbständige Tätigkeit ausgeübt.
8Der Kläger beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen, an ihn 50.140,42 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 5.375,58 € seit dem 1.8.2004, 1.11.2004, 1.2.2005, 1.5.2005, 1.8.2005, 11.11.2005, 1.2.2006, 1.5.2006 und 1.8.2006 sowie auf 270,80 € ab dem 7.1.2005 und auf weitere 1.489,40 € ab dem 14.12.2006 zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Kläger. Im Übrigen sei er gehindert, eine abschließende Entscheidung zu treffen, da nicht beurteilt werden könne, ob sich der Kläger durch Umorganisation ein Betätigungsfeld schaffen könne. Die Zahl der hauptberuflichen Mitarbeiter der Q GmbH habe sich seit der Anzeige der Berufsunfähigkeit durch den Kläger vervielfacht, wie dem Internetauftritt der Firma zu entnehmen sei.
13Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Kammer hat den Kläger persönlich gehört.. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2006 Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die Klage ist im wesentlichen begründet. Dem Kläger steht aufgrund des Anerkenntnisses des Beklagten ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen im geltend gemachten Zeitraum zu.
16- Der Beklagte ist nicht wegen Verletzung einer Mitwirkungspflicht seitens des Klägers vorübergehend leistungsfrei gem. §§ 8 der BUBedingungen, 6 Abs. 3 VVG geworden. Denn der Kläger ist hinsichtlich der Folgen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht ordnungsgemäß belehrt worden, so dass die Obliegenheitsverletzung des Klägers nicht zur Leistungsfreiheit des Beklagten führt. Der Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass bei grob fahrlässiger Verletzung der Mitwirkungspflicht die Leistungspflicht des Beklagten fortbesteht, soweit die Verletzung keinen Einfluss auf den Umfang der dem Beklagten obliegenden Leistung hatte. und dass sie bei vorsätzlicher Verletzung ohne Folgen gänzlich entfällt. Dies ist weder im Schreiben vom 20.4.2004 noch im Schreiben vom 9.6.2004 geschehen. Auf die Belehrung kann auch nicht wegen Arglist des Klägers verzichtet werden. Nur bei bewie-sener Arglist tritt Leistungsfreiheit trotz Fehlens einer zutreffenden Belehrung ein (BGH, VersR 1991,1129; 1976,383; OLG Hamm, OLG Report 1998, 202/205). Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers ist nicht festzustellen, dass der Kläger arglistig handelte, als er die Steuerbescheide und den Gesellschaftsvertrag im Nach-prüfungsverfahren nicht vorlegte. Vielmehr glaubte er sich berechtigt, diese Unterlagen zurückhalten zu dürfen, da sie Daten Dritter enthielten. Im Übrigen wäre auch mit Vorlage der Steuerbescheide nicht notwendig eine Falschangabe in den Fragebögen vom 7.10.2002 und 2.3.2004 zu Ziffer 1. für den Beklagten offensichtlich geworden, da in den Fragebögen des Beklagten nicht nach der Einkunftserzielung aus nichtselbständiger Tätigkeit, sondern nach der Tätigkeit selbst gefragt wird.
- Der Beklagte ist auch nicht wegen der Anfechtung seiner konkludenten Entscheidung im Jahre 2002 dem Kläger weiter Leistungen zu gewähren, gem. § 142 Abs.1 BGB leistungsfrei geworden. Dabei kann offen bleiben, ob die Weiterzahlung nach Abschluss eines Nachprüfungsverfahrens eine anfechtbare Willenserklärung darstellt, da sie das zu prüfende Anerkenntnis weiter aufrechterhält (vgl. Rixecker in Beckmann/Matusche–Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch § 46 Rn. 192 zur Änderungs-mitteilung). Denn jedenfalls ist eine Arglist des Klägers nicht festzustellen. Der Kläger hat plausibel dargelegt, dass er keine Tätigkeiten für die Firmen, deren Gesellschafter er ist, ausübt, mit Ausnahme einer gelegentlichen telefonischen Beratung der weiteren GmbH-Gesellschafter. Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem Internet-Auftritt der Q GmbH, denn dort wird nur das Können der Gesellschafter, nicht aber ihre tatsächliche Tätigkeit, angesprochen. Im Übrigen beseitigte die erfolgreiche Anfechtung auch nur die Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, nicht aber das den Leistungen zugrundeliegende Anerkenntnis aus dem Jahr 1997. Dieses könnte der Beklagte nur durch eine begründete Mitteilung der Leistungseinstellung wegen neuer beruflicher Entwicklungen beim Kläger, die bislang nicht erfolgte, ändern. Hieraus ergibt sich, dass der Beklagte auch nicht wegen einer behaupteten Umorganisation im Betrieb der Q GmbH vorübergehend leistungsfrei geworden ist. Sofern er meint das Nachprüfungsverfahren deswegen noch nicht abschließen zu können, berechtigt dies ihn jedoch mangels fortbestehender Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht, die anerkannten Leistungen weiter zurückzuhalten.
- Die Höhe des Anspruchs war um einen Monatsbeitrag von 67,70 € zu vermindern, da statt der geltend gemachten 26 Monatsbeiträge für die Zeit vom 1.8.2004 bis zum 31.8.2006 nur 25 Monatsbeträge zuzusprechen sind.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286,288 BGB.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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Referenzen
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