Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 193/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht der Firma X in B (im Folgenden Firma X) Rückerstattung von Zahlungen für Stromlieferungen.
3Die Firma X schloss 1983 und 1990 mit der Firma W AG E Stromlieferungsverträge für ihre Werke in B und N, Ortsteil H. Zum Inhalt der Verträge wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift und die Anlage B 1 zur Klageerwiderungsschrift Bezug genommen. Die Verträge wurden von der Firma W AG im Mai 1995 zum 31.12.1995 gekündigt.
4Die Firma W AG übertrug den Bereich der Energieversorgung mit Wirkung vom 01.07.1995 auf ihre im März 1995 gegründete Tochterfirma W2 AG. Diese teilte der Firma X mit Schreiben vom 26.06.1995 mit, sie übernehme mit Wirkung vom 01.07.1995 die Stromlieferungsverträge, die inhaltlich unverändert fortbestehen. Zum Inhalt der Schreiben wird auf die Anlagen B 2 und B 3 der Klageerwiderungsschrift Bezug genommen. Die Rechnungsstellung erfolgte in der Folge durch die Firma W2 AG. Diese schloss mit der Firma X am 12.02.1996 einen neuen Stromlieferungsvertrag für das Werk N. Zum Inhalt des Vertrages wird auf die Anlage K 2 der Klageschrift Bezug genommen.
5Die Beklagte ist auf Grund Verschmelzungsvertrages der Firma S AG und der Firma W AG Rechtsnachfolgerin der letzteren. Rechtsnachfolger der Firma W2 AG ist die Firma S2 AG.
6Am 23.12.2004 schloss die Firma X mit der Klägerin einen Forderungskaufvertrag betreffend Rückforderungsansprüche der Firma X. Sie trat gegenwärtige und künftige Forderungen gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen "W, E (heute= S)" ab. Zum Inhalt der Abtretungsvereinbarung wird auf Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen.
7Die Klägerin beantragte unter dem 30.12.2004 Erlass eines Mahnbescheids über 13.833.658,00 € nebst Zinsen wegen "ungerechtfertigter Bereicherung gemäß Stromerstattung vom 01.01.1994 bis 31.12.1998". Der Mahnbescheid wurde der Beklagten am 27.01.2005 zugestellt. Die Klägerin beantragte die Durchführung des streitigen Verfahrens nur wegen eines Betrages von 5.410.052,17 € für Ansprüche in der Zeit vom 01.01.1990 bis zum 31.12.1995.
8Die Klägerin hält den Stromlieferungsvertrag wegen intransparenter Preisregelung für unwirksam und die abgerechneten Vertragspreise, da auf Grund einer nachvollziehbaren Preisänderungsklausel willkürlich angesetzt, für unbillig. Sie erklärt gemäß § 318 BGB die Anfechtung der Leistungsbestimmungen und errechnet auf der Grundlage einer Grundsatzanalyse eines Privatgutachters zur Erlös- und Kostenstruktur der Beklagten für die beiden Werke ein Minderkostenpotential in Höhe von 3.811.624,02 DM brutto und 6.769.518,31 DM brutto.
9Die Klägerin behauptet, über eine Inkassoerlaubnis zu verfügen, die auch einen Ankauf fremder Forderungen zum Zwecke der Geltendmachung umfasse. Die Ansprüche seien auch ordnungsgemäß abgetreten worden. Die Abtretung sei, da alle Essentialia einer Bestimmtheit und Bestimmbarkeit enthaltend, wirksam. Im Zeitraum 1994 und 1995 sei Vertragspartner der Firma X nur die Firma W AG gewesen. Die Schreiben der Firma W2 AG vom 26.06.1995 stellten nur einen Schuldbeitritt dar. Die Firma W2 AG sei frühestens zum 01.01.1996 Vertragspartner geworden.
10Die Klägerin hält Ansprüche der Firma X weder für verjährt noch für verwirkt. Es gelte die Verjährungsfrist von 30 Jahren des § 195 BGB a. F., da erst durch die Leistungsbestimmung des Gerichts auch der Rückforderungsanspruch entstehe und vor seiner Entstehung keine Verjährung eintreten könne. Die Zedentin habe Ansprüche über längere Zeit nicht geltend gemacht, weil sie schlichtweg keine Kenntnis von anspruchsbegründenden Umständen gehabt habe.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.410.052,17 € nebst 5 % Zinsen aus 2.426.289,44 € seit dem 01.01.1995, aus 2.983.762,73 € seit dem 01.01.1996 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 5.410.052,17 € ab dem 01.05.2000 bis einschließlich 31.12.2001 sowie 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 5.410.052,17 € seit dem 01.01.2002 zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte hält die Klägerin nicht für aktivlegitimiert und sich selbst nicht für passivlegitimiert. Die Abtretungsvereinbarung sei nicht hinreichend bestimmt und daher unwirksam. Es werde nicht deutlich, für welche der rechtlich selbständigen Stromlieferverträge die Abtretung geltend soll. Es bliebe auch offen, ob Ansprüche gegen sie oder gegen die Firma S2 AG geltend gemacht werden sollen. Die Zedentin habe der Vertragsübertragung auf die Firma W2 AG in beiden Versorgungsfällen zugestimmt durch Nichtkündigung der streitgegenständlichen Stromlieferungsverträge und anstandslose Begleichung der Rechnungen der W2 AG.
16Die Beklagte beruft sich auf Verjährung und Verwirkung. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a. F., da der geltend gemachte Bereicherungsanspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung gerichtet sei. Rückforderungsansprüche würden, da ein unbillig festgesetztes Entgelt von vornherein nicht fällig werde, mit der Zahlung entstehen und nicht erst mit einem gerichtlichen Gestaltungsurteil. Selbst bei Anwendung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. seien die Forderungen mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt gewesen. Hemmung der Verjährung sei nicht eingetreten, weil im Mahnbescheidsantrag pauschal und ohne Spezifizierung ein Anspruch für einen Zeitraum von 5 Jahren er geltend gemacht wurde. Die Zedentin habe sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen gekannt oder hätte sie kennen können. Sie hätte den Unbilligkeitseinwand auch zeitnah geltend machen müssen. Wer angeblich unbillige Entgelte ohne Weiteres bezahlt und jahrelang zuwarte, bis die ihm bekannten Entgelte angegriffen werden, habe sein Recht verwirkt.
17Rückzahlungsansprüche seien zudem nicht gegeben. Die Firma X als Sondervertragskunde sei auf Grund individueller Vereinbarungen nicht auf Grund allgemeiner Tarife beliefert worden, so dass eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB schon nicht in Betracht komme. Unbilligkeit sei zudem nicht gegeben und von der insoweit darlegungs- und beweisbelastenden Klägerin nicht dargetan. Das vorgelegte Parteigutachten sei, da zum großen Teil auf aus dem Zusammenhang gerissener Darstellung aus Geschäftsberichten beruhend im Ansatz ungeeignet zum Beweis von Preisüberhöhungen.
18Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist unbegründet.
21Es kann dahinstehen, ob Ansprüche der Firma X auf Rückzahlung geleisteter Stromzahlungen bestanden und ob diese von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemacht werden können. Die Beklagte kann sich mit Erfolg auf Verjährung berufen.
22Für Bereicherungsansprüche der Firma X gemäß § 812 BGB gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a. F.. Da die letzte Zahlung der Firma X im Januar 1996 erfolgte, ist Verjährung zum 31.12.2004 eingetreten. Das ab dem 01.01.2002 geltend neue Verjährungsrecht findet keine Anwendung gemäß Artikel 29, § 6 Abs. 1 EGBG. Der erst nach Eintritt der Verjährung beantragte Mahnbescheid konnte eine Verjährungshemmung nach § 204 BGB n. F. nicht bewirken.
23Rückforderungsansprüche unterliegen der vierjährigen Verjährung nach § 197 BGB a. F., wenn es sich um die Rückforderung wiederkehrend erbrachter Leistungen handelt (BGH, Urteil vom 26.04.1999, Kopie Anlage B 4 zur Klageerwiderungsschrift). Dies gilt auch bei Rückforderungsansprüchen aus Energielieferverträgen. Die Firma X hat Zahlungen auf Grund monatlicher Abrechnungen erbracht und damit wiederkehrend geleistet. Dass der Zahlungsanspruch des Energielieferanten bei Anwendbarkeit der Billigkeitsregelung des § 315 BGB im Fall der Unbilligkeit der Leistungsbestimmung erst mit gerichtlicher Leistungsbestimmung fällig wird, ist für die Frage der Verjährung des Rückforderungsanspruchs ohne Belang. Eine Forderung wird fällig, sobald der Gläubiger die Leistung verlangen und entsprechende Klage erheben kann. Dies gilt auch für eine Rückzahlungsforderung. Rückzahlung einer Leistung als ungerechtfertigte Bereicherung infolge Unbilligkeit der Leistungsbestimmung kann sofort verlangt werden, weil der Unbilligkeitseinwand sofort erhoben werden kann. Die Rückzahlungsforderung kann auch durch Leistungsklage geltend gemacht werden. Ausnahmsweise ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig, da der Zahlungsbetrag erst vom Gericht nach § 315 BGB rechtsgestaltend zu bestimmen ist.
24Deliktische Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 26, 32 GWB, 826 BGB sind ebenfalls verjährt. Es gilt insoweit die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB a. F.. Kenntnis der Firma X von der schädigenden Handlung und der Person des Schädigers lag zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlungen vor. Das neue Verjährungsrecht findet keine Anwendung, da Verjährung vor dem 01.01.2002 eingetreten war.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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