Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 S 140/06
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 30.10.2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 22.10.2005, der sich in E auf der B ### n in Fahrrichtung T ereignete. Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten zu 2.) ihren Schäden geltend und forderte diese zur Zahlung folgender Beträge auf:
4
Sachverständigenkosten | 513,20 € |
Reparaturkosten nach Rechnung | 3.560,45 € |
Pauschale | 25,00 € |
Mietwagenkosten | 2.998,07 € |
Gesamt | 7096,72 € |
5
Die Beklagte zu 2.) zahlte unter Berücksichtigung einer hälftigen Schadensteilung einen Betrag in Höhe von 2.534,13 €.
6Die Parteien haben in erster Instanz zum einen über die Haftungsquote und zum andern über die Schadenshöhe gestritten. Streitig sind dabei u.a. die Ersatzfähigkeit der Sachverständigenkosten und der Mietwagenkosten gewesen.
7Das Amtsgericht hat die Beklagten nach Beweisaufnahme dazu verurteilt, weitere 271,17 € zu zahlen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit Berufung.
8Nachdem die Klägerin mit der Berufung zuerst beantragt hat, die Beklagten zur Zahlung weiterer 4.291,42 € zu verurteilen, hat sie mit Schriftsatz vom 11.01.2007 den Rechtsstreit in Höhe von 1.630,23 € für erledigt erklärt. In dieser Höhe hat die Vollkaskoversicherung der Klägerin 50 % der Reparaturkosten am 10.01.2007 gezahlt.
9Die Klägerin beantragt nunmehr,
10unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 30.10.2006 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin über den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 271,17 € hinaus weitere 4.291,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2006 zu zahlen, abzüglich von der D als Vollkaskoversicherung unter dem 10.01.2007 gezahlter 1.630,23 € zu zahlen;
11festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 1.630,23 € erledigt ist.
12Die Beklagten beantragen,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.
15II.
16Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine weiteren Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten zu. Diese ergeben sich nicht aus §§ 7, 17, 18 StVG, 3 PflVG.
17A.
18Die Kammer muss bei ihrer Entscheidung gem. § 529 ZPO von dem Sachverhalt ausgehen, wie er vom Amtsgericht nach Beweisaufnahme festgestellt worden ist. Das Amtsgericht hat umfassend Beweis erhoben und diese Beweise in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu 1.) persönlich angehört, umfassend Zeugen vernommen und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen.
19Die Kammer geht auf dieser Grundlage mit dem Amtsgericht davon aus, dass der Beklagte zu 1.) verbotswidrig den Seitenstreifen befahren hat. Weiter steht aber auch fest, dass die Tochter der Klägerin auf den Seitenstreifen fahren wollte, um am Stauende vorbeizufahren. Bei dem Wechsel des Fahrstreifens hat sie jedoch das Fahrzeug des Beklagten zu 1.) übersehen. Wegen der Feststellungen im einzelnen kann auf die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen werden.
20B.
21Bei der Haftungsverteilung geht die Kammer jedoch davon aus, dass das Verschulden auf Seiten der Klägerin stärker wiegt, als das Verschulden auf Seiten der Beklagten, so dass die Klägerin für den entstandenen Schaden zu 2/3 Anteil und die Beklagten zu 1/3 Anteil haften. Da auf beiden Seiten ein Verkehrsverstoß festzustellen war, war der Unfall für keine Partei unabwendbar. Bei der Bewertung der Verursachungsanteile ist zum einen zu berücksichtigen, dass beide Unfallbeteiligten versucht haben, verbotswidrig auf dem Seitenstreifen am Stauende vorbeizufahren. Auf Seiten der Klägerin ist aber zu berücksichtigen, dass sich der Unfall bei einem von ihrer Tochter eingeleiteten Fahrstreifenwechsel ereignet hat. Bei dem Wechsel des Fahrstreifens ist eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen, die hier nicht eingehalten worden ist. Die Tochter der Klägerin hat vielmehr zumindest den Anhänger des Beklagtenfahrzeugs übersehen. Die mangelnde Sorgfalt beim Versuch, den Fahrstreifen zu wechseln, erhöht den Haftungsanteil der Klägerin, so dass die Kammer insgesamt von einer Haftung von 2/3 zu Lasten der Klägerin ausgeht.
22C.
23Auf der Grundlage dieser Haftungsverteilung ergibt sich kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten, nachdem die Beklagte zu 2.) außergerichtlich 2.534,13 € gezahlt hat und das Amtsgericht der Klägerin rechtskräftig weitere 271,17 € zugesprochen hat.
241. Bei der Schadenshöhe hat die Kammer eingestellt, dass der Klägerin unstreitig ein Fahrzeugschaden in Höhe von 3.560,45 € entstanden ist. Weiterhin steht der Klägerin unstreitig eine Unfallpauschale in Höhe von 25 € zu.
252. Die Kammer berücksichtigt weiter die vollen Sachverständigenkosten in Höhe von 513,20 €. Eine Kürzung um 15,60 €, wie sie das Amtsgericht vorgenommen hat, ist nicht gerechtfertigt. Der Sachverständige hat zwar in erster Instanz erläutert, dass der berechnete Stundenaufwand für die Organisation, Film, Post usw. in der Grundgebühr enthalten sein müssten. Die Kammer kann nicht feststellen, dass der Gesamtbetrag der Sachverständigenkosten unangemessen ist. Das Gericht kann lediglich überprüfen, ob der Kfz - Sachverständige die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung überschritten hat (vgl. BGH NJW 2007, S. 1450). Dies ist im vorliegenden Fall nicht der Fall. Hätte der Kfz – Sachverständige den Betrag in Höhe von 15,60 € in seine Grundgebühr eingerechnet, wäre trotzdem die Grenze der zulässigen Preisgestaltung nicht überschritten, so dass auch der Gesamtbetrag nicht beanstandet werden kann.
263. Schließlich kann die Klägerin insgesamt nur Mietwagenkosten in Höhe von 1.487,53 € in ihre Abrechnung einstellen. Der Klägerin steht gem. § 249 BGB kein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Mietwagenkosten in voller Höhe zu.
27Der geltendgemachte Tarif ist deutlich überhöht. Die Klägerin berechnet insgesamt 2.998,07 €. Wie an späterer Stelle weiter auszuführen ist, übersteigt dieser Tarif den Normaltarif des Schwacke – Automietpreisspiegels 2003 unter Berücksichtigung der allgemeinen Preisentwicklung, der insgesamt bei 1.004,00 € liegt, erheblich.
28Es kann dahinstehen, ob der gewählte Tarif ausdrücklich als Unfallersatztarif bezeichnet worden ist oder ob es sich um einen einheitlichen Tarif handelt, der z.B. wie hier als Normaltarif bezeichnet wird. Die Kammer stellt allein auf die Höhe des Tarifs und dessen Ausgestaltung ab. Danach handelt sich im vorliegenden Fall um einen Tarif, auf den die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Unfallersatztarif Anwendung findet.
29Ein Unfallersatztarif ist nur insoweit ein erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung gem. § 249 Abs. 2 BGB, als die Besonderheiten dieses Tarifs einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung erforderlich sind (vgl. BGH NJW 2005, 1933).
30Die Klägerin kann den gewählten Unfallersatztarif nicht mit der Begründung verlangen, dass ihr ein anderer Tarif nicht zugänglich gewesen ist. Einen ungerechtfertigt überhöhten Unfallersatztarif kann der Geschädigte nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie den gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (vgl. BGH NJW 2005, 1933 f.).
31Entscheidend ist, dass die Klägerin nicht vorgetragen hat, sich bei der Fa. B Autovermietung GmbH oder einem anderen Unternehmen überhaupt nach Preisen oder anderen Tarifen erkundigt zu haben. Die Klägerin hat sich danach offensichtlich nicht dafür interessiert, in welcher Höhe Mietkosten überhaupt entstehen werden. Zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif ist ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter schon unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich aus dessen Höhe sowie der kontroversen Diskussion und der neueren Rechtsprechung zu diesen Tarifen ergeben können. Auch liegt eine Nachfrage im eigenen Interesse des Geschädigten, weil er anderenfalls Gefahr läuft, dass ihm ein nach den oben dargelegten Grundsätzen überhöhter Unfallersatztarif nicht in vollem Umfang erstattet wird. Dabei kann es, je nach Lage des Einzelfalls, auch erforderlich sein, sich anderweitig nach günstigeren Tarifen zu erkundigen (vgl. BGH NJW 2005, S. 1933 f.).
32Es kann dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich seinerzeit nicht über eine Kreditkarte verfügt hat. Selbst wenn dies der Fall war, lässt eine fehlende Kreditkarte die Zugänglichkeit anderer Tarife nicht entfallen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.03.2007 entschieden, dass die Frage, ob der Geschädigte in Fällen der Inanspruchnahme eines Mietwagens nach einem Verkehrsunfall zum Einsatz seiner Kreditkarte oder zu einer sonstigen Art der Vorleistung verpflichtet ist, nicht generell verneint werden kann, es vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall, insbesondere darauf ankommt, ob dem Geschädigten der Einsatz einer Kreditkarte oder die Stellung einer Kaution möglich und zumutbar ist (BGHZ 163, 19, 26). Dies wird weitgehend von Art und Ausmaß der Beschädigung des Fahrzeugs sowie von den Umständen abhängen, in denen der Geschädigte durch den Schaden betroffen wird, insbesondere von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, wobei es ihm grundsätzlich zuzumuten ist, die im Zusammenhang mit der Instandsetzung anfallenden Kosten ohne Rückgriff auf einen Bankkredit aus eigenen Mitteln vorzustrecken, wenn dies ohne besondere Einschränkung der gewohnten Lebensführung möglich ist (vgl. BGHZ 61, 346, 350; BGH NJW 2007, S. 1676).
33Die Klägerin hat auf Nachfrage der Kammer erklärt, dass ihr wirtschaftlich die Leistung eines Vorschusses möglich gewesen wäre. Der pauschale Hinweis, ihre Lebensplanung und ihre wirtschaftliche Planung ginge nicht in diese Richtung, genügt nicht, um die Zugänglichkeit entfallen zu lassen.
34Die Klägerin kann im Rahmen des Schadensausgleiches daher nur den tatsächlich erforderlichen Aufwand ersetzt verlangen. Das der verlangte Tarif in voller Höhe betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist, ist nicht hinreichend dargetan. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage ist nicht Auffassung der Kammer nicht geboten. Die Erfahrung der Kammer in einer Vielzahl von Verfahren hat gezeigt, dass eine Begutachtung der betriebswirtschaftlichen Struktur der Unfallersatztarif bislang ohne Erfolg geblieben ist. Die Mietwagenunternehmen waren bislang nicht gewillt, die betriebsinterne Kalkulation offen zu legen. Dazu sind sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht verpflichtet. Ohne diese genauen Daten kann aber eine verlässliche Begutachtung, die zu konkreten Zahlen kommt, nicht erfolgen.
35Die Kammer kann jedoch den erforderlichen Aufwand gem. § 287 ZPO schätzen. Der Bundesgerichtshof hat zuletzt in seinem Urteil vom 30.01.2007 (BGH NJW 2007, 1124 m.w.N.) nochmals entschieden, dass es nicht erforderlich ist, dass der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines "Unfallersatztarifs" die Kalkulation des konkreten Unternehmens in jedem Fall nachvollzieht. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht kommt.
36Die Kammer geht bei ihrer Schadenschätzung gem. § 287 ZPO von folgenden Erwägungen aus:
37Die Kammer weiß aus zahlreichen Verfahren, in denen die Mietwagenunternehmen ihre Tarife und ihren Aufwand allgemein dargelegt haben, dass die Kosten eines sog. Unfallersatztarifs in der Regel höher sind, als die Leistungen in einem sog. Normaltarif (vgl. BGH NJW 2005, 51, 53; OLG Köln, Urteil vom 02.03.2007, 19 U 181/06). Insoweit besteht Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, dass es sich bei dem Normaltarif, also einem Tarif für Selbstzahler, der unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (vgl. BGH, NJW 2005, 1041, 1042), um den Mindestbetrag der zu ersetzenden Mietwagenkosten handelt.
38Deshalb geht auch die Kammer bei der Berechnung des erforderlichen Aufwandes als Mindestbetrag von dem Normaltarif aus. Zur Ermittlung dieser Kosten stellt der sog. gewichtete Normaltarif nach dem Schwacke - Automietpreisspiegel 2003 für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten einen geeigneten Anknüpfungspunkt dar (vgl. BGH Urteil vom 4.7.2006 - VI ZR 237/05, in: NJW 2006, 2693 ff.; OLG Köln, a.a.O.).
39Die Kammer legt bei ihrer Schätzung nicht den neueren Schwacke – Automietpreisspiegel aus dem Jahre 2006 zugrunde. Diese Liste ist derzeit stark umstritten, so dass sie sich nach Auffassung der Kammer nicht als zuverlässige Schätzgrundlage eignet. Die Kammer hat Bedenken, ob diese Liste die marktwirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich realistisch abbildet. Die Normaltarife, wie sie sich aus der neuen Liste ergeben, liegen zum Teil erheblich über den Beträgen, die sich noch aus dem alten Schwacke – Automietpreisspiegel ergeben (vgl. Richter, VersR 2007, S. 620).
40Aus dem Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2003 bis 2006 ergibt sich, dass sich die Preise zwischen 2003 und 2006 relativ stabil gehalten haben. Danach liegt die allgemeine Preissteigerung im Vergleich zum Vorjahr 2003 bei 1,1 %, 2004 bei 1,6 %, 2005 bei 2,0 % und 2006 bei 1,7 %. Im Bereich "Verkehr" liegen die entsprechenden Werte bei 2,1 %, 2,4 %, 4,2 % und 2,8 %. Dabei ist aber zu berücksichtigen, das hier erheblich die gestiegenen Energiekosten ins Gewicht fallen. Diese sind jedoch im Mietwagengeschäft vom Mieter zu tragen.
41Die Kammer hat weiter eine allgemeine Recherche im Internet durchgeführt. Diese hat ergeben, dass auch im Jahre 2007 noch Mietwagen für Preise angeboten werden, die erheblich unter den Preisen liegen, die sich sogar aus dem Schwacke - Automietpreisspiegel 2003 ergeben. Aus dem Vorwort zu dem neuen Schwacke – Automietpreisspiegel ergibt sich, dass eine Internetabfrage nicht erfolgt und dort angebotene Preise nicht berücksichtigt worden sind.
42Die Bedenken gegen die neue Liste rechtfertigen sich nach Auffassung der Kammer auch daraus, dass bei dem gewichteten Mittel kein Eingang findet, in welchem Umfang die Autovermietungsfirma, die Preise angegeben haben, am Markt teilhaben. Der Schwacke – Automietpreisspiegel 2006 ist daher für die Kammer keine geeignete Grundlage für eine Schadensschätzung gem. § 287 ZPO.
43Die Kammer verkennt nicht, dass sich ähnliche Probleme auch bei der Schwacke - Automietpreisspiegel 2003 ergeben. Diese Liste ist jedoch allgemein anerkannt. Sowohl die Gerichte als auch die Unfallbeteiligten und die Versicherungsunternehmen haben in der Vergangenheit den Normaltarif der alten Schwacke – Automietpreisspiegel nicht in Frage gestellt und auf dieser Grundlage abgerechnet. Eine bessere Vergleichsgrundlage ist nicht ersichtlich. Eine allgemeine Marktforschung können auch die Gerichte nicht durchführen. Zudem hat die Erfahrung gezeigt, dass selbst die Einholung von Sachverständigengutachten zu dieser Frage nicht weiter führt.
44Die Kammer ist aber der Ansicht, dass die allgemeine Preissteigerung nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben kann und daher zu einem Aufschlag auf den Normaltarif nach dem Schwacke- Automietpreisspiegel 2003 führen muss. Auf der Grundlage der oben dargestellten und sich aus dem Verbraucherpreisindex ergebenden Werte (Allgemein / Verkehr) schätzt die Kammer eine jährliche Preissteigerung seit dem Jahre 2003 von 2 %.
45Bei der Abrechnung der Mietwagenkosten sind die sich bei mehrtätiger Vermietung ergebenden Reduzierungen nach dem Schwacke - Automietpreisspiegel nach Wochen-, Dreitages- und Tagespauschalen zu berücksichtigen (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Es findet keine Multiplikation des Tagessatzes mit der Anzahl der Miettage statt. Der Kammer ist bekannt, dass sich Unfallgeschädigte bei der Abgabe des Fahrzeugs zur Reparatur in einer Fachwerkstatt – auch im eigenen Interesse - nach der voraussichtlichen Reparaturdauer erkundigen und diese auch einigermaßen zuverlässig erfahren. Zum anderen sind selbst dann, wenn sich die ursprünglich ins Auge gefasste Mietzeit – zum Beispiel wegen unvorhergesehen längerer Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer - als zu kurz herausgestellt haben sollte, keine schutzwürdigen Interessen des Unternehmens ersichtlich, die dagegen sprechen würden, im Nachhinein auf der Basis günstigerer Mehrtagessätze abzurechnen. Der Aufwand bei mehrtägiger Vermietung an denselben Kunden ist selbstverständlich geringer als bei mehrmaliger eintägiger Vermietung an verschiedene Kunden, da einmalige Kosten (zum Beispiel für die Vertragsausfertigung, Übergabe, Rücknahme und Reinigung des Fahrzeugs usw.) auch dann nicht wiederholt anfallen. Der mit der – in der Regel telefonisch möglichen – Vereinbarung einer Verlängerung der ursprünglich vorgesehenen Mietdauer verbundene Aufwand dürfte nicht nennenswert ins Gewicht fallen, jedenfalls aber wird dieser Aufwand durch den aus den nachfolgenden Gründen zu gewährenden pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif hinreichend berücksichtigt. Dies gilt auch für etwaige besondere Schwierigkeiten beim Disponieren mit Unfallersatzfahrzeugen wegen der Kurzfristigkeit der Anmeldung von entsprechenden Nutzungswünschen, die im übrigen weitgehend zum unternehmerischen Risiko des Mietwagenunternehmens gehörent.
46Entsprechendes gilt in den umgekehrten Fällen, in denen sich der ursprünglich vorgesehene Mietzeitraum verkürzt, zum Beispiel wegen schnellerer Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Auch insoweit sind – insbesondere im Hinblick auf den zu gewährenden pauschalen Aufschlag - schutzwürdige Interessen des Unternehmens, die dagegen sprechen würden, nachträglich auf der Basis der tatsächlich in Anspruch genommenen Mietdauer abzurechnen, nicht ersichtlich.
47In einigen Verfahren, die die Kammer zu entscheiden hatte, haben die Mietwagenunternehmen selbst auch eine entsprechende Abrechnung nach Mehrtagestarifen vorgenommen.
48Auf diese durch eine Kombination von Wochen-, Dreitages- und Tagestarifen ermittelten Mietwagenkosten nach dem gewichteten Normaltarif des Schwacke - Automietpreisspiegels 2003 zuzüglich der vorgenannten Preissteigerung ist ein pauschaler Aufschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen. Dieser Aufschlag ist zur Bemessung des durchschnittlichen Werts der Mehrleistungen bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen im Vergleich zur "normalen" Autovermietung angemessen und ausreichend (§ 287 ZPO).
49Aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation ist in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich. Zu den durch die Unfallsituation bedingten besonderen Leistungen des Vermieters zählen solche, die bei der gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung zu dem zur Beseitigung des Schadens erforderlichen Aufwand des Geschädigten gehören und nicht nur dem Geschädigten die eigene Mühewaltung oder die Durchsetzung der Ersatzforderung abnehmen, aber in Rechnung stellen (OLG Köln a.a.O.).
50Die Tariferhöhung rechtfertigende Gründe sind etwa:
51- die Vorfinanzierung des Mietzinses bis zur Zahlung durch den Kunden oder die Versicherung;
- das Beschädigungsrisiko bei Fahrzeugen ohne Kreditkartensicherheit oder das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder den Kfz-Vermieter; dabei schätzt die Kammer dieses Risiko als nicht so groß ein wie von den Unternehmen dargestellt, da von diesen regelmäßig nicht dargelegt wird, dass sie tatsächlich offene Restbeträge von ihren Kunden einfordern und dann ausfallen;
- die Fahrzeugvorhaltung, auch schlechter ausgelasteter Fahrzeuge;
- das Erfordernis der Einrichtung eines Notdienstes;
- an Vermittler zu zahlende Provisionen;
- ein erhöhter Verwaltungsaufwand durch Unfallaufnahme etc.;
- das Erfordernis der Umsatzsteuervorfinanzierung.
Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 02.03.2007 (a.a.O.) weiter ausgeführt, dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen wegen vermehrter Beratungs- und Serviceleistungen, erhöhten Verwaltungsaufwands und Zinsverlusten aufgrund von längeren Zahlungsfristen selbst aus Sicht der Versicherungswirtschaft gerechtfertigt und geboten ist. Dies ergibt sich aus einer Zusammenfassung der Gespräche zwischen dem Bundesverband der Autovermieter (BAV) und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zum Thema Mietwagenkosten vom 29.9.2006 (vgl. Wenning, NVZ 2007, 173).
53Der Kammer ist bewusst, dass die Mietwagenunternehmen jeweils ganz unterschiedliche Leistungen anbieten und z.B. nicht alle Unternehmen auch Notdienste unterhalten. Die Kammer ist aber mit dem Oberlandesgericht Köln und vielen anderen Gerichten der Auffassung, dass ein solcher pauschaler Aufschlag unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen wurden, allein praktikabel und notwendig erscheint, um die Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern.
54Die Kammer schließt sich dem Oberlandesgericht Köln an, wenn dieses einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 % für gerechtfertigt hält, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zur "normalen" Autovermietung angemessen zu berücksichtigen. Dieser Prozentsatz bewegt sich im Mittelfeld der von Rechtsprechung und Literatur bislang befürworteten Aufschläge.
55Da die Klägerin einen Mietwagen der gleichen Gruppe angemietet hat, wie der Unfallwagen, zieht die Kammer von den Mietwagenkosten eine Eigenersparnis ab. Mangels anderer Darlegung bewertet die Kammer diese Eigenersparnis mit 10 % (vgl. Palandt - Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 249 Rn. 32 mit Hinweis auf OLG Hamm, VersR 2001, 206;).
56Schließlich sind sog. Nebenkosten zu berücksichtigen. Diese Kosten sind nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke - Automietpreisspiegel 2003 zzgl. der oben genannten Preissteigerung neben dem Normaltarif grundsätzlich erstattungsfähig. Eine gesonderte Vergütung kann jedoch nur insofern verlangt werden, als ausweislich der Mietvertrags- und Rechnungsunterlagen entsprechende Zusatzleistungen erbracht wurden und hierfür eine gesonderte Vergütung verlangt wurde.
57Die Kosten für eine Teil- bzw. Vollkaskoversicherung sind bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs grundsätzlich erstattungsfähig. Unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug ebenfalls voll- oder teilkaskoversichert war, besteht jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse der Kunden, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (vgl. BGH NJW 2005, 1041). Auch wenn in den vorgelegten Rechnungen keine gesonderte Vergütung für die Vollkaskoversicherung berechnet sind, sondern diese Leistungen bereits in deren Tarif enthalten ist, sind die Kosten der Vollkaskoversicherung, die nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke - Automietpreisspiegel zusätzlich zum Normaltarif in Rechnung gestellt werden könnten, erstattungsfähig. Es wäre nicht gerechtfertigt, das Mietwagenunternehmen einerseits auf eine Abrechnung zu dem – gegenüber ihrem Einheitstarif geringeren - Normaltarif nach dem Schwacke - Automietpreisspiegel zu verweisen, andererseits aber die bei einer solchen fiktiven Abrechnung mögliche Berechnung von Kosten für ohne Wahlmöglichkeit des Kunden und/oder zusätzliches Entgelt zur Verfügung gestellte Zusatzleistungen zu verweigern.
58Es besteht weiterhin auch ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Zustellung und Abholung des Mietwagens sowie von Kosten für den zweiten Fahrer. Bei der Zustellung und Abholung des Mietfahrzeugs handelt es sich um nach der Nebenkostentabelle zum Schwacke - Automietpreisspiegel dem Grunde nach erstattungsfähige Zusatzleistungen. Ein Unfallbeteiligter darf grundsätzlich diesen besonderen Service in Anspruch nehmen. Der Betrag laut Schwacke - Automietpreisspiegel bildet insoweit die Höchstgrenze der Erstattungsfähigkeit.
59Auf diese Nebenkosten ist kein (pauschaler) Aufschlag zu machen, da Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Risiken bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen sich auch hinsichtlich dieser Nebenkosten auswirken, weder vorgetragen wurden noch sonst ersichtlich sind.
60Insgesamt ergibt sich folgende Berechnung der erforderlichen Mietwagenkosten:
61
Normaltarif nach Schwacke 2003 | 1004,00 € |
- 10 % Eigenersparnis | 903,60 € |
+ 2 % Preissteigerung pro Jahr | 939,74 € |
+ 20 % Aufschlag | 1.127,69 € |
+ Nebenkosten einschl. Preissteigerung von 2 % jährlich | 359,84 € |
Gesamtkosten | 1.487,53 € |
62
Die Klägerin kann mithin nur diesen Betrag in Höhe von 1.487,53 € geltend machen und in ihre Gesamtberechnung einstellen.
63D.
64Insgesamt kann die Klägerin folgende Schadenspositionen zu Grunde legen:
65
Reparaturkosten | 3.560,45 € |
Sachverständigenkosten | 513,20 € |
Pauschale | 25,00 € |
Mietwagenkosten | 1.487,53 € |
Insgesamt | 5.586,18 € |
Anspruch auf 1/3 Anteil in Höhe von | 1.862,06 € |
66
Auch unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts kann die Klägerin daher keine Schadensersatzansprüche mehr geltend machen, nachdem außergerichtlich bereits 2.534,13 € gezahlt und auch vom Amtsgericht rechtskräftig 271,17 € zugesprochen worden sind. Die Berufung hatte mithin keinen Erfolg und war zurückzuweisen.
67E.
68Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr.10 ZPO.
69Die Revision war nicht gem. § 543 Abs.2 ZPO zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert. Der Bundesgerichtshof hat zu den Rechtsfragen, auf denen das Urteil beruht, bereits mehrfach, zuletzt in den vorstehend zitierten Entscheidungen Stellung genommen.
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