Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 97/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von bis zu 6.000,00 € der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger schloss mit der Beklagten über deren Agentur in E einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, der den Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutz nach § 28 ARB-HRV 94 und den Rechtsschutz für Eigentümer und Mieter von Wohnungen und Grundstücken nach § 29 ARB-HRV 94 für die selbstgenutzte Wohneinheit in D, H-Straße umfasst. Die Selbstbeteiligung je Rechtsschutzfall beläuft sich auf 51,13 €.
3Die vereinbarten ARB enthalten folgende Regelung:
4§ 3: Ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
5(1) in ursächlichem Zusammenhang mit a)..... b)...... c)...... d) aa) dem Erwerb oder der Veräußerung eines zu Bauzwecken bestimmten Grundstückes, bb) ........
6Der Kläger und seine Ehefrau hatten das oben genannte Grundstück mit notariellem Vertrag vom 17.10.1994 von der Stadt D gekauft und nachfolgend gebaut. Im Kaufvertrag ist unter V. geregelt, dass das benachbarte Flurstück X viergeschossig bebaut und voraussichtlich gewerblich genutzt wird. Wegen der Einzelheiten der Regelung wird auf die Kopie des Kaufvertrages (Blatt 26 ff. d. A.) Bezug genommen.
7Der Kläger begehrt Rechtsschutz für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegen die Stadt D wegen Wertminderung seines Grundstücks und der Wohnqualität in Höhe von 30.000,00 €, da statt vier faktisch fünf Geschosse errichtet worden seien und das Bemühen um einen verwaltungsgerichtlichen Baustopp nicht erfolgreich verlaufen war. Mit Schreiben vom 17.08.2006 lehnte die Beklagte Rechtsschutz ab, da der Baurisikoausschluss nach den ARB eingreife.
8Der Kläger meint, die Ausschlussklausel greife nur ein, wenn Streit um Interesse des Bauherrn an der Planung und der Errichtung eines mangelfreien Bauwerkes herrsche. Das Erwerbsrisiko sei auch bei Ausschluss nach § 3 Abs. 1 d aa ARB 94 versichert.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rechtsschutz zu gewähren und Kostendeckungszusage zu erteilen für den beabsichtigten Prozess gegen die Stadt D wegen Wertminderung seines Grundbesitzes durch die Nachbarbebauung.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie meint, die beabsichtigte Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Klägers stehe in ursächlichem Zusammenhang mit dem Erwerb des zu Bauzwecken bestimmten Grundstücks, da der Kläger sich auf die Zusicherung der viergeschossigen Bauweise notariell im Kaufvertrag beziehe. § 3 Abs. 1 d aa) ARB schließe das Erwerbsrisiko aus, ohne dass die zu deckende Rechtsstreitigkeit in einem untrennbaren Zusammenhang mit vom Verkäufer zu erbringenden Bauleistungen stehe.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die zulässige Klage war abzuweisen.
171. Nach den zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungen ist der begehrte Rechtsschutz, der grundsätzlich nach § 2 a, c oder d ARB 94 zu gewähren wäre, durch § 3 Abs. 1 d aa ARB 94 ausgeschlossen. Denn nach dieser Vorschrift besteht kein Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines zu Bauzwecken bestimmten Grundstückes. Diese Formulierung, die sich erheblich von der Bestimmung in
18§ 4 Abs. 1 k ARB 75 unterscheidet, schließt nach dem Wortlaut die mit dem Erwerb zusammenhängenden Rechtsgeschäfte aus. Ob damit, wie die Beklagte meint, das Erwerbs- wie auch das Veräußerungsrisiko umfassend vom Ausschluss erfasst wird oder nach Auffassung des Klägers für das Eingreifes des Ausschlusses die Verwirklichung des typischen Baurisikos erforderlich ist, muss durch Auslegung ermittelt werden.
192) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind versicherungsrechtliche Vertragsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH VersR 2003, 454; VersR 2003 541, 584; VersR 2003, 641, 642; OLG Hamm NJOZ 2006, 282). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH vom 25.04.2007 – IV ZR 85/05; BGH VersR 2005, 682; NJW-RR 2003, 672; OLG Hamm VersR 2005, 1678/80; OLG Karlsruhe VersR 2005, 1681).
20Auszugehen ist vom Wortlaut des § 3 Abs. 1 ARB 94, dem der VN unschwer entnimmt, dass der allgemein zugesagte Versicherungsschutz durch diese Regelung wieder eingeschränkt werden soll. Die dort unter aa bis dd näher ausgestalteten Risikoausschlüsse verfolgen für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar den Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren rechtlichen Streitigkeiten in diesem Bereich vom Versicherungsschutz auszunehmen, weil nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann.
21Bei der Klausel unter aa wird dem verständigen Versicherungsnehmer die erkennbar weite Fassung des Ausschlusses vor Augen geführt. Streitigkeiten im ursächlichen Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines zu Bauzwecken bestimmten Grundstückes werden schlechthin vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Nach dem klaren Wortlaut, der Einschränkungen weder vorsieht noch sonst dafür einen Anhalt bietet, fallen alle Streitigkeiten mit dem Veräußerer eines zu Bauzwecken bestimmten Grundstücks unter die Ausschlussklausel. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird annehmen, dass bereits ein innerer Zusammenhang zwischen dem Erwerbsvorgang und der beabsichtigten Wahrnehmung rechtlicher Interessen ausreicht, um den Ausschluss eingreifen zu lassen. Einen lediglich im Sinne der Äquivalenztheorie ursächlichen Zusammenhang zum Erwerbsvorgang wird er hingegen nicht als ausreichend erachten, den Ausschluss auszulösen, da dann auch die Geltendmachung von Ansprüchen anlässlich eines Unfalls, den der Versicherungsnehmer auf dem Weg zum Notar erleidet, der den Kaufvertrag beurkunden soll, ausgeschlossen wäre, solche Rechtsstreitigkeiten aber in keinem inneren, sondern nur in einem äußeren, losen und eher zufälligen Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang stehen. Für noch weiter reichende Einschränkungen des Risikoausschlusses besteht kein Raum. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des Ausschlusses wird der verständige Versicherungsnehmer folgern, dass das typische Baurisiko bei Grundstückserwerbserträgen mit Bauverpflichtung zum Tragen kommen müsse, um den Ausschluss auszulösen. Vielmehr ist nach zutreffender Auffassung das Erwerbsrisiko schlechthin ausgeschlossen ( Obarowski r+s 2005, 61, 62; Harbauer Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl. 2004, ARB 94 § 3 Rn. 6a jeweils für die hier streitgegenständliche Klausel; offen gelassen von Wendt r+s 2006, 45, 47; vgl. auch BGH VersR 2005, 682 zur Baufinanzierungsklausel in § 3 Abs. 1 d dd ARB 94. Die vom Kläger herangezogene Entscheidung des OLG Stuttgart VersR 2001, 1105 betrifft eine andere Fallgestaltung. Sollte sie dahin zu verstehen sein, dass für alle unter § 3 Abs. 1 d aufgeführten Ausschlusstatbestände die Verwirklichung eines typischen Baurisikos gefordert wird, könnte die Kammer sich ihr nicht anschließen.
223. Nach der vorgenommenen Auslegung fällt das Rechtsschutzbegehren des Klägers unter den Risikoausschluss des § 3 Abs. 1 d aa ARB 94. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Klage gegen den Grundstücksveräußerer wegen Wertminderung und dem Erwerbsvorgang ist gegeben, da der Kläger seine Ansprüche wegen Wertminderung unmittelbar aus einer Vertragsverletzung unter V des abgeschlossenen notariellen Kaufvertrag vom 17.10.1994, mithin aus dem Erwerbsvorgang, herleitet. Diese Rechtswahrnehmung fällt unter das ausgeschlossene Erwerbsrisiko.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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