Urteil vom Landgericht Dortmund - 22 O 204/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer für das Fahrzeug Mercedes Benz Typ 320 SL Cabrio, Baujahr 1997 (#######) genommenen Fahrzeugversicherung (Teil- und Vollkasko) wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls in Anspruch.
3Der Sohn des Klägers, der Zeuge E, erschien am 25.06.2005 gegen 3.45 Uhr auf einer Wiener Polizeiwache und zeigte dort an, dass die linke Tür des Pkws aufgebrochen worden sei und dass ein Autoradio des Typs Mercedes Spezial sowie ein Airbag aus dem Fahrzeug entwendet worden seien. Ob die dortigen Polizeibeamten das Fahrzeug begutachteten und weitere Schäden angezeigt worden, ist zwischen den Parteien streitig.
4In einem dem Kläger übersandten "Fragebogen zum Diebstahl-Schaden" vom 06.09.2005 wird als "Vorbesitzer" ein Herr Q angegeben, ferner, dass der Vertrag durch einen "Vermittler" angebahnt worden sei. Der Kilometerstand am Schadenstag wird mit ca. 52.000 angegeben.
5Der Kläger behauptet, er habenden Pkw von einem inzwischen verstorbenen Herrn M bei einem Kilometerstand von ca. 45.000 zu Eigentum erworben. M sei als Verkäufer aufgetreten. Eigentümer sei allerdings Herr Q gewesen. Den schriftlichen Kaufvertrag vom 16.08.2004 (Anlage B 5 zur Klageerwiderung, Blatt 52 d. A.) habe er erst erhalten, nachdem der Kaufvertrag bereits mündlich geschlossen worden sei. Die Kilometerangabe in dem schriftlichen Kaufvertrag sei unzutreffend.
6Der Kläger behauptet, er habe dem Zeugen E das Fahrzeug für eine Fahrt nach Wien überlassen. Dieser habe das Fahrzeug am 24.06.2005 gegen 23.00 Uhr in einer Parkbucht am L-damm-N-gasse abgestellt.
7Der Kläger hat zunächst behauptet, sein Sohn habe bei der Rückkehr um 3.15 Uhr feststellen müssen, dass die linke Tür aufgebrochen und der Verdeckbezug aufgeschnitten gewesen sei. Die Türschlösser rechts und links seien mit einem spitzen Gegenstand aufgestochen gewesen. Im Bereich der Türgriffe an beiden Türen sei der Türgrundkörper mit einem Gegenstand überdreht, sowie beide Seitenwände leicht aufgestaucht und mit einem spitzen Gegenstand die Seitenwand durchstoßen gewesen. Im Innenraum sei die Mittelkonsole gewaltsam geöffnet worden. Es habe der Airbag aus dem Lenkrad sowie das Radio und verschiedene Bedienungselemente des Armaturenbrettes gefehlt. Am Armaturenbrett selbst hätten ebenfalls Beschädigungen festgestellt werden müssen.
8Der Kläger hat sodann – unter Zueigenmachung der Aussage des Zeugen E behauptet der Zeuge E habe erst nach der Rückkehr auf den Campingplatz in St. Pölten am 25.06.2005 bemerkt, dass an dem Pkw weitergehende Beschädigungen waren. Erst dann habe er gesehen, dass das Dach und die Beifahrerseite beschädigt gewesen seien.
9In Anlehnung an das Gutachten U (Anlage zum Schriftsatz vom 20.12.2006, Blatt 27 ff. d. A.) verlangt der Kläger fiktive Nettoreparaturkosten in Höhe von 9.838,85 €.
10Der Kläger beantragt,
111. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.838,85 € nebst Zinsen in
12Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2006 zu zahlen;
132. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der in diesem
14Rechtsstreit entstandenen Gebührenforderung der Rechtsanwälte Dr. M2 und Partner in Höhe von 756,09 € für das außergerichtliche Tätigwerden freizustellen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie behauptet, eine Besichtigung des angegebenen Schadens durch die Polizeibeamten habe nicht stattgefunden. Der Zeuge E habe bei der Polizei in Wien angegeben, dass die linke Autotür mit unbekannten Brechwerkzeug aufgebrochen worden sei, weitere Spuren/ Beschädigungen lägen nicht vor.
18Die Beklagte behauptet, die geltend gemachten Schadensspuren seien für das behauptete Diebstahlsereignis untypisch. Wegen der Einzelheiten des Verbringens unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten M3 ( L ) vom 03.01.2006 (Anlage I zum Schriftsatz vom 18.01.2007) wird auf Seite 4 f. des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.01.2007 verwiesen.
19Die Beklagte beruft sich ferner auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung. Der Kläger habe unzutreffende Angaben hinsichtlich der Kilometerleistung gemacht, da ihm das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 53.630 km verkauft worden sei, dieses jedoch am 06.12.2004 – unstreitig – eine Laufleistung von 45.223 km aufwies.
20Die Beklagte bestreitet die Eigentumsverhältnisse an dem Fahrzeug.
21Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen E. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2007, Blatt 80 ff. d. A., Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23Die zulässige Klage ist unbegründet.
24I.
25Der Kläger hat bereits die tatsächlichen Voraussetzungen für seine Aktivlegitimation nicht bewiesen.
26Die Fahrzeugversicherung deckt als reine Schadenversicherung nach §§ 12 ff. AKB nur das Eigentümerinteresse, also das Interesse des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümers an der Erhaltung der Sache. Allerdings braucht der Versicherungsnehmer im Hinblick auf §§ 74 ff. VVG nicht Eigentümer zu sein. Liegt jedoch – wie hier – eine Fremdversicherung unstreitig nicht vor, kommt mithin nur das Interesse des Klägers als Eigentümer des angeblich durch einen Einbruchsdiebstahl beschädigten Pkws in Betracht, so hat dieser darzutun und zu beweisen, dass ihm das versicherte Interesse zusteht (OLG Celle, NJOZ 2007, 1804 (1805); OLG Karlsruhe VersR 1982, 485).
27Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers und des Zeugen E vermag die Kammer weder den Erklärungen des Klägers noch den Bekundungen des Zeugen zu folgen. Bereits die Erklärungen zum Erwerb des Fahrzeuges weichen derart voneinander ab, dass ein Eigentumserwerb des Klägers nicht festgestellt werden kann. So will der Kläger den Kaufvertrag mündlich in P abgeschlossen habe, während der Zeuge E sich sicher gewesen sein will, dass der Pkw nicht in P, sondern in "irgendeinem Stadtteil von I " gekauft worden sein soll. Erst auf den Vorhalt durch das Gericht, dass sein Vater den Erwerb des Fahrzeuges soeben anders geschildert hatte, versuchte der Zeuge ersichtlich den Widerspruch durch die Bekundung abzuschwächen, er habe den Wagen von I nach P überführt.
28In ähnlich durchsichtiger Weise versuchte der Zeuge E den ihm vorgehaltenen Widerspruch hinsichtlich der Bezahlung des Kaufpreises durch ihn an seinen Vater abzumildern. So bekundete er zunächst, er habe den Kaufpreis für den Pkw per Überweisung an seinen Vater gezahlt. Auf den Vorhalt, sein Vater habe soeben behauptet, die Zahlungen seien in bar erfolgt, meinte er sich zu erinnern, dass er das Geld "per Bareinzahlung" überwiesen habe. Er habe das Geld in bar zur Bank gebracht und es auf das Konto seines Vaters überweisen lassen. Dieser Erklärungsversuch ist schon deshalb lebensfern und unglaubhaft, weil der Kläger und der Zeuge E unter derselben Anschrift wohnhaft sind und kein Grund dafür ersichtlich ist, dass der Zeuge E den Umweg der Überweisung des Geldes statt einer direkten Übergabe gewählt haben sollte.
29Nach alledem liegen nicht nur "leichte Unstimmigkeiten" hinsichtlich leichter Begleitumständen, wie sie infolge des Zeitablaufes auftreten können, vor. Dies mag bei nur isolierter Betrachtung des aus dem Jahre 2004 datierenden schriftlichen Kaufvertrages noch anzunehmen sein. Bei einer Gesamtbetrachtung ist jedoch nicht erklärlich, dass auch die näheren Umstände hinsichtlich der Zahlung des Zeugen E an den Kläger bereits in der Erinnerung getrübt sind, nachdem der Kaufvertrag Mitte 2006 geschlossen worden sein soll. Auch wenn man in Rechnung stellt, dass – wie der Kläger für sich reklamiert – in den Kreisen, in denen die Kaufverträge gegebenenfalls geschlossen wurden, ein besonders hohes Maß an Vertrauen und Treu und Glauben gelte, so dass die einzelnen Zahlungsmodi sich nicht so in das Bewusstsein der Beteiligten festgesetzt hätten, sind die Widersprüche insgesamt nicht erklärlich.
30Nach alledem konnte ein Eigentumserwerb durch den Kläger bereits nicht festgestellt werden. Allein der Umstand, dass ein schriftlicher Kaufvertrag existierte, vermochte die hinreichende Überzeugung hiervon nicht zu begründen.
31Für den Kläger streitet auch nicht die Vermutung aus § 1006 Abs. 2 BGB (vgl. hierzu OLG Karlsruhe a.a.O.). Denn nach dem Vortrag des Klägers war dieser zum Zeitpunkt des behaupteten Einbruchdiebstahl nicht im Besitz des Fahrzeuges. Nach den widersprüchlichen, unglaubhaften Erklärungen zu den Umständen des Erwerbs kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Kläger nach Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages der Besitz an dem Fahrzeug durch den Verkäufer übertragen wurde.
32II.
33Daneben fehlt es auch an dem Nachweis eines Versicherungsfalles. Zwar genügt es in der Regel, wenn der Versicherungsnehmer Tatsachen darlegt und beweist, die dem äußeren Bild eines Diebstahlsgeschehens entsprechen. Bei dieser Beweiserleichterung handelt es sich nicht um eine solche nach den Grundsätzen über den Anscheinsbeweis, sondern um eine von den Parteien des Versicherungsvertrages nach ihrer Interessenlage und nach Sinn und Zweck des Vertrages gewollte Verschiebung des Eintrittsrisikos und damit um eine materiell-rechtliche Risikozuweisung (BGH VersR 1984, 29 ff.; 88, 75). Ausreichend, aber auch notwendig ist, dass die behaupteten und gegebenenfalls bewiesenen Indizien nach der Lebenserfahrung den Schluss auf das Vorliegen eines Diebstahls hinreichend sicher zulassen. Der Versicherungsnehmer muss Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich das äußere Bild eines auf die Entwendung des Fahrzeuges selbst oder seiner mitversicherten Teile gerichteten Handlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schließen lässt (OLG Köln VersR 1995, 1350; OLG Karlsruhe VersR 1989, 619). Entscheidend ist hierbei einen Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände, wobei allein das Vorhandensein von Aufbruchspuren nicht immer zum Nachweis eines Diebstahls ausreicht. Aufbruchspuren sind vielmehr zwar ein gewichtiges, aber nicht allein entscheidendes Indiz dafür, dass nach der Lebenserfahrung hinreichend sicher auf einen Diebstahl geschlossen werden kann (OLG Hamm VersR 1989, 617). Nach den unter Ziffer I. aufgezeigten Widersprüchen vermag die Kammer den Bekundungen des Zeugen E und den Erklärungen des Klägers insgesamt keinen Glauben zu schenken. So ist dem Zeugen E nicht abzunehmen, dass er das Fahrzeug mit den Aufbruchspuren in der von ihm geschilderten Art und Weise vorfand, nachdem er das Fahrzeug zuvor wie von ihm bekundet, in Wien abgestellt hatte. Unklar ist hierbei auch, warum erstmals in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger geltend gemacht wurde, er habe auf dem Campingplatz in St. Pölten festgestellt, dass nicht alle tatsächlich vorhandenen Schäden an dem Pkw in der polizeilichen Niederschrift aufgeführt worden sind. Daraufhin sei er gemeinsam mit dem Zeugen E nochmals nach Wien gefahren. Es hätte nahegelegen, einen derart markanten Sachverhalt bereits schriftsätzlich vorzutragen.
34Die Niederschrift der Polizeidienststelle in Wien vermag das Vorhandensein von Einbruchspuren am 25.06.2005 nicht zu belegen. Hieraus ergibt sich nicht, dass die Polizeibeamten aus eigener Anschauung dokumentierten. Der Bericht vom 29.08.2005 spricht eher dagegen. Soweit der Kläger sich auch hierzu auf das Zeugnis des Zeugen E beruft, so kann dessen Bekundungen wegen der dargelegten Widersprüche insgesamt ein Beweiswert nicht zuerkannt werden.
35Aus der späteren Begutachtung von Schäden durch die Sachverständigen ergibt sich nichts abweichendes. Denn hieraus allein lässt sich nicht schließen, die Schäden seien in dem behaupteten Zeitraum (24./25.06.2005) entstanden.
36Bei alledem kann noch dahinstehen, ob es sich bei den geltend gemachten Schäden um solche handelt, die auf das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls mit der hinreichenden Sicherheit schließen lassen, was die Beklagte unter Vorlage eines die Typizität der Schäden verneinenden Gutachtens des Sachverständigenbüros M3 mit guten Gründen bestreitet.
37Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
38Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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