Urteil vom Landgericht Dortmund - 37 Ks -190 Js 78/07- 9/07
Tenor
Der Angeklagte wird wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von
acht Jahren
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschriften: §§ 255, 253, 250 Abs. 2 Nr. 1, 249, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, 52, 22, 23 StGB.
1
Gründe:
I. Lebenslauf des Angeklagten:
2Der Angeklagte wurde am ##.##.1984 in E geboren, wo er auch aufwuchs. Er hat noch eine Schwester und einen Bruder, die beide jünger sind als er. Sein Vater war früher bei einer Zeche beschäftigt und ist inzwischen Frührentner.
3Seine Mutter war gelernte Erzieherin, übte diesen Beruf jedoch seit der Geburt des Angeklagten nicht mehr aus, sondern war als Hausfrau tätig. Außerdem betrieb die Familie des Angeklagten Landwirtschaft. Nach unauffälliger frühkindlicher Entwicklung besuchte der Angeklagte zunächst den Kindergarten und wurde anschließend altersgerecht in die Grundschule eingeschult. Danach wechselte er auf die Realschule. Diese musste er jedoch nach zwei Schuljahren verlassen, weil er aufgrund mehrfachen Fehlverhaltens hier unangenehm aufgefallen war. Ein Schuljahr wiederholen musste er indes nicht. Nach dem Verlassen der Realschule besuchte er die Hauptschule, was er als einen schweren sozialen Abstieg für sich erlebte. Auch auf der Hauptschule kam es erneut zu Problemen mit seinem Verhalten und er wechselte deshalb nunmehr auf eine Hauptschule in E, wo er die neunte und zehnte Klasse absolvierte. Dort gefiel es ihm besser, weil er gut mit der Klassenlehrerin zurecht kam. Nach der Hauptschule besuchte er im Anschluss die elfte Klasse eines Berufskollegs und erreichte eigenen Angaben nach einen Abschluss, der der mittleren Reife entspricht. Während seiner Zeit auf dem Berufskolleg zog der Angeklagte aufgrund von Differenzen mit seinem Vater von zuhause aus und zog zu seinen Großeltern mütterlicherseits. In der Zeit von August 2002 bis Januar 2006 absolvierte er sodann eine Lehre als Metallbauer mit Fachrichtung Konstruktionstechnik. Während der Lehrzeit war er neun Monate krankgeschrieben, da es im Jahre 2004 im Rahmen einer Demonstration – der Angeklagte verkehrt in Kreisen der politisch rechten Szene – zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Polizisten gekommen war, in dessen Folge er sich einen Arm gebrochen hatte. Nachdem es anschließend zu unterschiedlichen Darstellungen der Geschehnisse durch ihn und die Polizei gekommen war, wurde zunächst ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet. Später wurde dieses jedoch im Hinblick darauf, dass er bei dem Vorfall bereits nicht unerheblich verletzt worden war, wieder eingestellt. Nach erfolgreichem Abschluss der Lehre ging der Angeklagte zur Bundeswehr und versah hier seinen Grundwehrdienst. Sein Wunsch, Zeitsoldat zu werden, ließ sich nicht realisieren, da der Militärische Abschirmdienst auf ihn aufmerksam geworden war und sich schließlich gegen seine Übernahme aussprach, eigenen Angaben des Angeklagten zufolge, weil er sich geweigert habe, Informationen aus der rechten Szene an den Militärischen Abschirmdienst weiterzuleiten. Er verließ deshalb die Bundeswehr nach Ablauf der regulären Wehrdienstzeit zum 31.12.2006. Einen Monat später meldete er sich arbeitslos und bewarb sich eigenen Angaben nach sowohl im Sicherheitsgewerbe als auch als Metallbauer. Außerdem spielte er möglicherweise mit dem Gedanken, zur Fremdenlegion zu gehen, weil er etwas erleben wollte. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, da der Angeklagte am 03.02.2007 wegen der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Tat festgenommen wurde und sich seitdem in Untersuchungshaft befindet.
4Der Angeklagte ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Während seiner Jugendzeit hatte er mehrere partnerschaftliche Beziehungen zu jungen Mädchen, wobei für ihn von besonderer Bedeutung die Beziehung zu der Zeugin G war, deren Vater der erste Ehemann seiner Mutter war, was für die gemeinsame Beziehung aber nicht weiter von Bedeutung war. Eine leibliche Verwandtschaft besteht zwischen beiden jedenfalls nicht. Die Partnerschaft mit der Zeugin G dauerte ungefähr zwei Jahre und endete spätestens im Dezember 2006, was, worauf im Rahmen der Tatvorgeschichte noch weiter eingegangen wird, den Angeklagten nicht unerheblich belastete.
5Krankheiten, die im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit von Bedeutung sein könnten, hat der Angeklagte nicht erlitten.
6Er trinkt eigenen Angaben zufolge aus Überzeugung so gut wie nie Alkohol und konsumiert auch keine illegalen Drogen.
7Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
8Ein gegen ihn mit dem Vorwurf der Körperverletzung geführtes Jugendstrafverfahren stellte das Amtsgericht Dortmund mit Entscheidung vom 20.06.2005 nach Erteilung einer richterlichen Ermahnung und der Auferlegung einer Wiedergutmachungszahlung an den Geschädigten in Höhe von 100,- €, die der Angeklagte bezahlt hat, gemäß den §§ 45, 47 JGG ein.
9II.
101. Vorgeschichte:
11In der Zeit, während der Angeklagte mit der Zeugin G zusammen war, kam es an einem nicht näher festgestellten Tag zu einem Vorfall, bei dem der Angeklagte im Beisein der Zeugin mit einer Schusswaffe aus dem Zimmerfenster seiner Wohnung in Richtung des Gartens in die Luft schoss, wobei er der Zeugin den Eindruck vermittelte, dass es sich bei der verwendeten Waffe um eine scharfe handele. Wenn sich sodann auch keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung von Personen ergaben, so lehnte die Zeugin dieses Verhalten des Angeklagten für sich gleichwohl als unsinnig ab.
12Spätestens im Dezember 2006 trennte sich – wie bereits dargelegt – die Zeugin G von dem Angeklagten, nachdem zunächst dieser die Beziehung zu ihr vorübergehend beendet, dies anschließend aber bereut und auf Fortführung derselben gedrängt hatte. Nach seiner Entlassung von der Bundeswehr am 31.12.2006 war der Angeklagte zudem ohne Arbeit. und hatte noch keine rechte Vorstellung, wie es nun in seinem Leben weitergehen sollte. Er wusste nicht, ob er sich um eine Anstellung im Sicherheitsgewerbe bewerben oder wieder als Metallbauer arbeiten wollte. Außerdem spielte er mit dem Gedanken, sich bei der Fremdenlegion zu melden. Ob es ihm mit der letztgenannten Erwägung tatsächlich ernst war, oder er sich damit lediglich in seinem Freundeskreis wichtig tun wollte, hat die Kammer nicht festgestellt. Jedenfalls hatte der Angeklagte keine konkrete Perspektive und litt unter der Trennung von der Zeugin G, die er zu akzeptieren nicht bereit war, auch wenn diese sich bereits einem anderen Mann, dem Zeugen F, der dem Angeklagten von früheren gemeinsamen sportlichen Aktivitäten her bekannt war, zugewandt hatte, was den Angeklagten erheblich störte. Letztlich kam es trotz durchaus auch intimer Kontakte der Zeugin G zu dem Zeugen F in der folgenden Zeit sodann aber nicht zur Aufnahme einer partnerschaftlichen Beziehung mit diesem, wobei jedoch offenblieb, inwieweit letzteres auch dem Angeklagten bekannt war.
13Im Januar 2007 unternahm der Angeklagte mehrere Fahrten nach Ostwestfalen, wobei sich Anhaltspunkte bei der Polizei dafür ergaben, dass dies im Zusammenhang mit dem Handel von Drogen zu tun hatte. Der Angeklagte macht insoweit jedoch unwiderlegt geltend, dass er bei den mehrfachen Fahrten nach Ostwestfalen lediglich seinen damaligen Freund, T, der später als wohl für das Innenministerium tätiger V-Mann enttarnt wurde, begleitet habe und mit diesem bzw. einem anderen Bekannten essen gegangen sei. Er selbst habe sich jedenfalls an keinen etwaigen illegalen Tätigkeiten beteiligt.
14Kurz vor dem 02.02.2007 begab sich der Angeklagte sodann wiederum nach Detmold oder in die Nähe von Detmold, um dort im Rahmen eines kriminellen Geschäfts ein Paket, vermutlich handelte es sich dabei um erhebliche Mengen verbotener Betäubungsmittel, als Kurier an Abnehmer zu überbringen. Dabei wurde der Angeklagte von den Abnehmern dergestalt getäuscht, dass diese ihn zur Übergabe des Paketes zur angeblichen Überprüfung der Ware vor der Bezahlung veranlassten, damit in einem großen Wohnblock verschwanden und nicht zurückkehrten. Der Inhalt des Paketes hatte einen Marktwert von mindestens 10.000 €, möglicherweise auch von über 15.000 €. Für den Verlust dieses Geldes fühlte der Angeklagte sich verantwortlich und wurde wohl auch von den hinter dem Geschäft stehenden anderen Personen – wohl insbesondere T - hierfür verantwortlich gemacht. Da der Angeklagte selbst nicht die finanziellen Mittel hatte, den Schadensbetrag zu erstatten, überlegte er – entweder von sich aus oder weil andere ihn auf eine dahingehende Idee brachten - auch, ob er sich das verlorene erforderliche Geld anderweitig durch das Begehen einer Straftat ersatzweise wieder besorgen könnte.
151. Das Tatgeschehen:
16Am 02.02.2007, dem Tattag, war der Angeklagte wegen seiner Probleme infolge des missglückten Geschäfts einerseits und der Trennung von der Zeugin G andererseits in schlechter Stimmung. Aus dieser Stimmung heraus sandte er der Zeugin G am 02.02.2007 zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr eine SMS des Inhalts, dass bei ihm alles schief laufe und er weder Freundin noch einen Beruf oder Geld habe.
17Außerdem suchte er – wann genau ist unklar - die Zeugin G im Verlauf des Nachmittags auch zuhause auf. Die Zeugin wohnte an der C-Straße ## gegenüber der Filiale der Supermarktkette „Plus“, dem späteren Tatort. Der Angeklagte thematisierte gegenüber der Zeugin bei seinem Besuch sodann erneut die erfolgte Trennung, die er nach wie vor zu akzeptieren nicht bereit war, was letztlich zu einem Streit mit der Zeugin führte, da diese an ihrem Entschluss festhielt. Überdies trug der Angeklagte sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Gedanken, als Ausgleich für das fehlgeschlagene Geschäft in Ostwestfalen zur Geldbeschaffung einen Überfall durchzuführen. Ob er sein Augenmerk allerdings zu dieser Zeit dabei auch schon auf den genannten „Plus“-Supermarkt gerichtet hatte, erscheint möglich, ist aber nicht gesichert. Jedenfalls erklärte er der Zeugin bei dieser Gelegenheit daher unter anderem sinngemäß auch, dass er etwas plane, weil er kein Geld mehr habe, ihm alles egal sei und er keine Freundin mehr habe. Der Angeklagte hatte der Zeugin schon vor diesem Treffen - mündlich oder per SMS – auch von einem Geschäft erzählt, bei dem er 7.000 € investiert habe und an einem Wochenende wohl 10.000 € hätte erlangen können, bei dem er letztlich aber „beschissen“ worden sei. Bei dem beschriebenen Treffen erklärte er der Zeugin nun ferner, dass das, was er vorhabe, etwas Schlimmes sei, was die Zeugin auch noch mitbekommen werde. Die Zeugin nahm diese Andeutungen letztlich zunächst nicht sonderlich ernst, da der Angeklagte ihr gegenüber schon des Öfteren großspurige Geschichten erzählt hatte, die sie ebenfalls für Lügen oder Übertreibungen gehalten hatte. Nach dem Gespräch mit der Zeugin ging der Angeklagte schließlich wieder fort.
18Er sandte der Zeugin nach seinem Besuch bei ihr in der Zeit zwischen 16.00 Uhr und 16.30 Uhr eine weitere SMS, die sinngemäß lautete, dass sie ihm überaus wichtig sei und dass sie niemandem etwas sagen solle, wenn sie am nächsten Tag die Zeitung lese. Mit diesem Hinweis spielte der Angeklagte dabei darauf an, dass er sich – wie dargelegt – mit dem Gedanken trug, einen Überfall zu begehen.
19Zwischen 17.30 Uhr und 18.40 Uhr hielt der Angeklagte sich schließlich im Bereich eines Gehwegs vor der Filiale des „Plus“-Supermarktes – des späteren Tatortes - an der C- Straße Nr.#-# in E auf. Der Gehweg liegt parallel zu der Glasfront des Supermarktes, in die der Ein- und Ausgang zum Geschäft integriert sind und ist auf der gegenüberliegenden Seite zu einem dort befindlichen - etwas tiefer gelegenen - Parkplatz hin mit einem Metallgeländer versehen. An diesem Weg liegen in einer Häuserzeile untergebracht neben dem „Plus“-Supermarkt nacheinander auch eine Lotto-Annahmestelle, eine Volksbank und eine Sparkassenfiliale.
20In dem Bereich dieses Gehweges wurde der Angeklagte zu dem genannten Zeitpunkt von dem Zeugen A gesehen, der ihn aus früheren Zeiten vom Fußball her kannte. Die beiden grüßten sich kurz, sprachen ansonsten aber nicht miteinander.
21Den endgültigen Entschluss, in diesem „Plus“–Einkaufsmarkt an der C-Straße #-# in E einen Überfall zu begehen und unter Bedrohung des Personals mit einer scharfen Schusswaffe das dort vorhandene Bargeld aus den Kassenbeständen zu erbeuten, fasste der Angeklagte dann nicht ausschließbar erst ungefähr in der Zeit nach 19.00 Uhr im Gespräch mit dem Zeugen T. Unwiderlegt stellte letzterer dem Angeklagten in diesem Zusammenhang auch die spätere Tatwaffe, eine kleine kaum mehr als zeigefingerlange scharfe halbautomatische Selbstladepistole mit einem Kaliber 6,35 mm zur Verfügung, nachdem der Angeklagte – ebenfalls nicht ausschließbar - die Mitnahme einer Schusswaffe mit einem größerem Kaliber zuvor abgelehnt hatte. Der Angeklagte nahm mindestens 4 Patronen sowie zur späteren Tarnung seines Gesichts eine – möglicherweise handelsmäßig hergestellte - Sturmhaube mit Sehschlitz und eine schwarze Strickmütze mit sich und begab sich sodann – möglicherweise von dem Zeugen T und einem als Fahrer fungierenden unbekannten Dritten, dessen Namen zu nennen, sich der Angeklagte geweigert hat, mit einem Fahrzeug gebracht – zu dem bezeichneten Geschäft.
22Kurz vor 20.00 Uhr befanden sich nur noch die beiden Verkaufsangestellten der Plusfiliale, die Zeuginnen T2 und X, sowie der seinerzeit 59 Jahre alte Zeuge S - der später Geschädigte – in dem Ladenlokal. Außerdem kamen noch vorübergehend fünf Jugendliche, die Zeugen A2, T3, E2, E3 und G2 zu dem Geschäft. Die Jugendlichen – ob sie alle fünf das Geschäftslokal betraten, ist unklar - kauften jedoch lediglich Getränke und verließen alsbald den Supermarkt wieder. Als es sodann 20.00 Uhr war, schloss die Zeugin X die Eingangstür zum Ladenlokal ab. Die hiervon separate Ausgangstür verriegelte sie indes noch nicht. Diese Tür verfügte von außen über keinen Türgriff und öffnete - lediglich von innen - mittels eines Sensors automatisch, wenn eine Person auf diese zuging. Der 1,90 bis 1,91 m große und schlank gebaute Angeklagte hielt die Situation nun für zur Tatausführung günstig, da jetzt außer dem Zeugen S nur noch die beiden Frauen im Geschäft waren. Er wollte gerade in dem Moment, als die Zeugin X die Tür abschloss, das Geschäft betreten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte sein Gesicht noch nicht hinter der mitgeführten Sturmhaube verdeckt. Die Zeugin X machte dem Angeklagten durch gestikulierende Bewegungen mit den Armen deutlich, dass bereits Geschäftsschluss sei und sie ihn deshalb nicht mehr hereinlassen werde. Auch die Zeugin T2, die sich zu diesem Zeitpunkt noch im Bereich der Kasse aufhielt, sah von dort aus das Gesicht des Angeklagten durch die Scheibe der Eingangstür, wenn infolge der Spiegelwirkung der Scheibe auch nur mit Einschränkungen. Da sie den Angeklagten nicht kannte, äußerte auch sie sich mit Blick auf den Geschäftsschluss zu ihrer Kollegin X dahingehend, dass sie diesen keinesfalls mehr hineinlassen solle. Als der Angeklagte merkte, dass die Angestellten nicht mehr bereit waren, ihn eintreten zu lassen, überlegte er sich, wie er dann Zutritt zum Geschäft erhalten könnte und kam auf die Idee, das Geschäft gewaltsam in dem Moment zu betreten, in dem der Zeuge S dieses durch die Ausgangstür verlassen würde. Da er befürchtete, dass auch die Ausgangstür unmittelbar nach dem Heraustreten des Zeugen ebenfalls verschlossen würde, wollte er bereits beim Öffnen der Tür handeln. Er stellte sich dabei vor, den Zeugen S nach dem Öffnen der Tür gewaltsam unter Vorhalt der Waffe in den Laden zurückzuschieben, um sich auf diese Weise Zugang hierzu zu verschaffen und sodann unmittelbar die beiden Verkäuferinnen mit der Pistole zu bedrohen und sie so zur Herausgabe der Bargeldbestände zu zwingen. Zur Ausführung dieses Plans trat er nun zunächst aus dem Sichtfeld der Zeugen S, T2 und X heraus und zog sich seine mitgeführte Sturmhaube so ins Gesicht, dass dieses bis auf Öffnungen für Augen und eventuell auch Mund vollständig verdeckt war und setzte sich spätestens jetzt auch eine Mütze auf. Nachdem zwischenzeitlich der Zeuge S seine Einkäufe erledigt und seine Waren in Tragetaschen verpackt hatte, schickte er sich an, das Ladenlokal durch die Ausgangstür zu verlassen. Dabei trug er in der einen Hand seine Einkaufstaschen und in der anderen schob er einen Einkaufswagen, den er draußen vor dem Ladenlokal in den dafür vorgesehenen Ständer stellen wollte. Die Zeugin X folgte dem Zeugen S zur Ausgangstür, da sie direkt hinter ihm nun auch diese Tür abschließen wollte. Die Zeugin T2 hatte sich zwischenzeitlich in den – von der Ausgangstür aus gesehen - hinter dem Zigarettenautomaten der rechten Kasse gelegenen Bereich begeben. Als der Zeuge S nun durch die sich öffnende Ausgangstür treten und nach draußen gehen wollte, schob der Angeklagte ihn mit der Waffe in einer Hand und gegen den Kopf des Zeugen gerichtet seinem Plan entsprechend gewaltsam wieder in den Geschäftsraum hinein. Spätestens beim Betreten des Geschäftslokals hatte der Angeklagte auch die Pistole, deren Magazin er zuvor mit mindestens 4 Patronen befüllt hatte, gezogen, durchgeladen und - sofern die Waffe über eine Sicherungseinrichtung verfügte - entsichert. Dabei rief er laut etwas wie „Überfall“ oder „Geld her“. Er hatte in dem Moment aber weiterhin vor, die Zeuginnen X und T2 unmittelbar mit der Pistole zu bedrohen und plante nicht etwa, diese allein durch eine Bedrohung des Zeugen S zur Herausgabe der Bargeldbestände zu veranlassen. Die Zeuginnen X und - ihr folgend - die Zeugin T2 flüchteten allerdings entgegen der Erwartung des Angeklagten ohne zu zögern sofort aus dem Kassenbereich in Richtung zu einem separaten Personalraum, der sich an der linken Seite des Geschäftslokals befand und lediglich über von außen nicht durchsichtbare verspiegelte Fenster zum Ladenlokal hin verfügte. Als der Angeklagte erkannte, dass er die Zeuginnen nun nicht mehr zum Öffnen der Kassen zwingen konnte, wandte er sich einer Kasse zu und versuchte vergeblich, indem er mit einer Hand auf diese einschlug, gewaltsam die Geldschublade zu öffnen, um an die vorhandenen Bargeldvorräte zu gelangen. Als der Angeklagte die Sinnlosigkeit dieser Bemühungen erkannte, entschloss er sich kurzerhand, nun zumindest den Zeugen S zu zwingen, sein etwa mitgeführtes Bargeld an ihn herauszugeben. Denn zumindest dieses wollte der Angeklagte sich nun zueignen, um das Geschäft nicht ganz ohne Beute verlassen zu müssen. Zwischenzeitlich hatten die Zeuginnen T2 und X den beschriebenen Personalraum erreicht, traten ein und die Zeugin X rief sofort von dort aus die Polizei an. Der Angeklagte wandte sich nun wiederum dem Zeugen S zu und forderte ihn, während er die Waffe wieder auf dessen Kopf richtete und ihn so bedrohte, dazu auf, ihm sein Portemonnaie zu geben. Der Zeuge S, der, wie vom Angeklagten beabsichtigt, Angst um sein Leben hatte, kam der Aufforderung nach und übergab seine Börse dem Angeklagten, allerdings mit der Bemerkung, dass darin kein Geld enthalten sei. Tatsächlich befanden sich in dem Portemonnaie lediglich ein Personalausweis des Zeugen, ein Ausweis seiner verstorbenen Frau, eine Krankenkarte der AOK Westfalen/Lippe, eine Punktekarte der Tankstelle Shell, eine Maestro-Karte der Postbank Dortmund, ein 1 US- Dollar-Schein und ein Reserveschlüssel für das KFZ des Zeugen, aber – wenn überhaupt – allenfalls noch zwei Euro Bargeld. Auf die Idee, dem Angeklagten das in seiner Hosentasche befindliche Scheingeld – es handelte sich um einen Betrag von unter 100 € - zu geben, kam der Zeuge nicht. Der Angeklagte nahm das Portemonnaie an sich, befahl dem Zeugen, mit nach draußen zu kommen, und zog oder schubste ihn ihn anschließend durch die Ausgangstür ins Freie. Draußen oder auf dem Weg dorthin versuchte der Angeklagte einen Blick in das Portemonnaie, das er weiterhin mit einer Hand festhielt, zu werfen, um nachzuschauen, ob tatsächlich kein Bargeld darin vorhanden war. Denn an anderen Dingen, als an Bargeld, war er nicht interessiert. Weil das Geschehen – infolge der sofortigen Flucht der beiden Verkaufsangestellten – insgesamt ganz anders verlaufen war, als er das geplant hatte, wurde der Angeklagte inzwischen so nervös, dass er dabei deutlich mit der Hand, in der er die Pistole hielt, zitterte. Der Zeuge S sah das und bekam, weil der Lauf der Pistole währenddessen wenigstens zeitweise auch auf seinen Kopf gerichtet war, nun noch größere Angst um sein Leben. Denn er hielt das Verhalten des Angeklagten jetzt für gänzlich unberechenbar. Er wollte daher irgendwie erreichen, dass die Mündung der Waffe vom Angeklagten jedenfalls nicht mehr auf seinen Kopf gerichtet werden konnte. In seiner Not war er deshalb sogar bereit, in Kauf zu nehmen, dass der Angeklagte ihm dann möglicherweise in andere Körperregionen schießen könnte, was er in dem Moment aber als weniger gefährlich einschätzte. Zwischenzeitlich fiel der Ersatzschlüssel zum PKW des Zeugen aus dem Portemonnaie auf den Boden. Entweder drückte der Zeuge - eine dadurch bedingte Abgelenktheit des Angeklagten ausnutzend - selbst dessen beide Arme nach unten, oder er nutzte einen kurzen Augenblick aus, in dem der Angeklagte dies von sich aus vorübergehend tat, und umklammerte dann - Brust an Brust vor dem Angeklagten stehend - dessen Rumpf einschließlich der Arme mit aller Kraft mit seinen eigenen Armen. Auf diese Weise wollte der Zeuge verhindern, dass der Angeklagte die Waffe noch einmal gegen seinen Kopf richtete. Außerdem rief der Zeuge laut in etwa „Hilfe, der hat eine Waffe!“ Bei dem Gerangel der beiden, bei dem sich die Köpfe auch berührten, verlor der Angeklagte schließlich seine Mütze, die zu Boden fiel. Zudem verrutschte auch die Sturmhaube auf dem Kopf des Angeklagten, wenn sie nicht sogar zu Boden fiel, so dass der Zeuge S kurz das unverdeckte Gesicht des Angeklagten sehen konnte. Ob der Zeuge dem Angeklagten dabei bewusst die Kopfbedeckungen vom Kopf beziehungsweise aus dem Gesicht gezogen hatte, um dessen Identität zu enttarnen, oder ob diese lediglich von sich aus im Laufe des Gerangels verrutscht beziehungsweise zu Boden gefallen waren, ließ sich nicht sicher feststellen. Der Angeklagte hatte im Rahmen seiner Tatplanung jedenfalls mit einer derartigen aktiven Gegenwehr durch etwaige Opfer, wie sie nun der Zeuge S vornahm, überhaupt nicht gerechnet. Er war über diese zum einen daher vollkommen überrascht und zum anderen auch wütend, da er davon ausging, dass der Zeuge sich seiner durch Vorhalt der Waffe ausgedrückten Bedrohungssituation „gefälligst“ zu beugen hatte, was dieser indes nicht tat. Aus dieser Wut heraus und um sich aus der Umklammerung des Zeugen zu befreien und vom Tatort flüchten zu können, entschloss er sich spätestens jetzt dazu, auf den Zeugen S zu schießen. Er schoss ihm daher hintereinander drei Mal in den linken Gesäß- und Oberschenkelbereich, wobei zwei Projektile im Bereich des rechten Trochanters, eines am oberen Ende des Oberschenkelknochens gelegenen Knochenhöckers, einschlugen und – ohne größere innere Verletzungen hervorzurufen - unterhalb des Leistenbandes wieder austraten. Ein weiteres Projektil blieb im linken großen Gesäßmuskel stecken. Anschließend winkelte der Angeklagte seinen Unterarm an und schoss dem Zeugen aus der selben Motivation heraus noch ein weiteres Mal in den linken Oberarm. Das Projektil berührte den Oberarmknochen nicht, sondern schlug am Knochen entlang durch den vorderen Bereich der Achsel, traf anschließend auf die zweite Rippe, die dabei teilweise brach, aber dem Projektil auch einen Großteil seiner Bewegungsenergie nahm, und blieb anschließend innerhalb der Lunge, nachdem es den gesamten linken Oberlappen durchschlagen hatte, wenige Millimeter bis maximal zwei Zentimeter vor der Aorta stecken. Wäre das Projektil geringfügig weiter vorgedrungen und hätte die Aorta verletzt, so wäre nach Einschätzung des sachverständigen Zeugen und späteren Operateurs Dr. D aller Voraussicht nach eine medizinische Hilfe nicht mehr möglich gewesen und der Zeuge S noch am Tatort verstorben. So aber und wegen der – wie noch dargelegt werden wird – baldigen medizinischen Versorgung des Zeugen bestand letztlich wohl keine konkrete Lebensgefahr für den Zeugen.
23Der Angeklagte wollte den Zeugen S bei Abgabe der Schüsse verletzen. Dass er zudem davon ausging, er könne dem Zeugen möglicherweise auch tödliche Verletzungen zufügen, hat sich dagegen nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen. Der Zeuge S merkte jedenfalls, dass ihm nach Abgabe des letzten Schusses das Atmen schwer fiel und zudem seine Kräfte nachließen. Er ließ deshalb – nach wie vor in Todesangst - von dem Angeklagten ab, stand aber noch immer. Der Angeklagte machte sich sodann mit dem Portemonnaie und seiner Sturmhaube, die er, wenn sie nicht nur verrutscht, sondern auch zu Boden gefallen war, zwischenzeitlich wieder aufgehoben hatte, davon. Die Mütze ließ er auf der Erde liegend am Tatort zurück Das Portemonnaie hatte er noch immer in seiner Hand. Möglicherweise sah er erst bei der Flucht, dass sich kein Scheingeld im Portemonnaie befand und warf es unmittelbar in einen Müllbehälter. Anhaltspunkte, dass jemand Gebrauch von den Papieren des Zeugen S gemacht oder dies versucht hat, haben sich bis heute nicht ergeben. Nicht ausschließbar hatte sich der Angeklagte im Laufe des vorangegangenen Geschehens eine Verletzung an der Lippeninnenseite des Mundes zugezogen und hatte deshalb nun einen blutigen Geschmack im Mund. Er rannte in Richtung Osten zu dem dort befindlichen Kreisverkehr und anschließend über den bepflanzten Innenbereich desselben weiter östlich in Richtung der gegenüberliegenden M-Straße und dort weiter bis hin zu einem Bereich, wo er sich nicht mehr beobachtet fühlte, den die Kammer im einzelnen aber nicht festgestellt hat. Dort traf der Angeklagte nicht ausschließbar in einer Seitenstraße auf den Zeugen T und einen weiteren Beteiligten, stieg in dessen mitgeführtes Auto und entfernte sich gemeinsam mit diesen weiter vom Tatort. Nicht ausschließbar warf der Angeklagte später die Tatwaffe ganz oder in Einzelteilen in einen Kanal, damit sie nicht mehr aufgefunden werden könne.
24Unterdessen begab sich der Zeuge S zunächst durch die Ausgangstür, die infolge des dort stehen gebliebenen Einkaufswagens noch geöffnet war, wieder in das Geschäftslokal zurück. Er wollte dort die beiden Verkaufsangestellten um Hilfe bitten und sie auffordern, die Polizei zu rufen. Da diese sich jedoch immer noch – für ihn nicht sichtbar - in dem Nebenraum des Geschäfts aufhielten, verließ er das Geschäftslokal wieder und rief stattdessen nun selbst über Handy die Polizei an. Zwischenzeitlich kam der Zeuge C, der den Geldautomaten der einige Meter neben dem Plusmarkt befindlichen Filiale der Volksbank hatte aufsuchen wollen und dort auf das Geschehen aufmerksam geworden war, dem Zeugen S zu Hilfe. Als der Zeuge S merkte, dass ihm das Atmen und mithin auch das Sprechen infolge der Schussverletzung in der Lunge immer schwerer fielen, übergab er dem Zeugen C das Handy, welcher anschließend das Gespräch mit der Polizei fortführte. Auch die Zeugen A2, T3, E2, E3 und G2 waren im Bereich der Straßenbahnhaltestelle in der Nähe des Kreisverkehrs durch die Schüsse zwischenzeitlich auf das Tatgeschehen aufmerksam geworden. Sie hatten den Angeklagten noch über den Kreisverkehr weglaufen sehen und kamen nun ebenfalls zu dem Geschädigten S, um zu schauen, was passiert war. Einer von ihnen nahm die Mütze in die Hand und fragte, ob diese dem Zeugen S gehörte, was jener verneinte.
25Kurz darauf kamen die beiden Polizeibeamten POK F und POK K in ziviler Kleidung zum Tatort und gaben sich dort als Polizisten zu erkennen. Mittlerweile hatte der Zeuge S sich in dem Bereich zwischen der Ein- und Ausgangstür des Plusmarktes auf die Erde gesetzt und lehnte sich dort an die Glaswand an. Er war bei Bewusstsein und schilderte den Beamten in wesentlichen Zügen, was geschehen war. Während der Erstversorgung des Zeugen S durch die Beamten wurden dem Polizeibeamten POK F von einem Zeugen aus dem Kreis der Jugendlichen zwei Patronenhülsen und ein Projektil übergeben, die dieser vor Eintreffen der Polizei vom Boden aufgehoben hatte. Inzwischen trafen nun auch weitere uniformierte Polizeikräfte sowie ein Rettungswagen am Tatort ein. Die schwarze Mütze des Angeklagten wurde durch POK F vom Tatort entfernt und zusammen mit den zwei Patronenhülsen und dem Projektil den uniformierten Polizeikräften übergeben. Die Rettungskräfte brachten den Zeugen S, der nach wie vor bei Bewusstsein war und glaubte, sterben zu müssen, zunächst ins Krankenhaus nach M. Dort wurde eine Thoraxdrainage linksseitig gelegt. Zu einer sachgerechten Weiterbehandlung sah man sich anschließend im dortigen Krankenhaus indes nicht in der Lage und verlegte den Zeugen deshalb noch unmittelbar in der Nacht weiter in die Unfallklinik Nord in E. Bei einer hier durchgeführten weiteren Untersuchung wurde festgestellt, dass es bei dem Geschädigten nicht nur linksseitig infolge des dort unmittelbar eingedrungenen Projektils, sondern auch rechtsseitig, wohl durch ein Herüberdrücken von Luft infolge des Druckaufbaus im rechten Lungenflügel – ein sogenanntes Barotrauma – zu einem zusätzlichen Pneumothorax gekommen war. Deshalb wurde nun auch rechtsseitig eine Thoraxdrainage angelegt. Sodann entschieden die Ärzte, die beiden in Lunge und Gesäß im Körper verbliebenen Projektile erst am nächsten Tag in der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie in der V-Straße in E entfernen zu lassen. Deshalb wurde der Zeuge S dorthin verlegt und am nächsten Tag dort die Operation durchgeführt. Dabei zeigte sich im Rahmen einer Thorakotomie, der operativen Eröffnung des Brustraumes, im Oberlappen links ein circa ein Zentimeter langer Riss – offensichtlich die Einschussöffnung –, durch den kräftig Luft entwich. Das Projektil wurde von dem Operateur manuell entfernt und der genannte Riss übernäht. Anschließend wurde zur Ableitung von Luftansammlungen eine Pleuradrainage gelegt und der Brustkorb wieder verschlossen. In einem weiteren Schritt wurde durch den Operateur Dr. L auch das Projektil aus dem Gesäßmuskel entfernt. Kurze Zeit nach der Operation wurde der Zeuge S wieder in die Unfallklinik Nord des Klinikums E zurückverlegt.
26Unterdessen führte die Polizei Spurensicherungsmaßnahmen am Tatort durch. Die Beamten fanden über die bereits aus dem Kreis der jugendlichen Zeugen übergebenen Munitionsteile hinaus in einer Rille unterhalb der Ausgangstür des Supermarktes mittig ein weiteres Projektil sowie zwischen der Glasfront des Supermarktes und einem - vom Gehweg aus gesehen - rechts daneben an der Häuserwand angebrachten Zigarettenautomaten eine weitere Patronenhülse auf der Erde liegend. Die Beamten stellten die gefundenen Munitionsteile ebenso wie die Mütze des Angeklagten sicher. An der Mütze konnten später DNA-Spuren des Angeklagten nachgewiesen werden.
27Die Zeugin G hatte zwischenzeitlich nach Bekanntwerden des Überfalls auf den „Plus“-Supermarkt in E dem Zeugen F von der vorausgegangenen Ankündigung des Angeklagten ihr gegenüber berichtet, wonach dieser vorhabe, den größten Fehler seines Lebens zu machen. Der Zeuge F hatte sodann – ebenso wie die Zeugin G – die Vermutung, dass der Angeklagte der Täter dieses Überfalls sein könnte. Deshalb rief er am Tag nach dem Überfallgeschehen bei der Polizei an, um ihr von den vorangegangenen Äußerungen des Angeklagten zu berichten. Um die Zeugin G jedoch nicht in die zu erwartenden Untersuchungen mit hineinzuziehen, schilderte er der Polizei – insoweit wahrheitswidrig -, dass er zufällig ein Gespräch zwischen zwei Jugendlichen mitbekommen habe und einer von den beiden gesagt habe, dass er heute den größten Fehler seines Lebens begehen werde. Anschließend teilte er der Polizei mit, dass dies der Angeklagte gewesen sei. Später stellte er gegenüber der Polizei in einer weiteren Befragung jedoch richtig, dass er lediglich von der Zeugin G gehört habe, dass der Angeklagte sich ihr gegenüber in dem genannten Sinne geäußert habe.
28Der Angeklagte wurde schließlich am Abend des 03.02.2007 im PKW eines C2, der ihn von zuhause abgeholt hatte, festgenommen. Bei einer anschließenden Durchsuchung des PKW wurden dort circa 55 Gramm Kokain gefunden. Die Polizei ging davon aus, dass dieses dem C2 zuzuordnen ist und leitete dementsprechend gegen diesen, nicht aber gegen den Angeklagten, ein gesondertes polizeiliches Ermittlungsverfahren ein. Der Angeklagte machte anschließend sowohl im Rahmen seiner Vernehmung durch die Polizei als auch gegenüber der Haftrichterin beim Amtsgericht Dortmund von seinem Schweigerecht Gebrauch. Das Amtsgericht erließ daraufhin am 04.02.2007 Haftbefehl gegen den Angeklagten. Seitdem befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft.
29Der Zeuge S musste noch bis zum 19.02.2007 stationär im Krankenhaus verbleiben. Während des Krankenhausaufenthaltes wurde der Zeuge S von der Polizei aufgesucht. In einer hier durchgeführten Wahllichtbildvorlage äußerte er, dass er den Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit als Täter wiedererkenne.
30Wegen des Krankenhausaufenthaltes konnte der Zeuge S, welcher gelernter Schlosser ist und infolge eines Konkurses seines früheren Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz verloren hatte, nicht - wie ursprünglich geplant - am 10.02.2007 eine neue Stelle antreten. Außerdem litt der Zeuge während des gesamten Krankenhausaufenthaltes unter nicht unerheblichen Schmerzen. Diese hielten auch nach seiner Entlassung für die Dauer von circa drei Monaten noch an. Während der ersten Zeit musste der Zeuge nahezu täglich noch seinen Hausarzt aufsuchen und erhielt von diesem regelmäßig auch Spritzen. Außerdem litt er seit dem Krankenhausaufenthalt täglich unter Ein- und Durchschlafstörungen, Albträumen und plötzlichen auftretenden Erinnerungen an das Überfallgeschehen. Zudem empfand er eine stark ausgeprägte Angst, eine für ihn ansonsten untypische Reizbarkeit und vermied es nach Möglichkeit, die Wohnung zu verlassen. Da sich die Gereiztheit des Zeugen zunehmend auch gegen seine Kinder bis hin zum ernsthaften Streit mit einer seiner Töchter richtete, veranlassten diese den Zeugen schließlich, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben. Der Zeuge ließ sich daraufhin am 20.03.2007 stationär in der psychiatrischen LWL-Klinik in E aufnehmen. Dort diagnostizierte man das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die bei Aufnahme deutlich niedergedrückte Stimmungslage des Zeugen mit einer einhergehenden ängstlichen Anspannung konnte in dem sechs Wochen dauernden Klinikaufenthalt letztlich recht erfolgreich behandelt werden, so dass er sein Rückzugs- und Vermeidungsverhalten überwinden und schließlich am 04.05.2007 in deutlich stabilisiertem Zustand wieder entlassen werden konnte. In der Zeit nach der Entlassung aus der Klinik nahm der Zeuge zudem auf Anraten der Klinik weiterhin an einer ambulanten Traumagruppe teil. Seit dem 09.07.2007 ist er wieder berufstätig, wenn er gegenüber seinem ursprünglichen Arbeitsangebot nun auch geringfügige Lohneinbußen hinnehmen musste. An körperlichen Beschwerden treten gelegentlich noch Schmerzen im Brustbereich beim Niesen auf. Außerdem hat der Zeuge noch geringfügige Probleme mit seinem verletzen Bein, wo unter Umständen noch eine Wundpunktion vorgenommen werden muss. An weiteren Folgen wird bei dem Zeugen eine gewisse Funktionseinbuße des Lungengewebes im Bereich des ehemaligen Schusskanals sowie circa zwei Zentimetern rechts und links daneben und ferner eine mehrere Zentimeter lange operationsbedingte Narbe am Oberkörper zurückbleiben, wobei der Zeuge die kosmetische Beeinträchtigung durch diese Narbe nicht als psychisch belastend empfindet.
31Nach Beginn der Hauptverhandlung, als der Zeuge S und der behandelnde Arzt bereits vernommen waren, hat der Angeklagte sich in einem aus der Untersuchungshaft an die Zeugin G gerichteten Brief, den die Kammer beschlagnahmt und hinsichtlich der folgenden hier interessierenden Passage mit dem Beschuldigten erörtert hat, zunächst über die Bedingungen der Untersuchungshaft beklagt und in diesem Zusammenhang seinen Unmut darüber geäußert, dass - während er sich in Untersuchungshaft befinde - der „Eseltreiber“, womit er den aus Tunesien stammenden Geschädigten S, der äußerlich von südländischem Typus ist, meinte, in der Zeitung stehe oder im TV zu sehen sei.
32III. Grundlagen der Feststellungen und Beweiswürdigung:
33Die Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten beruhen auf seinen eigenen dahingehenden Angaben. Die Feststellungen im Übrigen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte und im Übrigen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Umfang sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt.
34Zur Tatvorgeschichte und zur Sache selbst hat der Angeklagte zunächst nach der Verlesung des Anklagesatzes erklärt, dass er von seinem Schweigerecht Gebrauch machen wolle. Er hat sich zu Beginn des zweiten Verhandlungstages lediglich zu Angaben über seine Größe und sein Gewicht bereiterklärt und insoweit über seinen Verteidiger erklären lassen, dass er 1,91 Meter groß und - nach eigener Schätzung - ca. 75 Kilogramm schwer sei. Nachdem die Sachverständige Dr. N diesbezüglich mitgeteilt hat, dass sich aus der von ihr eingesehenen Gesundheitsakte der Justizvollzugsanstalt E ergebe, dass seinerzeit bei der Aufnahme des Angeklagten in die JVA eine Größe von 1,90 m und ein Gewicht von 80,3 kg festgestellt worden sei, sind der Angeklagte und sein Verteidiger dem nicht entgegengetreten. Die Kammer hat hier lediglich festgestellt hat, dass der Angeklagte circa 1,90 m – 1,91 m groß und von schlankem Körperbau ist.
35Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft am zweiten Verhandlungstag zwei Bände mit der Bezeichnung „TÜ- Protokolle“ – Doppel - Fallakten 19 und 20 eines Verfahrens der PP. Bielefeld überreicht hat, die unter anderem Aufzeichnungen aus Telefonüberwachungsmaßnahmen betreffend den Zeugen T sowie Anhaltspunkte dafür enthalten, dass der Zeuge T als V-Mann in der politisch rechten Szene für das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen tätig war, und diese Akten sodann an den Verteidiger des Angeklagten zur Akteneinsicht weitergereicht worden waren, ohne dass der Inhalt derselben jedoch von der Kammer zu irgendeinem Zeitpunkt förmlich in das Verfahren eingeführt worden ist, hat der Angeklagte nach der Vernehmung der Zeugen S, T2, C, E3, T3, A2 und dem sachverständigen Zeugen Dr. D durch die Kammer zu Beginn des dritten Verhandlungstages schließlich erklärt, die Tat nunmehr gestehen zu wollen. Er hat sich anschließend im wesentlichen wie folgt zur Sache eingelassen:
36Die Tat sei vorher nicht geplant gewesen. Er habe sich vielmehr erst eine halbe Stunde vorher mit dem Bekannten, von dem er jetzt wisse, dass der für das Innenministerium gearbeitet habe, in der Wohnung getroffen. Von diesem Bekannten habe er eine Waffe in die Hand gedrückt bekommen, sei zu „Plus“ gefahren worden, habe dort gewartet, bis keiner mehr „drinnen“ gewesen sei und sei dann dort schließlich hineingegangen. Er habe dem Zeugen S dann die Waffe nicht direkt an den Kopf gehalten. Der Zeuge habe aber im Weg gestanden. Er selbst sei zur Kasse gegangen, die aber abgeschlossen gewesen sei. Als er sich anschließend umgedreht habe, habe sich der Zeuge S ihm mit dem Einkaufswagen in den Weg gestellt. Er habe dem Zeugen gesagt, dass er zur Seite gehen solle, worauf dieser ihn jedoch „angegriffen“ und auf ihn eingeschlagen beziehungsweise dieses mindestens versucht habe. Dann habe sich das Geschehen nach draußen verlagert. Er, der Angeklagte, habe hinterher Blut im Mund gehabt. Er sei zuvor beim „Bund“ gewesen und kenne sich daher mit Waffen aus. Dies wolle er schon mal vorausschicken, um damit gleich dem Vorwurf des versuchten Mordes zu begegnen. Denn er habe absichtlich nur auf den Arm und das Bein des Zeugen geschossen. Er habe ihn nicht umbringen wollen. Wenn er das nämlich vorgehabt hätte, dann hätte er dem Zeugen sofort auf die Brust oder auf den Kopf geschossen. Der Bekannte habe ihm vorher sogar eine Waffe mit einem Kaliber von 9 mm andrehen wollen, die er aber gerade deshalb nicht angenommen habe, damit nicht noch mehr passiere. Er habe deshalb zuhause auch sogar extra noch Patronen aus der Waffe herausgenommen. Er habe nicht vorgehabt, jemanden „abzuschießen“.
37Nach dem Geschehen sei er schließlich abgehauen. Der Zeuge S habe da noch gestanden und ihm „Ich krieg Dich“ hinterher gerufen. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass es dem Zeugen nicht schlecht gehen könne. Anderenfalls hätte er, der Angeklagte, wohl auch so viel Courage gehabt und wäre umgedreht und zu diesem zurückgegangen. In das Portemonnaie habe er auch nicht dauernd hineingeguckt und es in der Nähe eines dort befindlichen Friedhofes in die nächste Mülltonne geschmissen. Was solle er mit einer Kreditkarte und so einer „Scheiße“.
38Die Zeugen F und A seien definitiv nicht da gewesen. Soweit diese ihn belasten würden, hätten sie Falschaussagen getätigt. Wenn die nämlich tatsächlich da gewesen wären, wäre er, der Angeklagte, sofort auf den Zeugen F „draufgegangen“. Die beiden wollten ihm wohl nur schaden.
39Die Pistole habe er direkt nach dem Geschehen in den Kanal geworfen, damit mit dieser kein Schaden mehr angerichtet werden könne.
40Auf weitere Nachfragen hat der Angeklagte sich dann ergänzend dahingehend eingelassen, dass es sich bei dem Bekannten, der für das Innenministerium gearbeitet habe, um den Zeugen T handele, er diesen seit 10 Jahren kenne, und sie bis vor einer halbe Stunde – bezogen auf den Zeitpunkt seiner Einlassung in der Hauptverhandlung – noch Freunde gewesen seien. Auf die Frage, was denn überhaupt ein V-Mann sei, entgegnete der Angeklagte, dass das jemand sei, der auf „Staatsseite“ stehe. Auf die weitere Frage, warum dieser denn mit ihm zu tun gehabt habe und ob er, der Angeklagte, im Verdacht stehe, ein Rechtsradikaler zu sein, antwortete er, dass seine politische Einstellung mit dem Verfahren nichts zu tun habe und ob er zum politischen Häftling gemacht werden solle.
41Auf die weitere Frage, ob der Zeuge T mit der Planung der Tat zu tun gehabt habe, hat der Angeklagte ausgeführt, dass es da gar keine Planung gegeben habe. Vielmehr sei es zu der Tat „von jetzt auf gleich“ gekommen. Sie hätten eigentlich ins Kino gehen wollen. Dann hätten sie irgendetwas machen wollen. T habe ihm dann die Waffe in die Hand gedrückt und gesagt „hier“ und auf den „Plus“-Supermarkt hingewiesen.
42Nachdem die Kammer den Angeklagten darauf hingewiesen hat, dass das kaum zu glauben sei, und ihn gefragt hat, was es denn dann mit der SMS-Nachricht an die Zeugin G auf sich gehabt habe, hat er angegeben, dass der Zeuge F ihm die Freundin ausgespannt habe und er ihm deshalb Gewalt angedroht habe. Er habe gedacht, dass er sich den packen wolle, aber nicht mit einer Waffe. Die SMS-Nachricht habe sich daher nur auf diesen bezogen. Denn das lasse er sich nicht bieten.
43Auf die Frage, ob er an dem Nachmittag noch bei der Zeugin G gewesen sei, hat er erklärt, in jedem Falle mittags dort gewesen zu sein. Es sei auch richtig, dass er sich ihr gegenüber dahingehend geäußert habe, dass er jetzt alles verloren habe. Denn seine Beziehung zu G sei seine bisher längste Beziehung gewesen. Richtig sei dann auch, dass er die SMS-Nachricht mit dem Inhalt, dass er nichts habe, geschrieben habe. Auf Vorhalt, dass die Zeugin G sich gegenüber der Polizei dahingehend geäußert habe, dass er Schulden gehabt und Geld gebraucht habe sowie konkret von 7.000 € gesprochen habe, hat er sich zunächst lediglich – ersichtlich „mauernd“ – nur dahingehend eingelassen, dass er von Arbeitslosengeld gelebt und deshalb natürlich auch Geld gebraucht habe. Später hat er dann - nach und nach - schließlich jedoch auch eingeräumt, dass er für T ein schweres Paket im Raum Detmold oder Herford abgeben habe und dafür einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 € habe entgegennehmen sollen. Er wisse aber nicht, was in dem Paket gewesen sei. Das habe T ihm auch nicht gesagt. Bei seinem Umfeld und seinen Freunden habe er auch nie an Drogen gedacht. Er habe mit Drogen nichts zu tun und nehme auch selbst keine. Wenn in dem Paket tatsächlich Drogen gewesen wären und er dies gewusst hätte, hätte seine Toilette vielmehr „Dauerdienst“ gehabt. Jedenfalls habe er der betreffenden Person, deren Namen er nicht wisse, dort im Bereich eines Hochhauses das Paket übergeben. Die genannte Person sei dann weggegangen und habe das Geld holen wollen. Tatsächlich habe sie das aber nicht gemacht, sondern sei abgehauen. Nach einiger Zeit habe er dann gemerkt, dass er „verarscht“ worden sei. T sei daraufhin nicht erfreut gewesen, habe herumgeschrieen und mehrmals angerufen. Das Ganze sei in der Woche vor der Tat, also ein paar Tage oder einen Tag vorher passiert. T habe dann gesagt, dass er jetzt dringend Geld brauche. Für ihn – den Angeklagten - sei das „Thema“ eigentlich erledigt gewesen. Dann hätten sie aber am Freitag bei ihm – dem Angeklagten - auf dem Sofa gesessen und es sei die Sprache auf den „Plus“ gekommen. Vorher habe man auch noch darüber nachgedacht, von einem Schrottplatz Kupfer zu entwenden und dies mit einem LKW abzutransportieren. Diesen Gedanken habe man aber wieder verworfen. Den Überfall habe er dann gemacht, weil er T durch die fehlgeschlagene Paketübergabe letztlich um seinen „Lohn“ gebracht habe. Er selbst habe keine Schulden gehabt. Auf die Frage, in welches Geschäft 7.000 € investiert worden seien, entgegnete er, dass dies das fehlgeschlagene Geschäft gewesen sei. Dies sei aber nicht sein Geld gewesen. An anderer Stelle erklärte der Angeklagte zudem, er habe gegenüber der Zeugin G zwar durchaus auch von Geldnot gesprochen; dies sei aber in einem anderen Zusammenhang gemeint gewesen.
44T habe ihm dann die Waffe gegeben und zwar zuerst eine 9 mm. Da kenne er – der Angeklagte - sich aus, die gehe durch alles durch. T habe aber auch noch eine andere Waffe gehabt. Er, der Angeklagte, habe nicht gewollt, dass etwas passiere. Deshalb habe er aus der kleinen Waffe einige Patronen herausgenommen und habe sich so kurz vor acht Uhr zwei Straßen weit vom Plusmarkt entfernt hinfahren lassen. Außer T, der keinen Führerschein habe, sei noch eine weitere Person als Fahrer dabei gewesen, deren Namen er aber nicht nennen wolle. Er selbst habe keine Lust gehabt, dass die „Bude“ – gemeint war der „Plus“-Supermarkt voll sei. Er sei dann dort reingegangen. Eigentlich habe er „zack“ wieder herausgewollt. Ihm sei es nur um`s Geld gegangen. Er habe dann definitiv nicht geschossen, um den Zeugen S zu töten. Er habe schließlich eine Ausbildung bei der Bundeswehr als Schütze gehabt und genau gefühlt, wo er hingeschossen habe. Er habe ihm ins Bein geschossen, denn da passiere ja nichts, und irgendwo in den Arm. Dass die Kugel abgeprallt sei, sei nicht gewollt gewesen. Er hat dann noch einmal wiederholt, dass, wenn er den Zeugen hätte töten wollen, er in den Kopf, oder - aus der Umklammerung heraus - in den Bauch oder die Brust geschossen hätte. Auf den Hinweis der Kammer, dass er ja gehört habe, wie knapp der Zeuge S einer tödlichen Verletzung entgangen sei – zu diesem Zeitpunkt hatte die Kammer den Operateur Dr. D bereits als sachverständigen Zeugen vernommen – hat der Angeklagte schließlich erklärt, dass ihm das leid tue. Er hat diese Erklärung jedoch in einem sehr angestrengt wirkenden Tonfall und ohne jegliche erkennbar werdende emotionale Beteiligung abgegeben, so dass für die Kammer keinerlei Zweifel daran besteht, dass dieses Bekenntnis lediglich ein - nicht von Reue oder Mitgefühl mit dem Opfer - getragenes bloßes Lippenbekenntnis war. Die Kammer ist sich ferner sicher, dass er dies lediglich deshalb gesagt hat, weil er in dem Moment nichts anderes zu sagen wusste und sich durch die formal abgegebene Erklärung einen Vorteil in dem anhängigen Verfahren erhoffte. Auf die weitere Frage der Kammer, ob es nicht vielmehr so gewesen sein könne, dass er in dem Moment gar nicht mehr so genau gezielt habe, weil er in Panik geraten sei, da seine Kopfbedeckung zu Boden gefallen sei, hat der Angeklagte erklärt, dass die gar nicht zu Boden gefallen sei. Wie wolle man ihm denn eine Sturmhaube vom Kopf reißen. Das gehe doch gar nicht. Der Zeuge S habe ihn vielmehr nie gesehen. Soweit, dass dieser sein Gesicht habe sehen können, sei die Sturmhaube auch nicht hochgerutscht. Sonst hätte er ja selbst gar nichts mehr sehen können. Woher er die Sturmhaube gehabt habe, wisse er nicht mehr genau. Er habe sie aber nicht selbst hergestellt. Sein Vater habe mal vor „Urzeiten“ ein Motorrad gehabt. Auf „Demos“ sei er immer unvermummt gegangen, da könne die Kammer beim Staatsschutz nachfragen. Außerdem hätten auch Freunde von ihm Motorräder. Jedenfalls habe er die Haube bestimmt nicht für den Überfall gekauft. Er habe die Sturmhaube nach dem Geschehen schließlich selbst abgenommen, als er in C am Friedhof rechts eingebogen sei. Richtig sei dann aber, dass er vier Mal geschossen habe, wobei er dreimal ins Bein des Zeugen und einmal – um nicht den Brustkorb zu treffen, die Waffe direkt an dessen Arm haltend - in diesen geschossen habe. Seines Wissens habe er die Schüsse dabei ohne einen zeitlichen Abstand abgegeben. Er habe geschossen, um wegzukommen, da der Zeuge S ihn „angegriffen“ habe. Auf den Hinweis der Kammer, dass sich doch die Frage stelle, wer hier denn wen angegriffen habe, erklärte der Angeklagte – ersichtlich empört -, dass doch keiner damit habe rechnen können, dass der – gemeint war der Zeuge S - auf ihn „draufspringen“ und den „Rambo“ spielen würde. Nachdem die Kammer den Angeklagten darauf hingewiesen hat, dass aus seinen Worten keinerlei Mitgefühl mit dem Opfer oder Reue herauszuhören sei, hat er – in ärgerlich erregtem Ton - geantwortet, klar fühle er Mitgefühl und es tue ihm leid, was er gemacht habe. Von Selbstmitleid getragen hat er sodann jedoch hinzugefügt, dass der „Knast“ ihn aber fertig gemacht und abgestumpft habe. Er habe sich in den ersten Tagen schon Gedanken über die Tat gemacht, könne das aber nicht sein Leben lang tun und habe sich dann gesagt: „Guck nach vorne“, nachdem er – gemeint war wiederum der Zeuge S – meine, hier Propaganda machen und Interviews geben sowie am ersten Verhandlungstag erst einmal ausschlafen zu müssen.
45Hierzu ist anzumerken, dass der Nebenkläger S – offenbar weil er vor seiner eigenen Vernehmung als Zeuge, wie es nicht unüblich ist, der Hauptverhandlung nicht beiwohnen wollte, um möglichst unvoreingenommen zu sein – am ersten Verhandlungstag nicht erschienen war.
46Demgegenüber habe, so hat der Angeklagte weiter erregt kundgetan - keiner etwas dazu gesagt, dass seine – des Angeklagten Mutter – zwischenzeitlich verstorben sei. Außerdem sei durch die Presseberichterstattung sein - des Angeklagten - Ruf noch in 70 Jahren ruiniert. Wenn er unschuldig gewesen wäre, sei das nicht wieder gutzumachen gewesen.
47Nach dem Geschehen im Supermarkt sei er weggelaufen über den Kreisverkehr rüber zur nächsten Seitenstraße. Dort habe T dann auf ihn gewartet und er sei zu ihm ins Auto gestiegen. Später habe er sich dann das Blut aus dem Mund gespült, die Waffe zerlegt und die Einzelteile sodann an unterschiedlichen Stellen im Kanal versenkt, damit nicht noch mehr passiere, wenn einer die finde.
48Die Feststellungen zur Tatvorgeschichte hinsichtlich des Vorfall mit der Schusswaffe beruhen auf der Aussage der Zeugin G, diejenigen zu der allgemeinen Lebenssituation des Angeklagten, seinen Zukunftsplänen sowie dem Verhältnis zwischen dem Angeklagten und der Zeugin G hat die Kammer aufgrund der Einlassung des Angeklagten und ergänzend anhand der – insoweit übereinstimmenden - Bekundungen der Zeugin G und auch des Zeugen F so getroffen.
49Der Angeklagte hat sodann – wie von der Kammer weiter festgestellt - auch noch eingeräumt, im Januar mehrfach nach Ostwestfalen gefahren zu sein. Die Annahme, dass diese Besuche etwas mit Drogen zutun hatten, liegt zwar nahe; sicher feststellen ließ sich dies indes nicht, da der Angeklagte einen solchen Zusammenhang vehement in Abrede gestellt und hierzu lediglich erklärt hat, er sei bei seinen Besuchen in Ostwestfalen jeweils nur mit T beziehungsweise einem Bekannten von der Bundeswehr in Restaurants zum Essen gewesen.
50Auch die Tatsachenfeststellungen zu dem fehlgeschlagenen Geschäft in Ostwestfalen in oder in der Nähe von Detmold hat die Kammer aufgrund der dahingehenden geständigen Einlassung des Angeklagten so getroffen. Der Angeklagte hat selbst eingeräumt, dass er an sich das Paket gegen Zahlung von 10.000 € habe übergeben sollen, weshalb die Kammer dies als mindestens anzunehmenden Marktwert des Paketinhaltes festgestellt hat. Soweit die Kammer es darüber hinaus auch für möglich hielt, dass der Marktwert desselben möglicherweise sogar auch über 15.000 € betragen hat, beruht dies auf der Bekundung der Zeugin G. Diese hat ausgesagt, dass der Angeklagte am Tattag noch bei ihr gewesen sei und bei diesem Besuch davon gesprochen habe, dass er kein Geld mehr habe und dass er etwas Schreckliches vorhabe. Dass der Angeklagte seinerzeit konkrete Schulden gehabe habe, wisse sie indes nicht. Die Kammer hat ihr daraufhin vorgehalten, dass sie in ihrer Zeugenaussage gegenüber der Polizei vom 04.02.2007 noch angegeben habe, der Angeklagte habe erzählt habe, dass er ein Geschäft habe machen wollen und hier 7.000 € investiert habe. Hierzu habe sie eine SMS bekommen, in der er geschrieben habe, dass er am Wochenende 10.000 € haben könne. Bei diesem Geschäft sei er jedoch letztlich „beschissen“ worden und habe offensichtlich die 7.000 € verloren. Ihr habe er gesagt, dass er innerhalb einer Woche an 7.000 € kommen müsse.
51Nach dem entsprechenden Vorhalt hat die Zeugin erklärt, dass ihre Erinnerung nun wiederkomme und sie hat die Richtigkeit der seinerzeitigen Angaben bestätigt.
52Von einer Vernehmung des Zeugen T hat die Kammer abgesehen, da dieser gegenüber dem Vorsitzenden der Kammer telefonisch über seinen Verteidiger Dr. G3 hat mitteilen lassen, dass er sich – auch auf Rat von Dr. G3 hin – dazu entschlossen habe, im Falle einer Vernehmung durch die Kammer insgesamt von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Der Vorsitzende hat die Prozessbeteiligten hiervon in der Hauptverhandlung in Kenntnis gesetzt und die Kammer hat von einer Ladung dieses Zeugen aus diesem Grunde abgesehen.
53Die Kammer hält es nach den Angaben der Zeugin G insgesamt daher auch für möglich, dass der Angeklagte zusätzlich zu den 10.000 €, von denen er in seiner Einlassung gesprochen hat, auch noch selbst weitere 7.000 € aus seinem eigenen Vermögen in das Geschäft investiert hat, so dass das Paket einen Marktwert von mithin über 15.000 € gehabt haben könnte. Sicher feststellen ließ sich dies letztlich aber nicht, so dass die Kammer dies im Ergebnis auch offengelassen hat, was dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht.
54Bei einem Wert des Paketes von mindestens 10.000 € drängt es sich aus Sicht der Kammer sodann ferner zwar nahezu auf, dass in dem betreffenden Paket Betäubungsmittel enthalten waren und der Angeklagte dies damals auch gewusst hat. Dahingehende sichere Feststellungen über diesen von der Anklage nicht umfassten Vorfall hat die Kammer indes letztlich nicht getroffen, so dass sie dies in Anbetracht des dahingehenden Bestreitens durch den Angeklagten im Ergebnis ebenfalls offengelassen hat. In jedem Fall handelte es sich aber um ein kriminelles Geschäft, wie sich zur Überzeugung der Kammer schon daraus ergibt, dass trotz des hohen erlittenen Verlustes weder direkt die Polizei gerufen noch eine Anzeige erstattet worden war.
55Ferner steht aufgrund der Einlassung des Angeklagten zur Überzeugung der Kammer fest, dass er sich für den Verlust des Geldes verantwortlich fühlte und von den hinter dem Geschäft stehenden anderen Personen – wohl insbesondere dem Zeugen T - hierfür wohl auch verantwortlich gemacht wurde. Das Gleiche gilt auch hinsichtlich der Feststellungen dazu, dass der Angeklagte selbst die finanziellen Mittel für eine Schadenderstattung nicht hatte und deshalb von sich aus – oder weil andere ihn auf eine dahingehende Idee brachten - Überlegungen anstellte, sich das erforderliche Geld eventuell durch die Begehung einer Straftat ersatzweise wieder zu beschaffen.
56Die Einzelheiten hinsichtlich des Besuchs des Angeklagten am Tattage bei der Zeugin G einschließlich des Inhalts der von ihm an diese versandten SMS-Nachrichten hat die Kammer, soweit der Angeklagte diese nicht ohnehin schon in seiner eigenen Einlassung geschildert hat, ergänzend aufgrund der dahingehenden Bekundungen der Zeugin G so festgestellt. Die Aussage der Zeugin hat auf die Kammer einen glaubhaften und die Zeugin selbst einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Widersprüche gab es in der Aussage allenfalls insoweit, als die Zeugin gegenüber der Polizei bekundet hat, der Besuch des Angeklagten bei ihr am Tattag sei gegen 16.00 Uhr – also kurz vor der Versendung der zweiten SMS-Nachricht durch den Angeklagten erfolgt, während sie gegenüber der Kammer – in Übereinstimmung mit der dahingehenden Einlassung des Angeklagten - ausgesagt hat, dieser sei bereits mittags bei ihr gewesen. Da es auf diesen Umstand jedoch nicht entscheidend ankam, hat die Kammer letztlich offengelassen, wann das Treffen zeitlich genau stattgefunden hat. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin haben sich aus diesem Widerspruch nicht ergeben, da es durchaus nachvollziehbar erscheint, dass die Zeugin sich in diesem Punkt heute nicht mehr im Detail erinnern konnte.
57Soweit die Kammer sodann festgestellt hat, dass der Angeklagte sich bereits zum Zeitpunkt des Besuches bei der Zeugin G mit dem Gedanken trug, als Ausgleich für das fehlgeschlagene Geschäft in Ostwestfalen zur Geldbeschaffung einen Überfall durchzuführen, beruht dies auf dem Umstand, dass der Angeklagte ihr gegenüber – wie die Zeugin ebenfalls glaubhaft bekundet hat – bereits bei diesem Besuch auch sinngemäß erklärt hat, dass er etwas plane, weil er kein Geld sowie keine Freundin mehr habe, dass ihm alles egal sei und dass er etwas Schreckliches vorhabe, was sie mitkriegen werde. Denn dies kann sich zur sicheren Überzeugung der Kammer unter den gegebenen Umständen nur auf Überlegungen im Zusammenhang mit dem Überfallgeschehen bezogen haben, wenn es letztlich auch nicht gesichert war, ob das Augenmerk des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt bereits auf den genannten „Plus“-Supermarkt in C gerichtet war. Insbesondere stand das Vorhaben, das er gegenüber der Zeugin angedeutet hat, auch in keinerlei Zusammenhang mit einem irgendwie gearteten Vorhaben gegen den Zeugen F, wie der Angeklagte dies im Zusammenhang mit der Versendung der zweiten SMS-Nachricht, welche die an die Zeugin gerichtete Bitte enthielt, keinem etwas zu sagen, wenn sie am nächsten Tag die Zeitung lese, behauptet hat. Denn insoweit fehlt es an jeglicher konkreter Angabe des Angeklagten dazu, wann er den Zeugen F wo hätte treffen und gegebenenfalls attackieren wollen und vor allem auch dazu, warum er dies anschließend dann tatsächlich nicht getan hat. Wenn sein in Bezug auf den Zeugen F angeblich angedachtes Vorhaben so bedeutend war, dass hiervon am nächsten Tag sogar in der Zeitung zu lesen gewesen wäre, so hätte es aber doch ein Leichtes für den Angeklagten sein müssen, dieses in nachvollziehbarer Form zu schildern. Zudem hat auch die Zeugin G zwar durchaus noch bestätigt, dass der Angeklagte auf den Zeugen F „nicht gut zu sprechen“ gewesen sei und – nach Vorhalt der diesbezüglichen Einlassung des Angeklagten – auch bekundet, dass der Angeklagte ihr gegenüber durchaus auch schon einmal erklärt habe, dass er den Zeugen F körperlich angehen wolle. Sie hat aber auch klargestellt, dass sie das nicht „für voll genommen“ habe und hinzugefügt, dass der Angeklagte ihrer Ansicht nach hierfür zuvor dann doch bereits genügend Chancen gehabt hätte, da beide im selben Ortsteil wohnten. Dass die Zeugin G seinerzeit ebenso wenig einen Bezug zwischen der getätigten Äußerung oder der anschließenden SMS-Nachricht zu etwaigen Eifersüchteleien des Angeklagten gegenüber dem Zeugen F gesehen hat, wird zudem dadurch deutlich, dass sie im Zusammenhang mit der Nachricht ferner geschildert hat, dass sie, als sie bei einem abendlichen Discothekenbesuch von dem Überfall auf den „Plus“-Supermarkt erfahren habe, das Gefühl gehabt habe, dass das der Angeklagte gewesen sei.
58Der Zeuge F hat diesbezüglich ausgesagt, er könne zwar nicht ausschließen, dass der Angeklagte ihm aus Wut heraus etwas habe antun wollen. Aber bisher habe er jedenfalls noch keinen Streit, keine Auseinandersetzung oder gar eine Prügelei mit dem Angeklagten gehabt. Als der Angeklagte während der Vernehmung des Zeugen zu diesem dann geäußert hat, er sei ihm doch seit dem Geschehen mit der Zeugin G aus dem Weg gegangen, hat der Zeuge dies – zur Überzeugung der Kammer glaubhaft – bestritten. Der Zeuge F hat auf die Kammer auch einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Zwar hat er der Polizei gegenüber zunächst wahrheitswidrige Angaben insoweit gemacht, als er angegeben hat, er selbst habe gehört, wie der Angeklagte gesagt habe, dass er heute den größten Fehler seines Lebens begehen werde. Er hat dies der Polizei gegenüber sodann aber im Rahmen einer weiteren Befragung wieder richtiggestellt und auch der Kammer gegenüber auf Nachfrage sofort eingeräumt, dass er hier zunächst die Unwahrheit gesagt habe, um die Zeugin G aus der Angelegenheit herauszulassen. Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit hatte die Kammer mithin nicht.
59Die Kammer ist sich nach alldem daher sicher, dass die Behauptung des Angeklagten, wonach der Inhalt der genannten SMS-Nachricht nicht auf einen angedachten Überfall, sondern auf den Zeugen F bezogen gewesen sei, erlogen ist und nur dem Zweck dienen sollte, zu verschleiern, dass er sich schon am Nachmittag mit dem Gedanken trug, einen Überfall zu begehen und diese Überlegung nicht erst abends kurz vor der Tat spontan auf Veranlassung des Zeugen T aufgekommen sind. Aus demselben Grunde ist die Kammer ferner davon überzeugt, dass auch die Ankündigung während des Besuches bei der Zeugin G auf den angedachten Überfall bezogen zu verstehen war.
60Widerlegt ist die Einlassung des Angeklagten zur Überzeugung der Kammer auch insoweit, als der Angeklagte in Abrede gestellt hat, den Zeugen A in der Zeit zwischen 17.30 Uhr und 18.40 Uhr noch im Bereich vor dem Plus-Supermarkt getroffen zu haben. Der Zeuge hat die Begegnung so bekundet, wie die Kammer sie dem folgend auch festgestellt hat. In zeitlicher Hinsicht hat er zunächst zwar erklärt, dass er den Angeklagten nachmittags getroffen habe. Auf weitere Nachfrage, wann genau dies geschehen sei, hat er jedoch angegeben, dass die Begegnung so gegen sechs Uhr oder halb sieben Uhr abends erfolgt sei. Spätestens sei es wohl halb sieben Uhr gewesen. Da er zu dieser Zeit immer zum Training gehe, sei dies seiner Erinnerung nach wohl der spätest anzunehmende Zeitpunkt gewesen. Gegenüber der Polizei hatte der Zeuge angegeben, er habe den Angeklagten in der Zeit gegen 18.30 Uhr und 18.40 Uhr gesehen. Weil der Zeuge der Kammer gegenüber zunächst aber von „Nachmittag“ gesprochen hat, hat die Kammer demzufolge lediglich festgestellt, dass die Begegnung jedenfalls in der Zeit nach 17.30 Uhr und vor 18.40 Uhr erfolgt ist. Zweifel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen hat die Kammer nicht. Der Angeklagte hat gegen Ende der Vernehmung des Zeugen A schließlich zwar ebenfalls eingeräumt, dass er dem Zeugen im Bereich des Plus-Marktes tatsächlich begegnet sei. Dies sei aber zu einem Zeitpunkt erfolgt, als er gerade auf dem Weg zu der Zeugin G gewesen sei. Dies kann jedoch nicht zutreffen, da sein Besuch dort jedenfalls noch vor Versendung der zweiten SMS-Nachricht, die in der Zeit zwischen 16.00 Uhr und 16.30 Uhr versandt worden ist, erfolgt war.
61Die Tatsachenfeststellungen zu dem weiteren Geschehen vor dem Erscheinen des Angeklagten am Tatort hat die Kammer infolge der dahingehenden Einlassung des Angeklagten getroffen. Ob der Angeklagte dabei den Tatentschluss tatsächlich erst nach 19.00 Uhr im Gespräch mit dem Zeugen T gefasst hat, dieser ihm zunächst eine Waffe mit einem Kaliber von 9 mm angeboten und ihm sodann auf seinen Wunsch hin die kleinere Tatwaffe nebst Munition übergeben hat, wobei der Angeklagte dieser zuvor noch einige Patronen entnommen hat, hält die Kammer für möglich, aber nicht für gesichert, weshalb sie diese Tatsachen als nicht ausschließbar in ihre Feststellungen aufgenommen hat. Das Gleiche gilt auch bezogen auf die Einlassung des Angeklagten, wonach er von dem Zeugen T und einer weiteren nicht namentlich genannten Person vor dem Tatgeschehen in die Nähe des Tatortes gefahren worden sei.
62Den Ablauf des eigentlichen Tatgeschehens hat die Kammer außer anhand der Einlassung des Angeklagten vor allem aufgrund der Bekundungen der Zeugen S und T2 sowie - lediglich ergänzend - der Angaben der Zeugin X in ihrer Aussage gegenüber der Polizei vom 02.02.2007 (Blatt 70 f in Band I der Akten), die die Kammer im Wege der Verlesung gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO in das Verfahren eingeführt hat, festgestellt. Grund für die Verlesung der Aussage der Zeugin X gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO war, dass die Zeugin der Kammer – was der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung gegenüber erläutert hat – auf ihre Terminsladung hin mitgeteilt hat, dass sie sich ortsabwesend in einem Kuraufenthalt befinde.
63Soweit die Kammer darüber hinaus auch Feststellungen zu einem Handeln und zu Wahrnehmungen der Zeugen C, A2, T3, E2, E3 und G2 getroffen hat, beruhen diese auf den Bekundungen, die diese als Zeugen gegenüber der Kammer gemacht haben.
64Sämtliche Zeugen haben auf die Kammer einen glaubwürdigen und ihre Aussagen einen glaubhaften Eindruck gemacht. Hinsichtlich der Würdigung der Aussage der Zeugin X hat die Kammer dabei besonders berücksichtigt, dass sie sich von dieser Zeugin keinen persönlichen Eindruck verschaffen konnte. Da die verlesene Aussage indes keine nennenswerten Unterschiede zu dem Inhalt der Angaben der Zeugin T2 aufwiesen, hat die Kammer auch bei dieser Zeugin keinen Grund gesehen, an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Hinzukommt, dass die Schilderungen der beiden Verkaufsangestellten sich in den wesentlichen Punkten auch mit denen des Zeugen S deckten. Zu dessen Glaubwürdigkeit folgen noch gesonderte Ausführungen.
65Widerlegt ist danach die Einlassung des Angeklagten sodann insoweit, als dieser behauptet hat, der Zeuge S habe sich ihm, nachdem er sich zu der Registrierkasse begeben und dann umgedreht habe, mit seinem Einkaufswagen in den Weg gestellt und habe ihn – den Angeklagten - angegriffen und auf ihn eingeschlagen beziehungsweise dies mindestens versucht. Denn der Zeuge S hat das Geschehen so geschildert, wie die Kammer es dem folgend auch festgestellt hat. Er ist bei seiner Schilderung auch dann geblieben, als die Kammer ihn mit der insoweit abweichenden Einlassung des Angeklagten konfrontiert hat. Vielmehr habe der Angeklagte sein Portemonnaie verlangt und mitgenommen. Außerdem habe dieser ihn aufgefordert, nach draußen zu gehen und ihn dann mitgenommen und rausgeschubst. Es stimme auch nicht, dass er den Angeklagten draußen geschlagen habe. Wenn der Angeklagte Blut im Mund gehabt habe, dann könne er sich eine derartige Verletzung unter Umständen im Rahmen der anschließenden Rangelei zugezogen haben, bei der er sich möglicherweise seinen Kopf gestoßen habe.
66Der Zeuge hat auch diese Bekundungen in ruhigem und sachlichem Ton gemacht. Die Kammer hat deshalb keinen Zweifel, dass der Zeuge auch insoweit die Wahrheit gesagt hat. Dabei mag es durchaus sein, dass der Angeklagte sich im Verlauf des gesamten Tatgeschehens eine blutende Verletzung an der Lippeninnenseite des Mundes zugezogen hat, wie er das behauptet. Diese kann er sich aber – wie der Zeuge vollkommen zutreffend geschildert hat – ohne weiteres auch im Rahmen der anschließenden Umklammerungssituation mit dem Zeugen S zugezogen haben.
67Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, dass die abweichende Einlassung des Angeklagten widerlegt ist und er hier lediglich auf dreiste Weise versucht hat, Opfer und Täterrolle zu vertauschen, indem er dem Zeugen vorgeworfen hat, ihn - als Täter des Überfalls – angegriffen zu haben und sich an anderer Stelle in ebenso unverschämter Weise zu der Bemerkung verstiegen hat, dass er nicht damit habe rechnen können, dass der Geschädigte „den Rambo“ spielen werde.
68Widerlegt ist die Einlassung des Angeklagten ferner insoweit, als er in Abrede gestellt hat, dass seine Sturmhaube im Rahmen des Gerangels mit dem Zeugen S verrutscht oder gar ganz zu Boden gefallen ist und insbesondere behauptet hat, der Zeuge habe sein Gesicht zu keinem Zeitpunkt erkennen können. Denn auch dies hat der Zeuge S glaubhaft anders bekundet. Zwar wiese die Aussage des Zeugen in der Tat einen Widerspruch auf, wenn in dessen Vernehmung vom 08.02.2007 zutreffend protokolliert wurde, er habe dem Angeklagten die Mütze und die Sturmhaube herunter gerissen, während er in der Hauptverhandlung ausgesagt hat, die Mütze und die Sturmhaube hätten irgendwie dann beide auf dem Boden gelegen, er habe dem Angeklagten die Mütze aber nicht absichtlich vom Kopf gerissen.
69Die Kammer hält es wegen dieser Unsicherheit in der Aussage sowohl für möglich, dass der Zeuge S dem Angeklagten die Sturmhaube und die Mütze bewusst vom Kopf gezogen hat und sich dies heute lediglich nicht mehr eingestehen will, da er sein Verhalten nachträglich als risikoerhöhend und damit falsch ansieht; Sie hält es aber ebenso gut für möglich, dass die Kopfbedeckungen dem Angeklagten versehentlich im Gerangel vom Kopf gefallen sind, beziehungsweise - betreffend nur die Sturmhaube - lediglich verrutscht ist. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ergaben sich für die Kammer auch im Falle eines solchen Widerspruchs indes nicht.
70Der Zeuge hat dann weiter bekundet, der Angeklagte habe sich später gebückt und die Sturmhaube mitgenommen. Er hat zudem – noch bevor der Angeklagte sich im Wege des Geständnisses zu der Tat bekannt hatte – ausgesagt, er habe den Angeklagten Auge in Auge gesehen und sei sich hundertprozentig sicher, dass der Angeklagte der Täter sei. Dieser habe lediglich die Haare noch etwas länger gehabt.
71Hierbei ist der Zeuge auch geblieben, als die Kammer ihn eindringlich darauf hingewiesen hat, dass er sich von dem Gedanken freimachen müsse, dass der Angeklagte auf der Anklagebank sitze und er außerdem mit dieser Aussage möglicherweise eine große Verantwortung übernehme.
72Deshalb hat die Kammer entgegen der anderslautenden Einlassung des Angeklagten keinen Zweifel daran, dass der Zeuge S vor Abgabe der Schüsse – wie er bekundet hat - das Gesicht des Angeklagten hat sehen können und tatsächlich auch gesehen hat.
73Hinsichtlich der inneren Tatseite steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte zeitlich vor und bei dem Betreten des Geschäfts nicht vorhatte, allein den Zeugen S mit der Pistole zu bedrohen und hierdurch lediglich mittelbar auf die beiden Verkaufsangestellten T2 und X einzuwirken, damit diese das Geld aus den Kassen herausgeben würden, sondern dass er zwar den Zeugen S zunächst durchaus unter Vorhalten der Waffe in das Geschäft zurückdrängen wollte, um sodann selbst ungehindert eintreten zu können, anschließend aber die beiden Angestellten unter Vorhalt der Pistole direkt bedrohen wollte. Denn dieses Vorgehen war – weil es einen noch größeren psychischen Druck auf die Zeuginnen hervorgerufen hätte – der wesentlich erfolgversprechendere Weg, um an das Geld in den Kassen zu gelangen. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass dies auch der Angeklagte so gesehen und deshalb in der Weise auch geplant hatte.
74Die Kammer ist ferner sicher, dass der Angeklagte sich erst dann, als er erkannte, dass er die Bargeldvorräte aus den Kassen ohne Hilfe der geflüchteten Kassiererinnen nicht erlangen konnte, kurzerhand dazu entschlossen hat, nun zumindest den Zeugen S zu zwingen, sein etwa mitgeführtes Bargeld an ihn herauszugeben, um sich dieses zuzueignen, damit er das Geschäft nicht ganz ohne Beute verlassen musste. Denn dies folgt zur Überzeugung der Kammer bereits aus dem äußeren Geschehensablauf. Der Angeklagte ist zunächst zu einer der Kassen gegangen, hat versucht diese gewaltsam zu öffnen und erst als das nicht gelang, hat er schließlich den Zeugen S unter Vorhalt der Waffe gezwungen, ihm sein Portemonnaie auszuhändigen. Die Feststellung, dass er dabei nur an Bargeld interessiert war, beruht auf der eigenen - insoweit auch glaubhaften - Einlassung des Angeklagten.
75Dass der Angeklagte mit der aktiven Gegenwehr durch etwaige Opfer, wie sie nun der Zeuge S vornahm, überhaupt nicht gerechnet hatte und hierdurch vollkommen überrascht war, hat er selbst so eingeräumt. Durch seine in noch immer ärgerlichem Ton vorgetragene Einlassung, er habe nicht damit rechnen können, dass der Zeuge S den „Rambo“ spielen würde, hat der Angeklagte außerdem deutlich gemacht, dass er über das Verhalten des Zeugen in der konkreten Tatsituation durchaus auch wütend war, weil dieser sich seinem Willen nicht gebeugt hatte, was die Kammer demnach ebenfalls so festgestellt hat.
76Weil der Angeklagte bei Abgabe der Schüsse unmittelbar vor dem Geschädigten stand, bestand zudem für die Kammer kein Zweifel daran, dass der Angeklagte wie er auch eingestanden hat, den Zeugen S durch Abgabe der den Zeugen treffenden Schüsse aus der Pistole bewusst verletzen wollte. Dass er zudem - zumindest bei dem in den Arm abgegebenen Schuss – auch damit rechnete, er könne den Geschädigten hierdurch möglicherweise sogar töten, ihm dies in dem Moment aber gleichgültig war, ist zwar ebenfalls nicht fernliegend; eine sichere dahingehende Überzeugung konnte sich die Kammer jedoch nicht bilden, weshalb sie einen bedingten Tötungsvorsatz nicht festgestellt hat.
77Zwar ist die Einlassung des Angeklagten, er sei als im Grundwehrdienst ausgebildeter Schütze in der Lage gewesen, die Gefährdung des Zeugen zu beherrschen, unrichtig. Dies zeigt bereits der Umstand, dass das abgefeuerte Projektil die Aorta des Opfers beinahe erreicht hat. Außerdem hat diesbezüglich auch der Sachverständige Zeuge Dr. D überzeugend ausgeführt, dass es bei dem Verlauf des Geschosskanals im Oberkörper des Geschädigten aus seiner Sicht nicht in der Hand des Schützen gelegen habe, dass diesem nicht noch mehr passiert sei, sondern dies vielmehr Zufall gewesen sei und der Geschädigte letztlich erhebliches Glück gehabt habe.
78Nicht hinreichend sicher feststellen ließ sich jedoch, dass der Angeklagte sich bei Abgabe des auf den Arm gerichteten Schusses der Unbeherrschbarkeit der Gefahr tatsächlich in dem Moment auch bewusst war und er deshalb mit der Möglichkeit eines auch tödlichen Verlaufes gerechnet und diesen zumindest billigend in Kauf genommen hat.
79Sichere Feststellungen dazu, wann der Angeklagte erkannt hatte, dass tatsächlich kein Scheingeld in dem Portemonnaie enthalten war, ließen sich nicht treffen.
80Die Kammer hat es zugunsten des Angeklagten letztlich für möglich gehalten, dass er während der „Rangelei“ mit dem Zeugen das Portemonnaie mechanisch in einer Hand festhielt, es ohne nachzudenken mitnahm und nach der Erkenntnis, dass kein Scheingeld darin war, sofort wegwarf.
81Widerlegt ist jedoch die weitere Behauptung des Angeklagten, wonach der Zeuge S ihm auf seiner Flucht noch hinterhergerufen habe, dass er ihn „kriegen“ werde. Denn dies hat der Zeuge – ausnahmsweise entrüstet - vehement in Abrede gestellt und hinzugefügt, er habe doch in dem Moment nur mit „Mühe und Not“ Luft bekommen, da rufe er dem Angeklagten doch nicht noch etwas hinterher, das sei vielmehr „Quatsch“.
82Die Kammer hat auch insoweit keinen Zweifel, dass der Zeuge S hier die Wahrheit gesagt hat – was dadurch gestützt wird, dass keiner der anderen Tatzeugen diesen Ruf vernommen hat - und der Angeklagte gelogen hat, um zu unterstreichen, dass er bei seiner Flucht nicht davon ausgegangen sei, dass der Zeuge versterben könne. Denn auf diese Weise wollte er allem Anschein nach lediglich erreichen, dass die Kammer für den Fall, dass sie ein versuchtes Tötungsdelikt bejahen sollte, auch die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch als gegeben erachten würde.
83Die Feststellungen zu den DNA-Anhaftungen des Angeklagten an der am Tatort zurückgelassenen Strickmütze hat die Kammer aufgrund der Anhörung des Sachverständigen Dr. C3 vom Landeskriminalamt des Landes Nordrhein-Westfalen getroffen. Das Gutachten entsprach inhaltlich dem vorläufigen gerichtlichen Gutachten, das vor Beginn der Hauptverhandlung zu den Akten gelangt war. Die Tatsachenfeststellungen zu den erlittenen Verletzungen des Geschädigten S und ihren Folgen beruhen auf den Angaben des als Sachverständiger und Zeuge gehörten Operateurs Dr. D und ergänzend auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen S; die zu den nachträglichen psychischen Tatfolgen und dem dadurch bedingten Klinikaufenthalt des Zeugen in der LWL-Klinik zusätzlich zu den Angaben des Zeugen S auch auf der durchgeführten Verlesung des ärztlichen Entlassungsberichtes dieser Klinik vom 25.06.2007.
84Die Feststellungen zu der Festnahmesituation hat die Kammer aufgrund der Verlesung des Vermerks des KHK K2 vom 04.02.2007 (Bl. 198 in Band I der Akten) getroffen.
85Dass der Angeklagte den Geschädigten S in einem Brief aus der Untersuchungshaft heraus als „Eseltreiber“ bezeichnet und mithin beleidigt hat, hat er auf Nachfrage letztlich eingeräumt. Auf den Hinweis der Kammer, dass er damit das Opfer verunglimpft habe, hat der Angeklagte sich dann über die Dauer der Postüberwachung beklagt und in diesem Zusammenhang in vollkommen unangemessener Weise den Tod seiner Mutter sowie die behauptete schlechte gesundheitliche Verfassung seines Großvaters für sein Handeln zu Felde geführt und in geradezu frecher Weise geltend gemacht, dass er da doch mal seine schlechte Laune ablassen dürfe. Auf den nochmaligen Hinweis, dass er das Opfer hierdurch verunglimpft habe, hat er zunächst formelhaft wiederholt, dass ihm die „Sache“ leid tue, dann jedoch hinzugefügt, dass der Geschädigte ja offenbar noch genug Kraft gehabt habe, in den Medien aufzutreten, weshalb ihm seine Großeltern und seine Mutter näher gewesen seien, was wiederum erkennen ließ, dass es sich bei der Angabe, die Tat tue ihm leid, erneut um ein reines Lippenbekenntnis handelte.
86IV. Rechtliche Würdigung:
87Der Angeklagte ist danach der versuchten schweren räuberischen Erpressung gemäß §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 253, 255, 22, 23 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB schuldig.
88Denn der Angeklagte wollte zunächst die beiden Verkaufsangestellten T2 und X und anschließend den Zeugen S schlüssig unter Verwendung der scharfen Schusswaffe mit einer gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben bedrohen, um zunächst die beiden Verkaufsangestellten T2 und X zur Herausgabe der Bargeldbestände aus den Kassen und später den Zeugen S zur Herausgabe seines persönlichen Bargelds zu nötigen. Zu beidem hat er auch bereits unmittelbar angesetzt. In beiden Fällen kam es aber nicht zur Vollendung, da er weder aus den Geschäftskassen Geld erbeutet hat noch von dem Zeugen S. Zwar hat der Angeklagte zunächst das Portemonnaie des Zeugen S mitgenommen. Er war jedoch ausschließlich an Bargeld interessiert und dieses befand sich nicht in dem Portemonnaie des Zeugen. Da der Angeklagte das Portemonnaie nach Überprüfung aus diesem Grunde sodann möglicherweise noch auf der Flucht weggeworfen hat, lag auch insoweit keine Vollendung der Tat vor. Denn Geld hat er nicht erbeutet und bezogen auf das Portemonnaie - samt übrigen Inhalts - fehlte ihm die Absicht, sich hieran rechtswidrig zu bereichern.
89Tateinheitlich gemäß § 52 StGB mit der versuchten schweren räuberischen Erpressung hat der Angeklagte durch die auf den Zeugen S abgegebenen Schüsse zudem auch eine gefährliche Körperverletzung im Sinne der §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB in den Begehungsvarianten „mittels einer Waffe“ und „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ verwirklicht.
90Der Angeklagte ist für die von ihm begangene Tat in vollem Umfang strafrechtlich verantwortlich.
91Zur Frage der Schuldfähigkeit hat die Kammer ein Gutachten der forensisch erfahrenen psychiatrischen Sachverständigen Dr. N eingeholt. Nach den Befunderhebungen der Sachverständigen konnte bei dem Angeklagten eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB nicht festgestellt werden. Die Sachverständige hat im Wesentlichen ausgeführt, dass sich weder Hinweise für das Vorliegen einer endogenen Psychose im Sinne einer Schizophrenie oder einer manisch-depressiven Erkrankung noch solche für eine hirnorganische Erkrankung oder einer anderen Erkrankung, die sich auf die psychischen Funktionen hätte auswirken können, ergeben hätten. Ebenso wenig hätten Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Angeklagte Drogen oder vermehrt beziehungsweise regelmäßig Alkohol konsumiere oder, dass er etwa zur Tatzeit unter dem Einfluss von Suchtmitteln gestanden haben könnte. Das Eingangsmerkmal „Schwachsinn“ könne ebenfalls sicher ausgeschlossen werden. Hinweise auf das Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung oder einer schweren neurotischen Störung, die die Kriterien einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllten, hätten sich gleichfalls nicht gezeigt.
92Es könne zudem auch nicht von einer Affekttat ausgegangen werden. Denn der Überfall sei geplant und gegenüber der Zeugin G zuvor letztlich auch angekündigt worden. Der Angeklagte habe Vorbereitungshandlungen getroffen, indem er etwa die Sturmhaube zur Tarnung und die Pistole zu seiner Bewaffnung bewusst mitgenommen habe. Er habe sodann den Tatablauf zielgerichtet gestaltet, indem er zunächst zur Öffnung der Kasse mit der Hand auf diese geschlagen, dann von dem Zeugen S das Portemonnaie gefordert und später die Schüsse auf diesen erst zu einem Zeitpunkt abgegeben habe, zu dem der Zeuge ihn bereits festgehalten und umklammert habe. Dies alles spreche dafür, dass die Introspektionsfähigkeit des Angeklagten während des gesamten durchaus komplexen Tatgeschehens erhalten geblieben sei.
93Soweit in der an die Zeugin G im Vorfeld der Tat gerichteten SMS eine gewisse Verzweiflung anklinge, sei diese vor dem Hintergrund der Arbeitslosigkeit des Angeklagten, seiner Geldsorgen, der schweren Krankheit seiner Mutter und der Wut wegen der Zurückweisung durch die Zeugin G normalpsychologisch einzuordnen und habe keinen psychopathologischen Hintergrund.
94Danach lägen aus psychiatrischer Sicht die Eingangsvoraussetzungen der §§ 20, 21 StGB nicht vor.
95Die Kammer folgt nach eigener rechtlicher Würdigung den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen. Da der Angeklagte insbesondere den Konsum von Alkohol oder Drogen glaubhaft in Abrede gestellt hat, kann demnach zur Überzeugung der Kammer eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt im Sinne der §§ 20, 21 StGB sicher ausgeschlossen werden.
96V. Strafzumessung:
97Bei der Strafzumessung hat die Kammer sich im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
98Für den Angeklagten sprach, dass er bisher nicht vorbestraft ist und als Erstverbüßer durch die vollzogene Untersuchungshaft bereits beeindruckt worden ist, zumal in dieser Zeit auch seine Mutter verstorben ist, was ihn besonders belastet hat. Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer ferner gewertet, dass die schwere räuberische Erpressung letztlich im Versuchsstadium stecken geblieben ist, der Angeklagte zum Tatzeitpunkt die Grenze zur vollen Strafmündigkeit noch nicht allzu lange überschritten hatte und dass er zudem nicht ausschließbar von T und eventuell weiteren Personen auch etwas zu der Tat gedrängt sowie mit der Schusswaffe ausgestattet worden war, um den wirtschaftlichen Verlust aus dem zuvor fehlgeschlagenen Geschäft in Ostwestfalen zu kompensieren.
99Soweit die Verteidigung zudem meint, dem Angeklagten müsse in diesem Zusammenhang auch zu Gute gehalten werden, dass es sich bei T um einen V-Mann gehandelt habe und deshalb letztlich der Staat selbst den Angeklagten mit zu der Tat veranlasst habe, geht das fehl. Denn auch wenn T als V-Mann in der rechten politischen Szene Informationen an staatliche Organe weitergegeben haben sollte, macht ihn dies nicht zu einem Werkzeug staatlichen Handelns bei der Begehung von Straftaten, die ersichtlich nichts mit der Übermittlung der staatlicherseits begehrten Informationen zu tun haben.
100Das ebenfalls gegebene Geständnis des Angeklagten hat die Kammer schließlich kaum zu seinen Gunsten bewertet, da es ersichtlich nicht von Reue getragen und vom Angeklagten allein in Anbetracht der - bei fortschreitender Beweisaufnahme - erdrückenden Beweislage abgelegt worden ist.
101Gegen den Angeklagten sprach, dass er zusätzlich zu der versuchten räuberischen Erpressung tateinheitlich auch noch eine gefährliche Körperverletzung begangen und den Tatbestand des § 224 StGB in gleich zwei Tatbestandsvarianten mit jeweils eigenständigem Unrechtsgehalt verwirklicht hat, wenn insoweit auch zu berücksichtigen war, dass der Entschluss, auf den Zeugen zu schießen, letztlich erst spontan und aus der Angst heraus, vom Tatort nicht mehr wegzukommen, getroffen worden ist.
102Zu Lasten des Angeklagten war ferner zu berücksichtigen, dass die Verletzungen des Zeugen erheblich waren, er nämlich über 2 Wochen im Krankenhaus verbleiben musste sowie durch die Tat, bei der es nur dem Zufall zuzuschreiben war, dass er keine tödlichen Verletzungen erlitten hatte, psychisch so belastet war, dass er sich im Anschluss auch noch einer sechswöchigen stationären und anschließenden ambulanten psychiatrischen Behandlung unterziehen musste. Außerdem wird bei dem Zeugen wegen des Lungensteckschusses dauerhaft noch eine – wenn auch geringfügige - Lungenfunktionseinbuße zurückbleiben. Ferner muss der Angeklagte sich auch vorhalten lassen, dass er das Opfer noch aus der Untersuchungshaft heraus verunglimpft hat, indem er es als „Eseltreiber“ bezeichnet hat.
103Die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 255 iVm. § 250 Abs. 3 StGB und im Fall des § 224 Abs. 1 StGB kam nach Abwägung dieser für und wider den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte nicht in Betracht. Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Die Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte, die der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen und folgen, und die für die Wertung der Tat und der Person des Angeklagten in Betracht kommen, ergibt, dass das gesamte Tatbild im Hinblick auf die Intensität des Unrechts und das Ausmaß des Verschuldens vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht in einem solchen Maß abweicht. Dies gilt zur Überzeugung der Kammer im Falle der schweren räuberischen Erpressung auch dann, wenn man, was die Kammer ebenfalls geprüft hat, bei der Bewertung zusätzlich auch den vertypten Strafmilderungsgrund mit heranzieht, der sich gemäß den §§ 22, 23 StGB aus dem Umstand ergibt, dass diese Tat im Versuchsstadium stecken geblieben ist.
104Die Kammer ist demnach zunächst von dem ungemilderten Strafrahmen der §§ 255, 249, 250 Abs. 2 StGB ausgegangen. Sie hat anschließend jedoch von der Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung über §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 23 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht und hat innerhalb des dann zur Verfügung stehenden gemilderten Strafrahmens auf eine tat- und schuldangemessene Freiheitsstrafe von
105acht Jahren
106erkannt.
107VI.
108Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 465, 472 StPO.
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