Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 255/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem
Streitwert von 11.050,00 € die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages
vorläufig vollstreckbar
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 2000 genommen. Vereinbart ist die Unfallrente Forte mit verbesserter Gliedertaxe.
3Am 18.07.2005 erlitt die Klägerin einen Unfall, bei dem sie sich einen Schien- und Wadenbeinbruch sowie einen Bänderabriss im Sprunggelenk jeweils links zuzog. Die Beklagte regulierte bei der Erstbemessung der Invalidität nach einem Beinwert von 3/7 und behielt sich eine Neubemessung vor, die noch nicht abgeschlossen ist. Die Parteien streiten darüber, ob neben dem Beinwert zusätzlich nach Fußwert (Addition von Bein- und Fußwert) abgerechnet werden muss. Dies will die Klägerin durch Feststellungsklage festgestellt wissen.
4Die Klägerin beantragt,
5festzustellen, dass, bezogen auf den Unfall der Klägerin vom 18.07.2005, für die Berechnung der Höhe der Invaliditätsleistung nach der zwischen den Parteien im zugrundeliegenden Versicherungsvertrag vereinbarten, verbesserten Gliedertaxe der besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit verbesserten Leistungen (Tarif XXL) sowohl die Funktionsbeeinträchtigung "Bein bis unterhalb des Knies" als auch "Fuß im Fußgelenk" zu berücksichtigen ist.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Sie hält schon die Feststellungsklage für unzulässig und verweist in der Sache auf die Systematik der Gliedertaxe, die bei der Bewertung der Invalidität für ein in der Funktion beeinträchtigtes Glied die Zusammenrechnung der Invalidität von Teilgliedern verbietet.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
11Die Klage ist unbegründet.
12Die begehrte Feststellung kann nicht ausgesprochen werden, da sich die Höhe der Invaliditätsleistung für die Klägerin aus Anlass des Unfalls vom 18.07.2005 nur nach dem sogenannten Beinwert und nicht nach einer Addition von Bein- und Fußwert bemisst.
131. Der Klageerhebung steht nicht entgegen, dass zur Zeit der Entscheidung dieses Rechtsstreites das Neubemessungsverfahren, welches sich die Beklagte bei ihrer Erstbemessung der Invalidität vorbehalten hat, noch nicht abgeschlossen ist. Denn der Klägerin ist es unbenommen, eine als unrichtig empfundene Erstbemessung der Invalidität anzugreifen, ohne dass dem die Durchführung des Neubemessungsverfahrens entgegensteht.
14Gegen den Feststellungsantrag hat das Gericht grundsätzlich keine Bedenken. Zwar könnte die Klägerin ihr Begehren auch in Form einer Leistungsklage verfolgen. Es gibt jedoch keinen generellen Vorgang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage. Eine Feststellungsklage bleibt dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels, bedarf. Dies hat der Bundesgerichtshof wiederholt angenommen, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine Bank, eine Behörde oder um ein großes Versicherungsunternehmen handelt (BGH NJW-RR 2005, 619; VersR 2006, 830). Umstände, die die genannte Erwartung vorliegend erschüttern könnten, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
152. In der Sache hat das Feststellungsbegehren allerdings keinen Erfolg, weil die Bemessung der Invalidität – wie von der Beklagten zugrundegelegt – nach dem Beinwert zu erfolgen hat, da durch den Unfall vom 18.07.2005 Schien- und Wadenbein der Klägerin durch einen Bruch betroffen waren sowie zusätzlich das linke Sprunggelenk durch einen Bänderabriss. Unter Ziffer 2.1.2.2.1 der AUB 2000 der Beklagten haben die Parteien vereinbart, dass bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit der in der Gliedertaxe aufgeführten Körperteile ausschließlich genau festgelegte Invaliditätsgrade gelten sollen, die durch Einbeziehung des Tarifes XXL verbessert worden sind. Danach ist bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Beines über der Mitte des Oberschenkels von einer Invalidität von 80 % auszugehen, bei einem Verlust oder einer Funktionsunfähigkeit des Beines bis zur Mitte des Oberschenkels von einer Invalidität von 70 % sowie bei Verlust oder Funktionsbeeinträchtigung von noch Körper ferneren Teilgliedern von einer entsprechend niedrigeren Invalidität. Diese Regelung schließt aus, dass bei Verlust eines kompletten Beines die genannten Invaliditätsgrade für den Verlust des gesamten Beines und für den Verlust der körperferneren Teilglieder des Beines zusammengerechnet werden, da dadurch der fest vereinbarte Invaliditätsgrad für den Totalverlust des Gliedes deutlich überschritten würde. Diese Funktionslogik der Gliedertaxe schließt demnach bei Verlust eines funktionell höher bewerteten, dem Rumpf näheren Gliedes oder Teil eines Gliedes den Verlust eines geringer bewerteten und dem Rumpf ferneren Gliedes ein (Grimm AUB, 4. Aufl., § 2 Rn. 20 S. 158). Nichts anderes gilt, wenn – wie bei der Klägerin – statt eines Funktionsverlustes eine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten ist. Denn Ziffer 2.1.2.2.1 regelt ausdrücklich, dass bei Funktionsbeeinträchtigung der in der Gliedertaxe genannten Körperteile der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes Geltung beansprucht. Damit schließt die Systematik der Gliedertaxe wie bei einem Verlust eines Gliedes auch bei einer Funktionsbeeinträchtigung eine Addition der fest vereinbarten Invaliditätsgrade von Körper näheren und Körper ferneren Teilgliedern aus, so dass die Versicherungsleistung für die Beeinträchtigung des linken Beines der Klägerin nicht aus einer Addition von Beinwert und Fußwert zu errechnen ist, wie es der Klägerin wegen der Verletzung von Bein und Fußgelenk vorschwebt (OLG Brandenburg R + S 2006, 207; Marlow R + S 2007, 353, 359).
16Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zu den Formulierungen der AUB "Arm im Schultergelenk", "Hand im Handgelenk" sowie "Fuß im Fußgelenk" ändert an dieser Bewertung nichts, da die Entscheidungen eine andere Problematik betreffen. Der Bundesgerichtshof hat zu diesen Formulierungen ausgeführt, dass sie unklar sind, so dass die jeweilige für den Versicherungsnehmer günstigere Verständnismöglichkeit bei der Bemessung der Invalidität maßgebend ist, so dass entweder auf die Funktionsbeeinträchtigung allein des Gelenkes oder aber auf die Funktionsbeeinträchtigung des Gliedes bzw. Teilgliedes abzustellen ist (BGH VersR 2003, 1163; VersR 2006, 1117; NJW-RR 2001, 810). Die zwischen den Parteien streitige Frage der Zusammenrechnung von fest vereinbarten Invaliditätsgraden für die Funktionsbeeinträchtigung von Teilgliedern wird durch die genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshof nicht tangiert.
17Die Klage ist somit mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.
18Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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