Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 S 12/07
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.02.2007
verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird kosten-
pflichtig nach einem Berufungsstreitwert von 1.161,24 €
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Der Kläger beantragte am 14.01.2005 bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und seine am 13.06.1995 geborene Tochter X eine private Kranken-Zusatzversicherung nach den Tarifen GE und GE-PLUS, für seine Tochter zudem nach dem Tarif Z 50-3. Die Beklagte policierte am 21.01.2005. Versichert sind hinsichtlich der Tochter des Klägers u. a. Kosten für Zahnbehandlungen einschließlich Röntgenaufnahmen, Zahnersatz einschließlich Reparaturen sowie Mundbehandlung, Parandontose, Wurzelspitzenresektionen und ähnliche kleine Eingriffe sowie Zahn- und Kieferregulierung, und zwar im Rahmen der geltenden Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu 50 %, soweit sie nicht durch anderweitigen Versicherungsschutz gedeckt sind. In Abschnitt B Ziff. 1.2 der Tarifbedingungen der Beklagten ist ferner bedungen:
4"1.2 Höchstsatz
5Der Höchstsatz beträgt pro Kalenderjahr 256 EUR (Tarif Z 50-1).
6Wird der Tarif als Ergänzung der gesetzlichen Krankenversicherung mehrfach versichert, so erhöht sich der Höchstsatz für jeden hinzuversicherten Tarif um jeweils 512 EUR. Die Zahl der Mehrfachversicherungen wird im Versicherungsschein der Tarifbezeichnung angefügt, wie z. B. Z 50-3. Der Höchstsatz beträgt bei diesem Beispiel 1.280 EUR."
7Es gelten die – mit den MB/KK 94 übereinstimmenden – Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Krankheitskostenversicherung und für die Krankenhaustagegeldversicherung (AVB), ferner die diese ergänzenden Tarifbedingungen der Beklagten. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf das Bedingungs- und Tarifwerk der Beklagten (Bl. 22 ff. d. A.) verwiesen.
8Die Tochter X des Klägers war erstmals am 12.01.2005 bei der Kieferorthopädin T in U vorstellig geworden, wobei die Parteien über den Anlass der Behandlung streiten. Weitere zahnärztliche Behandlungen bzw. Beratungen erfolgten alsdann
9am 01.06., 26.10. und 14.11.2005. Die Kieferorthopädin T erstellte unter dem 15.11.2005 einen kieferorthopädischen Behandlungsplan mit Kostenaufstellung für X, den der Kläger unter dem 14.12.2005 gegenzeichnete. Wegen der Einzelheiten des Behandlungsplanes, insbesondere der diesem zu Grunde liegenden Diagnose, wird auf die bei den Gerichtsakten befindliche Ablichtung (Bl. 5 f. d. A.) Bezug genommen.
10Die Kläger reichte in der Folgezeit eine erste zahnärztliche Liquidation der Kieferorthopädin T vom 20.12.2005 (Bl. 8 d. A.) über 417,25 € bei der Beklagten zur Erstattung ein. Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein und erbat auf einem von ihr bereitgestellten Formschreiben von der die Tochter des Klägers behandelnden Kieferorthopädin nähere Informationen u. a. über den Beginn der kieferorthopädischen Behandlung von X. Mit Schreiben vom 10.01.2006 erteilte die Kieferorthopädin T dahin Auskunft, dass sich die Tochter des Klägers erstmalig am 12.01.2005 in ihrer Praxis zur Beurteilung einer eventuell vorhandenen Fehlstellung vorgestellt habe und an diesem Tag die Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung wegen Lückeneinengung von 13 und 23 sowie im Unterkiefer ein primärer Frontzahnengstand festgestellt und den Eltern mitgeteilt worden sei. Wegen des weiteren Inhalts der Auskunft vom 10.01.2006 wird auf deren bei den Gerichtsakten befindliche Ablichtung (Bl. 7. d. A.) verwiesen.
11Die Beklagte lehnte nach Erhalt der Auskunft mit Schreiben vom 17.01.2006 eine Kostenübernahme für die Behandlung von S wegen Vorvertraglichkeit ab. Mit Schreiben vom 21.06.2006 führte die Kieferorthopädin T alsdann gegenüber der Beklagten aus, dass die Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung erstmals am 14.11.2005 in ihrer Praxis festgestellt worden sei. Die Beklagte hielt mit weiterem Schreiben vom 29.06.2006 an ihrer Leistungsablehnung fest.
12Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage, mit der er erstinstanzlich die Erstattung von 50 % der bislang angefallenen Kosten für die Behandlung seiner Tochter in Höhe von 686,22 € sowie Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte darüber hinaus anfallende Kosten bis zum bedungenen Jahreshöchstbetrag in Höhe von 1.280,00 € zu erstatten habe.
13Er hat behauptet, bei der ersten Vorstellung seiner Tochter X bei der Kieferorthopädin T habe es sich um eine bloße Vorsorgeuntersuchung gehandelt, die nicht im Zusammenhang mit der später diagnostizierten Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung gestanden habe. Es sei erstmalig im November 2005 erkennbar gewesen, dass eine kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter medizinisch indiziert sei.
14Der Kläger hat beantragt,
151.) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 686,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
162.) festzustellen, dass die Beklagte die über den Klageantrag zu 1.) entstehenden Kosten der kieferorthopädischen Behandlung von X gemäß Behandlungsplan vom 15.11.2005 bis zu einem Betrag in Höhe von
171.280,00 € zu zahlen habe.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei hinsichtlich der Kosten der kieferorthopädischen Behandlung der Tochter des Klägers bedingungsgemäß wegen Vorvertraglichkeit leistungsfrei, da bereits am 12.01.2005 die Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung festgestellt und den Eltern von X mitgeteilt worden sei. Sie hat zudem behauptet, am 23.01.2006 habe die Mitarbeiterin K der Kieferorthopädin gegenüber einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin K2, fernmündlich bestätigt, dass Anlass der Vorstellung am 12.01.2005 die Diagnose der Notwendigkeit einer kieferor-
21thopädischen Behandlung gewesen und dieses den Eltern von X bereits am nämlichen Tag mitgeteilt worden sei.
22Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin K2 und gemäß Beweisbeschluss vom 21.12.2006 (Bl. 50 f. d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dr. M in C, welches dieser unter dem 26.01.2006 vorgelegt hat (Bl. 56 ff. d. A.). Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Behandlung der Tochter des Klägers kein Versicherungsschutz bestünde, da deren Heilbehandlung bereits mit der ersten Vorstellung bei der Kieferorthopädin T am 12.01.2005, mithin vor Beantragung des Versicherungsschutzes, begonnen habe. Bereits an diesem Tage habe die behandelnde Ärztin eine Lückeneinengung der Zähne 13 und 23 sowie einen primären Frontzahn-engstand im Unterkiefer festgestellt, wobei mit dem Beschleifen der zweiten Milchmolaren bereits ärztliche Maßnahmen erforderlich gewesen, die als Vorbereitungsmaßnahmen notwendiger Teil der kieferorthopädischen Behandlung von X seien.
23Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er – unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens – die Verletzung formellen und sachlichen Rechts durch das Amtsgericht rügt und sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Er rügt, das Amtsgericht habe das Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens unzutreffend gewürdigt und sei überdies seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen.
24Er beantragt,
25unter Abänderung des angefochtenen Urteils
261.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 686,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2006 zu zahlen;
272.) festzustellen, dass die Beklagte die über den Klageantrag zu 1.) entstehenden Kosten der kieferorthopädischen Behandlung von X gemäß Behandlungsplan vom 15.11.2005 bis zu einem Betrag in Höhe von 1.280,00 € zu zahlen habe.
28Die Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
31Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
32II.
33Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
34Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, da dem Kläger aus der bei der Beklagten genommenen Krankheitskostenzusatzversicherung ein bedingungsgemäßer Anspruch auf Kostenerstattung aus Anlass der kieferorthopädischen Behandlung seiner Tochter X nicht zusteht.
35Gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 AVB der Beklagten leistet diese nicht für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, wobei der Versicherungs-
36schutz mit dem im Versicherungsschein genannten Zeitpunkt, jedoch nicht vor Zugang des Versicherungsscheines beginnt. Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 AVB beginnt der Versicherungsfall dabei mit der Heilbehandlung, d. h. der ärztlichen Tätigkeit, die durch die betroffene Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf die Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt, mag dieses Endziel auch erst nach Unterbrechungen oder mit Hilfe weiterer Ärzte erreicht werden. Nach gefestigter Rechtsprechung beginnt die Heilbehandlung mit der ersten Inanspruchnahme einer solchen ärztlichen Tätigkeit (BGH, VersR 1978, 271, 272; VersR 1996, 1224; Schoenfeldt/Kalis, in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl., § 1 MBKK1994 Rn. 102), wobei zur Behandlung nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf ein Erkennen des Leidens abzielt, gehört, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist (Schoenfeldt/Kalis, a. a. O., m. w. N.). Diese Auslegung trägt dem Umstand Rechnung, dass es andernfalls dem Versicherungsnehmer möglich wäre, zunächst eine ärztliche Diagnose und Beratung über mögliche Behandlungsformen einzuholen, sodann eine Krankenversicherung abzuschließen bzw. eine bestehende Krankenversicherung zu erhöhen und dann erst nach Ablauf der vertraglich bedungenen Wartezeit die Heilbehandlung in Anspruch nehmen zu können (OLG Hamm, VersR 1989, 614). Der Versicherungsfall endet erst, wenn nach objektivem medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr vorliegt, die Behandlung also abgeschlossen und nicht nur als unterbrochen anzusehen ist (BGH, VersR 1978, 271; OLG Hamm, VersR 1991, 915; Schoenfeldt/Kalis, a. a. O., Rn. 104).
37Gemessen hieran ist der Beginn der Heilbehandlung der Tochter des Klägers bereits in der ersten Inanspruchnahme der Kieferorthopädin T am 12.01.2005, mithin zwei Tage vor Beantragung des Versicherungsschutzes durch den Kläger, zu sehen, mag es sich bei dem Anlass der Konsultation auch um einen Vorsorgetermin gehandelt haben. An diesem Tag ist nämlich bei X unstreitig eine Lückeneinengung der Zähne 13 und 23 sowie ein primärer Frontzahnengstand im Unterkiefer diagnostiziert worden, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, dass ein nicht idealer Gebissbefund vorliegt. Nicht entscheidend ist demgegenüber, ob – worauf die Berufung abhebt –
38zu diesem Zeitpunkt bereits endgültig eine Indikation für weitere kieferorthopädische Maßnahmen feststand. Mit der späteren Behandlung, für die der Kläger Erstattung beansprucht, hat sich eben das Risiko verwirklicht, was der Kläger bei Beantragung des Versicherungsschutzes als möglich erkannt und seinen Entschluss herbeigeführt hat, die bei der Beklagten genommene Krankheitskostenzusatzversicherung zu beantragen. Eben dem will die Regelung in §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 2 AVB in nicht zu beanstandender Weise entgegenwirken.
39Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
40Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, § 543 Abs. 2 ZPO.
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