Urteil vom Landgericht Dortmund - 22 O 209/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger betrieb eine Versicherungsagentur. Er hatte mit der W-Versicherung einen Handelsvertretervertrag abgeschlossen.
3Der Kläger, der bei der W-Versicherung auch seine Hausratversicherung unterhielt, machte dieser gegenüber Ansprüche aus einem – in dem vorliegenden Verfahren streitigen – Wohnungseinbruch vom 15.10.2005 geltend. In der Stehlgutliste gab er einen Laptop als gestohlen an, von dem er wusste, dass er nicht entwendet worden war. Der Laptop wurde im Rahmen einer am 17.02.2006 durchgeführten Hausdurchsuchung von der Kriminalpolizei vorgefunden. Die W-Versicherung kündigte das Agenturvertragsverhältnis.
4Der Kläger behauptet, seine Pkws VW Golf (#####; geleast) und Audi A 6 Avant (######, über Audi-Leasing finanziert) seien ihm ebenfalls entwendet worden. Die Fahrzeuge seien vor Antritt eines 14-tägigen Türkeiurlaubes vor dem Hause abgestellt worden. Bei der Rückkehr am 16.10.2005 hätten er und seine Ehefrau, die Zeugin L, festgestellt, dass die Pkws nicht mehr vor dem Haus standen.
5Dem Kläger wurden von der Beklagten Fragebögen zugesandt. Er füllte die Bögen "Fahrzeug – (Kasko-) Schadenanzeige" und "Zusatzfragebogen für Kraftfahrzeug-Diebstahlschäden", jeweils vom 20.10.2005, hinsichtlich des Pkws Golf aus. Wegen der Einzelheiten der Bögen wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 27.03.2007, Blatt 50 ff. d. A., Bezug genommen. Hinsichtlich des Audi Avant füllte er einen "Zusatzfragebogen für Kraftfahrzeug- und Diebstahlschäden" vom 20.10.2005 aus (Anlage zur Klageerwiderung vom 12.02.2007, Blatt 23 ff. d. A.). Auf die Frage "wurde Ihnen schon einmal ein Kfz gestohlen", welche in beiden Zusatzfragebögen enthalten ist, kreuzte der Kläger jeweils das Kästchen für "Nein" an.
6Der Kläger hatte Mitte der 90iger Jahre ein BMW 316 gefahren, welcher auf seine Mutter zugelassen war. Die Mutter trug auch die Versicherung, da sie über einen günstigen Beamtentarif verfügte. Der Kläger nutzte das Fahrzeug zum größten Teil. Es wurde vor seiner damaligen Wohnung in der I-straße entwendet.
7Gegenüber der Polizei gab er am 24.10.2005 diese Vorentwendung an (Bl. 29 der Beiakte 107 Js 756/05).
8In dem Formular "Zusatzfragebogen für Kraftfahrzeug-Diebstahlschäden" hinsichtlich des Audi Avant gab der Kläger auf die Frage nach Vorschäden einen Sturmschaden vom 31.01.2004, welcher am 29.03.2004 von einer nicht mit der Beklagten identischen Versicherung reguliert wurde, nicht an. Der Schaden wurde seinerzeit mit ca. 2.000,00 € reguliert.
9Der Kläger meint, die Beklagte könne aus dem Versicherungsbetrug gegenüber der W-Versicherung nichts herleiten, da es sich um verschiedene Vertragsverhältnisse handele.
10Der Kläger beziffert den Wert des Pkw Golf zum Zeitpunkt der Entwendung mit 13.594,00 €. Hinsichtlich des Audi A 6 hält er eine Feststellungsklage für zulässig, da die Beklagten keine Feststellung zur Schadenshöhe getroffen hätten. Den Wert taxiert er mit ca. 25.000,00 €.
11Der Kläger beantragt,
121. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger
13für das Schadensereignis vom 15.10.2005 in E Versicherungsschutz aus dem Versicherungsvertrag mit der Nr. K ##### und K ####### zu gewähren,
142. die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn 13.594,00 € nebst
155 %-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.07.2006 zu zahlen,
163. die Beklagte ferner zu verurteilen, ihn von der Rechnung der
17Rechtsanwälte F, C, E2 und Kollegen in Höhe von 703,31 € freizustellen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie bestreitet eine Entwendung der Pkws, macht die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung der Entwendungen sowie Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen geltend. Hierbei beruft sie sich insgesamt auf Falschangaben wegen der Vorentwendung und wegen des verschwiegenen Vorschadens.
21Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen L und L2, A, C2 und U. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 27.06.2007 und 10.10.2007 (Blatt 58 ff. d. A. und Blatt 78 ff. d. A.) Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23Die zulässige Klage ist nicht begründet.
24Zwar hat der Kläger das "äußere Bild einer Fahrzeugentwendung" bewiesen. Die Beklagte kann sich aber mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung berufen.
25I.
26Das äußere Bild einer Entwendung (vgl. hierzu BGH NJW 1995, 2169) hat der Kläger bewiesen. Die Zeugin L hat überzeugend bekundet, dass sie und der Kläger die Pkws vor dem Abflug am Haus parkten und bei Rückkehr nicht wieder vorfanden. Ihre Erklärungen werden gestützt durch die Bekundungen der Zeugen L2 und A.
27II.
28Ein Anspruch des Klägers entfällt aber jedenfalls, weil die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung der dem Versicherungsnehmer nach § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB obliegenden Aufklärungspflicht gemäß § 7 V Abs. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG von einer gegebenenfalls bestehenden Leistungspflicht frei geworden ist.
29Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu unterrichten, die für die Feststellung des Hergangs des Schadensereignisses, die Höhe des Schadens und auch für die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers von Bedeutung sind. Die Auskünfte des Versicherungsnehmers müssen es dem Versicherer ermöglichen, sachgemäße Feststellungen zu treffen, um den Schaden regulieren zu können. Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Aufklärung besteht auch im Hinblick auf die Frage, ob dem Versicherungsnehmer in der Vergangenheit ein Fahrzeug entwendet wurde. Dass für die Regulierungsentscheidung des Versicherers in einem Diebstahlsfall frühere Fahrzeugentwendungen im Zusammenhang mit dem Versicherungsnehmer von besonderer Wichtigkeit sind, unterliegt keinem Zweifel (OLG Köln NversZ 2002, 568).
30Der Kläger hat die Frage nach Vorentwendungen objektiv falsch beantwortet. Die Frage "Wurde Ihnen schon einmal ein Kfz gestohlen?" erfasst eindeutig nicht nur Fälle, bei denen das Eigentum des Anspruchstellers betroffen war, sondern auch die Sachverhalte, nach welchen ihm als Fahrer ein Pkw entwendet wurde. Es kommt nicht allein darauf an, wessen Eigentum weggenommen, sondern darauf, wer von der Entwendung betroffen wurde. Die Frage zielt darauf, sämtliche früheren Entwendungsfälle, die mit dem Versicherungsnehmer in Zusammenhang stehen, sei es als Eigentümer, Leasingnehmer oder Fahrer, zu klären (OLG Köln, a.a.O.).
31Der Kläger hat die gegen ihn streitende Vorsatzvermutung nicht widerlegt. Zur Überzeugung der Kammer steht im Gegenteil fest, dass der Kläger die Frage bewusst falsch beantwortete. Dies folgt unter anderem aus den überdurchschnittlichen Kenntnissen und Erfahrungen des Klägers im Versicherungswesen. Die Möglichkeit, der Kläger habe den Hintergrund der Frage nicht erfasst, kann daher als lebensfern verworfen werden. Dass es nicht auf die formale Gestaltung der Haltereigenschaft oder der Versicherungsnehmereigenschaft ankommen konnte, musste dem Kläger bereits aufgrund seines vorangegangenen Tuns deutlich gewesen sein. So hatte er nach seinen eigenen Erklärungen für eine damalige Kundin einen Pkw auf seinen Namen angemeldet, wissend, dass diese sich in der Insolvenz befand. Einen weiteren Pkw meldete er auf sich an für eine Bekannte aus Österreich zur Ersparnis von Steuern und Versicherungsprämien.
32Der Kläger hatte zudem ein Motiv, die Vorentwendungen nicht anzugeben. Denn aufgrund einer Reihe von Versicherungsfällen war er in Erklärungsnöten.
33Auch wird durch die Bejahung der Frage nach Vorentwendungen gegenüber der Polizei deutlich, dass ein Missverständnis der Frage, wie vom Kläger geltend gemacht, auszuschließen ist. Die – unplausible – Behauptung des Klägers, der Schadenssachbearbeiter, Zeuge C2, habe ihm erklärt, er solle die Frage nach Vorentwendungen mit "Nein" ankreuzen, da das Fahrzeug damals nicht auf ihn zugelassen gewesen sei, hat er nicht beweisen können. Die Behauptung des Klägers ist nach der Vernehmung des Zeugen C2 sogar widerlegt. Danach ist davon auszugehen, dass, wie der Zeuge C2 glaubhaft bekundete, lediglich allgemein über das Formular gesprochen wurde. Es ist auch kein Anlass für den Kläger ersichtlich, die Frage dem Zeugen vorzulegen. Soweit bei dem Kläger Auslegungszweifel bestanden hätten, wäre nichts einfacher gewesen, als die Vorentwendung anzugeben, anstatt sich die Mühe zu machen, diese Frage dem Zeugen vorzulegen. Der Zeuge C2 wiederum hatte ersichtlich keinen Anlass, dem Kläger die behauptete Auskunft zu geben.
34Letztlich spricht für ein vorsätzliches Verschweigen der Vorentwendung gegenüber der Beklagten auch, dass der Kläger – wie der Betrug gegenüber der W Versicherung zeigt sich nicht vor Falschangaben gegenüber seinem Versicherer scheut.
35Aus den Bekundungen des Zeugen U kann der Kläger nichts Günstiges für sich herleiten. Allein der Umstand, dass über eine Zulassung des damals entwendeten Pkws auf seine Mutter gesprochen wurde, reicht nicht aus, um seine Behauptung, der Zeuge C2 habe ihm erklärt, er solle die Frage mit "Nein" ankreuzen, zu verifizieren.
36Auch die Voraussetzungen der sogenannten Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1984, 228) liegen vor. Danach muss bei vorsätzlichen, aber für den Versicherer folgenlos gebliebenen Verletzungen der Aufklärungspflicht die generelle Eignung vorliegen, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Ferner musste dem Versicherungsnehmer ein schweres Verschulden zur Last fallen. Letztlich muss über den Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers bei derartigen Obliegenheitsverletzungen zutreffend belehrt worden sein. Vorliegend war die Obliegenheitsverletzung geeignet, die Interessen der Beklagten als Versicherer ernsthaft zu gefährden. Für die Regulierungsentscheidung eines Kaskoversicherers ist die Frage von früheren Fahrzeugentwendungen von Bedeutung. Von einem nur geringen Verschulden des Klägers kann nicht ausgegangen werden. Es liegen keine Umstände vor, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können. Denn die falsche Angabe hatte hier gerade den Sinn, Nachforschungen des Versicherers zu vermeiden.
37Der Kläger ist in dem Fragebogen inhaltlich zutreffend den Anforderungen der Rechtssprechung gemäß belehrt worden. Ihm ist mit beiden Fragebögen – hervorgehoben durch Fettdruck – mitgeteilt worden, dass vorsätzlich unwahre oder unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, auch wenn der Versicherung dadurch kein Nachteil entsteht.
38Hinsichtlich des Pkws Audi besteht Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung zusätzlich wegen der Nichtangabe des Sturmschadens von Anfang 2004. Nach Vorstehendem nimmt die Kammer dem Kläger nicht ab, dass er den Sturmschaden einem bis Anfang 2003 von ihm gefahrenen gleichfarbigen Audi A 6 zuordnete. Gegen eine Widerlegung der Vorsatzvermutung spricht zum einen das vorstehend dargelegte dolose Tun des Klägers. Zum anderen spricht gegen die Widerlegung der Vorsatzvermutung der Umstand, dass die fehlerhafte Zuordnung eines für ihn singulären Sturmschadens wenig wahrscheinlich erscheint. Dies, zumal der Kläger einen weiteren Schaden aus 12/03 dem streitgegenständlichen Audi A 6 noch zutreffend zuordnen konnte.
39Nach alledem besteht Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung hinsichtlich beider Pkws.
40Es kann dahinstehen, ob die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalles vorliegt.
41Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
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