Urteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 336/05
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 68.971,74 € (in Worten: achtundsechzigtausendneunhunderteinundsiebzig 74/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.08.2003 hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) sowie seit dem 21.07.2003 hinsichtlich der Beklagten zu 3) zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin nimmt die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Anspruch.
3Am 27.05.2002 gegen 5.08 Uhr fuhr der Beklagte zu 1. mit dem BMW, amtliches Kennzeichen #########, welches bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert war, auf der mittleren Fahrspur der Bundesautobahn 2 in Fahrtrichtung Oberhausen. Die von ihm hierbei eingehaltene Geschwindigkeit ist zwischen den Parteien streitig.
4Vor Erreichen des Kilometers 433,240 unternahm der Beklagte zu 1. eine ruckartige Ausweichbewegung nach links, steuerte sodann nach rechts gegen und prallte dort gegen die Vorderachse des Lkw Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen der Zugmaschine: ###########, einem unbeladenen Fahrzeug-Transport-Lkw, der von dem Fahrer S4 geführt wurde und bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversichert war. Der Lkw wurde nach links abgewiesen bzw. fuhr quer über sämtliche Fahrbahnen in Fahrtrichtung Oberhausen, durchbrach die doppelte Mittelleitplanke, fuhr weiterhin über sämtliche drei Spuren der Gegenfahrbahn der BAB 2 in Fahrtrichtung Hamm, durchbrach die weitere Doppelschutzleitplanke zur Parallelfahrbahn und kollidierte dort mit dem ihm entgegenkommenden Lkw-Sattelkipper mit dem amtlichen Kennzeichen der Zugmaschine ##########, der von dem Fahrer H geführt wurde. Dieser Lkw wurde gegen die Betonwand sowie die Lärmschutzmauer gedrückt, wobei das Führerhaus dieses Lkws abgerissen wurde. Beide Lkw-Fahrer verstarben noch am Unfallort.
5Die Klägerin begehrt mit der Klage Schadensersatz für die Schäden an den Leitplanken, der Betonwand sowie der Lärmschutzmauer gemäß Aufstellung in der Klageschrift (Bl. 8 ff. d.A.).
6Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1. habe eine Geschwindigkeit von 137 bis 154 km/h eingehalten als Ausgangsgeschwindigkeit vor Beginn der Ausweichbewegung. Diese Ausweichbewegung sei darauf zurückzuführen, dass der Fahrer S4 mit dem Lkw plötzlich und ohne zu blinken nach links herausgezogen sei bzw. der Anhänger nach links gependelt sei. Der Beklagte zu 1. habe sodann, instabil geworden, eine Gegenlenkbewegung nach rechts durchgeführt und sei hierdurch nicht mehr in der Lage gewesen, sein Fahrzeug zu kontrollieren. Als Folge der Kollision mit dem Lkw sei dieser nach links abgewiesen worden und quer über sämtliche Fahrbahnen bis hin zur Gegen-Parallel-Fahrbahn gefahren.
7Die Klägerin verweist auf das im Strafverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen S5 von der DEKRA sowie des vorliegenden Gutachtens von Prof. P aus I, die übereinstimmend eine Ausweichbewegung des Beklagten zu 1. sowie eine Pendelbewegung zumindest des Lkws Mercedes Benz für möglich gehalten hätten. Diese sei auch von dem Zeugen S2 als Beifahrer des Beklagten zu 1. bestätigt worden. Die Höhe der Klageforderung wird belegt mit Abrechnung vom 20.06.2003, deren Einzelrechnungen den Beklagten vorprozessual übersandt wurden.
8Die Klägerin bezieht sich auf den Inhalt der beigezogenen Strafakten 190 Js 311/02 Staatsanwaltschaft Dortmund sowie auf die in diesem Verfahren erhobenen Beweise.
9Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten als Schädiger für die Leitplanken sowie Betonwand und Schallschutzmauer als Gesamtschuldner haften.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 68.971,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bezüglich der Beklagten zu 1. und 2. seit dem 21.08.2003 und bezüglich der Beklagten zu 3. seit dem 21.07.2004 zu zahlen.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagten zu 1. und 2. bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin unter Hinweis auf die Geltendmachung der Ansprüche durch den Landesbetrieb Straßenbau. Sie behaupten, der Unfall sei allein auf das Verhalten des tödlich verunglückten Fahrers S4 zurückzuführen, indem dieser eine Pendelbewegung nach links ausgeführt habe, so dass der Beklagte zu 1. zu einem Ausweichvorgang gezwungen worden sei, um eine Kollision zu vermeiden, wobei auch zur Vermeidung einer Kollision mit der Mittelschutzleitplanke durch den Beklagten zu 1. ein Gegenlenken erforderlich gewesen sei. Die Geschwindigkeit des Beklagten zu 1. bei Einleitung des Ausweichvorgangs habe lediglich 120 bis 140 km/h betragen und der Abstand zu dem Lkw bei Beginn der Vollbremsung und der Ausweichbewegung ca. 28 bis 34 m, so dass der gesamte Ablauf für den Beklagten zu 1. unvermeidbar gewesen sei. Die Differenzgeschwindigkeit zum Lkw Mercedes Benz habe zwischen 47 und 74 km/h gelegen, wie der Sachverständige S5 ermittelt habe, so dass ein scharfes Ausweichen nach links erforderlich gewesen sei, um die Kollision zu verhindern.
15Die Beklagte zu 3. behauptet:
16Der Unfall sei ausschließlich auf das Verhalten des Beklagte zu 1. zurückzuführen. Der verstorbene Lkw-Fahrer S4 habe den Lkw weder nach links gelenkt noch habe das Fahrzeug eine Pendelbewegung nach links unternommen. Wenn dies von den Vorgutachtern angesprochen worden sei, so lediglich in dem Zusammenhang, dass eine solche Bewegung möglich gewesen sei, nicht aber bewiesen. Ein wesentliches Indiz dafür, dass der Lkw bei der Kollision mit dem BMW nicht Richtung linker Fahrspur gefahren sei, ergebe sich daraus, dass die Vorderachse des Mercedes Benz zum Zeitpunkt der Kollision mit dem BMW längsachsenparallel zur Fahrspur sich befunden habe, wobei zwischen dem Kollisionsort und dem Beginn der Spur, die der BMW auf der Straßenoberfläche zeichnete, lediglich 52 m gelegen hätten, die für eine Pendelbewegung bzw. ein Ausscheren nach links nicht ausgereicht hätten. Allein ein Fahrfehler des Beklagten zu 1. sei daher als Ursache für das gesamte Ereignis ursächlich geworden, zumal dieser die Nacht über durchgefahren sei und die frühe Morgenstunde für Fehlreaktionen bekannt sei. Zudem hätten der Beklagte zu 1. wie auch der Beifahrer und Zeuge S2 unterschiedliche Angaben zum Unfallhergang gemacht. Für den Fahrer S4 sei der Unfall daher unvermeidbar gewesen. Schließlich bestreitet die Beklagte zu 3. die Schadenshöhe unter Hinweis auf einen Abzug „neu für alt“.
17Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
18Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beschluss vom 03.11.2005 (Bl. 93/94 d.A.) in der geänderten Fassung vom 24.01.2006 (Bl. 120 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird das schriftliche Gutachten des Herrn Prof. S3 aus C vom 17.01.2007 (vgl. Sonderheft) Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20Die Klage ist begründet.
21Die Klägerin kann von den Beklagten Schadensersatz wegen des Verkehrsunfalls vom 27.05.2002 als Gesamtschuldnern gemäß den §§ 7 I, 17, 18 StVG a.F., § 3 PflVG verlangen, da die Verursachung der Schäden durch die Fahrzeuge unstreitig ist und keiner der Fahrzeugführer den Nachweis für die Unabwendbarkeit des Schadensereignisses gemäß § 7 II StVG geführt hat.
22Es steht aufgrund des unstreitigen Ablaufs des Verkehrsunfalles fest, dass zunächst der BMW durch eine heftige Ausweichbewegung nach links und eine Gegenlenkbewegung nach rechts instabil wurde, gegen die Vorderachse des Lkws geschleudert wurde und hierdurch die Instabilität des Lkws Mercedes Benz, geführt von dem Fahrer S4 auslöste. Beide Fahrer gemeinschaftlich haben daher – ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Frage einer Pendelbewegung bzw. angedeuteten Fahrspurwechsels nach links – zu dem Schaden geführt. Da der von der Klägerin geltend gemachte Schaden mithin unter Mitwirkung der Fahrzeuge BMW und des Lkws, der bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversichert war, zurückzuführen war, haften diese dem Grunde nach nach den genannten Vorschriften, ohne dass sie der Klägerin gegenüber eine interne Haftungsbegrenzung entgegenhalten könnten, als Gesamtschuldner.
23Die Haftung der Beklagten ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine in Anspruch genommenen Parteien den Nachweis für die Unabwendbarkeit des Schadensereignisses geführt hat.
24Hierzu gilt im Einzelnen:
25Für den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten zu 1. und 2.:
26Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann zu den streitentscheidenden Fragen, insbesondere zur Ausgangsgeschwindigkeit des BMW, zum Abstand zwischen dem BMW und dem Heck des Lkws bei Beginn der Ausweichbewegung des Beklagten zu 1. sowie zur Frage, ob eine Linksbewegung bzw. Pendelbewegung des Lkws vorgelegen hat.
27Angesichts dieser offengebliebenen Fragen kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1. die Aufmerksamkeit und Geistesgegenwart eines äußerst sorgfältigen Fahrers, wie es für die Frage der Unabwendbarkeit eines Schadensereignisses erforderlich ist, hat walten lassen. Insbesondere im Hinblick auf die unklare Höhe der Ausgangsgeschwindigkeit, die bis zu 180 km/h betragen haben kann und damit in jedem Falle zu einer Haftung im Rahmen der Betriebsgefahr wegen Überschreitung der Leitgeschwindigkeit führen würde, kann eine solche Feststellung nicht getroffen werden. Es bleibt daher bei der Mithaftung der Beklagten zu 1. und 2..
28Haftung der Beklagten zu 3.:
29Ferner kann festgestellt werden, dass sämtliche Schäden an den Leitplanken sowie der Betonwand und der Schallschutzmauer auf das Durchbrechen mit dem Lkw Mercedes Benz, geführt von dem verstorbenen Fahrer S4 zurückzuführen war, so dass die Kausalität feststeht und damit auch die Haftung aus den §§ 7 I, 17, 18 StVG, § 3 PflVG.
30Auch die Beklagte zu 3. hat den Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 7 II StVG a.F. nicht geführt, da auch die Frage, ob der Lkw bei Beginn des Unfallgeschehens beteiligt war durch eine Pendelbewegung nach links, nicht geklärt worden ist. Solange eine Mitbeteiligung der Beklagten zu 3. möglich erscheint, hat auch diese den Unabwendbarkeitsnachweis nicht geführt, so dass sie – gesamtschuldnerisch neben den Beklagten zu 1. und 2. – für den durch das Unfallgeschehen entstandenen Schaden haftet.
31Zur Schadenshöhe:
32Die Beklagten haben die Schadenshöhe nicht substantiiert angegriffen, so dass der Klage auch der Höhe nach in vollem Unfang stattzugebne war.
33Soweit die Beklagte zu 3. den Einwand erhebt, dass ein Abzug „neu für alt“ zu machen war, so ist dieser unbeachtlich, da ein solcher nach ganz herrschender Meinung bei Leitplanken u. ä. nicht vorzunehmen ist.
34Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 und 709 ZPO.
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Referenzen
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