Beschluss vom Landgericht Dortmund - 9 T 222/07
Tenor
Der Beschluss vom 29.03.2007 wird abgeändert.
Der Antrag der Beteiligten zu 2) vom 07.03.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beteiligte zu 2).
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 110.000 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Am 14.09.2005 stellte der Beteiligte zu 1) den Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Zugleich beantragte er die Restschuldbefreiung.
4Durch Beschluss vom 16.12.2005 eröffnete das Amtsgericht Dortmund wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beteiligten zu 1) und bestellt die Beteiligte zu 2) zur Treuhänderin. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Gläubiger Insolvenzforderungen in Höhe von 24.284,44 € zur Insolvenztabelle angemeldet. Insgesamt beliefen sich die Forderungen auf 33.808,38 €.
5Im Schlussbericht vom 24.04.2006 führte die Beteiligte zu 2) aus, dass ein Massebestand von 3.645,72 € vorhanden sei.
6Im Schlusstermins vom 16.11.2006 kündigte das Amtsgericht dem Beteiligten zu 1) die Restschuldbefreiung an und bestellte die Beteiligte zu 2) zur Treuhänderin im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens. Der Beschluss wurde dem Beteiligten zu 1) am 21.11.2006 und der Beteiligten zu 2) am 20.11.2006 zugestellt und am 15.01.2007 im Internet veröffentlicht. Der Beschluss ist rechtskräftig.
7Durch Beschluss vom 11.01.2007 hob das Amtsgericht das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung auf. Der Beschluss wurde zusammen mit dem Beschluss vom 16.11.2006 am 15.01.2007 im Internet öffentlich bekannt gemacht. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger erfolgte am 19.01.2007.
8Am 11.01.2007 verstarb der Vater des Beteiligten zu 1). Der Erblasser war Eigentümer des im Grundbuch von E Blatt #### eingetragenen Grundstücks in der B-Str. . Der Beteiligte zu 1) wurde aufgrund eines notariellen Testamentes vom 26.06.2006, das beim Amtsgericht Castrop-Rauxel am 19.03.2007 eröffnet worden ist, Erbe.
9Inzwischen hat der Beteiligte zu 1) das Grundstück durch notariellen Vertrag vom 10.05.2007 (UR-Nr. #### der Notarin X in D ) zu einem Kaufpreis von 220.000 € veräußert.
10Mit Schriftsatz vom 07.03.2007 teilte die Beteiligte zu 2) mit, dass noch nachträglich Massegegenstände ermittelt worden seien, die im Wege der Nachtragsverteilung den Gläubigern zur Verfügung gestellt werden könnten. Sie beantragte, die Nachtragsverteilung wegen des im Wege der Erbschaft erlangten Vermögens anzuordnen.
11Durch Beschluss vom 29.03.2007 ordnete das Amtsgericht Dortmund hinsichtlich des durch den Tode des Vaters erworbenen Nachlasses die Nachtragsverteilung an.
12Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner sofortigen Beschwerde vom 12.04.2007.
13Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, dass nach Ankündigung der Restschuldbefreiung ausschließlich § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO anzuwenden sei, so dass der Nachlass nicht in die Insolvenzmasse falle und lediglich die Hälfte des Wertes an die Beteiligte zu 2) herauszugeben sei.
14Die Beteiligte zu 2) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
15Zur Begründung führt sie aus, dass der Nachlass im vollen Umfang dem Insolvenzbeschlag unterliege. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens sei nämlich erst gem. § 9 Abs. 1 S. 3 InsO mit Ablauf von zwei Tagen nach Veröffentlichung wirksam geworden. Da die Veröffentlichung am 15.01.2007 stattgefunden habe, sei die Aufhebung hier erst am 18.01.2007 wirksam geworden. Dies gelte im Übrigen auch für den Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung. Der Erbfall sei damit während des laufenden Insolvenzverfahrens eingetreten.
16II.
17Die gem. § 204 Abs. 2 S. 2 InsO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
18Die hinsichtlich der durch Erbschaft erlangten Vermögenswerte angeordnete Nachtragsverteilung war aufzuheben, weil die Voraussetzungen dazu nicht vorliegen.
19Gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Nachtragsverteilung anzuordnen, wenn nach dem Schlusstermin weitere Gegenstände der Insolvenzmasse ermittelt werden.
20Bei dem nachträglich ermittelten Vermögen handelt es sich hier um den Nachlass nach dem am 11.01.2007 verstorbenen Vaters des Beteiligten zu 1). Der Beteiligte zu 1) wurde durch Testament vom 26.06.2006 zum Alleinerben eingesetzt.
21Bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens fällt der Nachlass gem. § 35 InsO in die Insolvenzmasse des Erben, wenn dieser nicht die Erbschaft ausgeschlagen hat, was hier nicht geschehen ist.
22Zwar wurde das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 11.01.2007 aufgehoben. Die Aufhebung wird jedoch gem. den §§ 200 Abs. 2, 9 Abs. 1 S. 3 InsO erst nach Ablauf von zwei Tagen nach dem Tage der Veröffentlichung in einem Amtsblatt oder im Internet wirksam (MKInsO-Hintzen, § 200 Rdn. 17). Da die Veröffentlichung des Beschlusses vom 11.01.2007 im Internet am 15.01.2007 erfolgte, wurde die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erst am 18.01.2007 wirksam. Der Erbfall trat am 11.01.2007 ein, somit würde der Nachlass grundsätzlich noch unter den Insolvenzbeschlag fallen, so dass die Nachtragsverteilung angeordnet werden könnte.
23Zu berücksichtigen ist hier jedoch, dass bereits mit rechtskräftigem Beschluss vom 16.11.2006 dem Beteiligten zu 1) gem. § 291 InsO die Restschuldbefreiung angekündigt wurde. Die Wirksamkeit dieses Beschlusses hängt nicht von der öffentlichen Bekanntmachung ab. Hier reichen vielmehr Verkündung im Schlusstermin oder Zustellung an die Beteiligten aus (MKInsO-Stephan, § 291 Rdn. 26). Dies ist hier am 16.11.2006 bzw. am 20.11.2006 und 21.11.2006 erfolgt.
24Mit der rechtskräftigen Ankündigung der Restschuldbefreiung findet nunmehr § 295 InsO Anwendung. Gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen, das er von Todes wegen erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. Da gem. § 289 Abs. 2 S. 2 InsO die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erst nach Rechtskraft des Ankündigungsbeschlusses erfolgen darf, existiert ein kurzer Zeitraum, in dem dem Wortlaut nach sowohl § 35 InsO als auch § 295 InsO Anwendung finden. Beide Vorschriften sind jedoch nicht miteinander vereinbar. Nach § 35 InsO fällt der gesamte Nachlass in die Insolvenzmasse, gleichzeitig hat der Schuldner gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO lediglich die Hälfte des Wertes des Nachlasses an den Treuhänder herauszugeben.
25Dieser Widerspruch kann nur dadurch aufgelöst werden, dass einer Vorschrift der Vorrang eingeräumt wird.
26Die Kammer sieht insoweit § 295 InsO als lex specialis an (MKInsO-Lwowski, § 35 Rdn. 50), mit der Folge, dass der Beteiligte zu 1) lediglich verpflichtet ist, die Hälfte des Nachlasswertes an die Beteiligte zu 2) auszukehren.
27Aus diesem Grund konnte nicht die Nachtragsverteilung bezüglich des gesamten Nachlasses angeordnet werden.
28Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht sieht § 7 InsO nicht vor.
29Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 4 InsO, 91 ZPO, 58 GKG.
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