Urteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 444/05
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die
Klägerin 35.235,89 € ( in W.: fünfunddreißigtausend-zweihundertundfünfunddreißig 89/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 % -Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 32.619,53 € seit dem 21.03.05 und aus weiteren 2.616,36 € seit dem 10.10.05 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin nimmt die Beklagten als Eigentümerin eines bei einem Unfall im Rahmen eines Untermietverhältnisses beschädigten Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch.
3Die Klägerin betreibt eine Autovermietung u. a. auch für Lkws.
4Am 16.10.2004 vermietete sie die Sattelzugmaschine MAN, amtliches Kennzeichen ## - ## ###, an die Streithelferin zu 2.), Firma C Fahrzeughandel in I, die ihrerseits die Sattelzugmaschine an eine Firma N in X weitervermietete. Diese wiederum vermietete die Sattelzugmaschine an die Beklagte zu 1.), bei der der Beklagte zu 2.) seit kurzem beschäftigt war. Die Beklagte zu 1.) setzte den Lkw, für den keine Kaskoversicherung bestand, im Rahmen ihres Lieferverkehrs innerhalb Deutschlands ein, wobei die Zugmaschine jedenfalls im Zeitraum vom 03.11.2004 bis zum 07.12.2004 intern vom Beklagten zu 2.) geführt wurde.
5Am 05.12.2004 gegen 23.00 Uhr startete der Beklagte zu 2.) mit der zuvor aufgesattelten Zugmaschine nebst Auflieger zu einem Kunden nach Zarrentin in Mecklenburg-Vorpommern, wo er um 5.30 Uhr eintraf. Bis 7.00 Uhr erfolgte die Entladung und sodann die Weiterfahrt zu einem weiteren Kunden nach Norderstedt bei Hamburg, wo er gegen 9.50 Uhr eintraf. Da die Firma S das Lager für Frischwaren, die der Beklagte zu 2.) teilweise an Bord hatte, um 9.00 Uhr morgens schließt, erhielt der Beklagte zu 2.) die Anweisung, die Frischware nach Hamburg-Allermöhe zur Firma E zu bringen und dort zwischenzulagern, was der Beklagte zu 2.) im Zeitraum zwischen 15.40 Uhr und 16.15 Uhr etwa erledigte. Sodann erhielt der Beklagte zu 2.) vom Streithelfer zu 1.) die Anweisung, bei der Firma D in Hamburg-Billbrook Ware aufzunehmen und diese nach Laichingen in Baden-Württemberg zu fahren, wo die Anlieferung um 6.00 Uhr morgens erfolgen müsse. Anschließend sei eine weitere Lieferung nach Ehingen zur Firma T zu bringen. Nachdem in Hamburg-Billbrook vom Beklagten zu 2.) im Rahmen einer Fremdbeladung Ware aufgenommen worden war, brach er gegen 18.45 Uhr zu der ca. 719 km langen Strecke zwischen Hamburg-Billbrook und Laichingen auf. Er legte nach eigenen Angaben gegen 23.15 Uhr eine Schlafpause ein, die er jedoch abbrechen musste, da er den nicht ordnungsgemäßen Schlafplatz räumen musste. Gegen 4.30 Uhr verunglückte der Beklagte zu 2.) auf der BAB 7 bei Ansbach, in- dem er nach rechts von der Autobahn abkam, 20 Außenleitplanken überfuhr, sodann nach links Richtung Fahrbahn abgewiesen wurde und dort umstürzte. Beide Fahrspuren wurden blockiert und es lief aus dem Fahrzeugtank 300 l Diesel aus. Der Beklagte zu 2.) wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.
6Die Klägern begehrt mit der Klage Zahlung des an der Zugmaschine eingetretenen Sachschadens gemäß Gutachten L in Höhe von netto 30.241,38 € (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) sowie Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 2.237,40 €, Bergungskosten in Höhe von 2.616,36 € netto und schließlich Mietausfallschaden in Höhe von 68,43 € pro Tag für die Dauer von 25 Tagen als Mietausfallschaden.
7Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte zu 2.) auf Anweisung der Beklagten zu 1.) die Lenkzeiten überschritten habe, da er während der 16,50 Stunden Tageslenkzeit lediglich Lenkzeitunterbrechungen von 3,40 Stunden aufgewiesen habe. Dies sei auch auf Veranlassung der Beklagten zu 1.) geschehen, so dass diese jedenfalls die Einhaltung der Lenkzeiten durch den Beklagten zu 2.) nicht ordnungsgemäß überwacht habe.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 35.235,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 32.619,53 € seit dem 21.03.2005 sowie weiteren 2.616,36 € seit dem 10.10.2005 zu zahlen.
10Die Beklagten und ihre Streithelfer beantragen,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte zu 1.) behauptet, dass es sich bei dem Beklagten zu 2.) ausweislich des Einstellungsgespräches, welches mit dem Streithelfer zu 1.) und dem Zeugen Q geführt worden sei, um einen zuverlässigen und erfahrenen Fernfahrer gehandelt habe. Außerdem habe die Auswertung der vom Beklagten zu 2.) vor dem Schadensfall vorgelegten Tachometer-Scheiben keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben. Der Streithelfer zu 1.) sei von der Beklagten zu 1.) als Disponent im Juli 2004 eingestellt worden, nachdem dies im Rahmen der innerbetrieblichen Strukturen erforderlich geworden sei, um die jeweiligen Rückfahrten auch zu bestücken. Der Streithelfer zu 1.) habe dabei von dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1.) auch die Aufgabe zugewiesen bekommen, die Ruhe- und Lenkzeiten der Fahrer im Rahmen der von dem Disponenten angeordneten Rückfrachten zu überwachen. Dabei habe jeder Fahrer ein Mobilfunkgerät erhalten (Handy), über welches er jederzeit telefonisch und per SMS erreichbar habe sein müssen. Auch der Streithelfer zu 1.) als Disponent habe die erforderliche Qualifikation der Ausübung seines Berufes aufgewiesen, wie er im Rahmen seines Einstellungsgespräches angegeben und belegt habe. Ein Anlass zur Kritik an seiner Tätigkeit habe bis zum Zeitpunkt des Unfalls des Beklagten zu 2.) nicht bestanden, sondern sich erst im Laufe des Januars 2005 ergeben, da Streitigkeiten mit Fahrern aufgetreten seien.
13Der Beklagte zu 2.) behauptet, dass er nicht mehr angeben könne , warum er bei der Autobahnfahrt gegen die rechte Leitplanke geraten sei; er habe an das dem Unfall vorausgehende Geschehen keinerlei Erinnerung, da er selbst erheblich verletzt worden sei und erst im Krankenhaus wieder zu Bewusstsein gekommen sei. Auch an einen Einschlafvorgang habe er sich nicht erinnern können, sondern lediglich auf das Befragen der Polizei entgegnet, dass er es für möglich halte, eingenickt zu sein. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, beruhe dies ausschließlich auf den Anweisungen des Streithelfers zu 1.), der - angesichts des Auftrages, Ware von Hamburg-Billbrook über Nacht nach Laichingen zu bringen, auf die Frage des Beklagten zu 2) nach der Einhaltung der Ruhezeiten entgegnet habe, solche Anordnungen seien üblich und der Beklagte zu 2.) solle sich etwas anderes suchen, wenn er der Anweisung nicht Folge leisten könne.
14Der Streithelfer zu 1.) bestreitet, innerhalb der Firma für die Einhaltung der Ruhe- und Lenkzeiten verantwortlich gewesen zu sein. Vielmehr habe seine Aufgabe lediglich darin bestanden, für die Rückfahrten Frachtaufträge zu erhalten, da er auf diesem Gebiet über gute Kontakte verfügt habe. Er habe von den Vorgängen, die zu einer Verzögerung der Rückfahrt Richtung Laichingen geführt habe, keinerlei Kenntnis gehabt, insbesondere nicht von den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Kunden S. Der Beklagte zu 2.) habe ihn ansprechen müssen, dies aber nicht getan. Insbesondere habe er keine Kenntnis gehabt von den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Entladung des Frachtgutes bei der Firma S und der sich hieraus ergebenden zusätzlichen Ladetätigkeit bei der Firma E .
15Die Akten 66 Js 480/04 OWI StA Essen sowie die Akten 1181 Js 225/06 StA Ansbach sowie der Vorgang 8 Gs 55/05 – 66 Js 480/04 AG Gelsenkirchen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
16Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gemäß Beschluss vom 22.05.2006 (Blatt 176/177 d. A.), wobei insoweit wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Gutachten der Sachverständigen T2 und D2 vom 6. Februar 2007 verwiesen wird.
17Ferner ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen C2, M sowie Q und Q2, wobei insoweit wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 27.08.2007 (Blatt 307 ff. d. A.) verwiesen wird.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die Klage ist begründet.
20Die Klägerin kann von den Beklagten wegen des Schadensereignisses vom 07.12.2004 Schadensersatz in vollem Umfang gemäß § § 823 I , 831 BGB bzw. §§ 823 II, 831 BGB iVm Artikel 2, 3, 6, 11 AETR/ VO 3820 / 85 verlangen, da das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt ist, dass das Unfallgeschehen auf eine Überschreitung der Lenkzeit durch den Beklagten zu 2.) und eine hieraus resultierende Übermüdung zurückzuführen war, die ihrerseits auf einer dementsprechenden Anweisung der Beklagten zu 1.) beruhte.
21Nach Durchführung der Beweisaufnahme sieht das Gericht folgenden Sachverhalt als bewiesen an:
22Der Beklagte zu 2.) trat am Abend des 05.12.2004 um 23.00 Uhr die Fahrt von Gelsenkirchen nach Zarrentin an, wobei er die Entfernung von 416 km in einem Zeitrahmen von 6,5 Stunden zurücklegte. Nach dem Entladevorgang, der von ihm selbst zu bewerkstelligen war, setzte er seine Fahrt nach Norderstedt (gleich 79,5 km) fort, wofür er wegen eines Staus auf der BAB 24 einen Zeitrahmen von 2,40 Stunden benötigte. Nach einer Bereitschaftszeit von 3 Stunden und einem Entladevorgang sowie Ermitteln der Wegstrecke nach Hamburg-Allermöhe brachte der Beklagte zu 2.) die von der Kundin S zurückgewiesene Frischware zum Lager der Firma E und fuhr von dort nach dem Entladevorgang, der bis ca. 16.15 Uhr dauerte, zur Firma D nach Hamburg-Billbrook, wo bis 19.00 Uhr Fremdbeladung erfolgte und der Beklagte zu 2.) eine Ruhezeit hatte. Sodann nahm er etwa gegen 19.00 Uhr die 719 km lange Strecke von Hamburg Billbrook nach Laichingen auf, wobei er im Zeitraum zwischen 23.15 Uhr und ca 0.15 Uhr ca. eine Schlafpause einlegte. Dabei steht ferner zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Entladung der 13 Paletten Frischware bei der Firma E ebenso wie die Fahrt von Hamburg-Billbrook nach Laichingen auf einer Anweisung des Streithelfers zu 1.) beruhten.
23Ferner ist aufgrund des unstreitigen Vortrags der Parteien davon auszugehen, dass bei der Beklagten zu 1.) im Oktober 2004 eine Überprüfung der Ruhe- und Lenkzeiten der Fahrer für den Zeitraum August und September 2004 stattgefunden hatte, die durch den Sachbearbeiter S (phonetisch) erfogte und zur Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 12.000,00 € führte, welches gegen den Mitarbeiter und Zeugen M gerichtet und von diesem akzeptiert, jedoch von der Beklagten zu 1.) beglichen wurde. Es steht ferner fest, dass dieses Bußgeld sich ausschließlich auf die Monate August und September bezog und damit voll und ganz in den Beschäftigungszeitraum des Streithelfers zu 1.) fiel.
24Dieser Sachverhalt konnte auf Grund der Ermittlungen der Polizei in dem Strafverfahren, den Angaben des Beklagten zu 2) sowie dem unstreitigen Vortrag über die Prüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt festgestellt werden. Auf die weiteren Feststellungen wird im Folgenden eingegangen.
25Haftung des Beklagten zu 2.)
26Der Beklagte zu 2.) schlief um 4.30 Uhr, wovon das Gericht überzeugt ist, am Steuer ein, geriet dadurch nach rechts gegen die Leitplanke, um letztlich seitlich auf die Fahrbahn zu stürzen, wodurch die Zugmaschine,die im Eigentum der Klägerin stand, einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt.
27Hiervon ist das Gericht überzeugt aufgrund der eigenen Angaben des Beklagten zu 2.) nach dem Unfallgeschehen gegenüber der Polizei, die er zweimal in dieser Form abgab, in Verbindung mit den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigengutachtens T2 / D2. Für den Sekundenschlaf des Beklagten zu 2.), der seine Einlassung gegenüber der Polizei widerrief und sich insoweit auf retrograde Amnesie berufen hat, spricht vor allem der Unfallablauf selbst, nach dem –so Gutachten T2 - feststeht, dass der Beklagte zu 2.) während des Zeitraums von mehreren Sekunden nicht auf das Abkommen seines Sattelzuges von der rechten Fahrspur reagierte, wie auf Grund der Schäden an den Leitplanken wie auch am Lkw festzustellen war. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auf den Seiten 7 bis 9 seines Gutachtens Bezug genommen.
28Darüber hinaus war auf Grund der ebenso überzeugenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen davon auszugehen, dass sämtliche Voraussetzungen für ein typisches Unfallgeschehen auf dem Hintergrund eines Sekundenschlafes vorlagen, nämlich eine stereotype monotone Fahrstrecke, ein typischer Unfallablauf, vorausgegangener Schlafmangel, der auf Grund des Zeitplans des Beklagten zu 2.) feststeht, und ferner der Unfallzeitpunkt während eines typischen physiologischen Leistungstiefs. Da weiterhin feststeht, dass bei dem Beklagten zu 2.) keinerlei gesundheitlichen Ursachen für den Sekundenschlaf vorlagen, muss ferner davon ausgegangen werden, wie der Sachverständige ebenfalls nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, dass Warnsymptome vorausgingen, aufgrund deren der Beklagte zu 2.) die Gefahr des Einschlafens hätte erkennen müssen.
29Da der Eintritt eines Sekundenschlafes für den Beklagten zu 2) auf dem Hintergrund des bestehenden Schlafmangels und der übrigen Voraussetzungen spürbar und damit vorhersehbar war, war die Eigentumsverletzung schuldhaft in Form von Fahrlässigkeit begangen gemäß § 823 bzw. Art. 6 AETR, so dass der Beklagte zu 2) dem Grunde und der Höhe nach für die klägerische Forderung in vollem Umfang haftet.
30Der Beklagte zu 2) konnte sich nicht gegenüber der Klägerin mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet gewesen wäre, eine Kaskoversicherung für das Fahrzeug abzuschließen bzw. zu überprüfen, ob eine solche bestand. Dies mag für den Gesamtschuldnerausgleich der Beklagten untereinander als Argument eine Rolle spielen, keinesfalls jedoch im Außenverhältnis zur Klägerin, da die Beklagten insoweit gesamtschuldnerisch gemäß § 840 BGB haften.
31Haftung der Beklagten zu 1.)
32Auch die Beklagte zu 1) haftet gegenüber der Klägerin gemäß §§ 823, 831 BGB bzw. gemäß den §§ 823 II, 831 BGB, Art. 8 (1) 11 AETR, da das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme davon überzeugt ist, dass die Beklagte zu 1) sich hinsichtlich der Überwachung der Lenkzeit bzw. Überwachung der Tätigkeit des Streithelfers zu 1) nicht mit Erfolg entlastet hat.
33Nach dem unstreitigen Vortrag steht fest, dass im Oktober 2004 in den Räumen der Beklagten zu 1) eine Überprüfung mit anschließender Schlussbesprechung in Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) mit dem Sachbearbeiter S stattfand, in welcher es um Lenkzeitüberschreitungen in den Monaten August und September 2004 ging. Wenn der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung wie auch bereits dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Essen behauptet hat, ihm sei der Zeitraum nicht klar gewesen, auf den sich die Überprüfung des Gewerbeaufsichtsamtes erstreckt habe, so kann diesem Vortrag keinesfalls gefolgt werden. Die Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt führte bei der Beklagten zu 1), worauf mehrfach entschieden hingewiesen wurde, in Verbindung mit dem vorliegenden Schadensfall zu nachhaltigen Veränderungen beim Umfang mit den Ruhe- und Lenkzeiten, im weiteren Verlauf dann auch Ende Januar 2005 zur Entlassung des Streithelfers zu 1) (im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen mit Fahrern), so dass die Behauptung, der Beklagtenvertreter habe nicht gewusst, auf welchen Zeitraum sich das Verfahren erstreckt habe, absolut unglaubwürdig ist. Hinzu kommt, dass ein Bußgeld in Höhe von 12.000,00 € anerkannt und gezahlt wurde, was ebenfalls den normalen Rahmen der Geschäftsabläufe bei der Beklagten zu 1) gesprengt hat, wie schon der Umstand beweist, dass eine Besprechung mit dem Sachbearbeiter in den Räumen der Beklagten zu 1) stattfand. Schließlich war insoweit zu berücksichtigen, dass der Zeuge M, wie seine Vernehmung ergab, von dem Führungspersonal der Beklagten zu 1) bewusst und gewollt als Adressat des Bußgeldverfahrens ausgesucht wurde, obwohl dieser zum damaligen Zeitpunkt mit den Lenkzeitüberschreitungen unmittelbar nichts zu tun hatte, wie die Vernehmung des Zeugen M und die Angaben des Streithelfers zu 1) zweifelsfrei ergeben haben.
34Die Beklagte zu 1) haftet gegenüber der Klägerin, da der Streithelfer zu 1) mit den Anordnungen gegenüber dem Beklagten zu 2) in vorhersehbarer Weise eine Lenkzeitüberschreitung zumindest bewusst in Kauf nahm, so- dass jedenfalls eine fahrlässige Form der Ordnungswidrigkeit gemäß Art. 11, 8 AETR vorlag.
35Rechnet man die Gesamtstrecke aus, die von dem Beklagten zu 2) in dem Zeitrahmen vom 05.12.2004, 23:00 Uhr, bis zum 07.12.2004, 06:00 Uhr morgens (erreichen der Firma in Laichingen) zurückzulegen war, so ergab sich eine Gesamtkilometerzahl von ca. 1.240, hochgerechnet auf 31 Stunden. Unter Ansatz der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ergab sich hieraus alleine eine Lenkzeit von 16 Stunden, wobei jedoch eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 80 km/h keinesfalls zugrundegelegt werden kann sondern allenfalls an eine Durchschnittszahl von 60 bis 70 km/h zu denken ist, und damit eine Lenkzeit von ca. 20 Stunden zugrunde zu legen ist. Unter weiterer Einbeziehung der Endladevorgänge in Zarrentin, Norderstedt und Hamburg-Allermöhe ergab sich auf Grund der Anweisungen des Streithelfers zu 1) der Beklagten, dass die erforderlichen Ruhezeiten vom Beklagten zu 2) in keinem Falle eingehalten werden konnten, die mindestens 9 Stunden - ungeachtet der Pausen nach 4 ½ Fahrtstunden - betrugen. Dabei geht das Gericht ferner davon aus, dass die Entladung der 13 Paletten Frischware bei der Firma E im Wege der Zwischenlagerung nicht von dem Beklagten zu 2) eigenmächtig erfolgte, sondern dass die Anweisung von dem Streithelfer zu 1) stammte. Der Beklagte zu 2) hatte seine Berufstätigkeit bei der Beklagten zu 1) gerade aufgenommen, kannte die internen Abläufe noch nicht, so dass ein eigenmächtiges Handeln auf diesem Hintergrund als völlig unglaubhaft erscheint.
36Andererseits hat das Gericht Zweifel hinsichtlich des von dem Beklagten zu 2) geschilderten angeblichen Telefonates im Zusammenhang mit der Order, Ware in Hamburg-Billbrook aufzunehmen und nach Laichingen zu fahren unter angeblichem Hinweis auf die Überschreitung der Lenkzeiten. Angesichts der objektiven Fakten, aus denen sich eine Lenkzeitüberschreitung zwangsläufig ergibt, kam es jedoch auf das Stattfinden eines solchen Telefonates auch nicht an.
37Die Beklagte zu 1) haftet für das Verhalten ihrer Beschäftigten, und zwar auch im Rahmen der Anweisung des Streithelfers zu 1), da sie spätestens durch das stattgefundene Verfahren des Gewerbeaufsichtsamtes auf das regelwidrige Verhalten des Streithelfers zu 1) hingewiesen worden war und daher in besonderem Maße gehalten war, diesen im Hinblick auf die Einhaltung der Ruhezeit und deren Überwachung zu überprüfen und zu überwachen. Es mag sein, dass die Beklagte zu 1) sodann ab Januar/Februar 2005 dazu überging, den Lenk – und Ruhezeiten der Fahrer mehr Aufmerksamkeit zu schenken und dementsprechend den Betrieb umzustrukturieren. Es kann aber keinesfalls festgestellt werden auf Grund der Aussagen sämtlicher Zeugen, insbesondere des Zeugen C2, dass dies bereits zum Unfallzeitpunkt der Fall war: Es kann nämlich nicht einmal festgestellt werden, dass die Tachoscheiben zu diesem Zeitpunkt bereits in einem gesonderten Raum gesammelt wurden, wie dies von der Beklagten zu 1) behauptet wurde. Sowohl der Streithelfer zu 1) der Beklagten als auch der Zeuge C2 haben dies nicht bestätigt, sondern vielmehr bekundet, dass es erst im Zusammenhang mit der Entlassung des Streithelfers zu 1) zur Anbringung einer solchen Tafel in einem gesonderten Raum gekommen sei.
38Soweit die Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 30.10.2007 behauptet, dass bereits damals Schulungen der Mitarbeiter erfolgt seien, sind sämtliche von ihr benannten Zeugen bereits zu der Frage vernommen worden, welche Maßnahmen im Einzelnen erfolgt seien. Zum einen leuchtet überhaupt nicht ein, dass und inwieweit eine solche Behauptung etwas zu tun haben sollte mit Unterlagen, die nunmehr erstmals zugänglich seien, so dass insoweit die Frage der Verspätung zu stellen und zu bejahen ist. Darüber hinaus sind die Zeugen auch ausdrücklich befragt worden dazu, in welcher Weise die Fahrer und die Mitarbeiter belehrt wurden, was sie jeweils beantwortet haben in einer Weise, die eine ausreichende Belehrung gerade nicht ergeben hat.
39Die Höhe der Klageforderung ist nachgewiesen durch Gutachten L, welches von den Beklagten und deren Streithelfern nicht substantiiert angegriffen worden ist.
40Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 und 709 ZPO.
41
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.