Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 S 114/06
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 28.07.2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin war Eigentümerin eines PKW Volkswagen Caravelle (VW Bulli). Mit dem Wagen fuhr ihr Vater, der Zeuge T, im Juni 2005 in die Tiefgarage des von ihm seit ca. einem Jahr bewohnten Wohnhauses C in E ein, welches im Eigentum der Beklagten steht. An der Tiefgarage war seinerzeit kein Schild angebracht, dass auf die Durchfahrtshöhe hinwies. Beim Einfahren ließ sich der Zeuge T durch einen Bekannten, den Herrn Q, einweisen. Das Einfahren erfolgte, ohne dass ein Schaden an dem Fahrzeug entstand. Beim Ausfahren am nächsten oder übernächsten Tag kollidierte der Zeuge T mit dem Dach des Fahrzeuges an dem Deckensturz der Ausfahrt, sodass das Dach des Fahrzeuges eingebeult wurde. Die Dachhaut musste erneuert werden.
4Es entstand ein Schaden in Höhe von 5.085,52 €, der sich aus den Reparaturkosten, dem Minderwert, den Sachverständigenkosten, einem Nutzungsausfall und der Kostenpauschale zusammensetzt. Hierauf zahlte die Versicherung der Beklagten den etwa hälftigen Betrag von 2.550,00 €. Die restliche Schadensforderung wird mit der Klage geltend gemacht.
5Die Klägerin hat behauptet, zu dem Unfall sei es gekommen, weil die Ausfahrt eine niedrigere Höhe als die Einfahrt habe.
6Die Beklagte hat behauptet, die Ausfahrt sei sogar höher als die Einfahrt. Den Zeugen T treffe ein Mitverschulden. Er habe keine Schrittgeschwindigkeit walten und sich nicht einweisen lassen.
7Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass den Zeugen T ein hälftiges Mitverschulden an dem Unfall treffe.
8Hiergegen richtet sich die Klägerin mit der Berufung. Beide Parteien wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
9Die Klägerin beantragt,
10unter Abänderung des am 28.7.2006 verkündeten Urteils die Beklagten zu verurteilen, an sie 2.535,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2005 zu zahlen und sie hinsichtlich der Forderung der Rechtsanwälte T2 und T3, I-straße, H in Höhe von 390,40 € freizustellen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen werden.
14Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. S sowie durch Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung. Ferner ist der Zeuge T vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann auf das Gutachten vom 17.07.2007 (Bl. 86 – 112 d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2007 Bezug genommen werden.
15II.
16Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
17Die Klägerin kann von der Beklagten keinen weiteren Schadensersatz nach § 823 BGB verlangen.
18Die Kammer ist der Ansicht, dass es bereits an einer Eigentumsverletzung seitens der Beklagten fehlt und diese seinerzeit nicht verpflichtet war, an der Tiefgarageneinfahrt ein Hinweisschild auf die Durchfahrtshöhe anzubringen. Die Garage war dem öffentlichen Verkehr nicht frei zugänglich, sondern nur den Eigentümern und Mietern des Hauses. Diese hatten Gelegenheit, sich vor Nutzung der Garage über die Höhe zu informieren.
19Zudem hat die Anhörung des Sachverständigen ergeben, dass eine Angabe zur Durchfahrtshöhe nicht ohne Weiteres möglich ist, sondern auch von dem Steigungswinkel der Zufahrt und davon abhängt, welches Fahrzeugmodell mit welchem Radstand benutzt wird. Obwohl nämlich die Garage eine Höhe von 2 m misst, ist das unzweifelhaft niedrigere Fahrzeug der Klägerin (Höhe 1,949 m, aufgerundet 1,95 m) hängen geblieben. Selbst ein 1,80 m hohes Fahrzeug mit großem Radstand würde nach den Ausführungen des Sachverständigen hängen bleiben.
20Das nunmehr angebrachte Schild mit einer Durchfahrtshöhe von 1,90 m ist also auch falsch und führt diejenigen Fahrer in die Irre, die gerade über ein Fahrzeug mit großem Radstand verfügen. Wird andererseits die Angabe der Durchfahrtshöhe Fahrzeugen mit großem Radstand angepasst, dann fällt die Durchgangshöhe so niedrig aus, dass zahlreiche Nutzer verunsichert werden, weil ihre höheren Fahrzeuge mit kleinerem Radstand unproblematisch hindurchpassen. Nach Ansicht der Kammer kann eine sachverständige Einschätzung des Steigungswinkels und der üblichen Fahrzeugradstände von einem Eigentümer nicht erwartet werden, wenn er – wie im vorliegenden Fall – die Garagen nur der Eigentümergemeinschaft und den Mietern einzelner Eigentümern zur Verfügung stellt. Ein Eigentümer kann verlässlich nur die schlichte Durchfahrtshöhe angeben, das wäre hier die Höhe von 2 m gewesen. Diese Höhenangabe hätte aber an dem weiteren Verlauf nichts geändert, da der Zeuge zum einen diese Höhe erkannt hat und zum anderen mit einem Fahrzeug in die Garage gefahren ist, das nur 1,95 m hoch war.
21Selbst wenn man die Hinweispflicht des Eigentümers bejahen würde, so würde den Zeugen T bei der Einfahrt in die Garage ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden treffen, das mindestens mit 50 %, wenn nicht sogar höher zu bemessen wäre. Damit verbliebe nach der hälftigen Schadensregulierung seitens der Versicherung der Beklagten keine offene Restforderung.
22Der Zeuge T hat nämlich von vornherein erkannt, dass es bei der Einfahrt in die Garage höhenmäßig eng werden würde. Er hat sich schrittweise in die Garage hineingetastet, sich von dem Zeugen Q einweisen lassen und ist selbst zwischendurch ausgestiegen, um zu schauen, ob die Durchfahrt gelingt. Wie der Sachverständige erläutert hat, muss die Einfahrt durch das Gefälle der Zufahrt so knapp gewesen sein, dass allenfalls ein Spalt von 2 cm verblieben ist. Einem Fahrer, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hätte walten lassen, hätte sich aufgedrängt, dass das Risiko einer schadensfreien Ein- und Ausfahrt zu hoch ist und hätte die Einfahrt von Anfang an unterlassen.
23Dem Zeugen war nach seinen eigenen Angaben bekannt, dass die Tiefgarage innen nicht höher ausfiel als bei der Einfahrt. Es war also völlig unklar, ob nicht innerhalb der Garage ein Sturz geringfügig niedriger ausfallen würde oder eine kleine Bodenunebenheit den Abstand so verringern würde, dass es zum Anstoß kommen konnte. Einem vernünftig denkenden Fahrer musste sich der Gedanke aufdrängen, dass es neben den dargestellten Risiken der Maßänderung innerhalb der Garage noch andere technische Unwägbarkeiten geben könnte, die er nicht überblicken kann und die sich bei einer solch knappen Einfahrt verwirklichen könnten. Er hat sich entschieden, die möglichen Risiken in Kauf zu nehmen. Dies muss sich die Klägerin zurechnen lassen und kann nunmehr die Risiken nicht der Eigentümergemeinschaft anlasten.
24Wie der Sachverständige dargelegt hat, barg die Einfahrt noch weitere Risiken. Bei der Ausfahrt fällt die Pflasterung geringfügig anders aus, indem nach einer kleinen Sache für die Drainage das Niveau der Garage 2-3 cm früher erreicht wird als bei der Einfahrt. Bei solch knappen Einfahrverhältnissen kann bereits dies zum Anstoß geführt haben, wenn es auch nicht den Umfang des Schäden erklären würde.
25Eine Erklärung für den größeren Schaden könnte sich hier aus der Bauweise des gefahrenen Fahrzeuges ergeben. Wie der Sachverständige erläutert hat, sind VW Caravelle Fahrzeuge im Hinblick auf eine mögliche schwere Beladung oft so konstruiert, dass sie hinten ein kleines bisschen höher sind. Beim Einfahren, also die Steigung hinunter, ist das höhere Heck quasi unter der Toreinfahrt hindurchgetaucht. Bei der Ausfahrt steht die Front des Fahrzeugen schon am Hang. In dem Moment wirkt sich die höhere Heckpartie aus und es kann dadurch zur Kollision gekommen sein. Ob hier das Fahrzeug hinten höher war, kann die Kammer nicht feststellen. Der Sachverständige zeigt aber auf, dass es nicht sofort erkennbare Unwägbarkeiten gibt.
26Abgesehen davon, dass der Zeuge T diese Risiken in Kauf genommen hat, hat er bei der Ausfahrt auch nicht die Aufmerksamkeit walten lassen, die erforderlich gewesen wäre. Er hat zwar bekundet, er sei so ausgefahren wie eingefahren. So schrittweise wie bei der Einfahrt kann dies allerdings nicht erfolgt sein. Das ergibt sich bereits daraus, dass er das Schrappen beim Anstoß gehört hat, allerdings gedacht hat, er habe hinten am Stoßfänger aufgesetzt. Er ist nach eigenen Angaben ohne Problembewusstsein weiter ausgefahren und hat sich das Fahrzeug noch nicht einmal angesehen. Wenn er sich so langsam vorgetastet hätte wie bei der Einfahrt, dann wäre ihm direkt der Gedanke gekommen, dass es am Dach zum Zusammenstoß gekommen sein könnte. Bei solch langsamen Tempo hätte er auch anhalten, schauen und größeren Schaden verhindern können. Bei der dagegen gefahrenen, wenn auch langsamen Fahrgeschwindigkeit ergeben sich nach den Angaben des Sachverständigen bereits fahrdynamische Auswirkungen. So findet sich unmittelbar nach der Ausfahrt die kleine Senke zu den Drainelementen hin bevor die Ausfahrt ansteigt. Auch dies führt zu kleinen Höhenbewegungen und Federungen des Fahrzeuges, die neben dem geschilderter Steigungsproblem den vergrößerten Schaden erklären.
27Im Ergebnis ist die Kammer der Ansicht, dass die Beklagten keine Hinweispflicht traf, der Zeuge die Risiken erkannt und in Kauf genommen hat und schließlich auch nicht die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10 ZPO. Die Revision war nicht gem. § 543 Abs.2 ZPO zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert.
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