Urteil vom Landgericht Dortmund - 11 S 166/07
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Kamen vom 15.08.2007 (9 C 49/07) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung ab-geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, die Zuleitung zu der auf dem Dach des Hauses U- Str. in C angebrachten Satellitenempfangsanlage zu entfernen und es bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord-nungsgelds von bis zu 25.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, eine Zuleitung zu einer auf dem Dach des Hauses U-straße, C angebrachten Satelli-tenantenne herzustellen und zu nutzen, die nicht fachgerecht installiert ist, bzw. hinsichtlich der sie nicht vorher die Klägerin von sämtlichen möglichen Kosten und Gebühren freigestellt haben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, die Installa-tion einer baurechtlich zulässigen Parabolantenne mit einem Durchmesser der Schüssel von höchstens 120 cm an einem nach Maßgabe der Klägerin zu be-stimmenden Aufstellungsort auf dem Grundstück U- Straße in C , an dem der Empfang kurdischer Sender möglich ist, einschließlich der erforderlichen Zulei-tungen zur Wohnung der Beklagten durch einen Fachmann zu genehmigen, so-weit die Beklagten für die Versicherung Sorge tragen und die Rückbaukosten gegenüber der Klägerin sicherstellen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 80 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Beklagten sind Mieter der Klägerin hinsichtlich einer Wohnung im Haus U-str. in C. Sie sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Nach den dem Mietvertrag zugrundeliegenden allgemeinen Vertragsbedingungen bedürfen bauliche Veränderungen und das Anbringen von Antennen der vorherigen schriftlichen Zustimmung durch die Vermieterin. Auf dem Flachdach des Mehrfamilienhauses ist eine Satellitenempfangsanlage mit drei Parabolspiegeln angebracht, die im Eigentum einer Familie steht, die ebenfalls Mieterin im Haus U-str. ist, und von dieser, den Beklagten und einer weiteren Familie genutzt wird. Zu dieser Anlage führt von der Wohnung der Beklagten ausgehend ein Kabel, hinsichtlich dessen konkreter Führung auf die vorliegenden Lichtbilder (Bl. 6, 7 d.A.) Bezug genommen wird. Die Antenne ist nicht fachmännisch installiert und nicht geerdet. Eine Freistellung der Klägerin durch die Beklagten von allen mit der Installation der Empfangsanlage verbundenen Kosten und Gebühren und eine Haftpflichtversicherung für die Anlage liegen nicht vor. Mit Schreiben vom 12.12.2006 forderte die Klägerin den Beklagten zu 1. auf, die Empfangsanlage bis zum 31.12.2006 zu entfernen. Dem kamen die Beklagten nicht nach. Das Haus ist an ein Breitbandkabelnetz angeschlossen. In diesem werden zwei Programmpakete in türkischer Sprache angeboten. Bei dem günstigeren Paket sind sechs, bei dem teureren noch weitere drei türkische Programme zu empfangen. Kurdische bzw. kurdischsprachige Programme werden über Kabel nicht angeboten. Die türkischsprachigen Sender enthalten kein entsprechendes kurdischsprachiges Programmangebot.
4Die Klägerin begehrt die Entfernung der Anlage. Diese störe den ästhetischen Gesamteindruck des Hauses erheblich. Zudem befürchtet sie erhebliche Spannungen im Haus, wenn zwar kurdische, nicht aber türkische Mieter Parabolantennen anbringen dürfen. Sie ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
5richts nicht für die Beklagten streite, da diese vom Heimatland und nicht der Herkunftsregion spreche. Demzufolge sei die Empfangsmöglichkeit von türkischsprachigen Sendern ausreichend. Soweit die Beklagten Zugang zum kurdischen Sender ROJ TV begehren, behauptet die Klägerin, dass sich der Inhalt dieses Senders zumindest am Rande der Verfassungswidrigkeit bewege. Unstreitig wird dieser Sender im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2005 in dem Abschnitt "Kurdische Organisationen: Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL); Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und unterstützende Organisationen" als "Fernsehsender" aufgeführt.
6Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
7die Beklagten zu verurteilen, die auf dem Dach des Hauses U- Str. in C
8angebrachte Satellitenempfangsantenne nebst Halterung und Zuleitung zu entfernen und es bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 25.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, auf dem Grundstück und am Haus U-Str. in C
9Satellitenempfangsantennen zu errichten oder zu betreiben.
10Die Beklagten haben beantragt
11die Klage abzuweisen.
12Widerklagend haben die Beklagten beantragt,
13festzustellen, dass die Klägerin zur Genehmigung der Installation einer baurechtlich zulässigen Parabolantenne mit einem Durchmesser der Schüssel von höchstens 120 cm an einem nach Maßgabe der Klägerin zu bestimmenden Aufstellungsort auf dem Grundstück U- Str. in C,
14an dem der Empfang kurdischer Sender möglich ist, einschließlich der erforderlichen Zuleitung zur Wohnung der Beklagten durch einen Fachmann verpflichtet ist, soweit die Beklagten für die Versicherung Sorge tragen und die Rückbaukosten gegenüber der Klägerin sicherstellen.
15Die Klägerin hat beantragt,
16die Widerklage abzuweisen.
17Die Beklagten sind der Auffassung, dass sie keine Beseitigungspflicht treffe, da sie nicht Eigentümer der Empfangsanlage seien und diese auch nicht in ihrem Verfügungsbereich stehe. Ihnen als Kurden stehe aus der Informationsfreiheit der Zugang zu kurdischen Programmen wie insbesondere dem Sender ROJ TV zu.
18Das Amtsgericht hat der Widerklage im vollen Umfang und der Klage insoweit stattgegeben, als die Beklagten verpflichtet seien, ihre Zuleitung zur Empfangsanlage zu entfernen. Es hat einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache durch die Beklagten hinsichtlich der Zuleitung bejaht und die Klägerin nach Abwägung der beiderseitigen Interessen im konkreten Fall nicht für verpflichtet gehalten, die Zustimmung zur Anbringung einer Zuleitung zur Antenne zu erteilen, da die Zuleitung unstreitig und erkennbar nicht fachgerecht erfolgt sei. Einen weitergehenden Anspruch hat das Amtsgericht verneint, weil den Beklagten die Entfernung der Empfangsanlage nicht möglich sei. Da die Beklagten die Satellitenempfangsanlage weder errichtet noch betrieben hätten, sei die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs abzuweisen. Auf die Widerklage hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Klägerin unter den ausgesprochenen Voraussetzungen verpflichtet sei, den Betrieb einer Satellitenanlage durch die Beklagten zu dulden. Die Abwägung der Parteiinteressen gehe zugunsten der Beklagten aus, da deren Informationsinteresse nicht durch die im Breitbandnetz verfügbaren türkischen Sender befriedigt werden könne.
19Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Argumentation aus der ersten Instanz wird wiederholt und vertieft. Auch in anderen Programmen werde über Geschehnisse in kurdisch dominierten Regionen der Türkei berichtet. Eine Information aus dem von den Beklagten gewünschten Blickwinkel sei nicht erforderlich. Welches besondere Informationsinteresse die Beklagten mit dem Empfang von ROJ TV verbänden, werde von diesen nicht dargelegt. Schließlich sei ein Parabolspiegel mit einem Durchmesser von 1,20 m übermäßig groß. Üblicherweise genügten Spiegel mit einem Durchmesser von 60 cm. Der besonders große Spiegel werde wohlweißlich beantragt, da die gewünschten Sender nur mit erheblichem Aufwand zu empfangen seien. Ein solcher Spiegel stelle nicht nur eine optische Beeinträchtigung dar, sondern begründe die Gefahr von Feuchtigkeitseinbrüchen durch das Flachdach. Zudem hätten die Beklagten sehr wohl Einwirkungsmöglichkeiten auf die Satellitenanlage, insbesondere auf deren Ausrichtung auf den gewünschten Satelliten.
20Die Klägerin beantragt,
21das Urteil des Amtsgerichts Kamen vom 15.08.2007 (AZ: 9 C 49/07), zugestellt am 20.08.2007, abzuändern und die Beklagten entsprechend den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu verurteilen und die Widerklage abzuweisen.
22Die Beklagten beantragen,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
25II.
26Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
271. Zur Klage
28Auf die Berufung der Klägerin war das Urteil des Amtsgerichts teilweise abzuändern. Die Klägerin kann von den Beklagten nicht nur die Entfernung der Zuleitung, sondern auch die Unterlassung einer erneuten Anbringung einer solchen nicht fachgerecht installierten und nicht finanziell abgesicherten Zuleitung verlangen.
29Eine Auslegung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs durch die Kammer ergibt, dass dieser auf Unterlassung von Errichtung und Betrieb nicht nur einer Satellitenempfangsanlage, sondern auch einer entsprechenden Zuleitung gerichtet ist. Durch die Gesamtheit der gestellten Anträge gibt die Klägerin deutlich zu erkennen, dass sie jegliche Art von Nutzung einer Satellitenanlage durch die Beklagten beenden und auch für die Zukunft unterbinden möchte. Die Unterlassung der Errichtung und Nutzung der Zuleitung ist im ausdrücklich gestellten Unterlassungsantrag als Minus enthalten. Der zugesprochene Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 541 BGB. Die nicht fachgerechte Herstellung einer Zuleitung von der Wohnung der Beklagten zu der Satellitenempfangsanlage stellt einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in den Entscheidungsgründen zu I. verwiesen werden, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt.
30Einen Anspruch auf Unterlassung jedweder Form der Zuleitung zu einer am Gebäude installierten Satellitenanlage hat die Klägerin hingegen nicht, da die Klägerin eine fachgerecht installierte und finanziell abgesicherte Installation bzw. Zuleitung nach Maßgabe der auf die Widerklage getroffenen Feststellung dulden müsste. Zur Begründung wird auf die folgenden Ausführungen zu 2. verwiesen.
31Die weitergehende Klageabweisung durch das Amtsgericht ist nicht zu beanstanden. Zu Recht geht es davon aus, dass die Klägerin von den Beklagten nicht auch die Entfernung der Satellitenanlage selbst und von deren Halterung verlangen kann. Die Beklagten sind weder Eigentümer der Anlage oder der Halterung noch ist eine anderweitige Einwirkungsmöglichkeit auf die Aufstellung und den Abbau der Anlage erkennbar, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegen würde. Unbestritten wurde die Anlage von anderen Mietern aufgestellt und wird sie auch von diesen genutzt. Hinsichtlich des weiteren geltend gemachten Anspruchs sind nur die Eigentümer und Nutzer der
32Parabolantenne störende Mieter und mögliche Anspruchsgegner. Ob die Beklagten ggf. die Ausrichtung des Parabolspiegels mitbestimmen können, ist nicht maßgeblich. Da die Beklagten Anlage und Halterung nicht errichtet und betrieben haben, besteht gegen sie insoweit auch kein Unterlassungsanspruch gem. § 541 BGB.
332. Zur Widerklage
34Soweit sich die Berufung gegen die vollumfängliche Stattgabe der Widerklage richtet, hat sie keinen Erfolg. Insoweit kann zunächst erneut auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen werden, denen sich die Kammer anschließt. Nach Abwägung der vorliegend betroffenen grundsätzlich gleichwertigen Rechtsgüter, nämlich des gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Informationsinteresses der beklagten Mieter, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, und des gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Eigentums der klagenden Vermieterin, unter Berücksichtigung aller Umstände des hier zu entscheidenden Einzelfalls überwiegen die Interessen der Beklagten.
35Diese haben als dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland lebende Ausländer ein anerkennenswertes Interesse, Programme ihres Heimatlandes zu empfangen, um sich über das dortige Geschehen zu unterrichten und die kulturellen und sprachliche Verbindung zur Heimat aufrecht zu erhalten (vgl. zum Ganzen nur BVerfG, Beschl. v. 09.02.1994 – 1 BvR 1687/92; BGH, Urt. v. 02.03.2005 – VIII ZR 118/04). Aus diesem Grund billigt die Rechtsprechung einem ausländischen Mieter grundsätzlich einen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters zur Installation einer Satellitenempfangsanlage zu, es sei denn, die Wohnung verfügt über einen Breitbandkabelanschluss und der Mieter kann so – ggf. unter Anschaffung weiterer Geräte und der Inkaufnahme weiterer Kosten – Zugang zu Programmen in seiner Sprache erhalten. Obwohl die von ihnen angemietete Wohnung an das Breitbandkabelnetz angeschlossen ist und über dieses mehrere türkischsprachige Sender empfangen werden können, besteht eine solche Möglichkeit für die Beklagten nicht. Für sie als Kurden kann die türkische Sprache nach Auffassung der Kammer nicht als Mutter- oder Heimatsprache angesehen werden. Die Beklagten müssen sich nicht damit begnügen, Informationen in der von ihnen ebenfalls beherrschten türkischen Sprache über Breitband empfangen zu können. Im Rahmen der Beurteilung, ob ein anerkennenswertes Informationsinteresse eines ausländischen Mieters besteht, ist nach Auffassung der Kammer nicht allein darauf abzustellen, welchem Staat, sondern welcher Kultur er angehört und welche Sprache er als seine Mutter- und Umgangssprache verwendet. Der Mieter hat Anspruch auf Informationen aus dieser Kultur und in dieser Sprache, der nicht durch die Möglichkeit befriedigt wird, Programme in der Mehrheits- und Amtssprache des jeweiligen Herkunftsstaates zu empfangen.
36Es ist also nicht rein formal an die Staatsangehörigkeit des Mieters anzuknüpfen. Den der Kammer bekannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs liegen Sachverhalten zugrunde, in denen der Unterschied zwischen Heimatstaat und Heimatsprache keine Rolle spielt. Die Entscheidungen stellen auf die Verbundenheit des Mieters zum Herkunftsland ab, die sich in der gemeinsamen Sprache und Kultur ausdrückt. Soweit der Kammer Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vorliegen, in denen aus der Staatsangehörigkeit des Mieters auf ein besonderes Informationsinteresse durch ausländische Medien geschlossen wird, betrifft dies Fälle, in denen Sprache und Kultur des Mieters der Mehrheitssprache und -kultur in dem Heimatstaats entsprechen (z.B. im Urt. v. 22.01.2004 – V ZB 51/03 – für einen Mieter polnischer Staatsangehörigkeit).
37Von den der Kammer bekannten Entscheidungen knüpft allein der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28.10.1994 (2Z BR 77/94 – NJW 1995, 337 f.) ausdrücklich an die Staatsangehörigkeit des Mieters an: Das Interesse eines geborenen Türken, der aus freien Stücken die eigene Staatsangehörigkeit aufgegeben und die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen habe, an Informationen aus seinem früheren Heimatland sei weniger schwer zu gewichten als das eines auf Dauer in Deutschland lebenden Menschen türkischer Staatsangehörigkeit. Durch die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit sehe er nunmehr Deutschland als seine Heimat an, wodurch sein Interesse, die kulturellen und sprachlichen Verbindungen mit seinem Heimatland aufrechtzuerhalten, deutlich in den Hintergrund trete. Unabhängig davon, ob man dieser Argumentation folgen möchte (zur anderen Ansicht vgl. KG, Urt. v. 11.10.2007 – 8 U 210/06), lässt sich diese Argumentation nicht auf den vorliegenden Fall übertragen: Die Beklagten haben nicht freiwillig die Bindung an ihre kurdische Heimat gelockert, indem sie eine kurdische Staatsangehörigkeit aufgegeben und die türkische Staatsangehörigkeit angenommen haben.
38Von daher kann es nach Auffassung der Kammer nicht zweifelhaft sein, dass bei kurdischen Mietern auf ihre Zugehörigkeit zur kurdischen Sprache und Kultur abzustellen ist (so im Ergebnis auch KG, Urt. v. 11.10.2007 – 8 U 210/06; LG Hanau Urt. v. 29.01.1999 – 2 S 392/98). Dass die kurdische Sprache eine eigenständige Sprache ist, ist vorliegend unstreitig. Ob das türkische und das kurdische Volk demselben Kulturkreis angehören, wie die Klägerin behauptet, kann angesichts der unterschiedlichen Sprache dahinstehen. Die Kammer würde auch einen Portugiesen nicht auf die Möglichkeit des Empfangs spanischer Sender verweisen. Im Breitbandkabelnetz gibt es keine kurdischsprachigen Sender und in den hier empfangbaren türkischen Programmen keine speziell kurdischsprachigen Programmangebote.
39Die kurdische Volkszugehörigkeit der Beklagten steht angesichts des vorgelegten Bescheids des Landesamtes für die Anerkennung von Flüchtlingen vom 01.12.1997 fest. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Ablichtung des Bescheides in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingesehen und danach keine Bedenken hinsichtlich der Volkszugehörigkeit der Beklagten mehr erhoben. Unstreitig stammen die Beklagten aus der Stadt N, die von einer kurdischen Bevölkerung bewohnt wird. Sie wuchsen im Elternhaus mit der kurdischen Sprache auf und sprachen bis zur Einschulung ausschließlich kurdisch. Die türkische Sprache haben sie erst in der Schule erlernt.
40Auch der Umstand, dass die Beklagten die türkische Sprache beherrschen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Beherrschen der Mehrheits- bzw. Amtssprache der Türkei führt nicht dazu, dass diese als Heimatsprache der Beklagten angesehen werden kann. Insoweit haben die Beklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass einem türkischen Mieter unabhängig bestehender Deutschkenntnisse grundsätzlich ein anerkennenswertes Informationsinteresse hinsichtlich türkischsprachiger Programme zugebilligt wird. Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob in anderen – deutsch- oder türkischsprachigen Programmen – über Geschehnisse in kurdisch dominierten Regionen der Türkei berichtet wird. Dabei stellt die Kammer ausdrücklich klar, dass nicht darauf abgestellt wurde, dass den Beklagten ggf. die inhaltliche Ausrichtung und der Blickwinkel der Berichterstattung der türkisch- oder auch deutschsprachigen Sender nicht zusagt. Soweit es ihnen lediglich auf eine bestimmte Einordnung oder Kommentierung der berichteten Ereignisse ankäme, wären sie nach hiesiger Auffassung
41auf weitere zugängliche Informationsquellen (Zeitungen, Internet etc.) zu verweisen (vgl. insoweit auch Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 260/06 – WuM 2007, 678, 681). Für ein solch beschränktes Interesse gibt es vorliegend keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Kammer hat angesichts der dargelegten Umstände auch keinerlei Bedenken daran, dass die Beklagten ein besondere Interesse an den Vorgängen, an Sprache und Kultur der Heimatregion haben und dass der Sender ROJ TV als Sender in kurdischer Sprache zumindest auch über Ereignisse im überwiegend kurdisch besiedelten Teil der Türkei berichtet. Die Beklagten sind angesichts der bereits dargestellten Grundlagen eines anerkannten Informationsinteresses auch nicht verpflichtet weiter dazulegen, weshalb ein besonderes Interesse am Empfang dieses Sender besteht (eine kurdischsprachige Programmalternative ist der Kammer nicht bekannt) und dass es ihnen nicht bloß auf den jeweiligen Blickwinkel ankommt (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 9. Auflage, § 535 BGB Rn. 435).
42Das danach anzunehmende anerkennenswerte Interesse der Beklagten an dem Satellitenempfang wird nicht durch den Einwand der Klägerin entkräftet, der Sender ROJ TV bewege sich am Rande der Verfassungswidrigkeit. Dabei geht die Kammer davon aus, dass substantiierter Vortrag zu verfassungswidrigen oder gegen das deutsche Strafrecht verstoßenden Programminhalten im Rahmen der hier vorzunehmenden Grundrechtsabwägung zu berücksichtigen wäre. Derartiger Vortrag ist aber nicht erfolgt, obwohl das Amtsgericht in seinem Urteil auf die fehlende Substantiierung hingewiesen hatte. Allein der Umstand, dass der Sender im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2005 in dem Abschnitt "Kurdische Organisationen: Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL); Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und unterstützende Organisationen" als "Fernsehsender" aufgeführt wird, besagt – unabhängig von dem dort ebenfalls genannten Betätigungsverbot für die Organisationen – nicht, dass der Sender verfassungsfeindliche Inhalte verbreitet.
43Auf Seiten der Klägerin hat die Kammer berücksichtigt, dass das in ihrem Eigentum stehende Gebäude durch die Installation einer Satellitenempfangsanlage und/oder der Herstellung einer Zuleitung von dieser zur Wohnung der Beklagten optisch und ästhetisch beeinträchtigt wäre, wie es auch den der Akte beiliegenden Lichtbildern zu entnehmen ist. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass die ästhetische Beeinträchti-
44gung bei einer fachgerecht angebrachten Zuleitung geringer wäre, wenn sie auch nicht ganz auszuschließen sein wird.
45Konkrete Substanzverletzungen oder – gefährdungen des in ihrem Eigentum stehenden Gebäudes durch die Installation und Nutzung einer Satellitenempfangsanlage hat die Klägerin nicht dargetan. Soweit sie in der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass Flachdächer "neuralgische Stellen eines Feuchtigkeitseinbruchs" darstellten, ist für die Kammer nicht erkennbar, dass die Klägerin solche Gefahren nicht durch die Bestimmung des Aufstellungsortes, wie sie ihr durch das Urteil zugesprochen worden ist, verhindern könnte. Auf den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden in der Verfügung vom 02.11.2007 hat die Klägerin nichts weiter vorgetragen.
46In der vorgenommenen Abwägung der oben im Einzelnen dargelegten Interessen von Klägerin und Beklagten hat die Kammer nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass es zu Reibereien zwischen türkischen und kurdischen Mietern kommen kann, wenn der eine seine Satellitenanlage abbauen muss, während dem anderen die Errichtung gestattet werden muss. Der Vermieter muss auch in anderen Fällen eine Ungleichbehandlung von Mietern angesichts nicht vergleichbarer Sachverhalte erklären. Insoweit ist die von der Klägerin geschilderte Lage vergleichbar mit der Situation, wenn einem deutschen Mieter unter Verweis auf das Kabelnetz die Errichtung einer Satellitenempfangsanlage verwehrt, sie einem ausländischen, deutschsprachigen Mieter aber gestattet wird. Dass eine Aufklärung über die Hintergründe der unterschiedlichen Behandlung nicht ausreichen würde, um die Gemüter der türkischen Mitmieter zu beruhigen, hat die Klägerin nicht dargelegt (vgl. BVerfG, Beschl v. 30.06.1994 - 1 BvR 1478/93 – NJW-RR 1994, 1232; LG Hanau, Urt. v. 29.01.1999 – 2 S 392/98, das eine Einschränkung der Informationsfreiheit der kurdischen Mieter allenfalls als äußerstes und letztes Mittel zur Herstellung des Hausfriedens ansieht).
47Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf eine fehlende Verhältnismäßigkeit berufen. Der Einwand, ein Parabolspiegel mit einem Durchmesser von 120 cm sei übermäßig groß, üblicherweise würden deutlich kleinere Spiegel genügen, wird erstmals in der Berufungsbegründung vorgebracht, ohne dass zu erkennen ist, weshalb der Vortrag nicht bereits erstinstanzlich erfolgte. Der Einwand fehlender Verhältnismäßigkeit würde aber auch bei Zulassung dieses Vortrags gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht durchgreifen: Die Klägerin trägt selbst vor, der Sender ROJ TV sei offensichtlich nur mit besonderem Aufwand zu empfangen. Anhaltspunkte, die vorliegend das Zusprechen des erforderlichen Aufwandes als nicht verhältnismäßig erschienen ließen, sind nicht erkennbar und wurden von der Klägerin auch auf einen entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht vorgetragen.
48Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 S.1, Abs. 2 Nr. 1, 97, 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision wurde auf Antrag der Klägerin zugelassen, da die Rechtssache auch in den Augen der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat.
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