Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 O 126/07
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.000,00 € (i.W. dreitausend Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.6.2007 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus Anlass der Zahnbehandlung in der Zeit vom 5.7.2004 bis zum 31.1.2006 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 62 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 38 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Beklagten betrieben ursprünglich gemeinsam eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis in V. Der am 15.5.1935 geborene Kläger macht gegenüber den Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen einer zahnprothetischen Behandlung durch den Beklagten zu 2. in der Zeit vom 5.7.2004 bis Ende Januar 2006 geltend.
3In der Zeit von November 2001 bis November 2003 befand sich der Kläger in der zahnärztlichen Behandlung von Frau Dr. U in V. Am 5.7.2004 stellte sich der Kläger erstmals in der Praxis der Beklagten zur Anfertigung einer prothetischen Versorgung im Oberkiefer vor. An diesem Tag wurde ein OPG angefertigt. Der Beklagte zu 2. plante zwei Brücken für den Oberkiefer. Wegen der Einzelheiten der Behandlungsdokumentation kann auf die Kopie der Krankenunterlagen des Beklagten zu 2. (Bl. 47 f. und Bl. 80 f. d.A.) Bezug genommen werden. Am 25.8.2004 erfolgte die Präparation für die beiden Brücken. Am 9.9.2004 wurden die Brücken auf den Zähnen 16 bis 13 und 22, 23 bis 27 eingesetzt. Der Beklagte zu 2. fertigte am 12.11.2004 Einzelzahnfilme der Zähne 13, 12, 22 und 23 an und nahm eine Excision an Zahn 23 vor. Am 19.11.2004 erfolgte eine Excision an Zahn 22. Die Brücke 22 bis 27 wurde am 29.11.2004 entfernt. Es wurde ein Provisorium eingesetzt. Der Beklagte zu 2. fertigte diese Brücke erneut an. Die zweite Brücke wurde am 10.12.2004 provisorisch und am 13.12.2004 fest eingesetzt. In der Folgezeit nahm der Beklagte zu 2. u.a. Einschleifmaßnahmen vor. Am 8.2.2005 wurden nochmals Einzelzahnfilme der Zähne 13, 12, 22 und 23 angefertigt. Der Beklagte zu 2. führte eine Wurzelbehandlung an den Zähnen 22 und 23 durch. Im Rahmen dieser Wurzelbehandlung wurden am 22.2.2005 Nadelaufnahmen der Zähne 22 und 23 angefertigt. Die Wurzelbehandlung an diesen Zähnen wurde am 15.3.2005 abgeschlossen und die Brücke 22 bis 27 wieder provisorisch eingesetzt. In der Folgezeit wurde eine dritte Brücke für die Zähne 22 bis 27 geplant. Hierzu erfolgte am 27.4.2005 eine erneute Bissnahme. Diese dritte angefertigte Brücke für die Zähne 22 bis 27 wurde am 23.5.2005 provisorisch eingesetzt. Der Beklagte zu 2. dokumentierte für diesen Tag Spannungsschmerzen wegen der Verblockung der Zähne 22 und 23. Am 8.6.2005 wurde Zahn 22 abgetrennt. Im Juni 2005 wurde die Brücke 22 bis 27 dann mehrfach entfernt und erneut provisorisch eingesetzt.
4Am 23.6.2005 stellte sich der Kläger beim Kassengutachter Dr. C vor. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung kann auf das Gutachten von Herrn Dr. C vom 25.6.2005 (Bl. 18 d.A.) Bezug genommen werden. Am 6.9.2005 erfolgte eine Wurzelspitzenresektion an Zahn 22 und 23. In der Folgezeit fanden weitere Behandlungstermine statt. Der Beklagte zu 2. entfernte am 30.1.2006 die Brücke und setzte ein Provisorium ein. Es sollte eine neue, nunmehr vierte Brücke, geplant werden, was der Kläger jedoch letztlich ablehnte.
5Am 13.6.2006 stellte sich der Kläger in der Zahnklinik der Universitätsklinik Münster vor. Auf die Kopie des Arztbriefes vom 24.4.2006 (Bl. 33 f. d.A.) kann Bezug genommen werden. Am 3.5.2006 stellte sich der Kläger bei dem Kassengutachter Dr. X vor, wegen dessen Begutachtung auf die Kopie des Gutachtens (Bl. 36 f. d.A.) Bezug genommen werden kann. Seit dem 13.3.2007 befindet sich der Kläger in der Behandlung von Herrn Dr. I in A. Dieser erstellte einen Heil- und Kostenplan am 24. bzw. 25.4.2007, wegen dessen Einzelheiten auf die Kopie (Bl. 105 f. d.A.) Bezug genommen werden kann.
6Der Kläger behauptet, die Prothetik des Beklagten zu 2. sei fehlerhaft angefertigt worden. Dem Beklagten zu 2. sei eine Vielzahl von Fehlern vorzuwerfen. Die Aufbereitung der Wurzelkanäle sei fehlerhaft gewesen. Hierdurch sei es zu einer "via falsa" gekommen. Diese sei nicht rechtzeitig korrigiert worden, so dass sich eine Fistel gebildet habe. Die Planung sei fehlerhaft gewesen. Bei dem Kläger habe schon vor der Behandlung ein erheblicher Knochenabbau vorgelegen, so dass die Planung mehr als gewagt und der Erfolg fraglich gewesen sei. Einen Paradontalstatus hätte erhoben werden müssen. Die dritte Brücke habe einen Mangel am Randschluss des Zahnes 23 aufgewiesen und hätte so nicht eingesetzt werden dürfen. Die Zähne 21, 11 und 12 seien fehlerhaft angeschliffen worden. Es sei nicht nötig gewesen, Zahn 22 in die Brücke einzubeziehen. Zahn 22 sei zudem unnötig stark eingeschliffen worden, so dass er für eine Brücke nicht mehr geeignet sei. Nachbesserungsversuche seien ungeeignet gewesen.
7Der Kläger ist weiter der Ansicht, der Beklagte zu 2. hätte ihn über das Risiko aufklären müssen, welches sich verwirklicht habe. Zudem sei er nicht über mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden.
8Zu den Folgen behauptet der Kläger, er habe von Anfang an unter Schmerzen im Oberkiefer bei Kaudruckbelastung sowie über Schmerzen am Zahnfleischsaum an den Zähnen 22 und 23 gelitten. Zudem sei es zu Spannungsschmerzen wegen der Verblockung der Brücke an Zahn 22 und 23 gekommen. Weiter habe er auch einen Druckschmerz auf den geschädigten Brückenpfeilern 16 und 27 gespürt. Der Kläger habe sich wegen des anhaltenden Schmerzenbildes ca. 1 ½ Jahre in die Behandlung des Beklagten begeben müssen und dort 50 Behandlungstermine über sich ergehen lassen müssen. Er benötige heute eine neue prothetische Versorgung. Zuvor müsse eine Paradontalbehandlung erfolgen. Die Zähne 16, 22 und 23 müssten gezogen werden. Ob Zahn 27 erhaltungswürdig ist, müsse noch geprüft werden.
9Der Kläger ist insgesamt der Ansicht, ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,00 € sei angemessen. Er ist weiter der Ansicht, ihm seien Fahrtkosten in Höhe von pauschal 150,00 € zu ersetzen.
10Der Kläger hat ursprünglich einen materiellen Schadensersatzanspruch mit 3.291,76 € beziffert. In der mündlichen Verhandlung vom 31.1.2008 hat der Kläger diesen Antrag insoweit in einen Feststellungsantrag geändert.
11Der Kläger beantragt nunmehr,
12- die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger aus Anlass der Zahnbehandlung ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, mindestens jedoch 10.000,00 €,
- festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus Anlass der Zahnbehandlung zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten beantragen,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagten behaupten, die Gutachter Dr. C und Dr. X hätten bestätigt, dass die Prothetik in technischer Sicht nicht zu beanstanden sei. Dem Beklagten seien auch keine Planungsfehler vorzuwerfen. Der Kläger habe immer nur über Probleme am Zahnfleisch und auf der Gaumenseite bei den Zähnen 22 und 23 geklagt. Ein Druckgefühl habe damit in Verbindung gestanden. Um weitere Beschwerden hätte man sich nach Angaben der Beklagten später kümmern sollen. Eine andere Behandlung hätte der Kläger nicht zugelassen. Die Beklagten behaupten weiter, die Beschwerden des Klägers seien nicht objektivierbar. Der Beklagte zu 2. habe sich kulanterweise zur Anfertigung neuer Brücken bereit erklärt. Die Beschwerden des Klägers könnten jedoch nicht durch Zahnentfernung und/oder eine neue Teleskoparbeit behoben werden. Die Schmerzen beruhten letztlich darauf, dass der Kläger über Monate ein gelockertes Provisorium getragen habe. Soweit der Kläger über ein Spannungsgefühl geklagt habe, sei dies bei neuen Brücken normal. Im Übrigen sei es richtig gewesen, Zahn 22 mit in die Planung einzubeziehen. Die Beklagten hätten auch den Knochenrückgang beim Kläger gesehen. Gleichwohl sei Zahn 27 ausreichend fest verankert und vital gewesen. Ein herausnehmbarer Zahnersatz sei keine wirkliche Alternative gewesen. Mit dem Kläger sei aber über eine Prothese mit Gaumenplatte gesprochen worden. Die Beklagten haben den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben, da die Brücke mit weniger Einschränkungen verbunden sei und der Kläger eine Gaumenplattenprothese nicht gewollt hätte. Die Beklagen behaupten schließlich, die "via falsa" sei sofort erkannt und richtig behandelt worden.
17Die materiellen Schäden, die der Kläger ursprünglich geltend gemacht hat, sind dem Grunde und der Höhe nach bestritten worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.
19Der Kläger hat beim Amtsgericht Unna ein selbständiges Beweissicherungsverfahren eingeleitet. Die Akten 14 H 8/06 sind zu Beweiszwecken beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Das Amtsgericht Unna hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. S sowie eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt. Wegen des Ergebnisses kann auf die Kopie der Gutachten vom 9.8 2006 (Bl. 19 f. d.A.) und die ergänzende Stellungnahme vom 24.1.2007 (Bl. 38 f. d.A.) Bezug genommen werden.
20Die Kammer hat weiter Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 31.1.2008. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann insoweit auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen werden.
21Entscheidungsgründe:
22Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger kann von den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € sowie die Feststellung einer Haftung dem Grunde nach verlangen, und zwar gemäß §§ 611, 249, 253 BGB bzw. §§ 823, 253 BGB. Die darüber hinausgehende Klage war unbegründet.
23Die Kammer geht nach der Beweisaufnahme davon aus, dass die ursprüngliche Planung noch nicht behandlungsfehlerhaft war. Ein Behandlungsfehler liegt nur dann vor, wenn eine ärztliche Maßnahme vom fachärztlichen Standard abweicht. Der Sachverständige Dr. S hat in der mündlichen Verhandlung jedoch nach ausführlicher Erörterung erläutert, dass die Planung von 2 Brücken im Oberkiefer für den Kläger ursprünglich gewagt war. Fehlerhaft wollte der Sachverständige diese Planung nicht nennen. Mit dieser Bewertung steht der Sachverständige in Übereinstimmung mit den kassenärztlichen Gutachtern Dr. C und Dr. X. Beide haben ebenfalls die Prothetik nicht als fehlerhaft beschrieben, sondern sich allein darauf bezogen, dass diese Planung gewagt gewesen sei. Diese Wertung genügt der Kammer nicht, um einen Behandlungsfehler anzunehmen.
24Die Kammer geht insoweit jedoch von einem Aufklärungsfehler aus. Der Beklagte zu 2. hat den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass hier eine Behandlungsalternative in Form einer Teleskopprothetik in Betracht gekommen wäre und diese Behandlungsalternative sogar vorzuziehen gewesen wäre. Der Sachverständige hat bereits in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass hier Planungsalternativen hätten angedacht werden müssen. Er hat ausgeführt, dass aus den vor Behandlungsbeginn angefertigten Röntgenbildern unzweifelhaft hervorgeht, dass an beiden endständigen Brückenpfeilern bereits ein erheblicher Knochenabbau zu verzeichnen war. Insbesondere die vordere Wurzel des Zahnes 16 stand kaum noch im Knochen. Sowohl an Zahn 16 als auch an Zahn 27 war die Wurzelteilung erreicht. Der Sachverständige hat insoweit zwar dem Beklagten zugestimmt, dass beide Zähne fest gewesen sind. Er hat jedoch auch betont, dass ein in seinem Fundament geschwächter Zahn für sich allein möglicherweise symptomlos ist, jedoch häufig die Toleranz- bzw. Schmerzschwelle überschritten wird, wenn diese Zähne dann plötzlich weitere Lasten zu tragen haben.
25In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige erläutert, dass er hier dem Patienten eine Teleskoparbeit angeraten hätte. Dies wäre nach Angaben des Sachverständigen die Alternative gewesen, die man dem Patienten dringend hätte empfehlen müssen. Es bestand die Gefahr, Zahn 16 zu verlieren. In diesem Fall wäre die Anfertigung der gesamten Brückenarbeiten wertlos gewesen. Hingegen hätte eine Teleskoparbeit jederzeit insoweit auch erweitert werden können. Wenn Zahn 16 gefehlt hätte, so hätte man nicht mehr auf der Brückenkonstruktion weiterarbeiten können und alles neu anfertigen können. Es hätte daher insbesondere wegen der sehr schlechten Zahnsituation beim Kläger eigentlich nicht mehr zur Anfertigung von Brücken geraten werden können. Der Sachverständige hat vielmehr erklärt, dass man dies ausführlich mit dem Patienten hätte besprechen müssen, den Patienten insoweit hätte aufklären müssen und nur auf weiteres nachdringliches Beharren des Patienten die Brückenkonstruktion hätte wählen dürfen.
26Eine solche Aufklärung hat zur Überzeugung der Kammer nicht stattgefunden. Den Beklagten ist der insoweit ihnen obliegende Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht gelungen. Die Beklagten haben zwar schriftsätzlich vorgetragen, mit dem Kläger sei zumindest über eine gaumengetragene Prothetik gesprochen worden. Selbst das konnte die Kammer jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht feststellen. Nach der Anhörung der Parteien geht die Kammer vielmehr davon aus, dass ein wirkliches Gespräch mit dem Kläger über etwaige Behandlungsalternativen nicht stattgefunden hat. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung glaubhaft erläutert, dass nur über eine Brückenkonstruktion gesprochen worden ist. Der Beklagte zu 2. hat selbst auch nur erklärt, mit dem Kläger über eine Brückenkonstruktion gesprochen zu haben. Er hat zwar angegeben, dass er möglicherweise auch in einem Nebensatz eine festsitzende Prothetik erwähnt hätte. Darauf wollte sich der Beklagte zu 2. jedoch selbst nicht festlegen. Eine Dokumentation findet sich hier auch nicht. Insgesamt wäre eine solche Erwähnung in einem Nebensatz auch nicht ansatzweise ausreichend, um dem Kläger die Schwierigkeiten der Brückenkonstruktion nahe zu legen und ihm dringend zu einer Teleskopprothetik zu raten, wie es nach Angaben des Sachverständigen erforderlich gewesen wäre.
27Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger sich auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung für die Teleskoparbeit entschieden hätte. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung erklärt, er hätte dann erst einmal gar nichts machen lassen. Davon geht die Kammer jedoch nach Anhörung des Sachverständigen nicht aus. Der Sachverständige hat erläutert, dass hier ein dringlicher Behandlungsbedarf beim Kläger gegeben war. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger dies auch eingesehen hätte, wenn man ihm dies ordnungsgemäß erläutert hätte. Im Übrigen hat der Kläger sich heute auch auf eine Teleskopprothetik eingelassen. Insgesamt muss die Kammer daher unterstellen, dass der Kläger sich bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung durch den Beklagten bereits von Beginn an für eine Teleskopprothetik entschieden hätte.
28Im Rahmen der Planung war es fehlerhaft, Zahn 22 einzubeziehen. Der Sachverständige hat zur Überzeugung der Kammer erläutert, dass Zahn 22 so vorgeschädigt war, dass er nicht belastbar war. Er war zudem zur Kaukraftverteilung nicht geeignet. Im Übrigen sprach gegen eine Einbeziehung von Zahn 22, dass dies zu einer exzentrischen Belastung geführt hat. Während die Brücke von Zahn 23 bis Zahn 27 gerade gestaltet war, kam mit Einbeziehung von Zahn 22 eine gekrümmte Belastung hinzu. Im Übrigen war Zahn 22 nur noch sehr klein, so dass es insgesamt nicht sachgerecht war, Zahn 22 überhaupt mit einzubeziehen. Der Sachverständige hat erläutert, dass bei Zahn 22 vielmehr eine Einzelkrone hätte angefertigt werden müssen. Die Kammer geht insoweit auch davon aus, dass die Einbeziehung von Zahn 22 grob fehlerhaft war. Ein grober Fehler liegt dann vor, wenn die Vorgehensweise des Beklagten aus medizinischen Gründen nicht mehr verständlich war und gegen elementare Behandlungsstandards verstoßen hat. Der Sachverständige hat zur Überzeugung der Kammer erläutert, dass er es nicht verstanden hat, warum Zahn 22 mit einbezogen wurde. Auf den Vorhalt des Beklagten zu 2., wonach möglichst viele Stützpfeiler mit einzubeziehen sind, hat der Sachverständige die Fehlerhaftigkeit dieser Vorgehensweise betont. Der Sachverständige hat erläutert, dass man nicht in jedem Fall für jeden fehlenden Zahn einen Pfeilerzahn haben muss. Dies sei lediglich eine Faustregel, für die es zu viele Ausnahmen gibt. Eine solche Ausnahme liegt auch im Fall des Klägers hier vor.
29Einen weiteren Behandlungsfehler sieht die Kammer darin, dass der Beklagte zu 2. bei der Anfertigung der zweiten und dritten Brücke die Planung nicht geändert hat. Der Sachverständige hat erklärt, dass man spätestens bei der Anfertigung der zweiten Brücke nicht mehr das ursprüngliche Konzept verwenden durfte. Er hat erläutert, dass es nicht mehr sachgerecht war, bei den Beschwerden, die vom Kläger geltend gemacht wurden, an der ursprünglichen Konzeption festzuhalten. Vielmehr wäre es spätestens bei Anfertigung der zweiten Brücke geboten gewesen, die Planung grundsätzlich umzustellen. Dass dies auch bei Anfertigung der dritten Prothetik nicht erfolgt ist, wertet die Kammer als groben Behandlungsfehler. Es ist nach Angaben des Sachverständigen unverständlich, dass in dieser Situation immer noch nicht reagiert worden ist. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst angegeben hat, in der ganzen Zeit über Schmerzen geklagt zu haben. Der Sachverständige hat erklärt, dass die von ihm geschilderten Schmerzen glaubhaft sind. Soweit der Beklagte zu 2. sich darauf beruft, der Kläger habe vorrangig Zahnfleischbeschwerden an Zahn 22 und 23 geklagt, so hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass man dort wahrscheinlich die Beeinträchtigungen optisch gesehen hat und von daher der Kläger hierauf ein besonderes Gewicht gelegt hat. Die Beklagten haben jedoch im Rahmen der Klageerwiderung selbst vorgetragen, dass der Kläger auch über weitere Beschwerden geklagt hätte, denen zuerst noch nicht nachgegangen werden sollte. Damit haben die Beklagten selbst eingeräumt, dass auch weitere Beschwerden vom Kläger geltend gemacht worden sind. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass auch in der Beschwerde des Klägers gegenüber der Krankenkasse vor Einholung des ersten Gutachtens über Spannungsschmerzen geklagt worden ist.
30Einen weiteren Behandlungsfehler sieht die Kammer in der Kürzung der Brücke an Zahn 23. Der Sachverständige hat bereits in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass der Randschluss fehlerhaft war und die Prothetik so nicht hätte eingesetzt werden dürfen. Der Beklagte hat insoweit selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, dass man fachgerecht so nicht hätte vorgehen können. Er hat diese Vorgehensweise damit gerechtfertigt, dass es ein Versuch war, um die Beschwerden des Klägers zu mindern. Er hat weiterhin ausgeführt, dass dies nach eigenen Angaben kein Endzustand sein kann. Gleichwohl bleibt der Randschluss an Zahn 23 bei der dritten Prothetik fehlerhaft. Da die Brücke jedoch ohnehin nicht brauchbar war, hat sich dieser Fehler jedoch beim Kläger nicht weiter ausgewirkt.
31Weitere Behandlungsfehler konnte die Kammer nicht feststellen. Die Zähne sind nicht fehlerhaft eingeschliffen worden. Soweit der Kläger geklagt hat, dass die Zähne zu stark eingeschliffen worden sind, liegt hierin kein Behandlungsfehler. Der Sachverständige hat erklärt, dass insoweit Einschleifmaßnahmen notwendig waren. Diese Einschleifmaßnahmen wären auch bei einer Teleskopprothetik erforderlich gewesen. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass es hier möglicherweise zu einem Schleiftrauma gekommen ist. Auch hierin liegt jedoch kein Behandlungsfehler. Der Sachverständige hat erklärt, dass auch bei ordnungsgemäßer Vorgehensweise ein Schleiftrauma nicht immer vermieden werden kann. Ein Behandlungsfehler liegt nicht vor, wenn es zu einem solchen Schleiftrauma kommt.
32Die Kammer konnte auch keinerlei Fehler bei der Wurzelbehandlung feststellen. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass es indiziert war, eine Wurzelbehandlung an den Zähnen 22 und 23 vorzunehmen. Diese Wurzelbehandlung ist nach Angaben des Sachverständigen höchstwahrscheinlich auf die Einschleifarbeiten zurückzuführen gewesen. Da die Einschleifarbeiten jedoch nicht fehlerhaft waren und ohnehin erforderlich gewesen wären, ist die Wurzelbehandlung mithin nicht auf einen Fehler des Beklagten zurückzuführen.
33Die Kammer konnte auch keinen Fehler bei der Ausführung der Wurzelbehandlung feststellen. Der Sachverständige hat erklärt, dass der Wurzelkanal selbst ordnungsgemäß gefüllt ist. Soweit es bei der Wurzelbehandlung zu einer "via falsa" gekommen ist, so ist dies eine Komplikation, die nicht immer vermeidbar ist. Ein Rückschluss auf einen Behandlungsfehler kann nicht gezogen werden. Der Sachverständige hat zwar erklärt, dass es bei dem vorderen Zahn 22 in der Regel keine Probleme gibt und eine "via falsa" dort eher selten ist. Nichtsdestotrotz kann es jedoch auch bei dem einfach gelagerten Fall zu einer "via falsa" kommen, ohne dass es den Rückschluss auf einen Fehler zulässt.
34Die Kammer muss schließlich davon ausgehen, dass diese "via falsa" ordnungsgemäß behandelt worden ist. Der Sachverständige hat erklärt, dass er auf Bildern, die nach der Wurzelbehandlung angefertigt worden sind, die "via falsa" erkennen kann und ebenfalls erkennen kann, dass diese ordnungsgemäß gefüllt war. Daraus ergibt sich, dass die "via falsa" vom Beklagten ordnungsgemäß behandelt worden ist.
35Die Tatsache, dass es später zu einer Fistel in diesem Bereich gekommen ist, lässt ebenfalls keinen Rückschluss auf einen Fehler zu. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass man nicht sagen kann, ob die Fistel im Zusammenhang mit der "via falsa" oder mit dem eigentlichen Wurzelkanal steht. Davon unabhängig kann jedoch in beiden Fällen nicht auf einen Fehler geschlossen werden. Selbst bei ordnungsgemäßer Behandlung ist nicht auszuschließen, dass sich im Nachhinein noch eine Fistel bildet. Eine Fistel ist nach Angaben des Sachverständigen nicht immer vermeidbar.
36Soweit der Kläger schließlich über Schleimhautbeschwerden an Zahn 23 geklagt hat, so kann mit hinreichender Sicherheit eine Ursache hierfür nicht mehr gefunden werden. Der Sachverständige hat erklärt, dass die Ursache möglicherweise im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Wurzelbehandlung gestanden haben kann. Der Kläger klagt jedoch auch heute noch über Schleimhautbeschwerden in diesem Bereich, ohne dass heute noch eine Ursache nach Angaben des Sachverständigen feststellbar ist. Es kann mithin nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch seinerzeit bereits ohne objektivierbaren Grund über Beschwerden an dieser Stelle geklagt hat. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass viele Patienten, die tote Zähne haben, ohne Grund über Schmerzen klagen.
37Die Kammer geht auf dieser Grundlage davon aus, dass es bei dem Kläger zu kausalen Schäden gekommen ist. Die Kammer legt dabei zugrunde, dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Kläger sofort eine Teleskopprothetik hätte anfertigen lassen, die nach einigen Wochen zum Behandlungserfolg hätte führen können. Dem Kläger wäre damit eine Vielzahl von Behandlungsterminen zur Anfertigung der ersten, zweiten und dritten Brücke erspart geblieben. Weiterhin wären dem Kläger Kaudruckschmerzen und Spannungsgefühle, unter denen er bis zur Neuversorgung gelitten hat, erspart geblieben. Die Kammer hält auf dieser Grundlage ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt von 3.000,00 € für ausreichend und angemessen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes konnte die Kammer nicht berücksichtigen, dass die Zähne eingeschliffen werden mussten und dass es zu einer Wurzelbehandlung gekommen ist. Der Sachverständige hat erläutert, dass die Einschleifmaßnahmen auch bei der Teleskopprothetik in diesem Umfang erforderlich gewesen sind. Soweit die Wurzelbehandlungen mithin auf das Einschliefen zurückzuführen sein sollten, wären diese auch bei der Planung einer Teleskopprothetik entstanden. Insoweit können schließlich auch die Beschwerden an Zahn 22 und 23 sowie die Fistelbildung nicht auf einen Fehler der Beklagten zurückgeführt werden. Diese Beschwerden stehen ursächlich vielmehr im Zusammenhang mit der ohnehin stark geschädigten Zahnsubstanz beim Kläger, den Einschleifmaßnahmen und der Wurzelbehandlung. Soweit der Kläger ein über 3.000,00 € hinausgehendes Schmerzensgeld begehrt, war die Klage insoweit abzuweisen.
38Der Kläger hat Anspruch auf eine Feststellung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach für materielle Schäden. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 31.1.2008 die Klage geändert hat, musste die Kammer über den Zahlungsantrag für materielle Schäden nicht mehr entscheiden.
39Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO.
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