Urteil vom Landgericht Dortmund - 22 O 94/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger nach einem Streitwert in Höhe von 11.276,80 € auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger nahm bei der Beklagten eine Fahrzeugteilversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 € sowie eine Fahrzeugvollversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,00 € für seinen Pkw.
3Er behauptet, der Pkw habe am 26.07.2006 gegen 23.00 Uhr auf der Straße "B" einen Motorschaden durch eindringendes Wasser erlitten. Nachdem er eine Kuppe genommen habe, habe er eine 40 – 50 cm hohe Wasserwelle bemerkt. Ein Ausweichen sei nicht möglich gewesen. Am Morgen danach habe er versucht, den Motor zu starten. Dies sei nicht gelungen. Das Fahrzeug sei dann zur E-Niederlassung in der X-straße zur Schadensfeststellung verbracht worden.
4In einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen DEKRA-Gutachten vom 11.08.2006 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 26 d. A.) wird in der Rubrik Schaden-Beschreibung festgehalten:
5"Das FZ ist in mehreren Bereichen beschädigt. Wasserstand im Innenraum. Elektrische Bauteile sind beschädigt. Der Motor hat Wasser angesogen und sitzt fest. Wasser steht im Brennraum. Das Getriebe konnte nicht überprüft werden. Leichte Hageldellen sind auf dem Dach sowie auf dem Heckdeckel."
6In der schriftlichen Schadenanzeige vom 18.08.2006 (Anlage B 2 zur Klageerwiderung, Bl. 61 d. A.), die der Agent der Beklagten J nach den Angaben des Klägers fertigte, wird das Schadenereignis wie folgt geschildert:
7"Ich bin mit dem Kfz gefahren. Dabei kam mir am Scheitelpunkt der hügeligen Straße durch Unwetter bedingt Regenwasser entgegen. Mein Kfz konnte ich danach nicht mehr starten."
8Die Beklagte stellte mit Schreiben vom 05.09.2006 weitere Fragen zum Geschehen. Wegen dieses Schreibens und der weiteren darauf erfolgten Korrespondenz zwischen der Beklagten und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers wird auf die Anlagen zur Klageschrift, Bl. 6 ff. d. A. Bezug genommen.
9Der Kläger beziffert seine Ansprüche wie folgt:
10- Er behauptet den Wiederbeschaffungswert mit 14.000,00 €.
Nach Abzug des Restwertes in Höhe von 5880,00 € verlangt er aus dieser Position 8.120,00 €.
12- Er macht ferner den Betrag aus der Rechnung der E in F vom 28.08.2006, welche die Abschleppkosten der Fa. Y beinhaltet, geltend, 1.415,58 €.
- Der Kläger verlangt eine Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage á 65,00 € = 910,00 €.
- Zudem macht er eine Kostenpauschale mit 25,00 € geltend.
- Letztlich macht er Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 806,22 € geltend.
Der Kläger beantragt daher,
17die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.276,80 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.12.2006 zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hält die Angaben des Klägers für nicht plausibel. Die von dem Kläger behauptete "Senke" existiere nicht. Es sei physikalisch nicht möglich, dass dem Kläger eine Wasserwelle am Scheitelpunkt einer Kuppe entgegengekommen sei.
21Die Beklagte beruft sich ferner auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung (Falschangaben zum Ereignis, Nichteinhaltung der Wochenfrist, Verschweigen eines Vorschadens).
22Sie behauptet, dass die in dem DEKRA-Gutachten kalkulierten Eckdaten zutreffend seien (danach Wiederbeschaffungswert 11.800,00 €). Sie meint, die weiteren Schadenspositionen seien in der Fahrzeugversicherung nicht versichert. Die Untersuchungskosten in der E-Niederlassung seien angefallen, weil der Kläger der Werkstatt fehlerhafte bzw. keine Angaben zum Schadenverlauf gemacht habe. Daraufhin seien in der Werkstatt neue Teile verbaut worden. Erst später habe sich herausgestellt, dass durch den Wasserschaden ein Motorschaden eingetreten sein soll.
23Die Beklagte weist darauf hin, dass der Kläger von der Klageforderung nicht die vereinbarte Selbstbeteiligung in Abzug brachte.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die zulässige Klage ist unbegründet.
26I.
27Die Beklagte ist wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei, § 7 I (2) S. 4, V (4) AKB, § 6 Abs. 3 VVG. Nach den Regelungen in § 7 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Wird eine dieser Obliegenheiten in der Fahrzeug- oder Kraftfahrtunfallversicherung verletzt, so besteht Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG. Die Wirksamkeit der vereinbarten AKB unterliegt keinen Bedenken (vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Auflage, vor § 1 AKB Rn. 1, 2; OLG Saarbrücken NJOZ 2005, 2870).
28Der Kläger hat – seinen eigenen Sachvortrag zugrunde gelegt – in der Schadenanzeige falsche Angaben gemacht. So hat er zuletzt erklärt, er sei schon 500 – 1000 m über die Kuppel hinweg gewesen, als er auf das Wasser getroffen sei. Dies steht im unauflöslichen Widerspruch zu seiner Erklärung in der Schadenanzeige, wonach ihm das Wasser am Scheitelpunkt der hügeligen Straße entgegengekommen sein soll. Der Kläger hat für die abweichende Erklärung in der Schadenanzeige keine Erklärung anbieten können. Die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG ist mithin nicht widerlegt. Es bestehen umgekehrt Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln. So hat der Kläger auch mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 14.09.2006 vortragen lassen, die Welle habe das Fahrzeug in Höhe der Kuppe erreicht. Selbst die von dem Kläger mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2006 überreichte Skizze kennzeichnet den Abstand zwischen der Kuppe und dem Beginn der Senke nur mit 15 – 20 m. Eine freiwillige Berichtigung vorheriger unzutreffender Angaben kann in der Überreichung dieser Skizze bereits deshalb nicht liegen, weil der Kläger nicht den gesamten Sachverhalt, so wie er sich seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung darstellte, offenbarte.
29Für ein vorsätzliches Handeln des Klägers spricht ferner die weitere unzutreffende Angabe des Klägers mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2006 – welche ebenfalls eine Obliegenheitsverletzung begründet –, er sei noch 1 ½ - 2 Stunden in dem Fahrzeug verblieben, da das Wasser so hoch gestanden habe, dass er die Tür nicht öffnen konnte, ohne dass das Wasser in das Fahrzeug eindringen würde. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung war diese Schilderung, welche mit der Klageschrift wiederholt wurde, unzutreffend. Eine Erklärung hierfür hat der Kläger wiederum nicht geben können. Anhaltspunkte dafür, dass ein "Informationsversehen" für die widersprüchlichen Angaben ursächlich wurden, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein solches Informationsversehen wäre im Übrigen vor dem Hintergrund, dass es sich um einen markanten Sachverhalt handelte und aufgrund der beharrlichen Nachfragen der Beklagten, mit denen die Wichtigkeit der Angaben auf der Hand lag, auch fernliegend.
30Die Voraussetzungen der Relevanz–Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (RuS 1994, 178 = VersR 1984, 228) sind im Streitfall gegeben. Die Falschangaben des Klägers sind generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Die Beklagte ist auf eine zutreffende Schilderung des Versicherungsfalles angewiesen, weil nur eine solche sie in die Lage versetzt zu prüfen, ob eine Überschwemmung im Sinne von § 12 I c (AKB) unmittelbar auf das Fahrzeug einwirkte, was Voraussetzung für die Annahme eines Teilkaskofalles wäre; an einer Unmittelbarkeit der Einwirkung fehlt es nach herrschender Auffassung, wenn ein Fahrer das Fahrzeug in eine Überschwemmung hinein fährt (LG Lübeck NZV 2004, 206 mit Anmerkung der Schriftleitung: Merksatz "Die Kaskoversicherung zahlt nur, wenn das Wasser zum Auto kommt, aber nicht, wenn das Auto zum Wasser kommt."; OLG Karlsruhe, Schaden-Praxis 1996, 93; vgl. OLG Hamm VersR 1988, 239; OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 1419; OLG Hamm NJW-RR 1987, 279). Zwar kann das Eindringen von Wasser (sogenannter "Wasserschlag") auch einen Unfall im Sinne des § 12 II (e) AKB darstellen [wobei sodann im Einzelfall Leistungsfreiheit nach § 61 VVG in Betracht kommt (OLG Hamm aaO)]. Die Prüfung der Frage, ob ein Versicherungsfall in der Fahrzeugteil- oder der Fahrzeugvollversicherung ggfls. vorlag, war jedoch bereits im Hinblick auf die deutlich divergierende Höhe der Selbstbeteiligung von Belang. Auch die Falschangabe hinsichtlich der Dauer des Verbleibs in dem Pkw war geeignet, die Interessen des Versicherers zu beeinträchtigen. Denn hiermit wurde gleichzeitig der Zeitraum, in dem das Wasser auf den Motor einwirken konnte, grob verfälscht dargestellt. Dies konnte bei einer Überprüfung der technischen Plausibilität der Schilderung des Klägers von Belang werden.
31Dem Kläger trifft ein schweres Verschulden. Er ist über die Rechtsfolgen der Leistungsfreiheit in dem Formular Schadensanzeige ausdrücklich belehrt worden. Die Belehrung genügt den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Belehrung aus dem Schadenformular musste auch im Hinblick auf die Falschangabe des Klägers mit Schreiben vom 17.11.2006 in der Folgekorrespondenz bei den Nachfragen nicht wiederholt werden. Eine nochmalige Belehrung kann erforderlich werden, wenn der Versicherungsnehmer bei einer späteren Nachfrage den Bezug zu den Fragen der Schadensmeldung und seiner Aufklärungsobliegenheit wegen einer besonderen Fragestellung nicht ohne weiteres erkennen kann, oder eine Nachfrage nach besonders langer Zeit erfolgt und deshalb die Sorge begründet, der Versicherungsnehmer könne die ursprüngliche Belehrung nicht mehr vor Augen haben. Ob solche besonderen Umstände gegeben sind, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und hängt insbesondere auch davon ab, ob der Versicherungsnehmer ausreichende Anhaltspunkte dafür hat, sich an die frühere Belehrung zu erinnern. Jedenfalls ist es nicht geboten, die Belehrung losgelöst von den Fallumständen bei jeder Nachfrage des Versicherers zu wiederholen oder feste Fristen vorzusehen, nach deren Ablauf jeder Nachfrage eine erneute Belehrung beizufügen ist (BGH VersR 2007, 663; OLG Hamm NversZ 2001, 271). Danach war vorliegend eine erneute Belehrung nicht erforderlich. Die Beklagte hat bereits mit Schreiben vom 05.09.2006 Nachfrage zu den Angaben aus der Schadenanzeige gehalten. Daraufhin hat der Kläger weitere Angaben über seinen Prozessbevollmächtigten gemacht, erstmals mit Schreiben vom 14.09.2006. Auch in der Folge gab es Nachfragen durch die Beklagte, so dass der Kläger hinreichenden Anlass hatte, sich der Belehrung zu erinnern.
32II.
33Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers vermag die Kammer auch bereits das Vorliegen eines Versicherungsfalles in der Fahrzeugteil- oder Fahrzeugvollversicherung nicht mit der hinreichenden Sicherheit festzustellen. Beweiserleichterungen, wie in den Entwendungsfällen, kommen dem Kläger hier nicht zugute. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass auch Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Versicherungsfalles vorliegen. So liegt ein Einsatzbericht der Feuerwehr und ein DEKRA-Gutachten vor, welches einen Wasserschaden testiert. Bei einer Gesamtwürdigung vermag jedoch aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers das Gericht die sichere Überzeugung, dass der behauptete Versicherungsfall eingetreten ist, nicht zu gewinnen.
34Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Leistungsfreiheit nicht auf weitere Obliegenheitsverletzungen stützen kann. Eine Verletzung der Anzeigepflicht kann bereits nicht festgestellt werden, weil der Kläger nach seinem unwiderlegten Vortrag unmittelbar nach dem behaupteten Schadensfall den Versicherungsfall dem Büro des Agenten der Beklagten J meldete, wenn auch der Agent J selbst zu dieser Zeit in Urlaub war. Dass die Anzeige des Versicherungsfalles nicht erst im August, nach der Rückkehr des Agenten J aus dem Urlaub erfolgte, ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte schon im Juli 2006 das Schadenformular versandte und am 28.07.2006 das DEKRA-Gutachten in Auftrag gab.
35Auf die Nichtangabe von Vorschäden kann die Beklagte die Leistungsfreiheit ebenfalls nicht stützen. Wie aus dem von ihr überreichten Gutachten vom 02.06.2003 hervorgeht (Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 75 ff. d. A.), handelte es sich um einen Kaskoschaden, welcher von der Beklagten selbst reguliert wurde. Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit kommt nicht in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer bei der Schadensanzeige einen Umstand verschweigt, den der Versicherer bereits positiv kennt. Hat der Versicherer einen Vorschaden im Rahmen eines laufenden, auch für die neue Schadensmeldung maßgeblichen Versicherungsvertrages über einen bestimmten versicherten Gegenstand selbst reguliert, so kennt er diesen Vorschaden in seinen Einzelheiten (BGH NJW 2007, 2700).
36Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
37Die Nebenentscheidungen beruhe auf den §§ 91, 709 ZPO.
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