Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 324/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits
nach einem Streitwert von 9.963,28 €.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Entschädigungsleistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Elektronikversicherung.
3Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Elektronikversicherung als Pauschalversicherung für elektronische Betriebseinrichtungen zu einer Versicherungssumme von 40.000,00 € bei vereinbartem Selbstbehalt in Höhe von 125,00 € je Schadensfall. Es gelten die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Elektronik-Versicherung (ABE) – Fassung Januar 1997, TV 201-04. In diesen ist u. a. bedungen:
4"§ 1 Versicherte Sachen
5(...)
62 Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, sind
7a) Datenträger (Datenspeicher für maschinenlesbare Informationen) nur versichert, wenn sie vom Benutzer nicht auswechselbar sind (z. B. Festplatten jeder Art);
8b) Daten (maschinenlesbare Informationen) nur versichert, wenn sie für die Grundfunktion der versicherten Sache notwendig sind (System-Programmdaten aus Betriebssystemen oder damit gleichzusetzenden Daten).
9(...)
10§ 2 Versicherte Schäden und Gefahren
11(...)
123 Entschädigung für versicherte Daten (§ 1 Nr. 2 b) wird nur geleistet, wenn der Verlust oder die Veränderung der Daten infolge eines dem Grunde nach versicherten Schadens an dem Datenträger eingetreten ist, auf dem diese Daten gespeichert waren.
13(...)"
14Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf den in Ablichtung bei den Gerichtsakten befindlichen Versicherungsschein vom
1531.08.2005 (Anlage K1 zur Klageschrift) sowie das Bedingungswerk der Beklagten (Anlage K2 zur Klageschrift) verwiesen.
16Am 13.02.2007 kam es im Unternehmen der Klägerin zu einem Serverausfall. Dieserhalb beauftragte die Klägerin die Fa. D GmbH mit der Suche und Behebung des Fehlers. Das von der Klägerin beauftragte Unternehmen vermutete zunächst, dass ein Festplattendefekt ursächlich für den aufgetretenen Fehler war und tauschte deshalb die Festplatte aus. Als die aufgetretenen Probleme hierdurch nicht behoben werden konnten, stellte die Fa. D GmbH nach Durchführung weiterer Ermittlungen fest, dass ein Materialfehler an einem mit dem Server verbundenen SATA-Kabel den Fehler verursachte. Nach durchgeführtem Kabelaustausch lief der Server ohne Fehlerhinweise.
17Durch den Ausfall des Servers kam es zu Schäden an dem auf dem Server befindlichen Betriebssystem sowie an den Anwendungsprogrammen, welche die Fa. D GmbH beseitigte.
18Die Fa. D berechnete der Klägerin von ihr erbrachte Leistungen unter dem 21.05.2007 mit insgesamt 9.963,28 €, deren Erstattung die Klägerin von der Beklagten beanspruchte.
19Die Beklagte lehnte die Erbringung von Leistungen ab. Die Klägerin trat der Leistungsablehnung mit Schreiben ihrer nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 27.07.2007 entgegen und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10.08.2007 zur Regulierung auf. Die Beklagte hielt an ihrer Leistungsablehnung fest.
20Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr vorprozessuales Begehren weiter.
21Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei bedingungsgemäß zur Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten verpflichtet. Die Festplatte sei durch das fehlerhafte Kabel dergestalt beschädigt worden, dass die auf ihr gespeicherten Daten sowie die auf dem Server befindliche Software nicht mehr nutzbar gewesen sei.
22Die Klägerin beantragt,
23die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.963,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.08.2007 zu zahlen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie ist der Ansicht, sie sei bedingungsgemäß nicht eintrittspflichtig, da ein Defekt der Festplatte nicht vorgelegen habe und die Reparatur beschädigter Programminstallationen nur vom Versicherungsschutz erfasst sei, wenn der Verlust oder die Veränderung von Daten ihre Ursache in einem Schaden an dem Speichermedium hätten.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die Klage ist unbegründet.
30Der Klägerin steht der klageweise verfolgte Anspruch nicht aus §§ 1, 49 ff. VVG i. V. m. §§ 1 Nr. 2, 2 Nr. 1, 9 Nr. 10 ABE zu.
31Zwar sind – worüber die Parteien auch nicht streiten – durch den Serverausfall im Unternehmen der Klägerin am 13.02.2007 Schäden an dem auf dem Server befindlichen Betriebssystem sowie an den Anwendungsprogrammen entstanden, mithin versicherte Daten im Sinne von § 1 Nr. 2 lit. b) ABE verloren gegangen bzw. verändert worden.
32Gleichwohl steht der Klägerin ein Anspruch auf Ausgleichung der ihr durch die Wiederherstellung der Daten entstandenen Aufwendungen nicht zu, da gem. § 2 Nr. 3 ABE die Beklagte Entschädigung für versicherte Daten nur verspricht, wenn deren Verlust oder Veränderung infolge eines dem Grunde nach versicherten Schadens an dem Datenträger eingetreten ist, auf dem diese Daten gespeichert waren.
33So liegt der Fall hier aber in Ermangelung einer Beschädigung oder eines Verlustes des Datenträgers, auf dem sich die versicherten Daten befanden, nicht. Die Beklagte verspricht in § 2 Nr. 1 Abs. 1 ABE im Rahmen einer Allgefahrendeckung Entschädigung für Sachschäden an versicherten Sachen durch vom Versicherungsnehmer oder dessen Repräsentanten nicht rechtzeitig vorhergesehene Ereignisse und bei Abhandenkommen versicherter Sachen durch Diebstahl, Einbruchdiebstahl, Raub oder Plünderung, also in der Sachschadensalternative Ersatz nur für Substanzbeeinträchtigungen an versicherten Sachen selbst, mithin – mangels Sacheigenschaft von Daten (vgl. insoweit allgemein Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 90 Rn. 2 m. w. N.) – nicht für den Verlust oder die Veränderung von Daten. Dies folgt – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse erkennbar – aus der Regelung in § 2 Nr. 3 ABE, in welcher der Versicherer seine Eintrittspflicht für den Verlust oder die Veränderung von Daten (nur) übernimmt, wenn Verlust oder Veränderung ihrerseits auf einem versicherten Schaden an dem Speichermedium selbst beruhen (vgl. insoweit auch Voit/Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 2 AMB 91/97 Rn. 18). Entgegen der Auffassung der Klägerin führt aber der bloße Datenverlust nicht zu einem Schaden an dem Datenträger selbst, andernfalls die Risikobegrenzung des § 2 Nr. 3 ABE ("nur") keinen Sinn machte. Ein Datenträger ist vielmehr erst beschädigt im Sinne von § 2 Nr. 1, Nr. 3 ABE, wenn er physikalisch so beeinträchtigt ist, dass er nicht mehr maschinell gelesen oder nicht mehr für die Aufnahme neuer Daten verwendet werden kann (vgl. Tita, VW 2001, 1969). Dies trifft auf die Festplatte als Speichermedium des Betriebssystems und der Anwendungsprogramme unstreitig nicht zu, nachdem schadenursächlich nicht – wie zunächst vermutet – ein Defekt der Festplatte, sondern ein Materialfehler an einem mit dem Server verbundenen Kabel war. Für derartige Fallgestaltungen bietet die sog. – vorliegend allerdings nicht in den Vertrag einbezogene – Klausel 010 Daten zu den ABE (erweiterte Datenträgerversicherung) Versicherungsschutz, nach der Beschädigung oder Verlust von Daten auch
34dann vom Versicherungsumfang umfasst sind, wenn ihnen ein versicherter Schaden an der Datenverarbeitungsanlage, durch die sie verarbeitet wurden, zu Grunde liegt (Ziff. 4 lit. a) Klausel 010 Daten, abgedruckt bei Voit/Knappmann, a. a. O., § 9 ABE Rn. 22).
35Dahingestellt bleiben kann, ob das schadhafte Kabel – wie die Klägerin meint – vom Versicherungsumfang der bei der Beklagten genommenen Elektronikversicherung im Sinne von § 1 Nr. 1 ABE umfasst war, da sich der Regelungsinhalt der Klausel nur auf den Gegenstand der Versicherung bezieht, hiermit aber noch nichts darüber gesagt ist, für welche Gefahren der Versicherer eine Risikoübernahme verspricht. Letzteres ergibt sich erst aus § 2 ABE.
36Der Klägerin steht schließlich auch kein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Fehlersuche zu, da ein bloßer Schadenverdacht nicht schon selbst Sachschaden ist und, erweist sich der Schadenverdacht als unbegründet, Kosten weder nach den ABE noch nach § 66 Abs. 1 VVG zu ersetzen sind (vgl. Voit/Knappmann, a. a. O., § 61 VVG Rn. 12; § 2 AMB 91/97 Rn. 6).
37Die Klage war nach alledem mit der sich aus § 91 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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