Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 S 59/07
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.09.2007 verkündet Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt nach einem Berufungs-streitwert von 613,84 € die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der beihilfeberechtigte Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung nach einem Ambulanttarif, der eine 30 %-ige Erstattung der unter den Versicherungsvertrag fallenden Heilbehandlungskosten vorsieht. Dem Versicherungsvertrag liegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten zugrunde, die den MB/KK 76 entsprechen. Wegen des Wortlauts der Versicherungsbedingungen wird auf Bl. 33 f. d. A. Bezug genommen.
4Der Kläger leidet an beiden Ohren unter einer Innenohrschwerhörigkeit mit hohem Diskriminationsverlust. Durch seinen behandelnden Hals-, Nasen-, Ohrenarzt ließ er sich 2 Hörgeräte OTICON Syncro BTE D VC verschreiben, die er sodann zu einem Preis von 5.163,74 € erwarb und seitdem trägt. Dem Antrag des Klägers auf eine bedingungsgemäße Erstattung der Kosten in Höhe von 30 % kam die Beklagte nur teilweise nach, indem sie einen Betrag von 935,28 € erstattete. Zur Begründung führte sie aus:
5"Sie haben Hörgeräte mit besonders hoher Qualität und Ausstattung bezogen. Die Versorgung mit derartigen Geräten ist sicherlich sehr angenehm. Doch sind solche Geräte im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit, die Grundlage des Erstattungsanspruchs ist, nicht erstattungsfähig.
6Denn medizinisch notwendig und dementsprechend ausreichend ist eine Versorgung zur Wiedererlangung des Sprachverständnisses. Diese wird aber regelmäßig bereits durch kostengünstigere Geräte erreicht.
7Deshalb haben wir Ihnen die von Ihnen bezogenen Geräte, allerdings auf der Basis hochwertiger Geräte mit der medizinisch notwendigen Ausstattung, mit 1.500,00 € je Gerät in tariflicher Höhe erstattet."
8Der Kläger, der sich nicht auf kostengünstigere Hörgeräte verweisen lassen will, hat von der Beklagten die Zahlung weiter 613,84 € sowie die Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nebst Kostenpauschale seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 58,81 € verlangt.
9Er hat im amtsgerichtlichen Verfahren beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn 672,66 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Februar 2006 zu zahlen.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat die Auffassung vertreten, dass die dem Kläger verordneten und von ihm bezogenen Hörgeräte keine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellen, weil die Versorgung mit einfacheren Hörgeräten mit zweikanaliger Hörsystematik ausreichend sei.
14Das Amtsgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. T vom 04.07.2007 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Hörgeräte, für deren Anschaffung der Kläger bedingungsgemäße Kostenerstattung verlangt, medizinisch notwendig seien, um die Hördefizite des Klägers zu mildern. Diese folge aus dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und überzeugend unter Hinzuziehung eines Hörgeräteakustikers dargelegt, dass die von der Beklagten akzeptierten preiswerteren Hörgeräte zwar in allen Bereichen dieselben positiven Ergebnisse (Hörgewinn von 20 %) erreichten mit Ausnahme des Bereichs "Verstehen bei Störschall", in welchem die vom Kläger benutzten Geräte ein Wortverstehen von 50 % erreichten, während die von der Beklagten akzeptierten preiswerteren Geräte nur ein Wortverstehen von 30 % ermöglichten. Daraus hat das Gericht auf die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung geschlossen und die anderslautende Wertung des Sachverständigen verworfen, der in der Erreichung eines Hörgewinns von 20 % die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet sieht und deshalb - da die vom Kläger verwendeten teureren Hörgeräte insoweit diesem keine Vorteile verschaffen - deren medizinische Notwendigkeit verneint hat. Das Amtsgericht hat demgegenüber darauf abgehoben, dass dem Kläger durch die verwendeten Hörgeräte beim Wortverstehen im sogenannten Störschallbereich eine bessere Hilfe zuteil wird, als durch die von der Beklagten akzeptierten Hörgeräte, so dass die vom Kläger verwendeten Hörgeräte in einem wichtigen Hörbereich eine erhebliche Verbesserung böten.
15Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie rügt eine Rechtsverletzung des angefochtenen Urteils im Sinne von § 546 ZPO durch eine fehlerhafte Auslegung des in den AVB verwendeten Begriffs der medizinisch notwendigen Heilbehandlung. Sie vertieft ihre Auffassung, dass auch die (billigeren) Hörgeräte mit einer geringeren Funktionalität als die vom Kläger verwendeten dessen Schwerhörigkeit ausreichend lindern. Das auch von der Beklagten nicht bestrittene Mehr an Funktionalität durch die vom Kläger verwendeten teureren Geräte sei gerade nicht medizinisch notwendig.
16Die Beklagte beantragt,
17das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
18Der Kläger beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Er hält an seiner Auffassung fest, dass nur die ihm verordneten Hörgeräte medizinisch notwendig im Sinne der AVB der Beklagten seien und dass es auf Kostengesichtspunkte bei der Wahl der zur Linderung seiner Schwerhörigkeit eingesetzten Hörgeräte nicht ankommen könne. Insbesondere verteidigt er die im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung, dass bereits das bessere Hörverständnis im sogenannten Störschall die medizinische Notwendigkeit für die Verordnung der angeschafften Hörgeräte bedinge.
21Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen Prof. Dr. T zur Erläuterung seines Gutachtens mündlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.05.2008, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
22II.
23Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet.
24Zu Recht hat das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Betrages von 613,84 € nebst 58,81 € nicht anrechenbarer vorprozessualer Geschäftsgebühr seines Prozessbevollmächtigten verurteilt. Unstreitig macht der zuerkannte Betrag neben dem bereits von der Beklagten erstatteten Betrag den bedingungsgemäßen Anteil aus, den die Beklagte auf die rechnerisch unstreitigen Kosten für die Anschaffung der verordneten Hörgeräte in Höhe von insgesamt 5.163,74 € zu tragen hat.
251.
26Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass die dem Kläger verordneten Hörgeräte eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellen. Dazu bestimmt § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB, dass Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen ist.
27a)
28Unter den Parteien ist nicht streitig, dass der Kläger unter einer Krankheit leidet, weil bei ihm eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit besteht. Denn eine Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand.
29b)
30Die Verordnung von Hörgeräten stellt eine Heilbehandlung im Sinne der vereinbarten Bedingungen dar, da sie vorgenommen worden ist, um die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers entweder zu beheben oder zu lindern.
31c)
32Auch die unter den Parteien streitige Frage der medizinischen Notwendigkeit der Verordnung gerade der streitgegenständlichen Hörgeräte der Marke OTICON Syncro ist entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung zu bejahen. Nach herrschender Rechtsprechung ist eine Behandlungsmaßnahme medizinisch notwendig, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGH, VersR 2006, 535 = NJW-RR 2006, 678; BGHZ 133, 208, 212 ff.; 154, 166 ff.; BGH VersR 1978, 271 unter II 1). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGHZ 133 aaO m. w. N.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern oder ihren Verschlimmerungen entgegenzuwirken (OLG Hamm, VersR 1999, 611, 321; OLG Köln, VersR 2000, 43), nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGH, VersR 2006, 535; BGHZ 133 aaO). Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als Notwendig anzusehen (BGH, VersR 2006, 535; BGHZ 133 aaO; 154, 154, 166 ff.; BGH, VersR 1979, 221 unter III; VersR 1991, 987 unter 2 a).
332.
34Gemessen an diesen Kriterien war die Verordnung der streitgegenständlichen Hörgeräte medizinisch notwendig, da die Hörgeräte geeignet sind, die beim Kläger bestehende Innenohrschwerhörigkeit zu lindern. Dies folgt - auch von der Beklagten nicht angegriffen - aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T, der sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei seiner Anhörung vor der Kammer ausgeführt hat, dass die vom Kläger eingesetzten Hörgeräte der Marke OTICON Syncro geeignet sind, dessen Innenohrschwerhörigkeit zu bessern, indem sie zu einem Hörgewinn von mindestens 20 % führen. Zudem verbessern die vom Kläger getragenen Hörgeräte dessen Wortverständnis im sogenannten Störschall.
35Im Kern des Streites zwischen den Parteien, ob die Beklagte den Kläger auf die Nutzung anderer preiswerterer Hörgeräte verweisen kann, die ebenfalls zu einem Hörgewinn von mindestens 20 % führen, allerdings beim Wortverständnis im sogenannten Störschall - wie der Sachverständige ausgeführt hat - schlechtere Ergebnisse erzielen, weil die vom Kläger getragenen Hörgeräte Störgeräusche besser filtern können als die von der Beklagten präferierten Hörgeräte, teilt das erkennende Gericht die Auffassung der Beklagten nicht, da sich hierfür keine Anhaltspunkte in den zwischen den Parteien vereinbarten und damit für die zu entscheidende Rechtsfrage maßgebenden Versicherungsbedingungen finden.
36Diese Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnis und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH, VersR 2007, 1690; VersR 2003, 454; VersR 2003, 581/84; VersR 2003, 641/2; OLG Hamm NJOZ 2006, 282). Danach haben entgegen der von der Beklagten in ihrer Leistungsentscheidung vom 14.02.2006 geäußerten Auffassung bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung Kostengesichtspunkte außer Betracht zu bleiben (BGH, VersR 2003, 581). Ein um Verständnis der Versicherungsbedingungen bemühter Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der auszulegenden Klausel aus und berücksichtigt ihren Zweck und den erkennbaren Sinnzusammenhang. Wie die Kammer bereits in ihrem Urteil vom 05.10.2006 - 2 S 17/05 - (VersR 2007, 1401) zur medizinischen Notwendigkeit einer Lasik-Operation ausgeführt hat, kann der verständige Versicherungsnehmer aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 AVB nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit ersehen, dass bei mehreren zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Behandlung einer Krankheit sich die Erstattungsfähigkeit der zu ihrer Heilung aufgewendeten Kosten auf eine bestimmte Heilbehandlung beschränkt, erst recht nicht auf eine solche, die ihm vom Versicherer vorgegeben wird. Er wird vielmehr den Begriff der medizinischen Notwendigkeit entnehmen, dass ausschließlich medizinische Gesichtspunkte berücksichtigungsfähig seien sollen und damit nur solche Kriterien heranziehen, die für die Eignung der Heilbehandlung zur Heilung oder Linderung der Krankheit maßgebend sind. Damit bleiben andere Behandlungsmöglichkeiten, die der vom Versicherungsnehmer gewählten gleich- oder gar höherwertig sind, außer Betracht und beschränken nicht dass durch die Versicherungsbedingungen eingeräumte Recht des Versicherungsnehmers, sich einer zur Heilung seiner Erkrankung geeigneten Behandlung zu unterziehen (vgl. Egger, r+s 2006, 309/312 unter Fußnote 19 zur Parallelproblematik: Implantat/nicht festsitzender Zahnersatz sowie r+s 2006, 353/360; Marlow/Spuhl, VersR 2006, 1334/6; dieselben in Anmerkung zu BGH VersR 2005, 1673; Marlow, VK 2007, 28).
37Soweit gegen diese Entscheidung der Kammer und deren Verständnis von der medizinisch notwendigen Heilbehandlung Kritik geübt worden ist (Hütt VersR 2007, 1401 in einer Anmerkung zu der zitierten Entscheidung der Kammer) mit dem Tenor, dass nicht alles, was medizinisch geeignet sei, damit zugleich medizinisch notwendig sei mit der Folge, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer - so auch die Argumentation der Versicherer in zahlreichen gleichgelagerten Versicherungsprozessen vor der Kammer - auf andere Heilbehandlungsmaßnahmen verweisen kann, die die Krankheit des Versicherungsnehmers - nach Auffassung des Versicherers - ausreichend lindern und kostengünstiger sind. Eine solche Reduzierung des Verständnisses des in den Versicherungsbedingungen verwendeten Begriffs der medizinisch notwendigen Heilbehandlung auf diejenigen Maßnahmen, die mindestens erforderlich sind, um eine vom Versicherer als ausreichend erachtete Heilung oder Linderung der Krankheit zu bewirken, lässt sich den Versicherungsbedingungen nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht entnehmen. Sie würde den Versicherungsnehmer auch vom medizinischen Fortschritt abschneiden und ihn auf einen Stand der Medizin zurückwerfen, der möglicherweise nicht einmal demjenigen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen den Parteien entspricht.
38Die Kammer sieht sich in ihrer Auslegung des Begriffes der medizinischen Notwendigkeit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat in der sogenannten Alpha-Klinik-Entscheidung vom 12.03.2003 (NJW 2003, 1596 = VersR 2003, 981) ausgeführt, dass § 1 Abs. 2 Satz 2 MB/KK 76 nur auf die "medizinisch notwendige" und nicht auf die "medizinische und notwendige", die "notwendige medizinische", die "medizinisch nur notwendige" oder gar auf die "medizinisch und wirtschaftlich notwendige" Heilbehandlung abstellt. Er hat ferner ausgeführt, dass aus Sicht des verständigen Versicherungsnehmers eine medizinisch anerkannte Heilbehandlung das qualifizierende Merkmal "notwendig" im Einzelfall nicht deshalb verliert, weil sie teurer ist als eine nach Einschätzung des Versicherers gleichwertige, aber kostengünstigere Behandlung. Zudem sei für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar, nach welchen Maßstäben die medizinische Gleichwertigkeit von Heilbehandlungen zu beurteilen sein soll. Übernehme der Versicherer die Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung, ohne für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Einschränkung, so kann er ihn grundsätzlich nicht auf einen billigeren oder den billigsten Anbieter einer Heilbehandlung verweisen, die er - der Versicherer - für medizinisch gleichwertig hält.
39Daraus folgert die Kammer für den vorliegenden Fall, dass es der Beklagten - weil in Versicherungsbedingungen nicht vereinbart - verwehrt ist, den Kläger auf Hörgeräte zu verweisen, die ihrer Auffassung nach die Innenohrschwerhörigkeit beim Kläger ausreichend beheben. Zudem erzielen die vom Kläger verwendeten Hörgeräte - wie der Sachverständige Prof. Dr. T ausgeführt hat - im Störschall beim Wortverständnis deutlich bessere Ergebnisse als diejenigen Hörgeräte, mit denen die Beklagte den Kläger ausreichend versorgt sehen will.
40Die Beklagte kann - wie bereits das Amtsgericht ausgeführt hat - die fehlende medizinische Notwendigkeit der Verordnung der streitgegenständlichen Hörgeräte nicht darauf stützen, dass - wie der Sachverständige ausgeführt hat - das maßgebende Testverfahren - Freiburger Sprachtest - zur Prüfung der Eignung und Wirksamkeit von Hörgeräten in einer schallisolierten Kabine stattfindet und unter diesen Bedingungen die vom Kläger verwendeten Hörgeräte keine besseren Ergebnisse erzielen als diejenigen, die die Beklagte akzeptieren will. Die Eignung der Hörgeräte nach dem Freiburger Sprachtest findet als Kriterium der medizinischen Notwendigkeit keinen Niederschlag in den Vereinbarungen der Parteien. Zudem simuliert das Testverfahren eine wenig lebensnahe Situation, so dass es - wie der Sachverständige ausgeführt hat - Bestrebungen gegeben hat, Testergebnisse - weil dem täglichen Leben näher kommend - im Störschall zu ermitteln, was letztlich daran gescheitert sei, dass es nicht gelungen ist, denn Störschall zu definieren und zu standardisieren. Dies kann jedoch für den um Verständnis seiner Versicherungsbedingungen bemühten durchschnittlichen Versicherungsnehmer kein Kriterium sein, an dem er die medizinische Notwendigkeit der Verordnung von Hörgeräten festmachen kann.
414.
42Da die Höhe der zuerkannten Haupt- und Nebenforderung von der Beklagten nicht angegriffen worden ist, war deren Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
44Zur Klärung der in diesem und in vielen vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten vor der Kammer aufgetretenen Fragen zur Auslegung des Begriffes der medizinisch notwendigen Heilbehandlung, hat die Kammer auf den ausdrücklichen und wiederholten Antrag der Beklagten die Revision zugelassen.
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