Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 20/08
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
dem Kläger ab 01.11.2007 aus der Berufsunfähigkeits-
zusatzversicherung Nr. ####### eine monatliche Rente
in Höhe von 843,68 € (i. W. achthundertdreiundvierzig
68/100 Euro) bis zum 01.02.2016 zu zahlen, zahlbar
im Voraus,
2.
den Kläger ab dem 01.11.2007 von der Beitragszahlung für
die Haupt- und Zusatzversicherung zur Vers.-Nr. #######
bis zum 01.02.2016 freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert
von bis zu 40.000,00 € der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger unterhält bei dem Beklagten eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Letztere gewährt im Versicherungsfall eine monatliche Rente sowie Befreiung von den Beiträgen zu den Versicherungen. Der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeitsleistungen zugrunde, auf die Bezug genommen wird.
3Der Kläger betrieb unter der Bezeichnung P Elektronik als Selbständiger ein Geschäft zum Verkauf und zur Montage von Satellitentechnik sowie zum Verkauf von Tonträgern. 2004 stellte er bei dem Beklagten Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Nach Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. T vom 07.11.2004 erkannte der Beklagte seine Leistungspflicht mit Leistungsbescheid vom 16.11.2004 rückwirkend zum 01.03.2004 an. Denn das von ihm eingeholte Gutachten hatte Beschwerden und Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der Schultergelenke festgehalten und schwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 20 kg sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten für den Kläger für unzumutbar erklärt und den Grad dessen Berufsunfähigkeit anhand einer von diesem abgegebenen Tätigkeitsbeschreibung mit 60 % beziffert.
4Der Kläger stellte danach seine Geschäftstätigkeit um. Er gab das angemietete Ladenlokal und den Verkauf und die Montage von Satellitentechnik auf und betrieb aus seinem Ein-Familienhaus heraus den Verkauf von Elektronikartikeln jeder Art. Unter seiner Firmenbezeichnung wurden im Internet über eBay Tonträger und Optikzubehör vertrieben. Im Zuge eines eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens erhielt der Beklagte Kenntnis von der Umstrukturierung des Geschäftsbetriebes des Klägers, insbesondere über den Verkauf von Elektronikartikel über eBay. Aus der Anzahl der Verkaufsbewertungen - 1.940 in den zurückliegenden 12 Monaten - sowie vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden kam er zu dem Schluss, dass der Kläger seinen Betrieb erfolgreich umorganisiert hatte und kündigte mit Schreiben vom 07.03.2007 Leistungseinstellung zum 01.05.2007 an. Daraufhin erwirkte der Kläger beim Landgericht Leipzig eine Leistungsverfügung auf Fortgewährung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, woraufhin der Beklagte seine Leistungen bis zum 30.10.2007 weiterhin erbrachte. Mit Schreiben vom 26.09.2007 kündigte der Beklagte erneute Leistungseinstellungen zum 01.11.2007 an, weil ein im Nachprüfungsverfahren eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. T ergeben hatte, dass der Kläger bis zu sechs Stunden täglich Tätigkeiten am PC ausführen, auf den Tag verteilt 3 bis 4 Stunden ein Fahrzeug führen und Lasten bis 15 kg, gelegentlich auch bis 20 kg tragen könne. Verglichen mit der beim Anerkenntnis zugrunde gelegten Tätigkeit – so die Begründung im Schreiben v. 26.9.2007- sei eine berufliche Umorganisation (Verkauf von Tonträgern und Optikzubehör über eBay) gelungen, die auch wirtschaftlich gleichwertig sei, da der Kläger 2004 und 2005 einen steuerlichen Gewinn von 21.078,00 € bzw. 15.602,00 € gegenüber 7.268,00 € im Jahre 2003 erzielt habe. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T lag dem Bescheid über die Leistungseinstellung nicht bei. Der Beklagte reichte es dem Kläger am 01.10.2007 nach.
5Der Kläger hat den Verkauf von Elektronikartikeln zwischenzeitlich aufgegeben und das Gewerbe für diesen Bereich zum 31.03.2007 abgemeldet. Für den Bereich Optik hat er das Gewerbe zum 31.01.07 abgemeldet, so dass auch im Internet unter seiner Firmenbezeichnung weder Tonträger noch Optikzubehörteile vertrieben werden.
6Mit der Klage begehrt der Kläger weitere Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung über Oktober 2007 hinaus. Er behauptet, er selbst habe im Internet über eBay keinerlei Verkaufstätigkeit entfaltet. Er könne überhaupt keinen PC bedienen. Die Tätigkeit sei von seinem Stiefsohn entfaltet worden, der die aus der Verkaufstätigkeit erzielten Gewinne an ihn abgeführt habe. Er –der Kläger- habe die Erlöse auch versteuert.
7Der Kläger beantragt,
8den Beklagten zu verurteilen,
91.
10ihm ab 01.11.2007 aus der BUZ Nr. ##### Rente in Höhe von 843,68 € längstens bis zum Vertragsende am 01.02.2016 oder, sofern er vor dem vertraglich vereinbarten Ablauf der Leistungen wieder berufsunfähig werden oder versterben sollte, bis zu diesem Zeitpunkt, zu zahlen, zahlbar vierteljährlich im voraus,
112.
12ihn ab dem 01.11.2007 von der Verpflichtung zur Beitragszahlung für die BUZ zur Lebensversicherung Nr. ##### in voller Höhe freizustellen und zwar bis zum Vertragsende am 01.02.2016 oder, sofern er vor dem vertraglich geschuldeten Auslaufen der Berufsunfähigkeitsrente wieder berufsunfähig werden oder versterben sollte, bis zu diesem Zeitpunkt.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er hat im Prozess die Auffassung vertreten, dass sich der Kläger wegen der vertraglich vereinbarten abstrakten Verweisung auf die von ihm konkret ausgeübte, seiner früheren Tätigkeit wirtschaftlich und sozial gleichwertige Tätigkeit eines Verkäufers über eBay verweisen lassen müsse.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
19Der Kläger kann von dem Beklagten Fortgewährung der Leistungen aus der zwischen den Parteien bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung über Oktober 2007 hinaus verlangen, nachdem der Beklagte mit Leistungsbescheid vom 16.11.2004 seine Leistungspflicht anerkannt hat und das von ihm durchgeführte Nachprüfungsverfahren ihn nicht berechtigt, seine bedingungsgemäßen Leistungen einzustellen.
20Sinn und Zweck sowie Ausgestaltung des in § 7 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeitsleistungen näher ausgestalteten Nachprüfungsverfahrens ergeben, dass eine Mitteilung des Beklagten, mit welcher eine Leistungseinstellung nach anerkannter Berufsunfähigkeit erfolgt bzw. angekündigt wird, nur dann wirksam ist, wenn in ihr nachvollziehbar begründet wird, warum die einmal anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll (BGH, VersR 1998, 173; KG, r + s 2006, 515; OLG Hamm, OLG-Report 2004, 59). Maßgebend im Nachprüfungsverfahren ist der Vergleich des Gesundheitszustandes, wie ihn der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt. Nachvollziehbarkeit der Versichererentscheidung setzt in der Regel voraus, dass mit ihr diese Vergleichsbetrachtung und die aus ihr abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden. Hierzu gehört, dass der Versicherer darlegt, dass die Gegenüberstellung der Ergebnisse des Gutachtens zum Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers mit den Feststellungen und Bewertungen, die er seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, eine nach den Versicherungsbedingungen maßgebliche Besserung ergeben hat (BGH, VersR 2006, 102; VersR 1999, 958; OLG Düsseldorf, zfs 1999, 387). Die Mitteilung des Versicherers muss also einen Vergleich des Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers, wie ihn der Versicherer bei seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat mit dem Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers zu dem späteren Zeitpunkt enthalten und die sich aus dieser Vergleichsbetrachtung ergebenden berufsbezogenen Folgerungen darstellen. Ferner gehört es zu den Mindestvoraussetzungen der Nachvollziehbarkeit einer Leistungseinstellung durch den Versicherer, dass dem Versicherten unverkürzt das Gutachten zugänglich gemacht wird, aus dem der Versicherer seine Leistungsfreiheit herleiten will (KG, r + s 2006, 515).
211.
22Im Gegensatz zur angekündigten Leistungseinstellung mit Schreiben vom 07.03.2007, das jegliche Vergleichsbetrachtung vermissen lässt, genügt die mit Schreiben vom 26.09.2007 angekündigte Leistungseinstellung mit der dabei angestellten Vergleichsbetrachtung den formellen Voraussetzungen des bedingungsgemäßen Nachprüfungsverfahrens. Allerdings hat der Beklagte das der Leistungseinstellung zugrunde liegende Gutachten des Prof. Dr. T nicht bereits mit dem Schreiben vom 26.09.2007, sondern erst am 01.10.2007 dem Kläger zugänglich gemacht. Dies hat zur Folge, dass bereits aus formellen Gründen eine Leistungseinstellung nicht schon - wie von dem Beklagten angekündigt - zum 01.11.2007 möglich war. Denn gem. § 7 Abs. 4 der vereinbarten Versicherungsbedingungen wird die Leistungseinstellung nicht vor Ablauf eines Monats nach Absendung der Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn des darauf folgenden Versicherungsvierteljahres. Da eine formell wirksame Einstellungsmitteilung des Beklagten erst zum 01.10.2007 vorlag und das Versicherungsjahr am 01.02. eines jeden Jahres beginnt, konnte die Leistungseinstellung des Beklagten allenfalls zum 01.02.2008 Wirksamkeit erlangen.
232.
24Auch zu dem genannten Zeitpunkt ist der Beklagte nicht berechtigt gewesen, seine Leistungen einzustellen, weil die materiellen Voraussetzungen für eine Leistungseinstellung nicht vorliegen. Denn die vom Kläger nach dem Anerkenntnis des Beklagten vom 16.11.2004 ausgeübte Berufstätigkeit ist in wirtschaftlicher Hinsicht nicht mit derjenigen vergleichbar, die er vor dem Anerkenntnis ausgeübt hat und sichert ihm somit nicht dessen Lebensstellung.
25a)
26Entgegen der von dem Beklagten in diesem Rechtsstreit vertretenen Auffassung, handelt es sich bei der von dem Kläger nach dem Anerkenntnis ausgeübten Berufstätigkeit durch Verkauf von Elektronikartikeln jeglicher Art nicht um eine anderweitige Berufstätigkeit gegenüber dem vor dem Anerkenntnis ausgeübten Beruf, auf die der Beklagte den Kläger wegen der vertraglich vereinbarten abstrakten Verweisungsmöglichkeit verweisen könnte. Denn bei einem Selbständigen bzw. mitarbeitenden Betriebsinhaber gehört die Möglichkeit der Umorganisation seiner Tätigkeit und deren erfolgreiche Durchführung zum ausgeübten Beruf und nicht zu einer Verweisungstätigkeit. Wenn es sich bei der umorganisierten Geschäftstätigkeit des Klägers um eine Verweisungstätigkeit handelte, wie der Beklagte in diesem Rechtsstreit im Gegensatz zu seiner vorprozessual geäußerten Auffassung meint -, wäre ihm die Verweisung ohnehin verschlossen, da der Beklagte den Kläger auch schon bei seinem Leistungsanerkenntnis auf die Tätigkeit eines Verkäufers im Internet hätte verweisen können und das Nachprüfungsverfahren nicht dazu dient, die beim Leistungsanerkenntnis unterlassenen Verweisungsmöglichkeiten zu einem späteren Zeitpunkt nachholen zu können Der Beruf des Selbständigen ist die Leitung des Betriebes an von ihm bestimmter Stelle und in von ihm bestimmter Art und Weise.
27b)
28Grundsätzlich muss sich der Kläger allerdings die von ihm nachträglich wahrgenommene Umorganisation seines Geschäftsbetriebes ggf. auch zu seinem Nachteil anrechnen lassen, auch wenn er nicht verpflichtet war, eine solche Umorganisation überhaupt vorzunehmen. Diese Umorganisation konnte der Beklagte bei seinem Anerkenntnis nicht berücksichtigen, da sie dem Kläger angesichts der Ungewissheit eines wirtschaftlichen Erfolges nicht hätte angetragen werden können. Mithin steht der Berücksichtigung der Umorganisation im Nachprüfungsverfahren nicht entgegen, dass etwaige beim Leistungsanerkenntnis unterlaufene Fehlentscheidungen wie z.B. eine unterlassene Verweisungsmöglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht nachgeholt werden können (Landgericht Dortmund, zfs 2008, 44; OLG Düsseldorf, NVersZ 1999, 561; OLG Oldenburg, NVersZ 2002, 117). Die grundsätzliche Möglichkeit der Berücksichtigung einer nach dem Anerkenntnis durchgeführten Umorganisation des Betriebes des Versicherten entspricht der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 der vereinbarten Versicherungsbedingungen, wonach der Beklagte im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens bei der Prüfung, ob die versicherte Person eine Verweisungstätigkeit ausüben kann, neu erworbene berufliche Fähigkeiten berücksichtigen darf. Aber ebenso wie die Verweisung des Versicherers auf eine Verweisungstätigkeit mit neu erworbenen beruflichen Fähigkeiten unter dem Vorbehalt steht, dass der Versicherte mit diesen neu erworbenen Fähigkeiten auch tatsächlich eine Beschäftigung gefunden hat (BGH, VersR 2000, 171) steht die Berücksichtigung einer nachträglich entstandenen oder wahrgenommenen Umorganisationsmöglichkeit unter dem zweifachen Vorbehalt der Zumutbarkeit für den Versicherten. Vorab ist schon zu fragen, ob es dem Versicherten überhaupt zugemutet werden darf, sich die nachträglich eröffnete Umorganisationsmöglichkeit zu seinem Nachteil anrechnen zu lassen. Dies ist zu verneinen, wenn der Versicherte diese Umorganisation durch eigene Anstrengung geschaffen hat, zu der er dem Versicherer gegenüber weder aufgrund einer vertraglich vereinbarten Obliegenheit noch aufgrund seiner Schadensminderungspflicht verpflichtet war. Eine solche überobligationsmäßige Anstrengung liegt z. B. vor, wenn der Versicherte sein Unternehmen durch erheblichen Kapitaleinsatz erweitert. Denn es wäre unbillig, den Versicherer, obwohl er an dem unternehmerischen Risiko des Versicherten nicht beteiligt ist, davon profitieren zu lassen, indem er Leistungsfreiheit erhält (BGH, VersR 1999, 958). An dieser ersten Voraussetzung scheitert die Berücksichtigung der Umorganisation des Betriebes des Klägers allerdings nicht, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Kläger für die Umorganisation überhaupt irgendeinen Kapitaleinsatz hat leisten müssen. Der zweite Vorbehalt, unter dem die Berücksichtigung einer Umorganisation eines Selbständigen steht, liegt in der Zumutbarkeit der nachträglich wahrgenommenen Tätigkeit nach Art, Umfang und sozialer Gleichwertigkeit. Daran gemessen muss sich der Kläger die durch die Umorganisation geschaffene neue Berufstätigkeit allerdings nicht entgegenhalten lassen.
29Entgegen der Auffassung des Beklagten wahrt die vom Kläger nach dem Anerkenntnis ausgeübte Berufstätigkeit im Vergleich zum Beruf des Klägers vor dem Anerkenntnis nicht in jeder Hinsicht dessen Lebensstellung. Jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht ist die soziale Vergleichbarkeit der Berufstätigkeiten vor und nach dem Anerkenntnis nicht gewahrt. Dies folgt aus einer Vergleichsbetrachtung des Einkommens des Klägers vor und nach dem Anerkenntnis des Beklagten. Dieser Vergleichsbetrachtung darf regelmäßig gerade bei Selbständigen, deren Einkommen von der Wirtschaftslage geprägten Schwankungen unterliegt, nicht lediglich ein Jahresverdienst zugrunde gelegt werden. Notwendig ist vielmehr das Abstellen auf einen repräsentativen Zeitraum. Denn die Lebensstellung wird nicht durch einen einmaligen Verdienst, sondern nur durch das über einen längeren Zeitraum hinweg tatsächlich erwirtschaftete Einkommen geprägt. Dieser Zeitraum ist immer auf den konkreten Einzelfall bezogen zu ermitteln (BGH, NJW-RR 1998, 239; OLG Saarbrücken, NJOZ 2006, 3608), und beträgt bei Selbständigen idealer Weise einen Zeitraum von drei bis vier Jahren.
30Nach den vom Kläger vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden hat der Kläger bis zum Anerkenntnis des Beklagten nachstehende Einkünfte aus selbständiger Gewerbetätigkeit erzielt:
312001: 8.274,00 €
322002: 9.500,00 €
332003: 7.268,00 €
342004: 21.079,00 €
35Durchschnittlich von 2001 bis 2004 mithin 11.530,25 €.
36Anders als der Beklagte hat das Gericht das Einkommen des Jahres 2004 der "alten" Berufstätigkeit des Klägers zugeschlagen. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für den Vergleich der unterschiedlichen Einkommenssituationen ist derjenige des Anerkenntnisses des Beklagten, welches am 16.11.2004 abgegeben worden ist. Denn die vom Beklagten zu treffende Entscheidung machte den Vergleich zweier Zustände und ihrer Auswirkungen notwendig. Maßgebend ist dabei der Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis nach § 7 der vereinbarten Bedingungen zugrunde lag mit dem Zustand zum Zeitpunkt der angekündigten Leistungseinstellung (BGH, zfs 2008, 286; VersR 1999, 958). Danach ist das Einkommen aus dem Jahre 2004 jedenfalls im Wesentlichen vor dem Anerkenntnis des Beklagten erzielt worden.
37Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide belief sich das Einkommen des Klägers aus selbständiger Gewerbetätigkeit nach dem Anerkenntnis auf folgende Beträge:
382005: 15.602,00 €
392006: 1.925,00 €
40Im Durchschnitt dieser beiden Jahre hat der Kläger mithin Einkünfte von jährlich 8.763,50 € erzielt. Da er sein Gewerbe Anfang 2007 abgemeldet hat, ist nicht davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung durch den Beklagten ein höheres Durchschnittseinkommen zu berücksichtigen wäre.
41Der gebotene Vergleich der Einkommenssituation vor und nach dem Anerkenntnis weist eine Einkommensminderung von rund 24 % aus. Damit wird die soziale Lebensstellung des Klägers in wirtschaftlicher Hinsicht nicht gewahrt. Zwar lässt sich angesichts der Bandbreite individueller Einkommen eine generelle Quote nicht festlegen, bei der eine Einkommensminderung als spürbarer wirtschaftlicher Abstieg und damit als nicht mehr zumutbar bezeichnet werden kann. Geboten ist vielmehr stets eine einzelfallbezogene Beurteilung (BGH, VersR 1998, 42; VersR 1998, 1537; OLG Brandenburg, NJOZ 2006, 4513). Angesichts des geringen Einkommensniveaus, welches der Kläger in den Jahren 2001 bis 2004 mit durchschnittlich nicht einmal 1.000,00 € monatlich erzielt hat, hält das Gericht eine Einkommensminderung um ca. 24 % für unzumutbar (vgl. auch OLG Karlsruhe, VersR 2007, 1212: Einkommensminderung von 14% bei einem Jahres-Bruttoeinkommen von etwas mehr als 40.000 € unzumutbar; OLG Hamm NJOZ 2008, 1763: Einkommensminderung von 28 % bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von ca. 2.500,00 €; NVersZ 1999, 517: Einkommenseinbuße von ca. 24 %.
423.
43Nach alledem ist der Beklagte verpflichtet, die vertraglich versprochenen Leistungen auch über Oktober 2007 hinaus weiter zu gewähren. Der Höhe nach sind die Ansprüche des Klägers unstreitig, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Antrag auf planmäßige Erhöhung der Leistungen im Hinblick auf § 5 Abs. 4 der Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung zurückgenommen hat, wonach in einer eingeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung keine Erhöhung der Leistungen stattfindet, solange wegen Berufsunfähigkeit die Beitragszahlungspflicht entfällt.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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Referenzen
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